Fünf Stockwerke hoch ist der Penis von BILD-Chefredakteur Kai Diekmann, der seit Sonntag am Rudi-Dutschke-Haus hängt. Das erigierte, rosa Geschlechtsteil ist der Mittelpunkt des Werkes von Peter Lenk, der mit seinen Skulpturen immer wieder für Aufregung sorgt. Sein neuestes Werk hängt an unserer Ostwand, also in Richtung der BILD-Zeitung, die nur einen Steinwurf von der taz entfernt an der Kreuzung Rudi-Dutschke-Straße/Axel-Springer-Straße ihren Hauptsitz hat. Die kleineren Nebenfiguren zeigen BILD-Schlagzeilen der vergangenen Jahre, die sich mit Penissen beschäftigen. Auch der tote Axel Springer ist abgebildet, genau wie die aktuelle Verlagsinhaberin Friede Springer. Für zwei Jahre soll das Werk hier hängen bleiben. Lenk hat übrigens kein Geld von der taz dafür erhalten.
Im Jahr 2002 hatte Kai Diekmann von der „Wahrheit“-Seite der taz verbieten lassen. Gerhard Henschel hatte in dem satirischen Text behauptet, Diekmann habe sich einer Operation zur Penisverlängerung unterzogen, die allerdings missglückt sei. Das Landgericht Berlin urteilte, dass Diekmann kein Schadensersatz zusteht: Schließlich verdiene Diekmann als BILD-Chef sein Geld ja selbst mit der Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Und wer sich einmal in dieses Geschäft begibt, für den würden andere Maßstäbe gelten.
Kai Diekmann gefällt es. Mit dem Werk hätte „die taz bewiesen, dass auch meine Lieblings-Linken zum Lachen nicht ausschließlich in die Keller gehen“, heißt es in seinem Blog. taz-Reporter Philipp Gessler meint, das Werk „ist meiner Ansicht nach gute Kunst“, es thematisiere Diekmanns einschlägige Geschichte mit der taz und es erinnere daran, dass Diekmann sich „in Sachen sexualisierter und menschenverachtender Schlagzeile um keinen Deut gebessert hat“. Für taz-Chefredakteurin Ines Pohl ist die Skulptur dagegen eine „klägliche Provokation“. Bildhauer Lenk und Diekmann hätten wohl das gleiche Männerproblem: „Wer hat denn jetzt den Längeren? Mein Problem ist das nicht, und auch die taz hat keinen Grund, sich das auf ihre Hauswand aufdrücken zu lassen.“ Die taz sollte ihre Häuserwand nicht so einer „plumpen Retro-Auseinandersetzung“ zur Verfügung stellen, es gebe ja schließlich Wichtigeres.
Die meisten taz-Genossen, die sich bisher gemeldet haben, sehen das Kunstwerk kritisch. Brigitte Luithlen-Neumann schreibt:
Im Gegensatz zur pfiffigen Merkel-Plastik finde ich das Diekmann-Pendant plump und so abstoßend hässlich, dass die feinsinnig gesponnenen Bezüge zu Diekmanns Handwerk dahinter verschwinden. Ein Schock, der visuell alle Aufmerksamkeit bindet, ist nicht mehr geeignet, tiefergehende Einsichten zu transportieren oder gar Meinungsänderungen anzustoßen (vgl. auch: Anti-Raucher-„Werbung“ mit Fotos zerstörter Organe u.ä.). Die physiologisch gestützte Reaktion des Ekels überlagert jede subtile gedankliche Reaktion. Merke: Provokation ist nicht per se Kunst! Also: Entfernen!
Fritz Philipp Mathes:
Ich liebe Lenk allein schon wegen seiner ungebrochenen Direktheit, Hridlicka kann das auch und der eckt auch an, gut so. Die Verhältnisse sind immer derber als von der Kunst beleuchtet. Lenks Plastik mit Diekmanns Kranklangem hilft gut gegen das Verharmlosen.
Ich habe mich ernsthaft gefragt, ob es sich bei dieser Mail um Spam handelt. Von mir aus könnt Ihr euer Gebäude mit Sauriern und Schlümpfen bemalen. Etwas befremdlich finde ich es allerdings, wenn das in der taz thematisiert wird. Eure Mail und die taz-Artikel sind wohl einfach Ausdruck einer vorübergehenden kollektiven Verwirrung im taz-Haus. Gute Besserung!
Johannes Maier:
Zugegeben, recht drastisch aber auch wunderbar. Zuspitzungen fordern nun mal heraus, regen aber auch das Gehirn an. Ich bin voll dafür.
Ich muss sagen, mich stört die Annäherung der taz an Herrn Diekmann gewaltig. Nicht nur, dass er inzwischen Genosse ist (was man ihm aus rechtlichen Gründen wohl leider nicht verwehren konnte) und dass er auf Versammlungen große Rede schwingt. Und dann schenkt die taz seiner Gattin (die durch eine Bohlen-Biographie und sexistische Texte auf der Seite 1 von sich Reden gemacht hat), auch noch eine Seite kostenlose PR für ihr neues, banales Buch, in dem sie auf einer ganzen Zeitungsseite die Innenansichten ihrer Ehe zum Besten geben darf. Und nun muss ich den Kerl auch noch nackt sehen… Also, mir reicht es.
K. Harbecke:
Die Provokation ist zweifellos gelungen. Und wenn sie alle (auch die Frauen, die ein etwas verschnupftes Verhältnis zum männlichen Prozertum haben) bemerkt haben, kann man sie auch wieder einpacken – also so in 2 Monaten.
Sebastian:
Ich frage mich ehrlich gesagt, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Wenn man irgendwo „Kunst“ anbringt, sollte man sich vorher fragen, was stattdessen dort anderes hätte Platz finden können. Für einen Lacher wars gut, ich hab wirklich gelacht, aber einmal Lachen steht hier in keinem Verhältnis dazu, das manche Menschen es jeden Tag sehen müssen. Ich stehe voll hinter Ines Pohl: „wieder einpacken“.
Meine spontane Reaktion auf das Wandfries war eine Art Enttäuschung: Ich halte dieses Fries für das Niveau der Bild-Zeitung. Insofern passt zwar Kai Diekmann, aber nicht am Haus der taz. Die taz hat es aus meiner Sicht nicht nötig, sich auf diesem Niveau mit irgendwelchen Themen (was auch immer das sein mag ist mir übrigens nicht klar) auseinanderzusetzen. Ich halte es daher für angebracht, Herrn Lenk seine Art der Meinungsäußerung in einem Kontext tätigen zu lassen, der nichts mit der taz zu tun hat. Aber keine Sorge: Ich lasse mir davon nicht meine tägliche Lust am taz-Lesen nehmen! Wäre ja nochmal schöner …
Matthias Frinken:
Muss ich mir mal ansehen, wenn ich das nächste Mal in Berlin bin. Die Prägung des öffentlichen Raumes ist doch etwas anderes als eine Theateraktion oder eine Ausstellung. Mal ganz abgesehen von der Ernsthaftigkeit der Redaktion, die sich da schmückt …
Robert B. Fishman schreibt:
Habt ihr wirklich keine anderen Probleme? Ich wollte eigentlich noch taz-Anteile nachkaufen, aber an so einem pubertären Kasperletheater mag ich mich nicht beteiligen. Für Bilder im Scheißhausparolenstil ist mir mein Geld zu schade und der Schwanz von Herrn Diekmann ist mir egal….
Claus Jähner meint:
Über Kunst, Geschmack, Satire, gutes und schlechtes Benehmen kann man bekanntlich nicht oder unendlich streiten. Gleichwohl sollte es auch für das taz-Umfeld ein paar Standards in dieser Hinsicht geben. Einer sollte lauten: Wir bitte nicht unter Bild-Niveau! Als Mitglied der Genossenschaft erwarte ich, dass die Plastik dort verschwindet.
Verhängt einfach sein Gesicht, und schon wäre dem Exponat der Schrecken genommen.
Hartmut Spiegel:
Es wäre schön, wenn das „Kunstwerk“ bald wieder verschwände. Die taz hat es nicht nötig, sich auf das gleiche Niveau wie das Blut&Sperma-Blatt zu begeben. Und ich hoffe, das Ganze ist nicht von der Genossenschaft finanziert./blockquote>
Rüdiger Miele:
Dazu fällt mir nur Pinocchio ein …
Undine von Rönn:
Diese postpubertäre Schwanzgeschichte ist längst ausgelutscht und der taz unwürdig!
Da können noch so viele Argumente ausgetauscht werden, für mich ist das einfach eine postpupertäre Provokation und der taz nicht würdig.
Pam:
Zu viel der Ehre für den Genossen Diekmann!!
Reinhard Fingerle:
„Sechs Meter Fleisch“ sieht schon sehr nach einer Metzgerei aus – zu schade für diese Art Sex-Probleme, Kai Diekmann und die gut einsetzbare taz-Hauswand.
Doris und Peter Kreher:
Überflüssig und geschmacklos! Wollen wir aufs Niveau von Herrn Diekmann?
Ulla schreibt:
ich finde die andere Seite des Körpers hätte besser zu dem Herrn gepasst, wenn jedoch die Männer unter sich meinen…
taz-Kolumnistin Silke Burmester meint:
Dass Diekmann-Lieblingsfeind taz-Justiziar Jony Eisenberg oder Geschäftsführer Kalle Ruch den Pinsel geführt hat, wollte niemand bestätigen. Aber auch ohne ihr aktives Zutun ist der permanente Schwanzvergleich zwischen Bild und taz nur noch peinlich und man fragt sich, wie es sein kann, dass Führungspersonen ihre Dummheit so entblößen. Und – ganz wichtig – wo bleiben die Reporter ohne Grenzen, um die zivilen Opfer zu vertreten, die KollegInnen, die die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erdulden müssen?
Reiner Dietz:
Was mich als TAZ-Genossen interessiert, ist, ob für die unsägliche Dieckmann-Fassade Genossenschaftsgelder aufgewandt werden. Für ein solches Elend bin ich definitiv nicht der Genossenschaft beigetreten, sondern um intelligenten eigenständigen, gerne auch spöttischen Qualitätsjournalismus auch finanziell zu unterstützen. Es gibt immer mal Gelegenheiten, wo ich TAZ-Aktionen peinlich finde, nie aber annähernd so extrem. Ehrlich gesagt – wäre ich nicht bereits Genosse, würde ich es mir gut überlegen. Wer trifft bei Ihnen eigentlich solche Entscheidungen?
Barbara Wolf:
Der Schwanz ist zu lang, der Witz mäßig. Wer hat schon Freude an so was?
Veronika Dehnhard:
Ich finde es geschmacklos und es wird viele ernsthafte taz-Leser und -Abonnenten abschrecken.
Arnd Schwendy:
Die Bewertung dieser Plastik mit der Frage der Freiheit der Künste zu verbinden, ist ein kläglicher Versuch, diesen banalen Fassadenschmuck aufzuwerten. Wenn die taz keine besseren Botschaften hat als den Penis eines Bild-Journalisten, dann muß es traurig um sie aussehen. Das Ganze ist für mich ein Rückfall in die Zeiten, in denen die taz sich nicht wesentlich von Schüler- und Abi-Zeitungen unterschied: Geistig und künstlerisch ziemlich impotent, spießig und verklemmt.
Ulrich Steinberg:
Seid ihr jetzt von allen guten Geistern verlassen? Da geht man her und tut und macht und trommelt für die taz, in Zeiten, die nach einer politischen Positionierung schreien. Dann wird man weiter mit dieser unsäglichen Diekmann-Story belästigt. Es ist nicht zu fassen, dass tazler nichts Besseres zu tun haben, als auf diese unapptitliche Weise ihre Privat-Fehde austragen zu müssen. Der Pro-Kommentar ist wie aus Pudding gemeißelt, das Relief ist unter Reeperbahn-Format. Kommt mir bitte nächstes Jahr nicht wieder mit einer weinerlichen Abo-Kampagne. Ines Pohl hat völlig recht. Wenn dieses primitive Relief an der Fassade hängen bleibt, braucht ihr euch über Reputation keine Gedanken mehr zu machen. Genug, „Tear down this Relief!“
Anna Mawista:
Und wenn ich dann mal wieder nach Berlin komme? Und bei der Gelegenheit in der Genossenschaft Hallo sagen will? Dann muss ich nun also irgendwie unter diesem neuen Dingens drunterdurchkommen, schließlich assoziiert man bei derart prächtigen Körperteilen in dieser Stellung jeden Moment Beregnung. So sieht es wenigstens aus. Nur, wenn man erst mal über mögliche Hintereingänge nachzudenken begonnen hat, ist der direkte Weg schon nicht mehr der einladendste. Das ist ein ganz neuer Aspekt zum taz-Haus. Soweit dies. Das andere: Kunst soll beileibe – ja, auch bei Leibe – nicht immer schön sein, soll auch unangenehm berühren/beregnen können. Da die taz tagein, tagaus schräg gegenüber „BILD“ sehen muss, leuchtet mir der Wunsch nach einer künstlerischen Antwort darauf ein. Also habe ich mich also entschieden, die aufgestülpte Dauerberegnungsgefahr als Installation eine Weile passend zu finden, aber wenns geht nur ein paar Monate.
A. Geipel:
Begibt sich die taz jetzt auf Bildzeitung-Niveau, hat sie das nötig? Im „Pro“-Kommentar wird der ver- und missbrauchte Begriff Kunst mal wieder arg strapaziert und dazu noch Picasso und Koelbl in Alibi-Funktion. Hilfe!
Alle Fotos: Paulo Olarte
[…] gestellt, um dort über “die Umstände, Kosten, Folgen und die Zukunft” des Penis-Reliefs an der Hauswand der taz zu diskutieren. Doch laut § 16 der Satzung kann eine außerordentliche Versammlung nur von 10 […]