vonzwiespalt 13.03.2021

Zwiespalt der Ordnungen

Von kleinen und großen Herrschaftsverhältnissen, von Zwickmühlen der Realpolitik und den Ambivalenzen ihrer Ordnungsgrundlage.

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Wer hätte gedacht, dass die CDU bei allen Erfolgen und Krisen der Pandemiebewältigung von einem Skandal heimgesucht wird, der auf einem anderen Parkett als der Pandemie selber spielt? Ein Korruptionsskandal um eine Maskenaffäre, wie es heißt, hat das Vertrauen in die CDU nun tief erschüttert. Jetzt bemüht sich die CDU natürlich um Schadensbegrenzung. So trat Ralf Brinkhaus wiederholt als moralische Instanz auf den Plan, alles Schattenhafte und auf Eigennutz Sinnende von der CDU loszusagen und auf das Schärfste zu verurteilen. Man hatte das Gefühl, der Zorn des Gerechten steht für die mehrheitliche Stimme Ehrwürdiger Vieler der CDU ein, die alle schwarzen Schafe schnell verstoßen und sich von ihnen reinwaschen wollen. Entsprechend hat Christian Hirte in einem ARD-Nachrichtenbeitrag kürzlich betont, dass man nicht die vielen hunderttausend Mitglieder der CDU vergessen dürfe, gerade auch nicht die Ehrenamtlichen, die sich aus Überzeugung für das Gute einsetzen.

Alles mögliche und wichtige Verteidigungsversuche einer schwankenden Partei. Aber ist damit auch alles schön und gut? Ich bin mir nicht sicher, ob diese Stellungnahmen wirklich hinreichen sollten, jemanden zu vertrösten. Im Gegenteil finde ich sie auch sehr irritierend und verstörend, weil sie in ihrer Orientierung und moralischen Intensität eine Sicherheit und Ordnungskonformität suggerieren, die problematisch ist. In diesem Sinne ist nicht nur Hirtes Hinweis auf die Ehrenamtlichen der CDU fehlgeleitet, weil er ja in keiner Hinsicht die Möglichkeiten der Korruption in den Blick nimmt, die sich an privilegierte Parteipositionen koppeln – vielmehr wird von dieser höchst prekären Situation durch einen Verweis auf Ehrenamtliche vielleicht sogar perfide abgelenkt. Auch Brinkhaus` moralischen Töne der Verurteilung sind ein Problem, weil sie die Botschaft mitführen, dass alles O.K. ist, wenn man derartige Einflussnahme und Korruption nur unterlässt. Natürlich hat Brinkhaus recht – großes Leid korruptionsgeplagter Länder spießt sich aus sehr offensichtlichem oder frechem Korruptionsgeschehen. Das heißt aber nicht, dass das Korruptionsproblem hier endet und es heißt nicht, dass man sich das Korruptionsproblem so zuschneiden kann, wie es einem gefällt.

Im Grunde läuft es doch so: Es gibt einen Bereich, den man als schlecht deklariert und einen, der als >legitim< gilt und unter den alles fällt, was der Begriff des Lobbyings sonst bezeichnet. Die CDUler verurteilen nun den kleinen kriminalisierten Rahmen aber stützen sich zugleich beruhigt auf ein weites Feld diverser Lobbyismen. Als Argument wird gebracht, dass es sich hier um einen unerlässlichen Beitrag einer gesunden Demokratie handelt, der als zivilgesellschaftliche Programmierung der Politik gewertet wird.

Natürlich können sich bei so einer These viele Aktivisten, Armutsforscher und Leute aus der (nicht Status-quo-orientierten) Demokratietheorie nur an den Kopf greifen, weil das Lobbying in vielen seinen Formen als eine der ersten Ursachen für die wachsende Armutskluft in West-Staaten und als erstes Problem einer mangelnden demokratischen Einflussnahme auf Politik gilt. Das leuchtet schnell ein, wenn man das auf die Formel bringt, die nicht immer, aber oft stimmt: je mehr Einfluss große Unternehmen (als Geldgeber, Strippenzieher etc.) auf Parteien und Politiker haben, umso weniger Einfluss hat der gesellschaftliche Rest – und dieser Einfluss ist in den letzten Jahrzehnten, so würde viele betonen, noch einmal stark angewachsen.

Das Problem ist hier bereits das, dass es für die Parteien möglich ist, in der Öffentlichkeit so zu reden, als könne man die phänomenalen Probleme des Lobbyismus im Interesse der Demokratie verkaufen. Auf der anderen Seite wird ein Spektrum an Aktivitäten auf das schärfste verurteilt und dafür benutzt, die eigene Ehrwürdigkeit zu zelebrieren. Damit wird die ethisch-politische Kritik, die dabei offenliegen und öffentlich mobilisiert werden könnte, geschickt ausgetrickst. Dass die CDU gegenwärtig alle substantiellen Maßnahmen gegen den Lobbyismus abwehrt, lässt sich als Beleg in diese Richtung deuten. Man wird den Eindruck nicht los, dass einige schwarze Schafe immer wieder gegen strukturelle Probleme ausgespielt werden.

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