vonWolfgang Koch 30.09.2014

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

Mehr über diesen Blog

Zur Eröffnung der aktuellen Ausstellung »arena – werk aus dem werk« am 28. September 2014 im Nitsch Museum Mistelbach hat sich der österreichische Aktionsmaler und Gesamtkunstwerker Hermann Nitsch erstmals wieder in gewohnt guter Laune gezeigt. Das war lange nicht der Fall, konnte gar nicht der Fall sein. Denn in den letzten beiden Jahren hatte der Künstler und seine Familie nicht viel zu lachen.

Zum ersten Mal war Nitsch im März 2013 Opfer geworden, und zwar eines professionellen Bandeneinbruchs in sein Weinviertler Schloß Prinzendorf, bei dem hohe Geldsummen und wertvoller Privatschmuck aus dem Familientresor verschwanden.

Als die DNA-Spuren der ermittelnden Polizei in Sand verliefen, wandte sich der Künstler an den aus der Lucona-Affaire in Österreich bekannten Privatdektiven Dietmar Guggenbichler und wurde ein zweites Mal zum Opfer, als dieser Privatschnüffler seine katastrophale Erfolglosigkeit bei der Verbrecherjagd gleich zweimal mit mit satten Honoraren abgegolten sehen wollte.

Guggenbicher bespitzelte seinen Klienten und zeigte ihn wegen mutmaßlicher Steuerhinterziehung bei Ab-Hof-Verkäufen von Bildern bei der Finanz an. Das Verbrechensopfer Hermann Nitsch war in derselben Causa tatsächlich ein zweiten Mal zum Opfer geworden, nunmehr zum Opfer eines Vertragspartners. Das ungeheuerliche Verhalten des umstrittenen Privatermittlers fügte der Berufsgruppe der Detektive in Österreich schweren Schaden zu.

Dass es bei der Anzeige um bereits geraubtes Geld ging, das da teilweise nicht versteuert gewesen sein soll, dieses Faktum schreckte die Finanzbehörde keine Sekunde. Die Republik Österreich zögerte nicht, Nitsch im März 2014 ein drittes Mal zum Opfer zu machen. Korneuburger Finanzbeamten rückten mit Boulevardpresse und FPÖ-Fernsehen im Schlepptau am Wohnsitz des Künstlers an, konfiszierten Festplatten und Büroakten. Seit dieser Razzia mit Medienbegleitung und der entsprechenden öffentlichen Häme im Anschluss ist gegen Hermann Nitsch und seine Frau Rita in Österreich ein Steuerverfahren anhängig.

Noch bei heutigen Pfingstfest war Nitsch ein gebrochener Mann, nannte Guggenbichler einen »Nazi« und dachte laut über das Auswandern aus Österreich nach. Es ist zum Glück anders gekommen: nicht Nitsch kehrte seiner Heimat den Rücken, sondern seine Kunst kehrte aus dem Ausland für eine große Schau nach Österreich zurück.

Der italienische Galerist und Sammler Peppe Mora betreibt seit 2008 mit Leidenschaft ein spektakuläres Privatmuseum in Neapel. Mora, der unter anderen den Nachlass des Theaterrevolutionärs Julian Beck sein Eigentum nennt, besitzt eine weltweit einzigartige Kollektion von Nitsch-Arbeiten.

Für Österreich hat Morra nun selten gezeigte Aktionsrelikte zu einer exquisiten Schau zusammengestellt, die bis Ende März 2015 zu sehen ist. Besonders augenfällig: neue Arrangements und Applikationen von 2012/13 im Eingangsbereich, zusammengestellt aus hölzernen Bahren, bemalten Tüchern und Blumen.

Nitsch zeigte sich zur Eröffnung dieser in Handlungen eingebeteten künstlerischen Analysen entspannt wie seit langem nicht und ließ mit witziger Sprachkritik aufhorchen. »Diese Sputnik-Typen behaupten doch andauernd, dass sie im Weltall sind«, bemängelte er. »Aber die Leute lassen sich da für dumm verkaufen! Wir alle, die Menschen, die Erde, das ist doch auch alles im Weltall«.

Das hübsche Aperçu weißt den Mikrokosmiker und Künstlerphilosophen Hermann Nitsch, bei all seiner Polemik gegen sinnesfeindliche und intellektuelle Lebenshaltungen, selbst als geistesgegenwärtigen Kopf aus.

© Wolfgang Koch 2014

Foto: nitsch museum

 

 

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/wienblog/2014/09/30/neapolitanischer-sputnik-landet-im-weinviertel/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert