Timo Reinfrank von der Amadeu-Antonio-Stiftung spricht im Interview mit Daniel Bax über unsere Fragen an Philipp Rösler
Herr Reinfrank, Sie empfinden die Fragen im taz-Interview mit Philipp Rösler als rassistisch. Warum?
Weil in den Fragen ständig diese Haltung reproduziert wird: wir Herkunftsdeutsche hier, ihr Einwanderer dort. Man will, dass Rösler sich für seine eigene Partei rechtfertigt. Leute, die von Rassismus betroffen sind, muss man nicht immer wieder damit quälen, dass es viele Leute gibt, die sie diskriminieren. Wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre, wäre ich mitten im Interview rausgegangen.
Herr Rösler ist nicht aufgestanden, sondern hat sich dem Gespräch gestellt. Er wollte es nur nicht zum Abdruck freigeben.
Dafür ist er wahrscheinlich ein viel zu höflicher Mensch, und als Profi-Politiker kann er sich das vielleicht auch nicht erlauben. Ich bin auch nicht sein Anwalt und weiß nicht, warum er es am Ende nicht autorisieren wollte. Aber ich hätte es an seiner Stelle auch nicht zum Abdruck freigegeben, weil ich manche Fragen schlicht als unverschämt empfinde. Da ist für mich die Grenze dessen, was sich Leute zumuten lassen müssen, erreicht. Wer mit Menschen arbeitet, die von Rassismus betroffen sind, der weiß, dass das zu Retraumatisierungen führt. Ich habe viel mit Menschen zu tun, die damit alltäglich konfrontiert sind, die es einfach satt haben und frustriert sind.
Das Interview dreht sich aber nicht um seine Herkunft, sondern um Rassismus. Was ist falsch daran, mit Herrn Rösler über Rassismus zu reden?
Dann hätte man ihm andere Fragen stellen müssen. Man hätte ihn zum Beispiel fragen können, ob er aus seiner Partei Solidarität erfährt und wie er mit den Anwürfen umgeht. Das wäre ein anderer Zugang gewesen. Wenn Sie mit ihm über Rassismus hätten reden wollen, dann hätten sie ihn doch fragen können, was die FDP dagegen macht. Das Interview kehrt aber immer wieder zu seiner Person zurück. Er wird nach seinem asiatischen Aussehen befragt, nach seinen nichtdeutschen Wurzeln. Es geht die ganze Zeit um ihn, nicht um die Gesellschaft.
Es geht auch um Brüderle, um Steinbrücks Pressesprecher und um das Bild vom Bambusrohr, das Rösler selbst in die Debatte eingebracht hat.
Ja, und er geht dieser Debatte aus dem Weg. Das finde ich in seiner Position aber auch legitim, denn dazu müsste man andere Leute befragen: Herrn Brüderle zum Beispiel. Leider scheint in der FDP niemand genug Arsch in der Hose zu haben, um diese Debatte offensiv zu führen.
Rösler wird öffentlich wegen seiner Herkunft ausgegrenzt: Zum Beispiel Brüderle und sein Spruch von der deutschen Eiche. Kann man ihn dazu nicht befragen?
Rösler weiß natürlich, dass das für manche tendenziell rassistisch eingestellten FDP-Wähler ein Problem ist, dass da oben jetzt ein Migrant steht. Die FDP verkauft das ja auch nicht als Erfolgsgeschichte, obwohl sie das könnte. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass die taz diese Zuschreibungen, mit denen er ständig konfrontiert wird, infrage stellt. Wenn es um Sexismus oder sexuellen Missbrauch gehen würde, würde man doch auch nicht immer wieder in der Wunde bohren, oder?
Der „Spiegel“ hat 2011 ein Interview mit Rösler geführt, in dem es ausschließlich um seine Herkunft ging. Daran gab es keine Kritik. Warum jetzt?
Ich kann mich beim Spiegel über ganz viel ärgern. Das ist nicht das Niveau, das ich bei der taz erwarte. Hinzu kommt, dass es bei der taz ja gerade erst eine Debatte um das N-Wort und rassistische Sprache gab. In so einem Kontext muss man sich doch fragen, wie man so ein Interview führt.
Dieses Interview erscheint auch morgen auch in der gedruckten Ausgabe der taz.
wir Herkunftsdeutsche hier OBEN, ihr Einwanderer dort UNTEN