vonGerhard Dilger 16.09.2011

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María Fernanda Espinosa ist zuversichtlich: Für Ecuadors Kultur- und Naturerbe-Ministerin ist das letzte Wort über die visionäre Yasuní-ITT-Initiative, die Präsident Rafael Correa 2007 lancierte, noch lange nicht gesprochen. Ende des Jahres könnte Correa das Projekt, demzufolge auch die internationale Gemeinschaft für den Erhalt des Amazonas-Regenwaldes an der Grenze zu Peru zahlen soll, verlängern.

Espinosa setzt auf die „Zivilgesellschaft“, aber auch – ebenso wie UN-Generalsekretär Ban Ki Moon – auf die vormalige Klima-Kanzlerin Angela Merkel. FDP-Minister Dirk Niebel, der das Projekt aus ideologischen Gründen ablehnt, legt sich unterdessen in Brasilien für deutsche Wirtschaftsinteressen ins Zeug.

Latin@rama: Frau Ministerin, es gibt Befürchtungen, dass die ecuadorianische Regierung 2012 die Ölförderung im Yasuní-ITT-Gebiet genehmigen könnte. Sehen Sie noch eine Chance, diesen sogenannten Plan B zu verhindern?

María Fernanda Espinosa: Der Plan B war von Anfang an eine mögliche Alternative. Aber das Entscheidende ist doch, dass die Yasuní-ITT-Initiative weit über die Frage der Überweisung von Geld hinausgeht, also weit über die Frage, ob oder wer wieviel zahlt. Die Yasuní-ITT-Initiative ist von einem enormen politischen und pädagogischen Wert, und das weltweit.

Ecuador versucht der Menschheit zu sagen, dass wir neue internationale Mechanismen brauchen, um globale Gemeingüter wie die Atmosphäre zu verwalten. In dieser Hinsicht ist unsere Initiative sehr innovativ. Wir haben mit vielen Regierungen reden können und auch mit der Zivilgesellschaft – über Themen, denen die internationale Gemeinschaft ausweicht: Wer kommt für die Kosten unseres unbegrenzten Wachstums auf? Mit Verzicht auf Lebensqualität, mit Risiken, mit Unsicherheit? Die Präzisierung der Initiative geht zu einem großen Teil auf Präsident Correa zurück. Dahinter steht das neue Konzept der vermiedenen Nettoemissionen.

Tatsache bleibt: Verbindliche Finanzzusagen der Staatengemeinschaft sind Mangelware.

Ja, es ist viel weniger, als wir hofften. Die große politische Unterstützung der Idee hat sich kaum in Einzahlungen in den Treuhandfonds niedergeschlagen. Sie nehmen zwar langsam zu, aber sie kommen immer mehr von Einzelpersonen und Privatfirmen. Auf der UN-Generalversammlung wird Präsident Rafael Correa kommende Woche einen direkten Aufruf an die Staaten richten.

Die Messlatte liegt bei 100 Millionen Dollar bis Ende diesen Jahres – ist das nicht viel zu hoch?

Wir haben aber schon fast die Hälfte. Wir stehen kurz davor, mit Italien einen Schuldentausch über 35 Millionen Dollar  zu unterschreiben, die fließen in den Fonds. Dann gibt es weitere, eher symbolische Beiträge wie 100.000 Dollar von Kolumbien. Auch andere Länder sind dabei, die Dynamik der Initiative zu verstehen. Oft gibt es Befürchtungen, denn der Vorschlag bricht ja total mit der herkömmlichen Logik der Zusammenarbeit über die globalen Gemeingüter. Er führt das Prinzip der Mitverantwortung ein.

Das heißt, die derzeitige Bundesregierung stiehlt sich mit der Weigerung, Yasuní zu unterstützen, aus der Verantwortung?

Regierungen sind nicht monolithisch. Wir haben in der Bundesregierung durchaus Unterstützer, Umweltminister Röttgen zum Beispiel und selbst die Kanzlerin. Angela Merkel kennt die Initiative und hat sie unterstützt, die ersten Studien sind von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit finanziert worden.

Der UN-Treuhandfonds war eine deutsche Idee – und wir haben ihn gemacht. Auch den Vorschlag, dass die Beitragszahler im Direktorium des Fonds vertreten sein sollten, haben wir umgesetzt. Und der Bundestag hat sich einstimmig für die Initiative ausgesprochen.

Deutschland war von Anfang an dabei, Ihr Land bleibt ein wichtiger Partner. Wir hoffen auf Bewegung in der Regierung, damit unsere Beziehungen wieder besser fließen. Wir haben großen Rückhalt in der deutschen Zivilgesellschaft. Aber es hängt auch nicht alles von Deutschland ab. Es geht ja nicht nur um eine Überweisung, sondern eben um ein politisches Projekt.

Wie sieht es sonst in Europa aus?

Wir hoffen, dass Spanien seine Verpflichtung erneuert. Die Finanzkrise hat auch das Projekt getroffen, denn unsere wichtigsten Partner sind ja die Europäer. Spanien hat allen politischen Willen, aber schlichtweg kein Geld. Interessant wäre auch zu wissen, wieviel die NATO-Intervention in Libyen gekostet hat – es ist alles eine Frage der Prioritäten.

Sie sehen also auch hier die pädagogische Dimension. Die Initiative wird so lange weiterlaufen, wie sie die Zivilgesellschaft am Leben hält. Selbst jene, die dagegen sind, helfen mit. Im Pressespiegel meines Ministeriums gibt es jeden Tag Beiträge dazu.

Im Fernsehen hat Präsident Correa aber auch nicht ausgeschlossen, die Laufzeit der Initiative über 2011 hinaus zu verlängern.

So ist es. Im Kabinett gibt es ein politisches Komitee zu Yasuní-ITT, das ich leite. Dort werten wir die Fortschritte aus. Der Präsident ist sich bewusst, dass sich die Logik ändern muss. Es geht nicht darum zu sagen, soviel zahlst du, soviel konservieren wir. Aber wir müssen auch pragmatisch sein.

Das bedeutet?

60 Prozent unseres Haushalts kommt aus den Erdöleinnahmen, und wir brauchen Alternativen. Wir sind ja gerade dabei, einen Wohlfahrtsstaat aufzubauen, wie alle lateinamerikanischen Länder haben wir eine große soziale Schuld zu begleichen.

2013 wird in Ecuador gewählt, und es gibt Konflikte zwischen der Regierung einerseits und den Indígenas und der unabhängigen Linken andererseits. Was tun Sie dafür, damit Yasuní-ITT nicht in den Wahlkampf hineingezogen wird?

Wenn es etwas gibt, das uns und die Linke verbindet, dann ist es ja gerade Yasuní-ITT. Die andauernden Spekulationen über den Plan B führen zur Kritik an der Regierung. Das ist erfrischend, denn dadurch werden diese Gruppen zu Wächtern der Initiative.

Da gibt es also Übereinstimmung. Und wenn sie den Präsidenten kritisieren, wenn er den Plan B auch nur erwähnt, dann erhalten sie die Initiative am Leben. Hinzu kommt der Rückhalt von 80 Prozent der Ecuadorianer.

Danke für das Gespräch, Frau Espinosa.

Ich danke der deutschen Zivilgesellschaft für die Unterstützung.

María Fernanda Espinosa, 47, ist Ecuadors Ministerin für Kultur- und Naturerbe. Bereits als Außenministerin und UN-Botschafterin warb sie ab 2007 für die Yasuní-ITT-Initiative. Mit Latin@rama sprach sie am Rande einer UN-Umweltkonferenz in Santiago de Chile.

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