vonWolfgang Koch 05.12.2020

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Die Suche nach besonderen Wahrnehmungen führt Viktor Rogy 1972 zur Erforschung der materiellen Möglichkeiten von Oberflächen, die Zeugen einer ästhetischen Kultur sind. Warum, mag der Künstler auf Schloß Damtschach in Kärnten denken, soll er seinem ehernen Kasernenbett mit der penibel gespannten braunen Rosshaardecke weniger Beachtung schenken als einem behauenen Stein? Warum soll ein Zweig vom Hollerstrauch, zu dem sich Tanzschritte assoziieren lassen, weniger Beachtung finden als eine auf Hochglanz polierte Stahlplatte?

Im Blauen Salon des Schlosses hat sich bis heute eine weiße, im Roten Salon eine schwarze Bildtafel aus Eisen aus Rogys minimalistischer Produktion erhalten, sowie eine eindrucksvolle silberne Mondsichel, über der eine geisterhafte Atmosphäre liegt.

Findet sich denn nicht im Schmuck, dem Erstgeborenen der Künste, der Keim aller anderen? Im Schmuck zeigt die Träger*in ihr Urteil über das Schöne und lässt es zu, dass sie selbst beurteilt wird. Die hostiendünne und ultraspitze Preziose der rogyzeitlichen Schmuckkunst, ein Geschenk an die Hausherrin, ist mit über 200 Einstichen auf der Rückseite perforiert, was den Eindruck eines Sternenhimmels oder eines Depeschencodes erweckt.

Sehen wir uns die weiße Tafel im Blauen Salon näher an. Die Aufgabe der Symmetrie, der geraden Linie und der ausschließlichen Frontansichtigkeit – diese Hauptanliegen des Rokoko-Klassizismus galten alle als symbolische Verherrlichungen des Monarchen. Die Ausführung des Stuckornaments im Zopfstil einer monumentalen Lyra in der Mitte des Wandfeldes erfordert eine besondere Meisterschaft, weil der frei angetragene Stuck im Prozess der Abbindung geformt werden musste und der Stuckateur sich deshalb nicht korrigieren konnte. Schon der erste Schwung musste sitzen, anderenfalls blieb nur das Abschlagen und der Neubeginn.

Das prachtvolle Feston ist gebildet aus einer ein Helios-Relief tragenden Adlerkopf-Lyra, zwei aus Spiralformen entwickelten Füllhörnern, umrankt von Bändern, deren blattartige Endungen etwas Vegetabiles ausbilden. An beiden Enden sitzen Fruchtschalen. Rogys Whiteboard-Installation deckt weniger als ein Viertel des Stucks ab, nämlich nur die eine der beiden Fruchtschalen. Er radikalisiert also die geschwungene Linienführung des monumentalen Zopfgehänges in pastellfarbenem Weiß und setzt sein Rechteck so hart über die Form, dass entweder die gegenüber dem Barock rationalisierte Formensprache dieses Klassizismus erneut als Teil einer irrational und künstlerisch empfundenen Dekor- und Ornamentwelt erscheint, oder aber sein Minimalismus wie eine Rache der verdrängten Barock-Ordnung an der Betulichkeit des Klassizismus wirken muss. Auf jeden Fall sitzt der Klassizismus in der Klemme.

Im Roten Salon finden wir etwas anderes vor. Dort eskaliert das Blackboard den räumlichen Illusionismus der Wiener Tapete, die ein in Weiß und Grau gehaltenes Fächermotiv mit regelmäßigen senkrechten Streifen zeigt. Die Tafel täuscht ein Loch in der Wand vor und versucht, in der Raumwahrnehmung weitere Verwirrung zu stiften.

Brigitte Orsini-Rosenberg, Empfängerin des Mondsichel-Geschenkes, sind Rogys Installationen in ihrem Schloss nicht wirklich geheuer; sie lässt ›Schwarzes Rechteck‹ im Roten Salon gelten, ›Weißes Rechteck‹ über dem Feston im Blauen Salon aber nach einigen Jahren wieder entfernen. »Das weiße Ding über dem harmonischen Stuck war sehr brutal. Das Objekt hat mir gefallen, aber nicht, dass es dort hängt. Wir haben es noch drei, vier Jahre gelassen und dann wieder weggegeben.« Die Platte lehnt seither verschämt hinter einem Möbel an der Wand.

© Wolfgang Koch 2020

Abbildungen: Rogy mit dem Kulturjournalisten Horst Dieter Sihler in der legendären Galerie Hildebrand, Fotograf unbekannt, © Archiv Sihler. Rogy im Garten der Lassnig-Villa in Klagenfurt, © Heinz W. Schmid 1984. Viktor Rogy, Schwarzes Rechteck im Roten Salon von Schloß Damtschach 1972, © Wolfgang Koch 2019.

 

 

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kommentare

  • Viktor Rogy: guter Mann!
    Auf‘s Buch hier hab ich mich lang und zu früh gefreut. Gendersterne, windmühlenrädergross gesetzt, den Titel aber als Buberl gelassen – warum nicht Cowgirl?

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