Immer wieder kann man in Zeitungen lesen oder im Radio hören, dass die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die wegen einer akuten Alkoholvergiftung im Krankenhaus landen, in den letzten Jahren massiv angestiegen sei. Selten jedoch kann man lesen oder hören, dass bei den Erwachsenen der Trend zum übermäßigen Suff genauso im Zunehmen begriffen ist, obwohl die Gesamtzahl der vollstationären Patienten, die wegen akuter Alkoholvergiftung in Deutschland behandelt werden mussten, sich von 2000 bis 2008 mehr als verdoppelt hat. Übermäßig saufen, so dass eine Einweisung in ein Krankenhaus notwendig wird, tun folgende Alstersgruppen gemäß Angabe des Statistischen Bundesamtes derzeit (2008) in der folgenden Reihenfolge (in Klammern: Steigerung seit 2000 in Prozent):
15-20jährige: 21.197 (+190%)
45-50jährige: 12.617 (+122%)
40-45jährige: 11.751 (+ 59%)
20-25jährige: 10.354 (+171%)
50-55jährige: 10.279 (+164%)
35-40jährige: 7.902 (+ 10%)
55-60jährige: 6.818 (+121%)
25-30jährige: 6.622 (+115%)
30-35jährige: 5.903 (+ 17%)
10-15jährige: 4.512 (+106%)
60-65jährige: 3.904 (+ 50%)
65-70jährige: 3.533 (+166%)
70-75jährige: 2.232 (+207%)
75-80jährige: 977 (+163%)
80-85jährige: 432 (+230%)
85-90jährige: 188 (+109%)
älter als 90 J.: 41 (+ 46%)
01-05jährige: 9 (– 69%)
05-10jährige: 7 (– 61%)
Einzig die unter 10jährigen sind im Jahr 2008 seltener als im Jahr 2000 in einem Krankenhaus wegen einer Alkoholvergiftung eingeliefert worden. Offenbar passen die Eltern heute besser auf ihre kleinen Kinder auf als früher, jedoch weniger auf ihre größeren Kinder.
Offenbar braucht Deutschland mehr Rauschkultur. Der Umgang mit berauschenden Mitteln muss bewusst erlernt werden. Dies erreicht man nicht durch Kampagnen gegen den Konsum von Rauschmitteln und auch nicht durch Verbote. Ich lernte zum Beispiel als siebenjähriger Junge auf der Fête des Vignerons (Winzerfest) in Vevey am Genfersee den Unterschied der verschiedenen in dieser Gegend gekelterten Weinen kennen. Die Winzerinnen an den Ständen gaben uns Kindern kleine Weinproben von Saint-Saphorin und Dézaley (aus Puidoux) und erklärten uns die Unterschiede der Weine. Zudem erklärten sie uns, weshalb man immer ein Stück Brot essen sollte, wenn man nach einer Weinprobe einen anderen Wein probieren möchte. So wurden wir Kinder sanft und liebevoll in die Weinkultur eingeführt. Heute würden sich diese Winzerinnen strafbar machen, ja in der Boulevardpresse gäbe es vermutlich fette Schlagzeilen wie »Skandal: Weinhändlerin verführt Kinder zum Saufen« und ähnliches mehr. Ja so wird durch die heutige geradezu inflationäre Verbotskultur und Überregulierung aller Dinge die Vermittlung von Kultur verhindert.