vonzwiespalt 23.11.2022

Zwiespalt der Ordnungen

Von kleinen und großen Herrschaftsverhältnissen, von Zwickmühlen der Realpolitik und den Ambivalenzen ihrer Ordnungsgrundlage.

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Dass politische Begriffe umstritten sind, ist ein Gemeinplatz. Exemplarisch gilt das für den Begriff der Demokratie. Wir haben uns angewöhnt über den Begriff der Demokratie zu streiten und ihn gleichzeitig zu benutzen. Obwohl seine Deutung umkämpft ist, verzichten wir nicht auf seine Nutzung. Immer vorausgesetzt, alles dreht sich um einen Bedeutungskern.

Mit Blick auf das Bürgergeld, das gerade auf den Weg gebracht werden soll, muss man sagen: dieser Bedeutungskern fehlt. Hätte man noch im Vorfeld (gerade so) behaupten können, dass sich eine Verbindung zur Idee des Bürgergeldes herstellen lässt, ist das nun nicht mehr möglich. Wie auch immer man dieses soziale Konstrukt nennen möchte – man verlässt den konstruktiven Streit um Begriffe, die sich um Deutungen und Schwerpunktsetzungen bemühen, wenn man weiter vom Bürgergeld redet. Jeder Rekurs auf den Begriff muss dann unter Kategorien wie Täuschung, Suggestion oder Inkonsistenz verbucht werden.

Ein kurzer reminder: der Begriff des Bürgergeldes dreht sich um den Anspruch, die Menschen von entfremdeter Arbeit zu befreien und kreative Prozesse in Gang zu setzen. Werden diese Dinge nicht erfüllt, dann geht es um etwas anderes als um das Bürgergeld.

Im Übrigen ist zu sehen, dass die CDU-Positionierungen nicht die Logik des Bürgergeldes verstanden (oder in den Blick genommen) haben. Hinweise auf >die< Gerechtigkeit bzw. Ungerechtigkeit, die entsteht, wenn einige durch >Nichtstun< bekommen, was andere sich erarbeiten müssen, sehen nicht, dass nur eine von vielen Gerechtigkeitsperspektiven herausgegriffen wird. Mehr noch aber bleibt ihnen verborgen, dass sie sich überhaupt nicht auf die Perspektive des Bürgergeldes eingelassen haben, mit der eine solche Argumentation unmöglich wäre.

Wenn man es prinzipiell ablehnt Menschen mit entfremdeter Arbeit zu konfrontieren, weil damit ihre Menschlichkeit untergraben wird, dann spielt es keine Rolle, ob infolgedessen einige >Nichtstun< oder >Vieltun<. Das ist, als würde man behaupten wollen: ob die Demokratie eine für Menschen geeignete Staatsform ist, muss davon abhängen, dass die Menschen wählen gehen. Ob die Menschen aber wählen gehen, ist eine praktische Frage, keine prinzipielle Frage.

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