Das RTL-Dschungelcamp ist das derzeit umstrittenste Format im deutschen Privatfernsehen. Diesmal ist auch Reiner Langhans eingezogen, einer der bekanntesten noch lebenden Protagonisten der 68er-Bewegung. Seiner Ansicht nach ist sein Camp-Einzug eine politische Aktion. Das taz-Gesellschaftsressort tazzwei hat sich entschieden, Langhans dazu kritisch zu befragen und sein Agieren in der Sendung zu begleiten. Am 11. Januar druckte die taz in ihrem Gesellschafts-Ressort tazzwei ein ganzseitiges Interview mit Rainer Langhans. Er sagt darin über das Camp: „Es gibt bisher kein Format im Fernsehen, das so die Urszene der Kommune wieder errichtet wie das Dschungelcamp.“ Reaktion der taz-Interviewerin: „Das können Sie doch nicht ernst meinen?“ Im weiteren Verlauf des Interviews offenbart Langhans seine echten Gründe: „Ich war einmal berühmt, und dann bin ich abgestürzt. Ich kam nicht mehr vor, es gab mich nicht mehr. Ich hoffe, wie die anderen Dschungelbewohner auch, mich durch das Camp zu resozialisieren. Ich lebe seit Langem ja in einem Harem, habe fast nur Frauen gesehen. Jetzt komme ich wieder in die Mitte der Gesellschaft.“
Seit dem 15. Januar erscheint auf einer tazzwei-Seite eine tägliche 90-Zeilen-Kolumne mit dem Titel „Haremsdamen“, geschrieben von zwei der fünf Langhans-Gefährtinnen. Sie kommentieren darin die TV-Übertragung des Camps. Am ersten Tag wunderten sie sich über Langhans Kleidung: „Rainer trägt Schwarz! Ein richtig teurer Bademantel, sagt er, der sonst immer Weiß trägt. Steht ihm gut, finden wir unisono.“ In der nächsten Kolumne heißt es: „Mir kommt heute die Welt irgendwie magisch vor. Weil mich am Samstag das Dschungelcamp für einen Moment über jede Realität erhob. Fantastisch!“ Der dritte Tag: „Es ist der 3. Dschungeltag. Erste Ermüdungserscheinungen bei mir. Oder doch Kulturschock?“ Die nächste Kolumne: „Mir wurde mein Nachtmahl versaut. Und das wäre ausgerechnet Sarah-Uma zu verdanken, die dank Zuschauer-Rache-Votum schon wieder ranmusste.“ Am nächsten Tag: „Sie müssten bewusst mehr diese Anti-Rolle von Rainer nutzen. Er ist ein wichtiges Gegenüber zum Lauten, zur Action. Manche finden das cool.“
Viele taz-Leser sind mit der Berichterstattung unzufrieden. Rita A. Hermann aus Hannover meint:
Habt ihr sie noch alle? Vor 20 Jahren hab ich mein allererstes Weihnachtsgeld geopfert, um guten, linken Journalismus zu fördern. Nicht, um die Lohhudeleien zweier Langhans-Gefährtinnen zu lesen. Ich bin eine taz-Genossin, holt mich hier rauuus!
Bernd Flossmann aus Stade schreibt:
Nachdem ich zu der Erkenntnis kommen musste, dass Sie ernsthaft beabsichtigen, den Aufenthalt von Herrn Langhans im Dschungelcamp durch die „Haremsdamen“ kommentieren zu lassen, und zwar fortlaufend, kann ich Sie nur bitten: Hören Sie auf! Sofort! Es interessiert nicht!
Holger Lüsebrink aus Bendorf fragt:
Welche gesellschaftliche, politische oder kulturelle Relevanz hat das „Dschungelcamp“? Warum muss die taz einen eitlen, mediengeilen, scheinbar verarmten, inhaltsleeren „Pseudo-68er-Linken“ interviewen, ohne dass, erwartungsgemäß, irgendein Inhalt transportiert wird? Der Gipfel ist eine Kolumne (!!) über das Dschungelcamp. Mehrteilig, ihr scheint das wiederholen zu wollen?! Ich dachte, ich sei auf der Wahrheit-Seite, Verfasser: „Die Haremsdamen“. Von Satire aber keine Spur. Dummes Dampfgeplauder über „Rainer“ und die „Kakerlaken“, ich glaube, die beiden meinen das ernst. Ihr scheinbar auch?! Ich bin absolut sicher: Es gibt Wichtigeres unter der Rubrik „Gesellschaft + Kultur“ zu berichten. Und der Schlusssatz: „Die Sendung wird immer besser.“ Um mit dem Kabarettisten Priol zu sprechen: Ja geht’s denn noch?!
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete und taz-Genossin Monika Lazar aus Leipzig bittet:
Liebe taz, bitte verschone mich mit dieser Rubrik! Die passt in die Bild-Zeitung, aber nicht zu euch. Ich jedenfalls will nicht wissen, was die „Haremsdamen“ von Rainer Langhans zu seinem Ausflug ins (hoch bezahlte) Dschungelcamp von sich geben. Das ist doch unter eurem Niveau, extrem peinlich und Platzverschwendung! Dafür bin ich nicht Genossin bei euch geworden, um diese unterirdischen Zeilen täglich zu lesen. Bitte stellt die Serie ein oder ich muss hoffen, dass Rainer Langhans bald aus dem Dschungelcamp fliegt und seine Haremsdamen nichts mehr öffentlich zu berichten haben.
Stephan Heider meint:
Da geht Rainer Langhans ins Dschungelcamp … und die taz berichtet darüber!? Wollt Ihr zur „Superillu“ werden? Also: bitte keine weiteren Berichte mehr zum Dschungelcamp!
Harry Harrendorf aus Braunschweig findet:
Seit – sagen wir mal – 1972 bewegt sich Rainer Langhans in Gefilden, über die die taz eigentlich nicht berichtet. Nun geht diese Flitzpiepe ins sogenannte Dschungelcamp und wird mit einem längeren Interviewgefasel von der taz gewürdigt. Dann dürfen auch seine Dienerinnen gegen Zeilengeld irgendwelchen Nichtsnutz absondern. Die Frage sei erlaubt: Seid ihr noch ganz frisch?
Jetzt interessiert uns natürlich: Was meinen Sie? Sollten wir über TV-Formate berichten, die wir widerlich finden? Wenn ja, in welcher Form? Oder verschaffen wir dem Trash-TV, das von der Erniedrigung seiner Darsteller lebt, damit nur zusätzliche Aufmerksamkeit?
Nachtrag: Linktipp zum Blog von Fotografiona, die sich ausführlicher mit der Frage auseinandersetzt.
das dschungelcamp ist kein „gesellschaftliches phänomen“. es wird von interessierten medien dazu gemacht, das interesse der taz, hier mizumachen, ist in meinen augen das einzig diskussionswürdige an dem ganzen thema.
nichts an den wieviele-auch-immer abends vor der glotze mit dschugelcamp drauf abhängenden zuschauern und ihrer passiven aufsaugung ist „gesellschaftlich“ relevant oder als „phänomen“ zu bezeichnen. so alt, wie ‚brot und spiele‘ sind, so sehr hätte man sich gewünscht, dass die gute taz weiß, auf welches der beiden sich zu konzentrieren eher lohnt.