vonMathias Broeckers 09.04.2011

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Einblicken, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

Mehr über diesen Blog

Dieses Wochenende startet die taz mit einem  Experiment: Bezahlen, was nichts kostet. Auf taz.de erscheint künftig die Einladung zu einem Paradox, zur Bezahlung von etwas, was man gerade kostenlos konsumiert hat: täglich 120 neue Artikel, Reportagen und Kommentaren der taz, die frei zugänglich und kostenlos im Netz stehen.  Viele Zeitungsverlage finden, dass das nicht so bleiben kann und ziehen entweder Bezahlschranken hoch, oder reduzieren die Qualität ihrer Online-Nachrichten auf billiges Agenturmaterial. Die taz geht jetzt einen dritten Weg: sämtliche Original-Beiträge der KorrespondentInnen und AutorInnen bleiben auch künftig frei zugänglich und kostenlos, doch auf der Webseite finden Sie die Bitte für ein Dankeschön. Dafür wurde „taz zahl ich“ erfunden, die Möglichkeit, einfach kleine Beträge mit wenigen Klicks oder über das Handy  zu hinterlassen – und sich damit für die journalistische Qualität, die publizistische Unabhängigkeit und die freie Zugänglichkeit der taz nicht nur zu  bedanken, sondern auch zu ihrem  Erhalt beizutragen. Denn ökonomisch sind die Seiten von taz.de nach wie vor ein Zuschußgeschäft, dessen Kosten von den Erlösen aus Online-Anzeigen nicht einmal zur Hälfte gedeckt sind.  Darüber, und welche Möglichkeiten es überhaupt gibt, guten Journalismus im Zeitalter freier digitaler Verfügbarkeit zu finanzieren, werden wir auf  dem „Schwerpunkt Freiwilliges Bezahlen“ und in diesem Blog künftig regelmäßig berichten. Sowie natürlich darüber, ob und wie die „taz zahl ich“-Kampagne funktioniert.

Wie bei den Preisen für die Abos der gedruckten Ausgabe, für die jede/r mehr oder weniger als den Normalpreis zahlen kann, setzen wir mit „taz.zahl ich“  auf Freiwilligkeit. Wer die Unabhängigkeit, die Qualität und das Engagement der taz schätzt, zahlt freiwillig etwas mehr,  und wenn es – wie auf taz.de – nichts kostet, zahlt er oder sie eben immer wieder mal freiwillig eine Kleinigkeit. Damit die Qualität und Unabhängigkeit des taz-Journalismus in Zukunft ebenso erhalten bleiben, wie die kostenlose Zugänglichkeit. Man könnte das „taz zahl ich“-Modell  abschätzig „Trinkgeld-Ökonomie“ nennen, oder amerikanisch-positiv „Thank You Economy“ – und in der Tat: wenn von den 1,2 Millionen Menschen, die monatlich 6 Millionen Besuche auf taz.de unternehmen und 17 Millionen Seiten lesen nur die Hälfte beim Verlassen des Lokals ein paar Cent in den Topf werfen würden, gäbe es überhaupt kein Problem. Doch anders als in Restaurants, wo guter Rundum-Service selbstverständlich belohnt wird,  ist diese Kultur bei den Köchinnen und Kellnern des Nachrichtenwesens noch nicht angekommen. Mit „taz zahl ich“ machen  wir einen Schritt, eine solche Kultur im Netz zu etablieren.

„Die erste Freiheit der Presse ist es, kein Gewerbe zu sein“ – auch wenn sie sich seit über 30 Jahren auf einem kapitalistischen Markt behaupten muss, hat die taz diese Maxime des alten Karl Marx nie vergessen und sich von Beginn an weniger mit gewerblichen, als mit soldiarischen Methoden finanziert. Tausend Menschen zahlten einst ein Jahresabo im Voraus, damit die erste taz erscheinen konnte,  über 10.000 GenossInnen sorgen seit fast 20 Jahren für die  journalistische Unabhängigkeit ihrer Zeitung und 45.000 AbonnentInnen sichern ihr tägliches Erscheinen  – die taz hatte schon eine community bevor das Wort crowdfunding erfunden wurde. Und ruft jetzt mit „taz.zahl ich“ den neuen Communityismus im Internet aus. Der Appell richtet sich an alle, die die unabhängige Berichterstattung und den kritischen Journalismus  der taz schätzen – und verstanden haben, dass diese nicht gratis zu haben sind. Schon vor einigen Monaten haben wir mit „flattr“ eine erstes einfaches Werkzeug für freiwilliges Bezahlen eingeführt, mit „taz zahl ich“ stellen wir es jetzt der gesamten taz-community zur Verfügung.  Auf dem taz-lab an diesem Wochenende wird darüber diskutiert – unter dem Motto, das wir hiemit allen NutzerInnen von taz.de ans Herz legen: „Zahlen bitte!“

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/hausblog/taz_zahl_ich-2/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Ich wünsche der taz viel Erfolg bei diesem Experiment – und habe soeben aktiv dazu beigetragen. Die Handybezahlung funktioniert prima.
    Da jeder den ich kenne Paywalls hasst ist das glaube ich der richtige Weg um guten Journalismus im Netz aufrecht zu erhalten. Ich will keine Abos, ich will keine Registrierung usw. – aber ich zahle gern etwas, wenn mir ein Beitrag wichtig war oder gefallen hat. Und wenn das so leicht geht wie euch jetzt werde ich das auch öfter tun.
    P.S.: Noch schöner wäre es, wenn ich für wirklich schlechte Beiträge, die mich ärgern – denn auch die kommen in der taz gern mal vor – auch wieder was einziehen könnte.

  • Zur taz allgemein (Print und Online):

    Letztens habe ich einen hämischen Artikel in der taz gelesen. Die Bildzeitung sei keine Zeitung, weil sie keinen Journalismus betreibe. Denn Journalismus habe etwas Neues und Differenziertes zu bieten.
    Das war’s zur Begründung. Sehr, sehr dürftig.

    Noch besorgniserregender finde ich, wie taz-intern offenbar mit dem Thema „Qualitätsjournalismus“ umgegangen wird. Immer wieder wird seitens der taz betont, wie wichtig Qualitätsjournalismus sei und die taz sich selbstverständlich dazu bekenne und als Marke für Qualitätsjournalismus stehe.
    Das hört man zunächt einmal wirklich gern.

    Im Hausblog hat es kürzlich eine recht interessante Diskussion dazu gegeben und dankenswerterweise hat Herr Heiser recht ausführlich dargelegt, wie mit dem Thema bei der taz umgegangen wird.
    Zusammengefaßt: Es gibt keine Definition für Qualitätsjournalismus, auch bei der taz nicht, immerhin bemühe man sich bei der taz um „Qualitätsjournalismus“.
    http://blogs.taz.de/hausblog/2011/03/28/die_taz_als_teil_der_anti-akw-bewegung/#comment-7783

    Ich kann Herrn Heisers Argumentation durchaus nachvollziehen. Und bin gleichzeitig sehr unzufrieden damit.

    „Doch anders als in Restaurants, wo guter Rundum-Service selbstverständlich belohnt wird, ist diese Kultur bei den Köchinnen und Kellnern des Nachrichtenwesens noch nicht angekommen“ schreibt Herr Urbach.

    Um bei dem Bild zu bleiben:
    Ich gehe also in ein Restaurant, interessiere mich für die Speisekarte, frage an, was die angebotenen Gerichte auszeichnet, was die Zutaten sind, wie die Speisen zubereitet werden und so weiter. Zur Antwort kriege ich: Das wisse eigentlich keiner so genau, würde hier im Hause unterschiedlich gesehen, aber man bemühe sich um ein gutes Resultat.
    Na super.
    Auch wenn der Service runderherum prima ist: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werde in dem Restaurant lieber gar nichts essen. Allenfalls ein kleines Bierchen trinken – da kann ich wenigstens einschätzen, was ich mir einverleibe.

    Fazit:
    Solange Ihr mir nicht sagen könnt, was Qualitätsjournalismus für euch ist, wie ihr damit umgeht und wie ihr es umsetzt, will ich für euren „Qualitätsjournalismus“ (was auch immer das sein könnte) nichts zahlen.
    So einfach ist das.

    Ich erwarte von der taz, dass sie sich mit diesem Thema – gern auch öffentlich – differenziert auseinandersetzt.

    Zu taz.de:

    taz.de lebt meiner Meinung nach ganz stark von den jeweiligen Leserkommentaren.
    Es sind die Leser, die mit ihren Beiträgen verschiedenste Themen auf Grundlage eines taz-Artikels kontrovers und differenziert zu diskutieren und zu vertiefen. Die taz-Beiträge selbst werden teilweise hochgradig konstruktiv und humorvoll kritisiert. All das kann (und wird vermutlich auch) zur Qualitätsverbesserung der Arbeit der taz-Redakteure allgemein beitragen und so natürlich auch einen Mehrwert für die taz selbst schaffen.

    Beispiel 1: Vor ein paar Tagen erschien ein recht oberflächlicher Artikel über das Ende der staatlichen Netzsperren. Ein Kommentator fragte nach den technischen Hintergründen, viele andere Kommentatoren gaben qualifizierte Antworten.

    Beispiel 2: Im Blog wurde der Umgang der taz mit dem Thema „Dschungelcamp“ heiß diskutiert. Ein Kommentatorenbeitrag hat der taz-Redaktion offenbar so gut gefallen, dass er gleich in Fr. Pohls öffentlicher Stellungnahme wieder auftauchte.

    Jeder Leser, der als Kommentator zu dem Erfolg von taz.de beiträgt, hat bereits freiwillig investiert. Nicht Geld, sondern seine Zeit.

    Wie will man jetzt den Wert der Leser-Beiträge ermitteln?
    Wieviel weniger wert wäre taz.de, wenn es die Leserkommentare nicht geben würde?
    Wieviel mehr wert könnte taz.de sein, wenn Leserkommentare zeitnah freigeschaltet würden und sich daraus eine noch bessere Diskussion entwickeln könnte?

    Ich habe übrigens noch nie gehört, dass irgendein Kommentator nun seinerseits von der taz Dank, Geschenke oder Geld erwartet.

    Und wieder zurück zu Herrn Urbachs Bild vom Restaurant:
    Ist es moralisch vertretbar, von Hilfsköchen und -kellnern zu erwarten, dass sie dafür bezahlen, die Hauptköche und -kellner bei ihrer Arbeit unterstützen zu dürfen?

    Ich glaube nicht.

  • Alles dreht sich nur noch um’s Geld! Fortschritt nur mit Geld! Geld hier, Geld dort! Anstatt den Kapitalismus zu vernichten, macht die TAZ ein auf Softie und bettelt regelrecht um ein paar Cents! Geld stinkt und der Bezahl-Button ebenfalls! Ich würde NIEMALS Geld für einen Artikel ausgeben, der von irgendeinem Autoren geschrieben worden ist! Es schreiben tagtäglich tausende von Autoren irgendwelche Beiträge zu irgendwelchen Themen. Meinung hier, Meinung dort – und dann auch noch für bezahlen! Ne, Genossen, alles überflüssig! Fairness-Kultur…Ha,ha,ha…wie witzig…nicht in dieser Gesellschaft! Das Internet forciert die Gratis-Kultur und da geht’s auch hin, werte Genossen! GRATIS – Sachlagwort des Jahrzehnts. Geld abschaffen und der Moderne fröhnen. Es gibt weitaus wichtigere Dinge, als Geld zu verdienen!!!

  • Wir befinden uns in einer Sitzung. Die Zeit ist ellenlang, die Stühle unbequem und zu trinken gibt es auch nichts. Ein bischen ist es wie damals: die vergangene Parteizeit. Nur das damals die dkp-ler geraucht haben, und man fast erstickt ist.
    Jedenfalls klingelt plötzlich ein Handy in die schleppende Stille hinein. Es ist J.s Handy. Es hat einen schwachsinnigen Handyklingelton. „The final countdown“; fast wie der Ritt der Walküren, nur kitschiger.
    J.M.K. sei gerade in der Westbank erschossen worden. Relevanz bricht in unsere Runde ein. Mächtig.
    J. erklärt und erläutert, wen es da getroffen hat. Warum! Und warum man sehr traurig sein kann.
    Am nächsten Vormittag lese ich Gideon Levys Nachruf in der Haaretz. Am Nachmittag Amira Hass Worte in derselben Zeitung. Ja und die taz hat auch etwas dazu zu sagen. Schön, denke ich. Einen Tag später finde ich in der Jordan Times den Sachverhalt; angefügt wie ein Protokoll die politische Herkunft des Täters.

    Tatsachen berichten kann jeder. Sachverhalte erklären, da wird es schon enger. Zusammenhänge erläutern, da wird es ganz, ganz eng: das ist der Artikel nach der Nachricht. Im regionalen Bereich macht die taz das sehr gut. Aber das ist nicht meine Welt. Ich lebe in middle-east.

    Ich lese die taz. Schaue in die Rundschau: die arme Frankfurter Rundschau. Stoppe kurz bei der Süddeutschen.
    Dann kommt täglich: http://www.tnr.com/, dann http://www.thenation.com/.
    Für den middle east schaue ich bei Robert Fisk beim Independent vorbei.
    Für news: DIE addresse ist http://www.democracynow.org/
    Amy Goodman kanns!

    Es geht also um Geld. Es geht um Fairness!
    Wir geben 600€ an einen (bekannten) Menschen in Afrika/Zambia. Fast ganz privat. Fast unbürokratisch.
    Der arme Mensch rührt uns. Wenn ich für das nächste Jahr Geld überweise (Postbank), muss ich weinen. Und denke, wie verdammt ungerecht die Welt doch ist. Er hat es verdient zu leben. DA versuche ich Fairness zu leben.

    Fairness ist ein GROSSES Wort. Ja, ich habe verstanden. Vielleicht werde ich ja mal Teilhaber der Zeitung. Es muss sie schon geben! Den Gedanken teile ich.

    Trotzdem lese ich umsonst. Ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.

    mi

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert