von 01.04.2011

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Was die Anzeigenabteilung bei meiner verdeckten Recherche sagt

Autobeilage der Westdeutschen Allgemeinen. Oben in der Mitte steht klein: Verlagssonderveröffentlichung
Autobeilage der Westdeutschen Allgemeinen. Oben in der Mitte steht klein: Verlagssonderveröffentlichung
“Sie können den Titelplatz hier vorne kaufen”, sagt der Mitarbeiter bei unserem Gespräch in Essen, und zeigt mir das Automagazin “Mein Auto”. Für 66.666 Euro plus Mehrwertsteuer kommt das Auto nicht nur auf die Titelseite des Magazins, sondern wird auch innen auf einer Doppelseite vorgestellt. Der Text ist dabei nicht als “Anzeige” gekennzeichnet. Auf jeder Seite steht oben nur klein “Verlagssonderveröffentlichung”.

Bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung kann man Artikel per Katalog bestellen. Der Katalog liegt schon für mich auf dem Schreibtisch bereit, als ich den Raum zu dem Gespräch mit dem Mitarbeiter betrete. “Sonderwerbeformen – Daten und Preise” steht auf dem Titel, und dahinter kommen rund 60 Seiten voller Angebote zum Kauf von Anzeigen und Artikeln. Hier eine Auswahl der Seiten zum Download als PDF (7 MB).

Aus den Verkaufsunterlagen: Das Titelbild des Automagazins plus Doppelseite im Heft kostet 66.666 Euro plus Mehrwertsteuer
Aus den Verkaufsunterlagen: Das Titelbild des Automagazins plus Doppelseite im Heft kostet 66.666 Euro plus Mehrwertsteuer
Zum Beispiel bietet die Zeitung Telefonaktionen an, bei der die Leser einen Experten anrufen können. Im Blatt steht dann: “Heute für Sie am Telefon: Unser Experte zum Thema Kaminofen.” Die Zeitung wählt als Experten aber nicht immer den aus, der sich am besten auskennt, sondern den, der zahlt – mindestens 4.680 Euro.

Auch eine Reiseseite lässt sich kaufen. In dem Katalog heißt es: “Wir unterstützen Sie! In unserer Werbeform ,Reise extra’ können Sie ihre ,klassische Anzeige’ um einen passenden PR-Text ergänzen!” Die Seite kostet 30.776 Euro.

Ich erzähle dem Mitarbeiter, dass unsere Werbeagentur auch eine Reihe von deutschen Banken berät, die sich seit der Finanzkrise Sorgen um das Image ihrer Branche machen. Ich sage, die Banken wollen nun “erklären, wo Fehler lagen, was dagegen unternommen wird, und auch die Maßnahmen der Bundesregierung zur Stabilisierung der Finanzmärkte erläutern”. Ich überreiche ihm meinen Themenplan:

Banken in Deutschland

Umfragen zeigen: Das Vertrauen der meisten Deutschen in ihre Hausbank hat durch die Finanzmarktkrise nicht oder nur wenig gelitten. Doch absurderweise ist gleichzeitig das Vertrauen in die Gesamtbranche massiv gesunken. Die Sonderthemen „Banken in Deutschland“ sollen über die Funktion von Banken in Deutschland informieren und so Vorurteile abbauen. Sie sollen erklären, was auf den Kapitalmärkten schief gelaufen ist, welche Maßnahmen jetzt ergriffen werden und welche weiteren Maßnahmen notwendig sind. Und zwar leicht verständlich und ohne dabei besondere Vorkenntnisse vorauszusetzen.

Es ist den Banken ein großes Anliegen, Aufklärungsarbeit für die Bürger zu leisten, um eine positive Stimmung zu den notwendigen Rettungsmaßnahmen der Bundesregierung zu erreichen und die Banken wieder als weithin akzeptierten Ansprechpartner bei der Geldanlage erscheinen zu lassen. Vertrauen ist schließlich das größte Kapital der Banken.

Wichtig für die Volkswirtschaft

Banken sind eine notwendige Voraussetzung für das Funktionieren einer Volkswirtschaft. Sie stellen Kapital für die Investitionen von Privatleuten und Unternehmen bereit, bieten die notwendige Infrastruktur für Geldanleger und sind auch selbst ein attraktives Anlageziel für private und institutionelle Investoren. Nachdem die Finanzkrise aus den USA nach Deutschland hinübergeschwappt war, war es daher notwenig, den deutschen Bankensektor zu stabilisieren. Nicht, um die Banken zu retten – sondern um größeren Schaden von der gesamten Volkswirtschaft abzuwenden. Dieser Zusammenhang wird bis heute oft nicht richtig verstanden. Das zeitlich begrenzte Eingreifen des Staates bedeutet aber nicht, dass die soziale Marktwirtschaft grundsätzlich in Frage zu stellen ist. Auch in Zukunft werden die Unternehmen und damit die gesamte Gesellschaft am meisten profitieren, wenn der Staat sich wieder darauf zurückzieht, die Regeln vorzugeben und nicht dauerhaft selbst zum Unternehmer zu werden. Der in Deutschland erarbeitete Wohlstand wäre ohne Wettbewerb und freie Märkte nicht möglich gewesen. Wir müssen daran festhalten, um den Wohlstand zu erhalten und weiter auszubauen.

Besonders wichtig für die Arbeit der Banken ist es, ihre Bilanzen von Problemaktiva zu bereinigen. Nur so können sie wieder ihrer eigentlichen Arbeit nachkommen und dadurch die Volkswirtschaft stärken, anstatt dass ihr Eigenkapital für die Deckung von Altlasten aufgezehrt wird.

Aus der Krise gelernt

Deutsche Banken haben die richtigen Lehren aus der Finanzmarktkrise gezogen. So haben etwa die angepassten Richtlinien zur Stärkung des Eigenkapitals der Banken ihren Anteil daran, die Banken für künftige Krisen widerstandsfähiger zu machen. Es darf nun aber nicht zu einem Wettrennen zwischen einzelnen Staaten kommen, wer die schärfsten Regeln für die Regulierung aufstellt. In dem offenen Binnenmarkt der EU, in dem die Grenzen für Personen, Unternehmen und Kapitalströme abgeschafft sind, braucht es auch einheitliche Standards für die Regulierung. Diese sollte auch in einer europäischen Behörde konzentriert werden. Auch über die EU ist es sinnvoll, sich zumindest auf eigene Grundstandards für die Regulierung zu verständigen. Dabei darf es auch nicht im Eifer des Gefechts zu einer vorschnellen Überregulierung kommen. Neben der notwendigen stärkeren staatlichen Kontrolle der Finanzmärkte darf auch die Eigeninitiative der Branche, etwa durch Institutionen zur Selbstregulierung, nicht zu kurz kommen. Eklatante Schwächen hat die Finanzkrise dagegen bei den Ratingagenturen offenbart. Eine formelle Registrierung und Beaufsichtigung dieser Branche ist unerlässlich. Die Zuverlässigkeit, Unabhängigkeit und Transparenz der Agenturen sowie ihrer Arbeitsabläufe müssen durch genaue Vorgaben festgeschrieben werden.

Unterstützung für den Mittelstand

Die deutschen Banken bleiben auch unter den schwierigen äußeren Bedingungen der Finanzmarktkrise zuverlässige Ansprechpartner für Mittelständler. Dies gilt gerade auch für deren Auslandsgeschäft. Gerade in der Finanzmarktkrise brauchen deutsche Unternehmen kompetente Dienstleister, um die sich gerade in dieser Zeit ergebenden Chancen zur Übernahme anderer Unternehmen zu nutzen und ihr Geschäftsfeld auszuweiten. Gerade Osteuropa bietet durch die Schwäche vieler lokalen Währungen und das sich dadurch ergebende stark gesunkene Lohnniveau der Arbeitskräfte eine hervorragende Möglichkeit zur Investition für viele kleine und große Unternehmen. Die deutschen Banken mit ihrem weltweiten Netz an Niederlassungen und Kooperationpartnern bieten dafür eine starke Infrastruktur. Hilfreich wäre dazu auch eine bessere Unterstützung durch die Politik, etwa durch eine verstärkte Nutzung des Förderinstruments der Exportfinanzierung.

Ich sage dem Mitarbeiter, die Banken würden keine Anzeigen schalten wollen, sondern nur für die Veröffentlichung der Texte bezahlen. Der Mitarbeiter stimmt zu. Die Kosten müsse er erst ausrechnen, sagt er. Ein paar Tage später kommt sein Angebot per Mail: “Ein vierseitiges Banken Spezial ohne Anzeigen in der Gesamtausgabe kann ich Ihnen zum Gesamtpreis von 117.500 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer anbieten.”

Was die Chefredaktion auf meine offizielle Anfrage sagt

“Die Unabhängigkeit unserer Berichterstattung ist die Grundlage für das Ansehen dieser Zeitung”, sagt der leitende Redakteur Thomas Wels mir am Telefon. Doch über die Verlagssonderveröffentlichungen verweist er mich weiter, dazu kann er nichts sagen. Diese Seiten sind nämlich übergeordnet angesiedelt, da viele von ihnen parallel auch in den Schwesterzeitungen “Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung”, “Westfälische Rundschau” oder “Westfalenpost” erscheinen. Es ist also nicht eine der Zeitungen einzeln für alle Verlagssonderveröffentlichungen zuständig. Ich frage daher bei Paul Binder an, dem Konzernsprecher der WAZ Medien Gruppe. Der teilt mir mit: “In unseren Verlagssonderveröffentlichungen können nur Anzeigen gekauft werden, keine Texte. Verlagssonderveröffentlichungen entstehen, weil Kunden ihre Anzeigen in themenaffinen Umfeldern schalten wollen. Ein Beispiel: Autoanzeigen im Umfeld von Texten zu Autothemen. Sonderseiten dieser Art sind für den Leser klar sichtbar als Anzeige oder Anzeigensonderveröffentlichung gekennzeichnet.”

Was die Zeitung nach der Veröffentlichung meines Artikels sagt

Sehr geehrter Herr Heiser,

die Verlagsgeschäftsführung NRW hat den uns betreffenden Vorgang, den Sie in Ihrem Text beschreiben, gründlich aufgearbeitet. Es ist nach unseren Erkenntnissen nicht auszuschließen, dass der Bericht der taz in Bezug auf unser Haus zutreffend ist. Die Kennzeichnung von bezahlten PR-Texten in unseren Sonderveröffentlichungen und Beilagen entspricht zum Teil nicht den Regeln, die der Verband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) aufgestellt hat, und ist juristisch nicht korrekt. Konsequenz: Wir werden zukünftig noch strenger auf die Einhaltung der ZAW-Richtlinien achten und die von unseren Kunden bezahlten PR-Texte klar und deutlich mit dem Wort „Anzeige“ kennzeichnen. Darüber hinaus gilt der Verhaltenskodex, der bei der WAZ Mediengruppe die Trennung von redaktionellem Inhalt und Anzeigen unmissverständlich regelt. Verstöße werden, bis hin zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen,

Viele Grüße

Paul Binder
WAZ Mediengruppe
– Unternehmenssprecher –

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