vonmaggie 16.11.2025

Widerhaken

Literaturkritiken. Oder: ein Versuch, nicht den Kopf zu verlieren, zwischen all den Worten die so herumirren in unserer wundervollen Welt.

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Inhalt

Ferdinand hat Bruno zwei Zähne ausgeschlagen. Brunos Eltern laden ein, die Sache „wie Erwachsene“ zu klären, kaufen Blumen, heben ein Stück Kuchen auf. Die Atmosphäre ist freundlich, zuvorkommend. Doch je länger das Gespräch geht, desto mehr entwickelt es sich in einen Schlagabtausch. Jeder Charakter trägt dazu bei, dass die Situation eskaliert. Die Gespräche drehen sich um Moral, Sitte und das Leben der anderen, Vorwürfe prasseln auf beiden Seiten nieder. Schlussendlich fallen alle Masken, es wird getrunken und gezetert, gebrüllt und geschlagen. Für die Kinder interessiert sich schon lange niemand mehr.

 

Zum Autor

Yasmina Reza 1959 in Paris geboren, wo sie aufwuchs und später an einer Schauspielschule studierte. Nach einigen Jahren des Engagements begann sie selbst zu schreiben, schon ihre ersten beiden Werke wurden in Frankreich mit Preisen ausgezeichnet. Mittlerweile ist sie eine der international am meisten gespielten zeitgenössischen Dramatikerinnen und hat ihr Repertoire auch um Prosa erweitert. Reza hat eine weitverzweigte jüdische Familie, lebt bis heute in Paris und hat zwei Kinder.

 

Hintergrund

Reza spielt mit der Weltanschauung von des Philosophen Thomas Hobbes, dass der „Urzustand“ des Menschen ein rücksichtsloses „Alle gegen alle“ sei. All dies wäre im Menschen verankert und nur durch eine dünne Schicht Zivilisation zurückgehalten. Nach Reza fällt dieser Vorhang augenscheinlich schnell – besonders dann, wenn selbstgewählte Rollenbilder tangiert werden. Das Drama ist an vielen Stellen genial – eine Situation, in die sich viele Zuschauer wohl leicht hineindenken können, betrachten die Eskalation mit Humor und Unwohlsein gleichermaßen. Es überspannt Hobbes Weltanschauung, ohne dabei unrealistisch zu wirken. Und es lädt dazu ein, sich über die ursprünglichen Motive des eigenen Handelns bewusst zu werden. Und natürlich, sich zu fragen, ob ein so negatives Menschenbild wirklich das Ende aller Wahrheit sein kann – oder ob es vielleicht, wie im Buch, von den eigentlichen Problemen ablenken könnte.

 

ISBN: 978-3-446-25886-0

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