Die taz hat für ihre Deutschland-Sonderausgabe ein neues Wort für die Bezeichnung „Migrant“ beziehungsweise „Mensch mit Migrationshintergrund“ gesucht. Allein hier im Blog haben sich bisher knapp 100 Leser an der Diskussion beteiligt. Der häufigste Vorschlag lautet, Migranten einfach „Menschen“ zu nennen, in eine ähnliche Richtung gehen Vorschläge wie „Deutsche“, „BewohnerInnen der Erde“ oder „Freunde“. Als Beispiel für die Begründung ein Kommentar von Justin:
Es sollte egal sein, wir sollten aufhören mit solchen rassistischen Einordnungen von Menschen. Wir sollten lieber daran arbeiten miteinander klarzukommen. Anstatt ständig über solche Dinge zu debattieren…
Und Vic meint:
Es geht nicht darum, ein anderes Etikett draufzukleben. Lassen wir das Etikett doch einfach weg. Für ein Miteinander ohne Vorbehalte.
Der Vorschlag, Migranten durchweg als „Menschen“ zu bezeichnen, ist aus meiner Sicht anti-aufklärerisch – weil es dann nicht mehr möglich wäre, die Realität zu beschreiben. Zum Beispiel schrieb ich in einem meiner Artikel auch über das staatliche Quartiersmanagement des Körnerparkkiezes in Berlin-Neukölln. In einem so genannten Quartiersbeirat können 30 Anwohner darüber entscheiden, wie eine Summe von 300.000 Euro pro Jahr verwendet wird, um den Kiez attraktiver zu machen. Über den Beirat heißt es in dem Artikel: „Migranten sind dort nur mit 24 Prozent vertreten, dabei liegt ihr Anteil in den Quartieren etwa doppelt so hoch.“
Es ergäbe keinen Sinn, stattdessen zu schreiben: „Menschen sind dort nur mit 24 Prozent vertreten, dabei liegt ihr Anteil in den Quartieren etwa doppelt so hoch.“ Es wäre auch nicht möglich, den Inhalt anders zu formulieren, ohne dabei eine Unterscheidung zwischen Migranten und Nichtmigranten zu machen. Es geht ja gerade um die Diskriminierung von Migranten – um darüber zu berichten, muss man auch selbst einen Begriff für Migranten verwenden.
Ein anderes Beispiel: In einem Kommentar von Daniel Bax mit dem Titel „Bedürftige zweiter Klasse“ heißt es: „Die Hilfe für Asylbewerber liegt rund ein Drittel unter dem, was deutschen Staatsbürgern zugestanden wird, wenn sie Hartz IV beziehen.“ Wie sollte man über dieses Unrecht berichten, ohne nicht selbst zwei unterschiedliche Begriffe für „Asylbewerber“ auf der einen Seite und für „deutsche Staatsbürger“ auf der anderen Seite zu verwenden?
In einem anderen Artikel beschrieb meine Kollegin Frauke Böger: Eine Schule in Berlin-Wedding mit einem hohen Anteil an Migrantenkindern wolle eine extra Deutschen-Klasse einrichten. Damit sollen wieder mehr Eltern aus dem deutschen Bildungsbürgertum ihre Kinder an dieser Schule anmelden – denn bisher würden diese Eltern die Schule meiden. Sie schrieb, dass Turgut Hüner, Projektleiter beim Türkischen Elternverein Berlin, dies kritisiere: „Kinder sollten nicht selektiert werden“, wird Hüner in dem Text zitiert: „Wir können an anderen Schulen sehen, dass heterogene Klassen sehr gut funktionieren, auch mit einem Anteil von über 70 Prozent Migrantenkindern.“ Auch hier zeigt sich wieder: Man könnte über den Vorgang und über die Kritik daran nicht berichten, ohne den Kern des Konfliktes zu benennen.
Egal, ob man das begrüßt oder ablehnt: Die Gesellschaft macht Unterschiede zwischen Migranten und Nichtmigranten. Die taz wird nach meiner Überzeugung auch weiterhin Begriffe benötigen, mit denen sie ungerechtfertigte gesellschaftliche Diskriminierungen von Menschengruppen beschreiben und kritisieren kann.