Ich habe in Damaskus schon lange nicht mehr so gut geschlafen, wie während der vorletzten Woche dort. Unsere Wohnung am Hang des Kassioun ist in Ordnung, liegt aber ebenerdig an einer bislang Tag und Nacht stark befahrenen Straße. Dazu mehrere in voller Stärke lärmende Fernseher der Nachbarn. Das war bisher die Norm.
Diesmal erlebe ich fast ‚deutsche Zustände‘ und schlummre selig – in einer umzingelten Großstadt, mitten in einem Land, in dem ein neuartiger Söldnerkrieg tobt.
Auch tagsüber ist es leiser als früher, und bemerkenswert diszipliniert. In den wichtigsten Straßen sind mittels massiver Betonleitplanken eigene Prioritäts-Fahrbahnen abgetrennt, die Polizei, Militär und Rettungswagen vorbehalten sind. Und so warten sogar Taxifahrer ohne jegliches Gehupe in der langsam kriechenden Schlange vor den vielen Checkpoints, an denen entspannt wirkende Soldaten meistens nur einen kurzen Blick auf die Fahrzeuginsassen werfen und dann den Kofferraum begutachten.
„Und, was hat er nur gesehen?“ fragt mich der Fahrer nörgelnd, als er wieder Gas geben kann. Das könnte fast Berlin sein.
„Einen leeren Kofferraum“, antworte ich. Mit anderen Fahrern sind die Diskussionen ergibiger.
Auf dem Weg von Beirut nach Damaskus gab es aber auch sehr genaue Kontrollen. Ein Werkstattwagen vor uns muß sogar seine hinteren Sitzbänke abschrauben. Ich habe nur einen kleinen Rucksack dabei, und der junge Soldat bittet mich, ihn aufzumachen. Er selbst trägt Gummihandschuhe und würde einige Probleme damit haben. Nachdem er behutsam meine Reiselektüre und die als Geschenke mitgebrachte Schokolade herausgehoben hat scheint ihm etwas aufzufallen. „Darf ich bitte Ihren Paß sehen?“ Er blättert nur eine Seite um, dann meint er: „Hätte ich gewußt, daß Du Dolmetscher bist, hätte ich Deine Sachen nicht angerührt.“
Ich lache. Doch dann versichere ich ihm, daß es in meinem Interesse als Bürger, der seinen Besuch möglichst unbeschadet überstehen will, ist, daß er auch Dolmetscher kontrolliert. Nun lacht auch er.
Einige meiner besten Freunde sind tot. Nicht einer durch direkte Gewalteinwirkung, sondern alle durch Diabetes und Bluthochdruck mit Herzschlag. Man nennt sie die stillen Toten.
Der Wachmann unseres Häuschens am Stadtrand in Madiara, wo ich auch meine Solarmanufaktur hatte, mußte vor zwei Jahren überhastet flüchten, als sich die Gegend zu einer Frontlinie entwickelte. Er rettete die Standbohrmachschine, verschiedene Werkzeuge und eine Tüte mit Fotos. Und seine Frau mit ihren beiden Kindern natürlich. Als Fluchtfahrzeug diente ihnen unser guter alter und roter Opel Ascona.
Und auch mein ehemaliger Werkstattmeister Omar mußte mit seiner Familie die Wohnung Hals über Kopf verlassen, als die sogenannten Rebellen einfielen. Er lebt nun bei seiner Schwester im Stadkern, und von unseren Geräten hat er nur den Bosch-Schlagbohrer retten können, den ich vor vielen Jahren im Handgepäck mit nach Damaskus geschleppt hatte. Alles andere ist zerbombt, verbrannt, geplündert. Ich selbst konnte noch nicht einmal in die Nähe der Ruinen, da sie exakt auf der ‚Demarkationslinie‘ liegen.
– Wird fortgesetzt –
[…] wie schon im vergangenen Mai beschrieben, wirkt das Leben in dem regierungskontrollierten Gebiet ziemlich normal, auch wenn […]