Vor einer Woche hatten wir angekündigt, zunächst testweise die Werbung auf Sportfotos zu verpixeln. Jetzt begründen unsere Sportredakteure Andreas Rüttenauer und Markus Völker, warum es dauerhaft dabei bleibt:
Verpixelung? Was soll das Ganze eigentlich?
Zunächst gibt es ein ästhetisches Unbehagen an der überbordenden Werbung im Sport. Man könnte auch sagen: Das Ganze nervt ganz schön. Besonders anstrengend: LED-Werbebanden und Werbe-Klein-Klein auf Trikots. So etwas stört nicht nur uns, die taz-Sportredaktion. Das stört auch die Sportfans, die sich fragen, welches Primat denn gilt: das des Sports oder das der Werbung. Die Werbung im Fußball, Biathlon oder Handball ist mit den Jahren der Kommerzialisierung einfach zu aufdringlich, zu omnipräsent geworden. Da müssen intelligentere Lösungen her. Zum Beispiel: Weg mit dieser Flimmerbande. Weg mit dem Werbepatchwork auf dem Sportlertrikot.
Die Ästhetik? Das kann doch nicht alles sein?
Ist es auch nicht. Diese ästhetischen Bedenken sind eigentlich zweitrangig, wenn man sich vergegenwärtigt, dass sich die Zeitungen auf einen kostenlosen Abdruck von Werbung auf Sportfotos einlassen. Das ist unser zweiter Ansatzpunkt. Auf einem ganz normalen Sportfoto sind im Schnitt zwei bis drei Logos zu sehen, manchmal auch sieben oder acht. Die werden einfach so abgedruckt. Das geschieht unentgeltlich. Wir wollten aus dieser Verwertungskette ausscheren und sagen: Wir sind nicht mehr bereit, Eure Werbebotschaft auf Trikots und Werbebanden zu verbreiten. Es kann ja auch nicht Aufgabe einer Zeitung sein, die mit kritischer Distanz über Sport berichtet, täglich kostenlose Werbung von Vereinen und deren Sponsoren ins Blatt zu heben. Wir wollen durch die Verpixelung journalistisch noch unabhängiger werden.
Aber das halten doch bestimmt viele Kollegen für einen ziemlichen Mumpitz?
Na ja, Printkollegen loben in der Mehrheit, die vom Fernsehen eher nicht, aber die haben ja als Rechteinhaber auch ganz andere Zwänge. Im Netz wird natürlich auch kontrovers diskutiert. Da halten sich Zuspruch und Ablehnung in etwa die Waage. An unserer Aktion scheiden sich offenbar die Geister: Entweder man findet sie gut oder ziemlich daneben. Zum Teil geharnischte Kritik gibt es von der Werbewirtschaft und deren Interessenverbänden. Da sind wir dann schon mal die Vaterlandsverräter, die die Mechanismen des globalisierten Sports nicht verstanden haben und die mit dem Slogan „No Logo!“ zum Niedergang des Leistungssports in Deutschland beitragen. Man spricht auch von Effekthascherei, Populismus, Bilderstürmerei oder Verbohrtheit.
Und was entgegnen Sie denen?
Dass wir nicht die Werbung an sich abschaffen wollen und auch nicht das Sportsponsoring. Beides hat seine Berechtigung. Jedes Unternehmen ist frei darin, Millionen von Euro in den Fußball oder sonst wohin zu pumpen. Aber wir müssen die Art und die Allgegenwart der Werbung im Sport nicht gut finden. Und wir müssen uns nicht instrumentalisieren lassen, nur damit die sogenannte Reichweite, ein Parameter der Werbewirtschaft, stimmt. Es heißt ja, dass die Zeitungen und Magazine einen Anteil von 20 Prozent an der Reichweite haben – weil sie eben brav und unentgeltlich Brustsponsoren abdrucken oder gesponserte Stadionnamen im Text nennen. Das ist doch absurd. Wir glauben nicht, dass die Deutsche Fußball-Liga kostenlos mit einem taz-Logo werben würde – auch wenn es sich nur auf einem Foto befindet.
Warum wird erst jetzt verpixelt?
Gegenfrage: Warum nicht jetzt?
11 Freunde-Chefredakteur Philipp Köster fragt sich, warum die taz erst jetzt merkt, welch großen Einfluss die Werbung auf den Sport hat.
Das war uns natürlich stets bewusst. Aber wir wollten, bevor wir eine neue Aktion starten, erst unser letztes Projekt abschließen: den Kampf gegen Sicherheitsüberprüfungen von Journalisten im Vorfeld von Sportgroßveranstaltungen. Da war es ja Usus, dass sich Journalisten, wollten sie eine Akkreditierung erhalten, von Polizei und Verfassungsschutz durchleuchten lassen mussten. Wer das nicht wollte, bekam keine Akkreditierung. Bei der Frauenfußball-WM war das jetzt anders. Das ist ein Erfolg der taz und der Journalistenverbände. Und eine gute Nachricht für die Pressefreiheit.
Machen künftig auch andere Zeitungen bei der Verpixelung mit?
Nein, bis jetzt nicht. Es scheint, dass viele etablierte Medien noch nach einer Haltung zu unserer Aktion suchen. Man darf nicht vergessen, dass auch sie in der Zwickmühle stecken. Was würde denn passieren, wenn eine große bürgerliche Zeitung das „Liga total“-Logo auf der Brust von Arjen Robben verpixelt. Vermutlich würde die Telekom in dieser Zeitung nicht mehr so gerne inserieren. Da kann die taz natürlich viel freier agieren.
Wie reagieren die Bildagenturen, deren Fotos die taz verpixelt?
Die Agentur dapd hat verlauten lassen, dass sie überhaupt keine Probleme mit der taz-Aktion hat und auf eine konstruktive Diskussion hofft. Eine Bearbeitung der Bilder ist grundsätzlich erlaubt. Das Recht, das Bild nach Belieben zu bearbeiten, bezieht sich auch auf die Verpixelung.
Ist es nicht so, dass durch diese Aktion extra Aufmerksamkeit auf die Sponsoren gelenkt wird?
Es mag vereinzelt Leser geben, die wissen wollen, was Magdalena Neuner auf dem Gewehr stehen hat, aber viel wichtiger ist doch, dass sie sich nun mit der Sache selbst beschäftigen: Warum machen sich Medien zu Erfüllungsgehilfen von Vereinen und Sponsoren? Warum erwähnen TV-Moderatoren immer wieder den Sponsor-Stadionnamen? Wer ist da mit wem verbandelt? Wie schon erwähnt hat die taz-Sportredaktion nichts gegen Sportsponsoring. Das wird auch immer wieder Thema auf unseren Seiten sein, sofern es gesellschaftlich relevant und somit ein journalistisches Thema ist. Etwa, warum jetzt fast jeder Bundesligist auf Solarunternehmen steht.
Wie geht es jetzt weiter, bleibt es bei den zwei Aktionswochen?
Wir werden weiter verpixeln. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Der Aufwand der Verpixelung ist zum Glück auch nicht besonders hoch, die taz-Technik unterstützt uns hier nach Kräften.
Siehe auch
Der ehemalige Bild-am-Sonntag-Chefredakteur Michael Spreng äußert sich zustimmend zu dieser Aktion, vermutet aber, wir würden dem nun folgenden Druck der werbetreibenden Industrie auf Dauer nicht standhalten können.