von 16.03.2020

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Innenansichten, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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Wenn Sie eine taz in der Hand halten, dann denken Sie kurz an die Zeitungsbotin, die die Ausgabe zu Ihrem Briefkasten gebracht hat. An den Lieferanten, der ein Paket tazzen am Sammelpunkt seiner Kollegin übergeben hat. An den Drucker, der am Abend geprüft hat, ob das Papier auch akkurat zugeschnitten ist.

Oder wenn Sie die taz gerade auf dem Smartphone lesen, dann ist auch das vielleicht so ein Moment: Stellen Sie sich vor, dass da irgendwo in der Früh die Technikerin eines Providers ihr Messgerät aus dem Werkzeugkoffer geholt hat, um zu untersuchen, warum die Daten in Ihrer Gegend nur kriechen.

Sie alle können nicht von zu Hause arbeiten. Sie garantieren das öffentliche Gespräch, den freien Austausch von Informationen. Sie tun das so viel unsichtbarer als beispielsweise wir Journalist:innen. Sie haben großen Respekt verdient.

Trotz Corona schreibt die taz auch über andere Themen

Die Zeitung in Zeiten von Corona: Sie wird gebraucht. Wir merken das an den Rückmeldungen an die taz. Unsere Website wird auffällig häufig aufgerufen. Am Wochenende haben so viele wie selten eine taz-Reportage gelesen: den Beitrag von Francesca Borri; sie berichtete aus der italienischen Stadt Alzano Lombardo, in deren Krankenhaus die intubierten Patient:innen schon auf den Fluren liegen.

Uns liegt aber auch viel daran, dass andere Themen nicht untergehen, etwa die hasserfüllte Gewalt gegen Flüchtlinge auf Lesbos und die Attacken gegen Journalist:innen, die die Öffentlichkeit über die Zustände auf der griechischen Insel informieren.

Journalismus ist gerade jetzt unverzichtbar. Gleichzeitig wollen wir unseren Beitrag leisten, dass sich das Virus weniger schnell verbreitet als bisher. Heute geht es in Deutschland für die meisten noch recht abstrakt um Fallzahlen und Kurven, aber bald werden viele jemanden kennen, der krank ist, Bekannte, Freunde, Verwandte. Covid-19 bringt nicht nur Menschen in Gefahr, die daran erkranken, sondern auch andere, die etwa nach einem Unfall nicht warten können auf einen Operationstermin oder ein Bett auf der Intensivstation.

Journalismus ist gerade jetzt unverzichtbar

Um die Verbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen, verringern wir Recherchereisen. Das tazlab ist längst um ein Jahr verschoben. Das taz-Haus in der Friedrichstraße, sonst im Erdgeschoss öffentlicher Diskussionsort und Restaurant, ist vorläufig zum reinen Verlagsgebäude geworden. Und das Haus leert sich weiter.

Seit Anfang März arbeitet ein Planungsstab, schon um die taz für den Fall vorzubereiten, dass eine große Zahl von Mitarbeiter:innen unter Quarantäne gestellt wird. Nach und nach versetzen wir immer mehr Leute in die Lage, von zu Hause aus die Website, die tägliche Ausgabe und die taz am Wochenende zu produzieren.

Wer genau von außerhalb der taz arbeitet, entscheiden die Ressorts und Abteilungen je nachdem, welche Rolle ein:e Kolleg:in im Produktionsprozess spielt. Aber auch ganz praktisch danach, wer mit der Bahn zur Arbeit kommt und wer mit dem Fahrrad.

Die taz-EDV gibt seit vergangener Woche im Akkord Laptops raus

Unser Ressort Wirtschaft und Umwelt zum Beispiel analysiert schon die Erfahrungen nach einer Woche – so lange ist es meist nur noch mit einer Person in den Konferenzen vertreten, alle anderen arbeiten schon weitgehend von außerhalb der taz.

Wie das ist, die taz nicht in der taz zu machen, diese Erfahrung werden die Kolleg:innen an andere in der Redaktion weitergeben. Eine Zeitung räumlich fast komplett dezentral zu produzieren – so weit sind wir noch nicht, aber wir möchten für diesen Fall gewappnet sein. Unsere Kolleg:innen in der taz-Technik leisten Unglaubliches: Sie geben seit vergangener Woche im Akkord Laptops aus, sie richten welche ein, rüsten welche auf.

In der taz arbeiten an die 300 Leute. Zu ihrer Arbeit gehört es, sich auszustauschen und abzusprechen. Idee und bessere Idee, These und Gegenthese, Vorschlag und Rückfrage – das ist die taz. Das neue Haus haben die Architekten so entworfen, dass die Räume die Kommunikation fördern, lichtdurchflutet, im breiten Treppenhaus halten wir uns auf und kommen ins Gespräch, im taz-Café bei einem Espresso enstehen Rechercheansätze.

Das persönliche Gespräch ist nicht so leicht zu ersetzen

Wie geht das ohne persönliches Gespräch? Nur am Telefon? Schon jetzt arbeiten wir mit einer Teamsoftware, durch die man in virtuellen Räumen chatten kann, dort haben wir vergangene Woche der Raum „Corona-Themen“ eröffnet. Doch das persönliche Gespräch ist nicht so leicht zu ersetzen wie Händeschütteln. Corona bedeutet, dass wir uns einschränken, aber zugleich alternativ denken müssen.

Noch ein Problem gibt es: Wenn die Zeitung aus dem Zeitungshaus zieht, aber gleichzeitig die Schüler:innen aus der Schule, dann wird es daheim zwangsläufig voll. In der taz sind viele Eltern von Schulkindern. Technisch von zu Hause arbeiten zu können, heißt nicht unbedingt, auch Zeit und Ruhe dafür zu haben. Das macht es noch mal schwieriger. Zusammenhalt ist gefragt, Vertrauen, Geduld.

Die Gegebenheiten ändern sich ständig, manchmal stündlich. Fast jeden Morgen werden wir neu überlegen müssen, wie wir die taz machen. Redakteur:innen, Leser:innen, Genoss:innen, so lange alle zusammenhalten, steht fest: Den taz-Journalismus wird es weiter geben. Wir müssen ihn zusammen halten.

Von Georg Löwisch, taz-Chefredakteur

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