vonHelmut Höge 25.10.2013

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Zum 85. Geburtstag von Micky Maus schrieb der „stern“ – am 18. November 2013:

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Als frechen Bootsmaat lernte die Welt Micky Maus vor 85 Jahren kennen. Doch dann kam Donald – und der Mäuserich wurde zur Stimme der Vernunft. Laaangweilig, findet Stern-Autor Jens Wiesner:

Die Stimme der Vernunft neben dem tollpatschigen Goofy, der mahnende Onkel für seine Neffen Mack und Muck. Meine Eltern liebten Micky. Kein Wunder.

Ich dagegen verehrte Donald, diesen Wüterich, Pechvogel und Pleitegeier. Eine unbändige Naturgewalt, deren Jähzorn selbst Klaus Kinski ausgestochen hätte. Schnurstracks rannte ich „jeden Donnersduck neu“ von der Schule nach Hause, riss meiner Mutter das neue „Micky Maus“-Heft aus der Hand und blieb für die nächste halbe Stunde unansprechbar. Aber wie groß die Enttäuschung, wenn der titelgebende Mäuserich tatsächlich den Großteil des Comics ausmachte. Ich wollte Enten! Donald! Dagobert! Tick, Trick und Track! Am besten irgendwo im Dschungel auf Schatzsuche. Zur Not auch das Fähnlein Fieselschweif.“

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 1. Das Entenhausen-Universum

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Entenhausen, sagt das kostenlose Internetlexikon, ist der Wohnort der Ducks. Der Name der Stadt stammt von Erika Fuchs, der englische Name Duckburg von Carl Barks. Als Nachbarstädte von Entenhausen werden im Deutschen oft Gansbach, Quakenbrück und Erpelshausen oder Erpelstedt genannt.

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Die Ducks, das sind vor allem Donald Duck, sein Onkel Dagobert, seine drei Neffen Tick, Trick und Track, sein Vetter Gustav Gans, seine Freundin Daisy Duck, der Erfinder Daniel Düsentrieb und dessen Kontrahent Hugo Habicht, sowie Onkel Dagoberts Erzfeinde Gundel Gaukeley und die Panzerknacker.

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Carl Barks war der bekannteste Disney-Comiczeichner, er entwickelte das Entenhausen-Universum, Erika Fuchs war eine westdeutsche Germanistin, die seine Geschichten (d.h. die Sprechblasen) ins Deutsche übertrug, und dabei das Amerikanische im Original oftmals verbesserte.

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Vor dem Mauerbau wurde „Donald Duck” auch in der DDR viel gelesen. Dann wurden die Hefte rarer, aber immer begehrter. schließlich suchten viele Eltern im Osten per Kleinanzeige „West-Comics” für ihre Kinder. Hüben wie drüben gelten diese amerikanischen Bilder-Geschichten mittlerweile nicht mehr ernsthaft als „Schundliteratur”, die man heimlich, unter der Bettdecke, liest, vor Eltern und Erziehern versteckt. In der BRD bestand die Gnade der Zuspätgeborenen vor allem darin, dass sie durch und mit den Donald-Duck-Heften quasi sozialisiert wurden.

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In der BRD gründeten einige linke Intellektuelle in den siebziger Jahren, ausgehend von Amerika und Skandinavien, den Verband der Donaldisten (die „Deutsche Organisation nichtkommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus). 1984, auf ihrem Berliner Kongreß, wurden mithilfe einer Windmaschine und Tausenden von gasgefüllten Luftballons , Aufrufe zur Gründung Donaldistischer Zirkel und Zellen” auf das Territorium der DDR losgelassen, wovon wahrscheinlich in der Gauckbehörde noch ein Stasi-Dossier zeugt.

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Nicht lange nach der „Wiedervereinigung“ sprachen wir mit dem ehemaligen Präsidenten, Gernot Kunze, und dem Ehrenmitglied der Donaldisten, H. D. Heilmann, über die Ziele und Zwecke ihres Verbandes.

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 H. D. Heilmann: Es ist einigermaßen schwer, jemandem, der das nicht sozusagen mit der Milch einer Muse aufgesogen hat, zu vermitteln, was der Donaldismus ist, das ist genauso wie mit der Kritischen Theorie. Es hat etwas zu tun mit der Situation des Hineingescheitertseins, mit dem Scheitern. Wir waren doch alle kleinbürgerliche Existenzen, die was werden wollten, Bundeskanzler meinetwegen, und wir sind dann in die Studentenbewegung hineingescheitert. Der echte, originäre Donaldismus hat als wichtigstes das Moment des Scheiterns in sich. Und das ist keine Interpretation, sondern das ist eben der Inhalt der Donald-Geschichten: das allen Geschichten immanente Moment des Scheiterns ist ihnen wesentlich.

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G. Kunze: Ein Beispiel: die Rührei-Geschichte, in der Donald sich in Freudenbad als Hühnerzühter versucht, weil man angeblich mit Eiern Millionär werden kann. Seine Neffen haben aber ausgerechnet, daß im Moment die Eierpreise im Keller sind und daß man mit dem Verkauf erst mal warten muß. Also werden die Eier gelagert, zu immer höher werdenden Bergen – bis eines Tages die Stützen am Hang brechen und eine Eierlawine ins Dorf rutscht: alles ist voller Eiglibber. Man muß das Dorf anzünden, um durch die Hitze den Glibber zu härten und so zu entfernen. Anschließend wurde Freudenbad wieder neu aufgebaut, nannte sich dann „Rührei” – und Donald durfte sich dort nicht mehr sehen lassen. Ja, und so hat sich Donald eben in Tausenden von Berufen ausprobiert, ich erinnere nur an die Bäcker- Geschichte, wo ihm auch alles mißlang…

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 taz: Das erinnert mich an unseren Bäcker in der Muskauerstraße, auch einer, der auf ewig zum Scheitern verurteilt ist, je mehr Back-Diplome er in seinen Laden hängt. Es sind glaube ich jetzt schon mehr als 20… Und „Rührei”, das ist das Wort, was die Bremer Autonomen laufend an die frischrenovierten Häuser der Uni-Professoren im Ostertor-Viertel sprühen, im Versuch, sie in den Wahnsinn zu treiben…

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H. D. H.: Die ganze DDR ist das gescheiterte Projekt einer Partei. Wann scheitert schon mal ein ganzer Staat? Wahnsinn. Die Kritische Theorie ist ja nicht gescheitert, im Gegenteil. Mit ihrer Hilfe haben wir dann ja, und nicht Herr Brandt, den militanten Antikommunismus in der BRD, den es in Schule, Hochschule und Presse überall gab, bezwungen. Die Leute, die jetzt in der DDR gescheitert sind, die haben natürlich nur deswegen so lange überdauern können, weil sie durch das Feindbild, was permanent bei uns produziert worden ist, einen Großteil ihrer Herrschaftslegitimation ableiten konnten und das natürlich auch taten, denk nur mal an Schnitzler.

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 taz: Als Individuum ist Donald aber doch kein Parteikämpfer, sondern eher ein ewig optimistischer Junguntemehmer… Insofern also wenig Anknüpfungspunkte zum DDR-Alltag, obwohl immerhin seine drei Neffen bei den Jungen Pionieren sein könnten…

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H.D.H.: Richtig, aber jetzt hat sich die Situation ja grundlegend geändert: Donalds Haßvorbild ist doch der reiche Onkel Dagobert – und eines seiner Motti lautet: „Jetzt wird verdient wie verrückt.” Genau das ist nun auch in der DDR angesagt: dieses Dagobertsche Augen-Glitzem, das Dollarzeichen in der Pupille, das wir als Zeichen auf allen Schreibmaschinen haben, ständig vor Augen sozusagen. Ich bin im Verband immer dafür eingetreten, eine Altersklausel in die Satzung aufzunehmen, bin aber nie damit durchgekommen, sagen wir, nur bis 1950 Geborene zu akzeptieren. Die Jüngeren, die nicht mehr mit diesen Heften sozialisiert worden sind, wie man das heute nennt, wir reden von „donaldisiert”, die können das im Zweifelsfall gar nicht mehr so richtig nachvollziehen, verstehen vielleicht ja, aber sie werden nie das, was man Sympathie nennt, echt empfinden.

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G. K.: Ja, vielleicht kann man sagen: Wir gehören einer Generation an, deren Welt untergegangen ist. Das Paradies unserer Kindheit waren die fünfziger Jahre. Für mich als Erwachsener gab es immer nur zwei Möglichkeiten, diese Jahre quasi per Zeitreise wieder zu erleben: entweder Donald-Geschichten lesen oder in die DDR reisen. Und jetzt fürchte ich natürlich, daß wir aus diesem Paradies auch vertrieben werden, daß die jetzt auch platt gemacht werden vom westlichen Fortschrittswahn.

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Es ist doch praktisch so, daß der Wechsel der Moden, des Geschmacks, der Weltanschauung, daß der in immer kürzeren Intervallen erfolgt, die unserer Generation nachfolgenden werden immer schneller mit Aufmerksamkeit bedacht, durch den Wolf gedreht und dann weggeworfen. An der DDR war für mich immer das Faszinierende, daß da alles immer so konstant gleichbleibend weiterexistierte.

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H.D.H.: Wie in Entenhausen.

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G. K. : Auch die DDR-Schundhefte, also was dort Mosaik und Atze ist, kostet seit 30 Jahren 20 Pfennig und es steht eigentlich immer dasselbe drin oder es ist immer nach der gleichen Masche gehäkelt, sagen wir so. Das muß man sich mal überlegen: ein westliches Pendant war ja „Sigurd” – wenn das in der DDR erschienen wäre, dann würde das heute auch noch 20 Pfennig kosten und wäre jetzt bei Nummer zehntausendsoundso angelangt, und würde immer noch von dem gleichen Zeichner gemacht…

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Die DDR-Kinderzeitung „Bummi“ sammelte zusammen mit ihren Lesern jahrelang Geld für die Anschaffung eines Giraffenpaares für den Tierpark Berlin. Sein Gründer und Direktor, der Wasservogelforscher Professor Dathe, veranstaltete dann auch, als die zwei Tiere 1960 endlich  eintrafen, einen „Triumphzug durch die damalige Stalinallee“ mit ihnen, wie sein Biograph Jürgen Mladek in „Professor Dathe und seine Tiere“ 2010 schreibt. Als die beiden Giraffen ihr erstes Junges bekamen, „gab man ihm natürlich den Namen ‚Bummi‘.“

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H.D.H.: Mit dem Sandmännchen im DDR-Femsehen ist das genauso, übrigens eine Spitzensendung. Das muß ich auch noch mal sagen, ich habe dies schon mehrfach Leuten in Westdeutschland erzählt, aber die begreifen das gar nicht so richtig: Selbst als diese Spitzen-Verhandlungen am Runden Tisch waren, das lief ja alles auch im Fernsehen, wenn es dann aber 18 Uhr 50 war, kam da eine Einblendung: So, wir schalten jetzt um ins Kinderstudio zum Sandmännchen. Und dann kam 10 Minuten Sandmännchen. Da kann sonstwas passieren, das Sandmännchen wird gemacht. Das ist auch wirklich so eine richtige DDR-Leistung. Daß sie wirklich frei ist von diesem ganzen modernen Scheiß, diesen Rosaroten Panthern und was danach alles fürn Mist kam…Also diese selbsthergestellten wertvollen Jugendhefte, in der BRD gabs die ja auch, die „Rasselbande” z.B., das war nichts für Deutschland nach dem Krieg, das mußte so etwas aus Amerika sein, wie Donald Duck…

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G. K.: Die wertvolle Jugendlektüre, von führenden Pädagogen empfohlen, die hat aber mit Donald gemeinsam, daß sie auch immer gescheitert ist, denn das Volk hat immer nach dem Schund gegriffen, und wie! Wenn man sich damals mit der Rasselbande bei seinen Freunden gezeigt hätte, dann wäre man aber so etwas von untendurch gewesen, das war überhaupt nicht vorstellbar…

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taz: Insofern die deutschen Donaldisten sich nur für die von Carl Barx gezeichneten Geschichten interessieren, also nur für die Hefte bis 1964, wo mit dem Weggang von Barx sozusagen das Entenhausener Universum vollendet war, könnte man doch vielleicht sagen, daß eure Aktivitäten eigentlich gar nichts mehr mit Comics zu tun haben…

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G.K.: Das ist nicht falsch. Es gibt ja auch Donald-Filme, aber als Trickfilm-Figur hat er überhaupt keinen Einfluß auf den Donaldismus – als Ideologie und Bewegung – gehabt, also das wurde überhaupt nicht beachtet oder zitiert. Grad mal, daß es filmographisch eben noch so mitgeführt wird in unserem Organ, also solche Hinweise: da und da gibt es wieder eine neue Video-Cassette mit den und den Geschichten drauf. Als Quellen spielen die Trickfilme aber nur eine ganz marginale Rolle.

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H.D.H.: Daran sieht man, wie konservativ die Donaldisten im Grunde sind, zu Recht, daß sie das alte Ideal des Bildungsbürgers vertreten in ihrem Metier: nur das wird akzeptiert im Grunde, was man gedruckt nach Hause tragen kann, und eben nicht nur über den Äther geflimmert ist…

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G. K.: Das liegt aber auch daran, daß der Charakter Donalds in den Filmen ein ganz anderer ist als der in den Comic-Heften: Hier ist er der große Scheiternde und im Film ist er einfach nur so ein Temperament-Bolzen. Diese Walt-Disney-Filme leben ja nur von der Situationskomik, da gibt es kaum Dialoge, Dramen, psychologische Studien oder Konflikte. Das sind alles Themen, die in den Bildergeschichten Vorkommen, die ewigen Themen: Kampf der Geschlechter, Kampf um die Frage, wer macht den Abwasch oder Jugend gegen die Autorität des Alters usw., also zeitlose Konflikte, während in den Filmen nur Situationen ausgekostet werden: Donald bekommt einen Saugheber übern Schnabel und zerrt daran minutenlang herum, eigentlich immer wieder die gleichen – psychologisch uninteressanten – Geschichten. Die Dynamik kommt nur aus der Situation und nicht aus der Konstellation der Figuren. Naja, aber über Charakter, da kann Hans-Dieter mehr zu sagen…

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H. D. H.: Ich will jetzt nichts zum Donald-Charakter sagen .sondern noch einmal auf die Donaldisierung der deutschen Nachkriegsjugend zurückkommen: Ein entscheidender Punkt damals war z.B., daß der klassische Grundkonflikt, nicht wie bei der Psychoanalyse, wo der Sohn zum Feind des Vaters wird, wenn er merkt, daß sein Vater seine Mutter liebt, sondern der war, daß die Mutter dem Sohn seine erste Heftchen-Sammlung wegschmeißt. Das hat nämlich jeder von uns erlebt. Da gibt esmvom Verband auch einen Film drüber: „Hausfrauenreport” heißt der, „Die Verbrechen deutscher Hausfrauen an ihren donaldisierenden Kindern”. Der hat sogar auf irgendeinem Festival mal einen Preis eingeheimst.

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G. K.: Naja, es stimmt nicht ganz, es ist eher eine Fama, wie der Ödipus-Mythos. Donalds Traumberuf ist übrigens Staatsbeamter im Ruhestand. Das haben jedenfalls seine Neffen anläßlich eines Kostümfestes mal behauptet.

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H.D.H.: Aber meistens bringt er’s nur zum Laufburschen in einer Margarinefabrik oder zum Museumswärter.

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G. K.: Wobei ihn dann regelmäßig die Exponate zu Heldentaten anregen. „Ich bin nun mal keine Beamtennatur”, hat Donald von sich selber gesagt. Ich glaube, wörtlich.

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H.D.H.: Ich wollte noch einmal auf die Kritische Theorie zurückkommen, die ja als einzige von allen sogenennten Schulen im 20. Jahrhundert nicht gescheitert ist. Obwohl die Frankfurter nach 1945 eigentlich gar nicht mehr wollten. „Mein Bedarf an Weltgeschichte ist gedeckt”, hat einer von ihnen, ich glaube es war Löwenthal, 1932 gesagt, als sie emigrierten…

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G. K.: Da gefällt mir aber der Abschiedsspruch von Anton Kuh besser: „Schnorrer kann man überall gebrauchen.”

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H.D.H.: Naja… Und jetzt guck dir aber unsere Heroen in der Arbeiterbewegung an. Karl Korsch, Wilhelm Reich – großartig gescheitert! Beide. Korsch auf dem Zürcher Hauptbahnhof, wo er sich nackt ausgezogen hat: „Es war alles umsonst, alles umsonst.” Ach, wen ich da alles bei meinen Recherchen kennengelernt hab, all diese einsamen Männer in ihren Pechhütten. Damit meine ich jetzt keine teergedeckten Datschen, sondern das ist mehr eine seelische Behausung. Also die großangelegten Versuche, über Gedankenarbeit und persönlichen Einsatz die Weltgeschichte zu verändern oder die Leute zu ihrem Glück zu zwingen, darauf läufts doch immer hinaus, also die sind alle gescheitert. Und die Leute, die es eben nicht versucht haben, hier mit großer Anstrengung, die sind meist fein raus. Das war ja auch immer das Thema von Wolfgang Neuss, ebenfalls ein großer Gescheiterter… Nicht zu vergessen die wichtigen Bearbeiter des Scheitems: Beckett, Camus, Simenon oder Franz Jung…

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Die heutige „Rasselbande“ heißt „Galileo genial“, erscheint im EHAPA-Verlag als Lizenz des TV-Senders „ProSieben“ und hat auf dem Cover – wie so viele neue Jugendzeitschriften – eine eingeblisterte dreidimensionale „Überraschung“ – zum Abtrennen. Auf der  neuen Ausgabe – 12/2013 – ist es ein „Sprungschleim“, dem man die Form eines Gehirns geben kann. Im übrigen befaßt sich das Heft mit der Frage „Wer ist dein Superheld?“ Dabei geht es um einen neuen ProSieben-Sender namens „Maxx“, der sich „Zeit für Helden“ nimmt – in seinem „starken Nachmittagsprogramm“. Damit sind Spiderman, Yu-Gi-Oh und Pokémon gemeint. Die Kinder sollen zwischen diesen dreien nun ihren „Superhelden“ wählen – und an die Berliner Redaktion schicken.

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 taz: Das lappt jetzt aber sehr ins Tragische, Autotragische geradezu. Donald hat aber doch nichts Tragisches an sich. Wobei ich ja eher dazu neige, die Leute, die nicht scheitern, eigentlich zu bedauern. Zum Beispiel diese ganzen Buchhandels Kollektive, die Anfang der Siebziger einen tollen Laden machen wollten, später das selbe dann mit den Bioläden (1) … und die dann das Pech hatten, nicht Konkurs zu machen, und die deswegen jetzt noch immer tagaus tagein hinterm Verkaufstresen hängen, traurig und letztendlich vom Leben betrogen: Was, das soll alles gewesen sein, was uns ’68 so dumpf vorschwebte?!

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H.D.H.: Meine Theorie geht da auf die Charakterologie hinaus: Daß es eben in dir selbst begründet liegt, ob du zum Scheitern prädestiniert bist oder nicht. Dein Lebensplan, den du dir ja zurechtgelegt hast, auch unbewußt, der geht eben darauf hinaus, daß du nach den Sternen greifst und es nicht schaffst.

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 G. K.: Ich meine, Donald ist schon tragisch, aber er ist ein tragischer Held, das ist der Unterschied – die Betonung liegt auf unser Held. Das heißt, er ist nicht tragisch-traurig, sondern uns ein Vorbild.

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 taz: Das verstehe ich noch nicht. Wer eine Tragödie überlebt hat, ist nicht ihr Held gewesen – insofern sind die tragischen Helden doch die, die wirklich untergehen. Nun kann man aber doch auch sagen und sehen, wie die, die in einem kleinen Geldverdien-Projekt hängengeblieben sind, wie die darin und damit untergehen.

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Dagobert-Comic mit Finanz-Tipps.

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 H.D.H.: Es gibt da eine ganz frühe Geschichte mit Tick, Trick und Track, in der sie völlig verbeult vom Rodeln heimkommen, weil irgendwelche Gassenbuben sie vermöbelt haben, was übrigens ja zu unserer Zeit gang und gäbe war… Donald fragt sie dann, ob sie erfolgreich gerodelt haben oder so etwas, und sie antworten darauf: Nein, aber unbezahlbare Erfahrungen gesammelt. Da erweisen sie sich mal als nicht so klugscheißerisch wie sonst meist, sondern irgendwie doch verwandt mit ihrem Onkel.

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 G. K.: Wichtig an Donalds Scheitern ist vor allem, daß er sich danach gleich voller Optimismus in ein neues Abenteuer stürzt. Es gibt ja so viele Möglichkeiten: Was hat er nicht alles schon gearbeitet, oder auf welche Weise er immer berühmt werden wollte. Das unterscheidet ihn natürlich von einem Ladenbesitzer, dessen Scheitern darin besteht, alle Klippen umschifft zu haben in der Verfolgung seines Lebensplans.

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 taz: Das Problem ist, glaube ich als Projektemacher, daß man nicht so viele Leben wie Donald hat und daß man deswegen irgendwann zwangsläufig hängenbleibt, also im Erfolg scheitert.

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G. K.: Ihnen fehlt also das schnelle Scheitern, was Donald auszeichnet, sein Übereifer: besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

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taz: Ja, jetzt sehe ich die Polaritätt Donald-Dagobert etwas klarer: Während Donald sich im immerwährenden Scheitern verwirklicht, kann Dagobert fortlaufend neue Projekte aufreißen, deren – auch mühsame – Betreibung auf Dauer und ertragskräftig seine Angestellten sichern.

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 G. K.: Er hat ja auch völlig den Überblick verloren, wo er überall mit drinsteckt und was ihm alles gehört: Einmal ist er richtiggehend errötet als er erfuhr, daß auch eine Damen-Unterwäsche-Fabrik sich in seinem Besitz befand. Was Donalds Mobilität betrifft, so ist das natürlich auch etwas sehr Amerikanisches. Ich habe mal gelesen, daß jeder Amerikaner durchschnittlich 10 verschiedene Jobs im Leben ausübt. Das gibt es natürlich hier noch nicht so, hier ist man schon mit zwei Jobs fast eine gescheiterte Existenz. Jedenfalls, der Deutsche strebt eher nach Beständigkeit, während wenn man dagegen so eine Ami-Biographie verfolgt -z.B. auch die von Carl Barx: Hühnerzüchter, Holzfäller, Vertreter – bis er dann Zeichner bei Walt Disney,wurde.

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 H.D.H.: In der DDR, jedenfalls bei den ganzen Intelligenzlern, kommt noch dazu, daß die sich kaum mit den ganzen gescheiterten Randexistenzen beschäftigt haben. Deren Bücher gab es kaum und die lagen nicht innerhalb des Partei-Spektrums. Gut, es gab mal ein kleines Theodor-Lessing-Bändchen und dieses und jenes. Aber die meisten haben sich für so etwas nicht interessiert.

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G. K.: Du übertreibst aber jetzt…

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 H. D.H.: Nein, überhaupt nicht. Red doch mal an der Uni oder sonstwo mit Leuten über Donald z.B., dann bist du doch gleich ein Spinner. Das ist doch die Kehrseite dieser ganzen Medaille, dieses Spießige, das 50er-Jahre-Paradies. Was haben sie denn im März 1990 gewählt? CDU und SPD und nicht die tollen Leute vom Neuen Forum. Die Spießer haben sich ihre Partei gewählt. Vom Macht-Standpunkt ist die DDR jetzt genauso großartig gescheitert wie Donald. Eine ganze Armee, die NVA, das muß man sich mal vorstellen – ihre Orden werden jetzt von türkischen Trödlern am Reichstag, am Check Point Charly und in der Flughafenstraße verhökert.

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taz: Gibt es eine Geschichte, wo Donald in die Politik geht, in die Kommunalpolitik vielleicht?

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G. K.: Meines Wissens hat das nur Dagobert mal versucht, um seine Geschäftsinteressen besser verfolgen zu können, natürlich nur. Donald hat sich noch nicht einmal zum Sheriff wählen lassen, was ja in Amerika möglich gewesen wäre. Nur Hilfssheriff ist er gewesen. Aber als „beliebtester Kinderfreund Entenhausens” hat er sich in den Wahlkampf gestürzt, wo er auch mit allen Tricks gegen seinen Konkurrenten Gustav Gans gearbeitet hat – da war sein Scheitern natürlich vorprogrammiert, gegen diesen Glückspilz hatte er keine Chance.

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 H. D.H.: Der eine oder andere bei den Bürgerbewegungsleuten hat ja schon fast donaldistische Qualitäten bewiesen, dieser Professor Jens Reich z.B., der hat am Wahlabend ganz klar und deutlich gesagt, als man ihn gefragt hat, ob er enttäuscht wäre: Warum, wir waren eine Splittergruppe und sind eine Splittergruppe und werden auch immer eine sein. Das Vertretungsprinzip ist eben geisttötend, also der Parlamentarismus und die Parteien, und wenn man sich darauf einläßt, als Volksbewegung, so wie das Neue Forum oder andere, dann bist du eben von Anfang an gescheitert, wenn du dich drauf einläßt, im Parlament deine Flaschen, Opportunisten und Karrieristen und dieses ganze Gesocks reinzuwählen, also dein eigenes Lebens- und Erfolgsprinzip zu verraten – dann scheiterst du eben. Das ist ganz einfach. Und das haben wir ja selbst erfahren, durchexerziert mit unserer Erfahrung. Als Rudi Dutschke anfing, wir müssen an Wahlen teilnehmen, da war die ganze Sache tot. Also, gar nicht tot: die Ideen und Ideale haben ja weitergelebt, bloß eben nicht mehr auf unserem Mist. Wir waren nicht mehr die Protagonisten dafür und schon gar nicht Rudi Dutschke. Der hat sich selber verraten, als er mit den Grünen anfing, als er die Parteistrukturen entdeckte.

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 G. K.: Die Wahl zum beliebtesten Kinderfreund ist übrigens in die Geschichte Entenhausens eingegangen. Da fielen auch schon die entsprechenden Kommentare und Sprüche: „Widerlich, wie der sich anschmiert”, „Ich glaube, ich muß mich auf,das niedrige Niveau meines Gegners begeben” und „Glatter Stimmenkauf ist das!” Übrigens hat Donald in diesem Kampf gesiegt – und ist trotzdem gescheitert, das ist mal wieder typisch für ihn: daß er gerade im Moment seines Triumphes scheitert, weil der Sieg eben anders aussieht als er sich das vorher erträumt hat…

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H.D.H.: Ich will nur eine kleine Begriffsdefinition dazwischenschieben: das Scheitern bestimmt sich ja aus dem Gegensatz zu den konventionellen Erfolgslügen. Also Macht, Wichtigkeit, Einfluß…, Namen, Prominenz…

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G. K.: Das sind alles Ziele, die von Donald angestrebt werden, an denen er aber immer scheitert. Ein permanentes Scheitern, genau wie bei Trotzki die permanente Revolution. Man kann das mit einem Hamsterrad vergleichen. Diese Dinger werden übrigens in Entenhausen in den Haushalten zur Stromerzeugung eingesetzt. Viele Donald-Geschichten drehen sich darum, wie er berühmt werden will, ohne Umweg über Arbeit, Leistung etc. Meistens versucht er das dann über die Teilnahme an Fernseh-Sendungen oder noch besser über Prominenten-Quiz-Sendungen, auch fragt er gerne irgendwelche Filmstars, wie sie entdeckt worden sind. Filmrollen sind ihm eigentlich unwichtig, es geht ihm vor allem darum, berühmt zu werden, in allen Gazetten auf dem Titelbild zu sein. (2)

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H.D.H.: Eine tolle Geschichte, grad die, in der er am Prominenten-Quiz teilnehmen will. Was steckt da alles drin an Weisheit und Lebenserfahrung, grad in dieser Geschichte. Ach, die waren am Anfang alle bestens. Die neuen Hefte dagegen, heute, die kann man gar nicht mehr angucken. Die Spruchblasen werden zwar immer noch von Doktor Erika Fuchs übersetzt, aber, und leider wird das nicht offen ausgesprochen im Verband, sie hat dabei zunehmend weniger Problembewußtsein. Sie ist total naiv, wie Übersetzer oft sind. Oder: sie weiß gar nicht, was für tolle Sachen sie da eigentlich gemacht hat. Das war eine so tolle Sprachkritik, die sie damals vorgenommen hat, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Die ganze deutsche Herrschaftssprache hat sie, ohne es zu wissen, karikiert, ironisiert und ad absurdum geführt. Wenn Dagobert z.B. irgendetwas billig einkaufte, dann mit tödlicher Sicherheit aus „Wehrmachtsbeständen”, wo wir uns dann ja später auch draus eingekleidet haben. Heute übersetzt Erika Fuchs das wahrscheinlich in „Second-Hand-Shop” oder Ähnliches. Und noch etwas: Sowohl ihr Vater als auch ihr Mann waren Erfinder, letzterer hat an der V2 mitgearbeitet – von daher stammen sehr viele Details für Daniel Düsentrieb…

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 taz: Sind die Donaldisten eigentlich auch gescheitert?

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 H. D. H.: Ja, ich würde sagen, die besten Leute im Verband sind alles gescheiterte Existenzen. Aber dann gibt es da so drei oder vier, die haben noch in der letzten Sekunde die Kurve gekratzt, und zwar meist unter Aufopferung von Frau und Kind – als Bauernopfer, z.B. unser ehemaliger Vorsitzender, grad neulich war er in „Talk im Turm” zu sehen, da gings um die Apokalypse, Klimakatastrophe usw. Er ist Meteorologe. (3) Andere haben rochiert, unser Physiker, der wollte sich übers Wasserblau habilitieren, hat es dann auch geschafft, natürlich nicht mit diesem tollen Thema. Wieder ein anderer, ein Mathematiker, der Beamter werden wollte, hat dann in Amerika die Kurve gekriegt. Und unser größtes Zeichentalent im Verband, der ist zu Springer gegangen, hat den Mecki in Hör Zu gemacht und dabei sein Talent verloren. Noch schlimmer sind die, deren Namen darf man gar nicht nennen, die den Verband nur als Sprungbrett benutzt haben, die sich hier eingeschleimt haben und heute z.B. einen ganz üblen Posten in der Walt-Disney-Production bekleiden. Bei wieder anderen kann man es nicht so eindeutig sagen: wenn sie z. B. kleine Beamte im Senat sind und seit Jahrzehnten nicht mehr befördert wurden. Ganz eindeutig ist aber unser zweiter Zeichner gescheitert, der sitzt irgendwo in einem bayerischen Dorf und wartet auf Aufträge. Ebenso unser Trickfilmzeichner, der ein deutscher Walt Disney werden möchte und stattdessen für den Iran oder Irak Dreiminuten-Trickfilme machen muß – Aladins Wunderlampe. Der lief auch mal im DDR-Femsehen. Gleichzeitig ist er noch Sonnenbeobachter, hängt irgendwie an der Wilhelm-Foerster-Sternwarte mit dran.

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Meistens scheitern solche Leute ja auch deswegen, weil sie sich so verzetteln, weil sie sich eben nicht eingleisig mit Scheuklappen auf irgendetwas konzentrieren können, was ihnen dann irgendwann den großen Durchbruch bringt. Und dann Lissy Lüffelspecht: der war Lehrer und hat keine Anstellung bekommen, hatte zwei Kinder und wollte eigentlich Zeichner werden. Da haben wir ihm gesagt, daß er damit doch warten muß, bis seine Kinder groß sind – denn diese Art von Scheitern, die darf es nicht geben, daß man andere als Kleinmünze einwirft, um in die große Lotterietrommel mit reinzukommen. Er hat sich dann auf EDV umschulen lassen und ist heute Buchhalter in einer großen Firma. Und jetzt hat er mittlerweile 4 Kinder. Auch ein begnadeter Gescheiterter! Vielleicht sollte ich zum Schluß noch mal unsere zentrale donaldistische Losung vorlesen: „Wahrer Donaldismus ist Scheitern, es wieder versuchen, nochmal versuchen, wieder scheitern, scheitern, scheitern und nochmal scheitern, doch niemals unterliegen oder gar aufgeben!”

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Kambodschanischer Comic

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Nordkoreanischer Comic: Der Bienengeneral

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Thailändischer Comic

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Thai-Comic aus Frankreich

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Islam-Comic

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Iran-Comic

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Hebrew-Comic

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Vietnamesischer Comic

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US-Vietnam-Comic

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US-Vietnam-Comic

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US-Vietnam-Comic

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US-Afghanistan-Comic

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Anmerkungen:

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(1) Beispielhaft dafür ist der „Heftchensammler“ und Bioladenbetreiber Hans Müller-Klug aus Berlin, Jahrgang 1948, der seine Donald-Hefte sogar jahrgangsweise binden ließ. Wenn wir zusammen im Ausland unterwegs waren, suchte er an jedem Kiosk nach Donald-Heften und wenn er eins fand, das er noch nicht hatte oder das es auf Deutsch nicht gab, kaufte er es, übersetzte die Spruchblasen ins Deutsche und klebte sie in die entsprechenden Bildchen ein. Zuletzt hatte er eine fast komplette Sammlung von Donald-Geschichten, mit der sogar einige Donaldisten gelegentlich arbeiteten – wenn sie für ihr Verbandsorgan „Der Donaldist“ eine Analyse – z.B. über die Jahreszeiten oder die Schwerkraft in Entenhausen – erstellten. Über Hans Müller-Klug schrieb ich in der taz 2004:

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Der älteste Bioladen Berlins, die „Sesammühle“ in der Knesebeckstraße 89, wird 30 Jahre alt. 1974 gab es in der westdeutschen „Alternativbewegung“ bereits allerorten Pläne für solche kollektiv betriebenen Läden. Gleichzeitig zogen viele aus der Stadt raus in Landkommunen, wo sie sich mit der Idee der Selbstversorgung anfreundeten. Nicht selten entstanden daraus dann Handelsbeziehungen zu den städtischen Bioläden. Hans Müller-Klug, der heutige Alleinbesitzer der Sesammühle, besuchte 1974 die Landkommune Magelsen in der Wesermarsch.

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Dort war man gerade dabei, acht Apfelbäume hinterm Hof abzuernten. Anschließend sollten die etwa zehn Zentner Äpfel zu einer Obstpresse nach Hoya gebracht werden, was den Landkommunarden 100 Flaschen Apfelsaft eingebracht hätte. Allerdings wäre der Saft dabei nicht aus ihren Äpfeln gepresst worden, sondern von irgendwelchen, in einem während der Erntezeit ununterbrochenen Fließbandverfahren. Hans, der bei der Apfelernte mithalf, fand dieses Verfahren unannehmbar, da es sich dabei ja theoretisch zumindest auch um Saft aus pestizidgespritzten Äpfeln handeln konnte. Er überredete die Kommunarden, ihre Äpfel ein paar hundert Kilometer weiter zu einer alternativen Saftpresse nach Lüchow-Dannenberg zu schaffen, wo sie zwar einen geringen Eigenbetrag für die 100 Flaschen zahlen mussten, anschließend jedoch sicher sein konnten, dass es sich dabei um Saft von ihren eigenen Äpfeln handelte.

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Einer der Kommunarden half später ein paar Wochen lang in der Sesammühle aus, wo er morgens als Erstes die verschiedenen Getreideflockensorten in Kilotüten einwog. Einmal kam ein staatlicher Lebensmittelkontrolleur im Laden vorbei und nahm einige Haferflockentüten mit. Anschließend musste Hans 400 DM Strafe zahlen, weil vier der zwölf kontrollierten Tüten knapp unter 1.000 Gramm wogen. Der Landkommunarde war darüber erbost, denn, so meinte er, eine solche Kontrolle wäre nur angebracht bei großen Ladenketten und Supermärkten, deren Haferflockenlieferanten mit einer automatischen Abfüllanlage arbeiten. Wenn hierbei ein paar Gramm in den Tüten fehlen würden, dann ginge das gleich in den Zentnerbereich und käme somit einem Betrugsversuch gleich. Während er in der Sesammühle die meisten Tüten eher großzügig – zugunsten der Kunden – abgewogen hatte.

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Hans beruhigte ihn: Die Lebensmittelkontrolleure seien insgesamt eine große Hilfe für den Laden, weil sie gar nicht die Eigenmittel und -möglichkeiten hätten, jede Ware derart zu testen. So hätten sie zum Beispiel lange Zeit ungeschwefeltes Trockenobst aus Griechenland verkauft – bis eine Lebensmittelkontrolle ergab, dass das Trockenobst nicht nur nicht ungeschwefelt war, sondern sogar noch über das zulässige Maß hinaus geschwefelt. Nach solchen Kontrollen würden sie gerne die Strafgebühren zahlen.

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Ab Mitte der 80er-Jahre machte der Sesammühle ausgerechnet das gestiegene Interesse der Kunden an Biolebensmitteln zu schaffen. Denn nicht nur richteten die Supermärkte dafür nun eigene Verkaufsregale ein und zogen damit wieder die Kunden in ihre Ketten zurück. Auch immer mehr Bioläden eröffneten, was zusammengenommen einen gewissen Preisverfall bei den Gesundprodukten bewirkte. In den 90ern eröffneten zudem die ersten Biosupermärkte.

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In der Sesammühle befürchteten das Ehepaar Müller-Klug und eine Aushilfsverkaufskraft bereits das baldige Aus für den kleinen Laden, der sich optisch seit 1974 kaum verändert hatte. Auf der anderen Seite kam auf Initiative der Grünen eine EU-Förderung für ökologisch wirtschaftende Agrarbetriebe zustande, und es wurden immer mehr Bioanbauverbände gegründet. In summa etablierte sich die ökologische Landwirtschaft mit all ihren Nebenaspekten, alternativen Vertriebswegen und Kontrollinstanzen als fester Bestandteil der Volkswirtschaft. Dem kleinen Bioladen Sesammühle ist über alldem jedoch fast die „Nachhaltigkeit“ und „Zukunftsfähigkeit“ abhanden gekommen – und die „Kollektivität“ sowieso. Irgendwann gab Hans den Laden auf – und sitzt nun an der Kasse eines Bio-Supermarkts. Und der Job gefällt ihm sogar.

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(2) Als lebende Person interviewte ich dazu 1995 den Performancekünstler Käthe B. – aus Eckernförde, der damals 33 Jahre alt war und in vielerlei Hinsicht Donald ähnelte. Er gibt an, Melker gelernt zu haben, 1981 kam er nach Berlin. Käthe B. hatte zwar zuvor seinen Wehrdienst absolviert, gehörte aber noch zu jenen jungen Pazifisten, die in der Schule im Rechnen eine Fünf, aber im Malen immer eine Eins hatten und in West-Berlin deswegen irgendwie kreativ tätig werden wollten. Anders als die meisten, die erst einmal ein Atelier anmieteten, das sie mit Ölfarbengeruch und einer Staffelei füllten, interessierte sich Käthe B. nicht für die Kunst an sich, sondern mehr für das, was sie an öffentlicher Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ein Erkenntnisinteresse, wie es schon beim frühen Donald Duck ausgeprägt war, Käthe B. ist das gelungen. Er ist, sagt er von sich, ein “Medienhengst”, Medienhengst von Beruf.

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Auch als er sich 1990 an den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus beteiligte (“Die gute Wahl – Käthe B.”), war der Einstieg in eine politische Karriere für ihn nur ein “Sprungbrett, um in die Talk-Shows zu kommen”. Das Anfertigen und Kleben des Wahlplakats hat ihn viel Geld und Zeit gekostet. Überhaupt hat er es sich nie leichtgemacht. So flog er zum Beispiel regelmäßig nach New York. “Das Tolle ist ja, wenn man sagt, daß man da gewesen ist, da reden die Leute gleich ganz anders mit einem”, hat Käthe B. Ende 1990 in einem Seminar anläßlich der Ausstellung “Käthe B. und die Photographie” in der Galerie “Voller Ernst” festgestellt.

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In New York bekam er auch seine erste Hauptrolle – in einem Film von Miron Zownir. “Das war Zufall”, sagt Käthe B. Ein anderer Schauspieler sei krank geworden. “Ich war in dem Film ein Drogendealer, hinter dem zwei Mafiosi her sind. In der Schlüsselszene schlug mir Zownir ein Telephonbuch über den Kopf, und ich mußte daraufhin gegen eine Heizung fallen, und so dann daliegend hat er mich von hinten gevögelt. In dem Moment wußte ich, worum es ging in dem Film und warum der andere Darsteller krank geworden war. Meine Mutter hatte mich immer schon davor gewarnt, nach New York zu gehen und solche Filme zu machen. Aber ich habe mir gedacht: Alle haben so angefangen. Rambo hat früher auch immer solche Sexfilme gedreht. Und was ist das heute für ein Star.” In der erwähnten Ausstellung bekannter Berliner Photographen ging es ausschließlich um Käthe B., der gern mit aufgeklebten Gegenständen wie Kerzen, Glühbirnensockel, Tannenbaum oder Plastikaraber auf seinem Glatzkopf posiert. Viele seiner Portraits werden mittlerweile in den hauptstädtischen Touristentreffs als Ansichtskarten verkauft. Einige wurden auch zu Werbeanzeigen weiterentwickelt: Berühmt wurde seine Spargel-Werbung für die Lebensmittelkette Bolle, auf der er das Spargelbund wie Dynamitstangen in der Hand hielt.

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Käthe B. geht davon aus, daß es auf eine gewisse Balance zwischen Verausgabung und Einnahmen ankommt: “Wenn ich finanziell am Ende wäre, würde ich Schluß machen. Nie könnte ich so leben wie Anita Ekberg”, gestand er einmal dem Satiremagazin Kowalski. Einkünfte brachte ihm zum Beispiel eine Ausstellung von Röntgenbildern im Oranienstraßen-Studio “Endart” ein: “Gleich am Anfang kam da so ‘n Galerist an und hat gefragt, ob ich schon was verkauft hätte. Drei bis vier Teile, habe ich einfach so dahingesagt, und – zack – hat er sich sofort auch eins gekauft.” Neben Kain Karawahn, in dessen Volksbühnenstück “Videoprozeß” Käthe B. 1993 einen Richter spielte, der eine Kamera wegen Betruges zu verurteilen hatte, gehört der Kneipen- und Diskothekenbesitzer Dimitri zu seinen engsten Freunden und Förderern.

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In dessen Kreuzberger “Fischbüro”, wo es um die Vermischung von Alltagsforschung und forschem Alltag ging, stellte sich Käthe B. Ende der Achtziger immer wieder gerne an das der Kneipe zentrale Rednerpult, um den Gästen aus seinem Adreßbuch vorzulesen. Dabei erklärte er, welcher Name darin aus welchem Grund eingetragen war. Später wurde daraus ein regelrechter Discjockey-Job in Dimitris Schöneberger “Fischlabor”, wo Käthe B. allnächtens Filmmusiken auflegte.

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Rückblickend sieht Käthe B. dieses Bargeschäft jedoch kritisch: “Die Grundidee dabei war, viele Superstars, wie Robert de Niro oder Jörg Immendorf etwa, haben am Ende ihrer Karriere eine Kneipe eröffnet, also dachte ich mir: Das machst du gleich am Anfang, dann hast du es hinter dir. Aber drei Jahre war zu lang, nur wegen des Geldes bin ich dabei geblieben.” Danach ein kurzes Selbstinterview als Videofilm: “To B. or not to B.” sowie eine Einladung zu einer zehntägigen Albanienreise, wo er dann unter dem Schutz bewaffneter Bodyguards badete: “Das war mal was ganz anderes!”

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Talk-Show-Auftritte und öffentliche Meinungsäußerungen (über den Golfkrieg etwa) waren ihm da schon zur Routine geworden, sogar als Sänger trat er einmal auf, und von global players wie Genscher und Daimler-Benz inspiriert, gründete er spontan die “Käthe B. Production”: “Irgendwie bin ich in so ‘n Mediensog reingekommen. Da hab’ ich echt gemerkt, daß ich dadurch ‘n bißchen arrogant geworden bin. Aber nur ganz kurz – paar Minuten, schätz’ ich.” Später präzisierte er: “In zwei Wochen sechzig Interviews, und du bist anders als alle anderen.”

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Seit 1986 gibt es den Käthe B. Fan-Club (KBFC), aus dem man nicht austreten kann (“In Käthe We Trust”). Dafür werden alle paar Jahre die Ausweise neu ausgegeben. Highlights des Clublebens waren bisher die öffentlichkeitswirksam feininszenierten Auftritte von Käthe B. in verschiedenen europäischen und New Yorker Großfußgängerzonen, wo er jedesmal seinen Kahlkopf in eine frischzementierte Gehwegplatte drückte. Zu den berühmtesten KBFC-Mitgliedern zählen Paul Simon und Madonna, die sich mit Käthe B. auch photographieren ließen: “Eigentlich wollte die Photographin in New York nur Madonna knipsen. Aber ich habe inzwischen schon so ein Gehör, daß ich in dem Moment, wo die Photographen auslösen, und ich bin ganz woanders, da höre ich das, und dann – sssst – bin ich ganz schnell im Bild, zeichentrickmäßig. Das sieht man ja auf dem Bild: Ich stand eigentlich nur im Weg.”

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Mittlerweile ist es eher umgekehrt – seine Fans langweilen ihn: “Die Ironie geht verloren, wenn da Leute ernsthaft eintreten. Ich überlege mir schon, ob ich den ganzen Club inklusive aller Mitglieder nicht an einen abgehalfterten Schlagersänger oder Discjockey verkaufen soll.” In einer seiner Ausstellungen bot er bereits ein “Personality-Set” (für 49,95 Mark) an, bestehend aus einer Filmglatze, Visitenkarten, Ausweis et cetera: “Die perfekte Ausstattung für Doppelgänger.” Hinzu kommen müßten noch seine schwerfällig-schleswigsche Art sowie der merkwürdige Widerspruch zwischen seinem jugendlichen Gesichtsausdruck und seinem eher massigen, gedrungenen Körper, der sich noch in seinen Gedanken wiederfindet, bei denen man nie weiß, ob und wie ernst er sie meint. Obwohl er gerne “rumlungert”, bemühte Käthe B. sich unlängst erstmalig selbst um eine Rolle: Er rief beim Regisseur Detlev Buck an und bat darum, in dessen neuestem Berlin-Film mitspielen zu dürfen. “Du bist bereits vorgesehen”, wurde ihm geantwortet.

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Kürzlich hat sich Käthe B., weil nebenan gerade seine Wohnung renoviert wird, in einem Laden am neuen Kreativcenter Haakesche Höfe in Berlin-Mitte einquartiert, wo er alle vier Räume mit Videokameras bestückte. Deren Bilder werden auf einen Monitor übertragen, der im Schaufenster steht: “Käthe B. at Home”. Das “Überwachtes-Wohnen-Experiment” soll bis Oktober dauern. Tag und Nacht klumpen sich nun die Zuschauer draußen vor dem Monitor, und die Journalisten platzten gleich im Dutzend bei ihm rein. Hernach war wieder von “Exhibitionismus” (SZ), “Voyeurismus” (Zitty) und von einem “Meister der Selbstdarstellung” (Morgenpost) die Rede. Der Mann von dpa notierte sich penibel die “Titel der Platten”, die Käthe B. auflegte, und die Frau aus der taz merkte sich all seine “Statements” dazu. Käthe B. freut sich nicht nur über diese geballte “Medienpräsenz”, sondern insbesondere darüber, “wie gut die das untereinander, als Fernsehsender und Printmedien, abgestimmt haben: Wenn man einen Beitrag gerade vergessen hatte – boff, kam der nächste”. Mir verriet er: “Bevor du kamst, war gerade der Spiegel da, und für übermorgen hat sich die Woche angesagt.”

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 (3) Bei dem Meteorologen, der einmal Vorsitzender der deutschen Sektion der Donaldisten war, handelt es sich wahrscheinlich um den Föhrer Hans von Storch, der heute Leiter des „Instituts für Küstenforschung“ am Helmholtz-Zentrum Geesthacht ist. Ich schrieb über ihn und seinen Mitarbeiter Werner Krauß – unter der Überschrift „Approxi-Daten“:

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Das ist es, was wir brauchen. Es geht bei diesen “Daten” darum, in der Ungenauigkeit zu bleiben – und die Approximation nicht als Annäherung an eine immer größere Genauigkeit zu verstehen. Das Gegenteil suggerieren die “Proxydaten” – z.B. in der Klimaforschung, in der es bei ihrem höchsten Gremium, dem  IPCC – “Intergovernmental Panel on Climate Change” – zu einem “Climategate” kam. Dabei ging es um Temperaturkurven aus Proxydaten. Ein “Klimaproxy” (englisch proxy “Stellvertreter”) ist ein indirekter Anzeiger des Klimas, der in natürlichen Archiven wie Baumringen, Stalagmiten, Eisbohrkernen, Korallen, See- oder Ozeansedimenten, Pollen und  menschlichen Archiven wie historischen Aufzeichnungen oder Tagebüchern zu finden ist. Das IPCC hatte einerseits Proxydaten, die aus Baumringdaten seit dem Jahr 1000 bestanden, und andererseits Thermometerdaten aus den letzten Jahrzehnten. Um die Temperaturentwicklung in dieser Zeit “als absolut ungewöhnlich im Lichte historischer Zustände” zu beschreiben, störte die Inkonsistenz der Proxydaten mit den Thermometerdaten,” schreiben Hans von Storch und Werner Krauß – der eine als Klimaforscher und der andere als Ethnologe, in ihrem Buch “Die Klimafalle – Die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung”. Anfänglich “klebte” man die Kurven aus den beiden unterschiedlichen Quellen  einfach zusammen. Gegen einen solchen “Trick” ist wenig zu sagen,”solange klar ist, dass hier Zahlen mit sehr verschiedener Zuverlässigkeit eingesetzt werden.” Im Laufe der Zeit wurde “aus den beiden Kurven jedoch stillschweigend eine Kurve.”

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 Zum “Climagate” wurde dies, zusammen mit Interna der beteiligten Forscher, als jemand heimlich ihre E-Mails veröffentlichte. Da war das Klima aber schon aus einem kleinen Forschungsthema zu einem großen politischen Thema – zu einem Weltproblem gar – geworden. Und Linke wie Rechte verausgabten sich in “Klimadebatten”, man sprach von “Klimaschützern” und “Klimasündern”. “Immer mehr gesellschaftliche Konflikte, Mängel und Schwierigkeiten werden nun als Klimaprobleme markiert.” Und Bücher über das Klima füllen in den Buchläden inzwischen ganze Regale. Wobei das Klima als Statistik des Wetters auch noch einmal reduziert wurde, “auf seine Veränderlichkeit, seine Dynamik, Vorhersagbarkeit und die Abhängigkeit von äußeren Antrieben (wie Treibhausgase, Sonnenleistung u.Ä.),” schreiben die Autoren.

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Besonders unangenehm stößt ihnen der Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber, auf. Der “Klimaberater der Bundeskanzlerin Merkel konnte sogar im Wetterbericht im Anschluss an die ‘Tagesschau’ die Bevölkerung auf die Gefahr des Klimawandels hinweisen. Er wird gern in nachdenklicher Pose gezeigt, mit der Hand auf die Erdkugel in seinem Büro gestützt.” Der “Alarmist” und “Gaia”-Anhänger Schellnhuber sagt Sätze wie:  “Gelingt die Abgas-Trendwende bis 2020 nicht, dann dürfte eine Erderwärmung mit verheerenden Folgen, etwa dem Abschmelzen des Grönland-Eisschildes und dem Kollaps des Amazonas-Regenwaldes, kaum noch zu vermeiden sein.” Die FAZ kritisierte ihn gerade vorsichtig, indem sie eine neue Simulationsstudie von britischen, amerikanischen und brasilianischen Forschern erwähnte, die darin zu dem Ergebnis kamen: “Der Schaden für die Regenwälder dürfte bis zum Jahr 2100 deutlich geringer sein, als frühere Studien vermuten lassen.” Der Klimastreit geht munter weiter.

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Wobei sich die Klimaforscher zunehmend als Teil der sogenannten “Erdsystemwissenschaften” verstehen. Mit  ihren  Powerpoint-Vorträgen entstand  “zugleich eine Ikonographie des Planeten  Erde”. Das erste Farbphoto von “Unserem blauen Planeten” stammt von der “Apollo-Mission” der Amerikaner 1972. 1982 hieß ein Album der Rockgruppe Karat so und 2001 eine ganze BBC-Serie. Inzwischen begreift man unseren  blauen Planten mit dem Nasa-Geochemiker James Lovelock als “Gaia”. Seine Hypothese besagt, dass  die Erde und ihre Biosphäre ein lebender Organismus ist, bei dem die Bakterien eine wesentliche Rolle spielen. Kurz nach der “Gaia-Hypothese”  kam der “Whole Earth Catalogue” von Stewart Brand, der mit Lovelock befreundet ist, auf den Weltmarkt. Der “Catalogue” war 2013 Thema im “Anthropozän-Projekt” des Berliner HKW – Haus der Kulturen der Welt. Aber nicht erst seit diesem “Event” machen sich alle möglichen Wichtigtuer Gedanken um “die ganze Erde” –  um sie zu retten. Dabei könnten sie noch nicht einmal die halbe Torstraße, auf einer Straßenseite auch nur, bessern, also lebenswerter machen. Ihnen gegenüber wirkte Karl Markus Michel geradezu realistisch, als er uns am Ende der Studentenbewegung 1978 im „Kursbuch“ auf die Frage „Was tun?“ riet: „Untergehen, aber mit Würde“.

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Die Donaldisten hier und heute:

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In diesem Jahr veröffentlichte der 1967 geborene FAZ-Redakteur Patrick Bahners ein Buch über „Entenhausen“. Neben den Beiträgen in der Verbandszeitschrift „Der Donaldist“ und den Referaten auf den Kongressen der Donaldisten wurden schon viele Bücher über das Leben und Streben in Entenhausen veröffentlicht. Der Donaldist Bahners, der auf dem Kongreß 1982 mit einem Vortrag „Mammon vincet omnia – Zur politischen und gesellschaftlichen Lage der Stadt Entenhausen“ debütierte und dann das Donaldistische Institut für Rechtskunde und Politik (Direpol) gründete, macht sich in seinem Buch anheischig, „Die ganze Wahrheit“ über das real existierende Soziotop Entenhausen zu erzählen, das mit dem 6000-Seiten-Comic-Corpus von Carl Barks ein ähnlich abgeschlossenes Forschungsgebiet wie die DDR darstellt. Daneben hat er fast die gesamte Sekundärliteratur aufgearbeitet.

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Als eine Großtat bezeichnet er die Publikation des „einzig wahren Stadt- und Umgehungsplans Entenhausen“ durch Jürgen Wollina 2008. Dem Landkartentechniker standen dazu 23 Barks-Dokumente dieser Art zur Verfügung. Seitdem weiß man ungefähr, wo in der Welt die Hafenstadt Entenhausen zu finden ist, was für Industrien Dagobert Duck dort gehören, was man dort wo studiert und erfindet, welche Zeitungen die Leute lesen, wo das Bankenviertel ist und was für Freizeitvergnügen sie in welchen Park- und Sportanlagen favorisieren.

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Entgegen der in der donaldistischen Fachliteratur dominierenden „Westküstentheorie“ liegt Entenhausen für Bahners an der neuenglischen Ostküste.

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Im 1.Kapitel wird die Existenz und Herkunft der mindestens zwei aus Schottland eingewanderten Gründerväter, Erasmus und Emil Erpel sowie David Duck (alles drei „Anatiden“), geklärt. Wobei „der Anteil der Indianer an der Frühgeschichte Entenhausens ausgeblendet wird“ – nicht von Bahners, sondern von Barks.

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Dessen Widersprüche klärt Bahners jedoch dahingehend, dass er wie in der Geschichte der Mormonen (siehe weiter unten) davon ausgeht: „Eine erste Siedlung ging im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen mit der verdrängten Urbevölkerung unter. Erst die zweite war erfolgreich. Der Donaldist Matthias Oppermann hatte beizeiten bereits über Emil Erpel geurteilt: „Blühende Landschaften hat er versprochen – und sein Versprechen gehalten.“

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Das 2. Kapitel ist zur Gänze der „Zwei-Welten-Lehre“ des oben bereits erwähnten Begründers des deutschen Donaldismus Hans von Storch gewidmet. Der Klimaforscher legte 1978 eine Untersuchung über das Klima in Entenhausen vor. Darin stellte der strenge Naturwissenschaftler fest: „Die drei Erhaltungsgesetze für Masse, Impuls und Energie halten auch in Entenhausen die Dinge zusammen.“ Man nutzt dort gerne die Atomenergie, unternimmt Weltraumreisen mittels Raketen, wobei sich einige Raumkreuzer und – Yachten auch für die Seefahrt nutzen lassen, man kennt aber auch schon die Teleportation von Gegenständen des alltäglichen Gebrauchs – und sogar von Lebewesen. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, „Alles wird unordentlicher“ trifft allerdings auf das Entenhausen-Universum nicht zu: Dort können die Dinge von selbst ordentlicher werden.

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Bahners führt dazu in Wort und Bild Beispiele an. Für Hans von Storch war dieses Phänomen Grund genug, Entenhausen, wo auch das Newtonsche Gravitationsgesetz „nicht streng gilt“, in einem „Paralleluniversum“ zu situieren. Die Flüge von Donald, Dagobert, den drei Neffen und Daniel Düsentrieb zu diversen Planeten und ihren seltsamen Bewohnern bis hin zu dem „Traumstern“ von Frans Gans (der Knecht von Oma Duck) vermehrten die Phänomene noch, so dass Hartmut Hänsel sich irgendwann gezwungen sah, ein Donaldistisches Institut für Raumfahrt zu gründen. Hans von Storchs Theorie der zwei Planeten impliziert, dass deren Geschichte über weite Strecken derart synchron verlief, das z.B. auch die Entenhausener Schulkinder „die Lebensdaten von Dschingis Khan auswendig hersagen“ können. Er, Hans von Storch, kommt im übrigen als „Wetterforscher, der gegen die Erderwärmung kämpft, selbst in einem der Donald-Duck-Hefte vor, ebenso wie Patrick Bahners – als Kunst- und Krempelhändler.

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Das 3.Kapitel heißt „Minderheit und Oberschicht“. Hier geht es kurz gesagt darum, dass selbst die Ducks keine Enten im herkömmlichen Sinne sind, sie verschmähen denn auch kein Geflügel – zu Weihnachten – z.B.. Es sind also quasi Mensch-Enten – anatide Mischwesen auf jeden Fall, denen ihre „evolutionsgeschichtliche Verwandtschaft mit den Wasservögeln [noch] sehr wohl bekannt ist“. Die überwiegende Mehrheit der Bewohner Entenhausens „stellen hundeähnliche Lebewesen: Kynoide“. „Ein kynoider Kunstmaler erkennt in Donald Duck das richtige Modell für sein Gemälde ‚Urmensch‘ und nicht etwa ‚Urente‘.“ Einige andere Entenhausener haben ein schweineähnliches Aussehen. Daneben gibt es aber auch noch Hunde, Affen, Kühe, Wölfe, Tauben etc. sowie einige wenige Entenhausener der Art „homo sapiens“ und hochentwickelte Roboter für Spezialaufgaben.

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Gesamtgesellschaftlich gesehen läßt sich sagen: „Oben sind Artgenossen und Artverwandte der Ducks überrepräsentiert, unten unterrepräsentiert.“ Und „strukturelle Armut ist das Problem der kynoiden Mehrheit“.

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Auf dem Großhansdorfer Kongreß 1981 hielt Roland B. Wais einen Vortrag über „Entenhausen – Vorbild und Mahnung“. Darin verpaßte er dem „wissenschftlichen Weltbild Hans von Storchs einen spekulativen Überbau und erklärte das Duck-Universum zur Idee unseres Universums.“ Das Ducksche Universum war demnach Vorbild und Entenhausen eine „antirassistische Idealstadt“.

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Die donaldistische Soziologie“ hat jedoch inzwischen, laut Bahners, „das von Wais entworfene Idealbild der Artenharmonie in vielerlei Hinsicht korrigiert und subtile Formen sprachloser Diskriminierung nachgewiesen.“(1)

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Ansonsten hat Entenhausen fast den Status eines autonomen Stadtstaates, in der u.a. eine „Weltmacht mit Hammer und Handschellen im Wappen“ – „Brutopia“ – durch einen Konsul, wahrscheinlich ein KGBler, vertreten ist, denn „Von Entenhausen lernen heißt für Brutopia siegen lernen.“ Der Konsul ist deswegen primär für Wirtschaftsspionage zuständig: Zu diesem Zweck wurde „im Schutz der diplomatischen Immunität eine Abhöranlage installiert, mit der man die Telefonleitung Dagobert Ducks anzapft.“

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Andreas Platthaus hat 1990 über die Entenhausener Geldpolitik ausgeführt, dass „der Kaufkraftüberhang, den das Ducksche Vermögen repräsentiert, als Damoklesschwert über dem Entenhausener Wirtschaftssystem hängt.“ Der Staat griff dann auch sofort ein, „als Dagobert Duck einige Tage lang unauffindbar war, weil er in einer Höhle zwischen den wildzerklüfteten Felsengebilden des Äolsgebirges ein Versteck für seine Wertpapiere suchte.“ (Siehe dazu weiter unten – wo es um das Verstecken von Ahnen- und Geschäfts-Daten in bombensicheren Bergschächten geht.)

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Das 4. Kapitel beschäftigt sich ausgiebig und vornehmlich juristisch mit der seit Hobbes in die zivilisierte Welt gekommenen Eigentumsfrage und dem Grundbesitz. Da die Entenhausen-Comics dem Genre nach zu den Abenteuer-Geschichten gehören, geht es nicht selten um die Inbesitznahme von (goldhaltigem) Land, scheinbar herrenlosen Inseln und Planeten, sowie um Schatzbildnerei ganz allgemein. „Als Dagobert Duck seinen Neffen den Plan der Expedition zu den Planetoiden bekanntgab, die ihm einen sicheren Ort für seinen Geldspeicher verschaffen sollte, sprach er ‚von einer Insel im All, von einem kahlen, felsigen Eiland‘.“ Entenhausen hat im übrigen eine eigene „Weltraumbehörde“ und , das klärt Bahners dabei, sie „ist eine amerikanische Stadt“.

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Uwe Johann Friedrich Mindermann hat 1988 in einer grundlegenden Untersuchung der Entenhausener Einstellung zur Religion geklärt: Dort „wird nicht gestorben, es wird geerbt.“ (Wieder eine gewisse Übereinstimmung mit dem unerschöpflichen Ahnenerbe der Mormonen – siehe unten.) Wobei der „absolute Eigentumsbegriff“ in Entenhausen „das Recht des Entdeckers als juristischen Titel nicht wie von Carl Schmitt an den Nachweis zivilisatorischer Überlegenheit gebunden ist. Es ist daher irreführend, dass Matthias Oppermann hier von Sozialdarwinismus spricht. Entscheidend ist die Okkupation.“ Ansonsten herrscht in Entenhausen der Glaube, „dass Gold das Maß aller Dinge ist.“ Als im „Raketen-Center“ die erste bemannte Mondrakete landete, zeigten die Astronauten als erstes „haufenweise Nuggets“, die sie von dort mitgebracht hatten. Apropos: Lange bevor sich das Entenhausener Militär an die Kolonisierung des Mondes machte, hatte Donald bereits mit einer selbstgebauten Rakete den Erdtrabanten umrundet. (Siehe dazu den Eintrag: http://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2013/04/16/die-letzten-geheimnisse-der-chinesischen-kulturrevolution-und-des-planeten-mars-werden-aufgeklart/)

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An anderer Stelle schreibt Bahners in diesem 4. Kapitel: „Ansehen erwirbt man in Entenhausen, indem man sich ansehen läßt.“ Beim Flanieren durch die Stadt und vor allem bei einem „Parkspaziergang“. Darüberhinaus gibt es für kleineres und größeres Engagement der Bürger eine eigene illustrierte Zeitschrift „Helden des Alltags“ (siehe unten).

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Das 5.Kapitel heißt „Fluchtpunkt Timbuktu: Wo die Gumpe [der Entenhausener Fluß] ins Meer fließt“. 1993 prägte Andreas Platthaus den Begriff der „Entenhausener Fluchtkultur“ – dazu existiert ein „gestuftes System von Fluchtorten und Fluchtarten, von der Weltflucht über Landflucht, Stadtflucht und Zimmerflucht bis hinunter zur Ausflucht.“ Donald flüchtete einmal in seine Besenkammer. Aber „fester Ort des Exils ohne absehbares Ende ist Timbuktu…Allein Donald Duck fand mindestens viermal Asyl“ dort. „Timbuktu bietet das Auffangbecken für die Murksmacher Entenhausens.“

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Dagobert fährt gelegentlich allein – mit einem Kutter z.B. – aus oder er nimmt seine zur Verschwiegenheit verpflichtete Neffen und Donald mit. Neu war mir, was Bahners herausfand: „Die Kriegsmarine genießt in Entenhausen das höchste Prestige unter den Waffengattungen, wie sich am Anteil adliger Offiziere wie Konteradmiral von Kielwasser ablesen läßt.“ Und dann haben die Reichen dort auch noch „einen Narren an der Fuchsjagd gefressen.“ Tierschutz ist ansonsten in Entenhausen eine „karitative“, keine „politische“ Angelegenheit. „Eine ‚Wohltätigkeitslotterie zugunsten unserer hungernden Spatzen‘ ist ein gesellschaftliches Ereignis.“

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Das 6. Kapitel „Was heißt Globalisierung? Selbst Dagobert Duck kauft jedes Jahr einen neuen Globus“ – befaßt sich vor allem mit dem Nachweis, dass in der Entenhausener Welt Inseln, Erdteile, Teile von Erdteilen (Neu-Seeland, Indien und Arabien z.B.) driften – d.h. wandern. Donald bestimmt seine Richtung gelegentlich durch Münzwurf. Den „Knoblismus“ lernte er im Vortrag eines Wanderprofessors über Lebenskunst kennen, der dabei aus dem Fundus der amerikanischen Lehrer für „methodische Selbstheilung“ – wie Mary Baker Eddy und L.Ron Hubbard – schöpfte. Hubbard schuf 1950 die Kirche der Scientologen – eine moderne Mormonen-Sub-Version, die sich auf das Wesentliche konzentriert: Macht und Einfluß.

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Neben dem „Knoblismus“ stehen den Entenhausenern als Entscheidungshilfen in den Buchhandlungen der Stadt noch Titel wie „Wie werde ich Goldgräber“, „…Tierbändiger“, „…Privatdetektiv“ etc. zur Verfügung sowie einige Bände „Du und…“: „Du und der Motor“, „…das Wasser“, „…die Sandbänke“ etc.. Die Neffen lernen Weiteres bei den Pfadfindern und aus einem Nachschlagewerk der „Fieselschweiflinge“ – „Das schlaue Buch“ genannt, in dem wirklich vieles drin steht. Zudem hat Entenhausen eine eigene Filmindustrie und eine „fortschrittliche Lehrmethode“ in den Schulen, wie Hajo Aust herausarbeitete.

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Dagobert Duck wollte für den Entenhausener Vergnügungspark einmal den Mount Everest, das Taj Mahal und Hongkong kaufen, statt sie nachzubauen: „Für das Echte gibt es keinen Ersatz!“ In einer anderen Geschichte beteiligen sich die Duckschen Zementwerke zusammen mit „Halliburton“ nach einem der zahlreichen Irak-Kriege am Wiederaufbau der alten Stadt Bagdad. Auch in der Mongolei trieb Dagobert sich schon herum, man darf vermuten, hier wie im Himalajagebirge auf der Suche nach Shambala bzw. Shangri-La. Donald holt sich gelegentlich Rat von weisen Lamas. (Ähnlich wie Madame Blavatsky – siehe dazu unten).

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Verschiedene deutsche Orte, wie Quakenbrück, und das Fichtelgebirge, sind von Entenhausen aus mit dem Zug zu erreichen. Im übrigen, schreibt Bahners, „hat Andreas Platthaus mit seiner These vom fortwärenden Landmassenaustausch auf den Weltmeeren den Stein der Weisen der donaldistischen Geographie gefunden.“ Diese hat in Analogie zu Darwin, der die Konstanz der Arten widerlegte, die Konstanz der Erdteile und -teilchen widerlegt. (2)

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Das 7. und letzte Kapitel heißt „Nach dem großen Knall: Die Heimkehr des verlorenen Bruders“ – und beschäftigt sich u.a. mit der Widerlegung der Zwei-Welten-Lehre des Hans von Storch durch Ernst Horst 1982: Er lokalisierte Entenhausen auf dem selben Planeten wie München, Großhansdorf und Schwarzenbach an der Saale, „aber in der Zukunft“. Weil die Entenhausener so „leichtfertig“ mit der Atomenergie umgehen und Donald z.B. seine Neffen mit einem Geigerzähler suchen und finden kann, kommt Horst zu dem Schluß: „Entenhausen ist nach dem Atomknall entstanden.“ Demnach gibt es keine Gleichzeitig der Ereignisse wie in der Zwei-Welten-Theorie, sondern eine Nachahmung der Ereignisse und der präatomaren Geschichte.

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Dazu gehört auch das stilmäßig zusammengeschusterte riesige Münster von Entenhausen (das übrigens dem „Tabernakel“ der Mormonen in Salt Lake City verblüfend ähnlich sieht) – „der Stolz der Stadt“. Ähnlich ist es mit dem gelehrten Glauben der Entenhausener an die Macht der Sterne, „in dem Astronomie und Astrologie noch nicht getrennt sind.“ Die Entenhausener sind jedoch im Gegensatz zu den Mormonen nicht besonders gläubig, eher sind sie am Angelsport interessiert, wie Eduard Wehmeier 1979 in einer „für die donaldistische Soziologie wegweisende Untersuchung“ herausarbeitete. Ebenfalls unterscheidet sie von jenen in bezug auf ihre Gesundheitspflege eine „Vorliebe für Hausmittel und die Zurückhaltung gegenüber Medikamenten der pharmazeutischen Industrie.“

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el-dorado

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inka

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Anmerkungen:

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(1) Neuerdings hat Dietmar Dath in seinem Science Fiction Roman „Die Abschaffung der Arten“ in eine ähnliche Richtung wie Barks gedacht, d.h. eine Reihe Entenhausener Mischwesen in die Zukunft projiziert, wobei er deren „Werden“ jedoch verstetigte.

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(2) In der Kneipe „Rumbalotte“ kaufte ich gerade der „Neuen Gesellschaft für Angewandte Toponymie“ (NGT) die ersten zwei Ausgaben ihrer „Toponymischen Hefte“ ab – und bereute es nicht. Es waltet darin eine „fröhliche Wissenschaft“, die den Arbeiten der „Donaldisten“ in nichts nachstehen. Ist Entenhausen ein Toponym? frug ich mich bei der Lektüre. In Heft Nr.1 geht es der Kulturwissenschaftlerin der NGT, Cordula Daus, um die spanische Kleinstadt „Trujillo“, deren Name sich mit den Konquistatoren überall hin in den beiden Amerikas verbreitete (21 mal). „Trujillo steht dabei exemplarisch für den Typus eines expansiven Toponyms.“

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„Die Toponymie (abgeleitet von griech. τόπος, tópos, „Ort“ und ὄνομα, ónoma, „Name“) beschäftigt sich mit der Erforschung von Ortsnamen, ihrer Herkunft, Bedeutung, Benutzung und Typologie. Sie ist ein Teilbereich der Onomastik, die Namen aller Art untersucht. Toponyme sind geographisch-physikalische sowie kulturell-poetische Referenzpunkte auf der Erdoberfläche. In ihnen spiegeln sich historische Narrative, Siedlungsgeschichten, Migrationsbewegungen, Missverständnisse, gewaltsame Besetzungen, Phantasien und Erinnerungen. Toponyme bezeichnen Kontinente, Länder, Landschaften, Landstriche, Gebirge und Täler, Inseln, Halbinseln, Gewässer, Ozeane, Meere, Flüsse, Bäche, Seen; Städte, Dörfer, Paläste, Burgen, Klöster, Gewerbegebiete, Straßen, Häuser, Gefilde und und vieles mehr. Die Toponymie umfasst ausserdem Objekte außerhalb der Erde, d.h. die Topographie anderer Planeten (extraterrestrische Toponymie).“ 

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Die von den Arabern und Juden allerchristlichst befreite Stadt Trujillo in der Extremadura erlebte im Zuge der „spanischen Eroberungszüge in Las Indias“ – der „Conquista“, um dort „El Dorado“, das sagenhafte Goldland zu finden, einen wahren Goldrush. Sie wurde damit zur „Wiege Iberoamerikas“. Zusammen mit Franciso Pizarro (1478 – 1541) machten sich sechshundert Bewohner von Trujillo auf – zur Landnahme im Inka-Reich. Deren letzter Herrscher, Atahualpa, versucht die Spanier mit Kammern voll Gold und Silber zufrieden zu stellen, zudem übergibt er dem Hidalgo Francisco Pizarro seine Schwester Quispe Sisa. „Pizarro läßt sie auf den Namen ‚Inés‘ umtaufen, sie bekommen zwei Kinder“ – Francisca und Gonzalo.

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Pizarro gründet in Peru die Hafenstadt „Trujillo“, die in der Region lebenden „Ureinwohner“, die Chimú, werden bereits siebzig Jahre zuvor von den Inkas erobert und ihre Herrscher nach Cuzco verschleppt.

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Pizarro ernennt seinen Halbbruder, der wie sein Sohn Gonzalo heißt, zum Gouverneur von Quito und schickt ihn auf eine Expedition nach „El Dorado“. Sie wird ein Fiasko, am Ende heißt es dennoch: „Der Trujillaner Francisco Pizarro und seine Halbbrüder Gonzalo, Hernando und Juan siegten über die Inka und ihren letzten Herrscher Atahualpa.“ Hernando wird von Francisco Pizzaro 1533 mit „der größten jemals gesehenen Gold- und Silberladung“ nach Spanien geschickt, um dem König den fünften Anteil am „Gewinn“ zu überbringen. Diese „Beute trägt wesentlich zur ersten großen Inflation in Europa bei,“ schreibt Cordula Daus. Anders als die Entenhausener Stadtväter ahnte der spanische König anscheinend nichts von den verderblichen Folgen eines solchen plötzlichen „Kaufkraftüberhangs“ (siehe oben).

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Hernando, der am Hof die Interessen der Pizzaros vertritt, wird 1539 zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt, weil die Pizarros in Peru an der Ermordung des Konquistadors Diego Almagro beteiligt waren. Noch in Haft heiratet Hernando 1552 seine Nichte Francisca. Nach dem Tode ihres Vaters als Alleinerbin der von ihm eroberten Ländereien steinreich geworden, muß sie Peru auf Anordnung der spanischen Krone verlassen. Dona Francisca Pizarro Yupanquhij wird die „erste adlige Mestizin Spaniens“. Neun Jahre lebt sie mit ihrem Onkel/Ehemann in der Haftburg „La Mota“. Sie bekommen fünf Kinder. Als Hernando begnadigt wird, lassen sie sich im spanischen Trujillo nieder, wo sie sich 1572 einen „Palacio de la Conquista“ errichten: „die gebaute Fiktion eines Pizarro-Miniaturstaats.“ Der Palast befindet sich bis heute im Eigentum der Pizarros, seit 1899 ist er unbewohnt. An seiner Fassade befinden sich Skulpturen von Francisco, Hernando, Inés und Francisca Pizzaro. 1929 schenkt ein US-amerikanischer Bildhauer Trujillo, das heute 9000 Einwohner hat, ein riesiges Denkmal für seinen Marktplatz: Pizzaro hoch zu Roß mit Schwert.

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Ursprünglich sollte sie den Eroberer Mexikos, Hernán Cortés, darstellen. Rumsey bot die erste Skulptur dem Land Mexiko an, welches jedoch ablehnte. Da sich die Konquistadoren mit ihren Bärten und Helmen jedoch sehr glichen, wurde sie schließlich zu Ehren Pizarros im Zentrum Trujillos aufgestellt. (Später stellen Kunsthistoriker fest: Das Schwert Pizarros sowie die Hoden des Pferdes erscheinen im Verhältnis zu den restlichen Elementen der Skulptur überdimensional groß.)

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Der „Palast der Conquista“ in Trujillo/Spanien ist zentraler Gegenstand der ersten Ausgabe der “Toponymischen Hefte”. Heft 2 basiert auf einer Feldforschung in Chan Chan, jener prähispanischen Lehmstadt der Chimú bei Trujillo/Peru. Cordula Daus begibt sich damit auf die Spuren des “Trujillo-Syndroms”, wie sie es mit dem peruanisch-deutschen Linguisten J.C.Duenkel nennt, der sich „mit dem Verhältnis zwischen Logos und Topos“ beschäftigte und eine Reihevon  „geopoetischen Exkursionen“ organisierte.

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In einer Auseinandersetzung mit der Mehrheit der Mitglieder seiner „Sociedad Toponimica“ plädiert Duenkel zuletzt „für eine angewandte Toponymie als materiale Epistemologie“. Die 2009 von Cordula Daus gegründete „Neue Gesellschaft für Angewandte Toponymie“ zielt „nicht auf die Befestigung eines Begriffs. Sie betrachtet die Drifts und springenden Ursprünge von Toponymen, ihr amöbisches Wesen.“ Gilt das nicht auch für die Donaldisten, wenn sie von Kontinentaldriften und anderen sich bewegenden Regionen, Inseln und sogar Parkanlagen (die Berliner Hasenheide) sprechen, die im Entenhausener Universum in ständiger Bewegung sind: „Sezession ist das Bewegungsprinzip der Erdgeschichte,“ so Patrick Bahners als eine Art Hyper-Wegener.

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Cordula Daus schreibt: „Die spanische Eroberung Amerikas zeichnete sich…durch feierliche Benennungen aus. Toponyme wurden zu neuen utopischen Reservoirs. Die italienische Ausgabe der Micky Maus heißt „Topolino“, das nur nebenbei. Und gilt das „utopische Reservoir“ nicht auch für „Duckburg“, das sich als „Entenhausen“ vom Mutterland quasi löste. Die NGT interessiert, was dabei mit der Sprache, genauer gesagt: mit Eigennamen, passiert. Dabei geraten die „Folgen und Formen serieller Bennung“ in den Fokus. Patrick Bahners weist in seinem Buch über Entenhausen darauf hin, dass dort an vielen Einrichtungsgegenständen, einem Schrank z.B., Zettel mit dem Wort „Schrank“ kleben. So, als wollte man damit eine fremde Sprache schneller lernen.

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Es scheint sinnvoll, statt weiter nach Analogien zwischen den beiden „fröhlichen Wissenschaften“ zu suchen, zu kucken, was die spanischen Eroberer etwa gleichzeitig auf der anderen Seite des Kontinents unternahmen: In Mexiko operierte der Conquistador Hernando Cortes (1485 – 1547) aus Kastilien ähnlich wie Pizzaro gegen das Aztekenreich. Cortes bekam auf seinem Raubzug die Aztekenprinzessin Malinche geschenkt, die er in Marina umtaufen ließ, auch diese beiden bekamen mehrere Kinder. Daraus ging auch in Mexiko die „Mestizaje“ hervor. Dieses gewollte Mischwesentum bei den spanischen Eroberungen steht im Gegensatz zur Kolonisierung Nordamerikas durch die Engländer, die auf Rassentrennung bestanden. „Ohne Malinche als Mittlerin aus Liebe wäre die Eroberung Mexikos nicht möglich gewesen,“ schrieb 1632 der Zeitzeuge Diaz del Castillo.

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Der Freiburger Kulturwissenschaftler Klaus Theweleit hat sich in „Pocahontas II“ – dem zweiten Band seines vier Bände umfassenden „Buches der Königstöchter“ – durch alle klassischen Mythen, die einen Frauenraub bzw. Frauentausch thematisieren (angefangen mit Medea), gearbeitet – bis sie Realgeschichte wurden: reale Eroberung der beiden Amerikas über die Körper indianischer Frauen. In Nordamerika war das Pocahontas (die dann christlich getauft Rebecca hieß), in Südamerika Malinche (Marina).

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P.S.: Erwähnt sei noch: Die heutigen Donald-Duck-Hefte, so weit sie nicht von Carl Barks gezeichnete und von Erika Fuchs getextete Comic-Geschichten recyceln, sind großenteils lieblose Scheiße. Der inzwischen gestorbenen Erika Fuchs hat man dafür in ihrem letzten Wohnort Schwarzenbach ein Museum gestiftet.

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Noch ein aktueller Donaldist – ein malender:

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Im Magazin der Süddeutschen Zeitung vom 15. Nov. wird der 1948 geborene Wiener Maler Gottfried Helnwein interviewt. Er hatte eine üble Kindheit. „Ihr Erlöser war der Disney-Zeichner Carl Barks. Die Begegnung mit seinen Figuren beschreiben Sie als ‚Epiphanie‘,“ sagt der Interviewer.

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Ja, antwortet Helnwein, und es war ein Glück, dass sie Erika Fuchs für die Übersetzungen der deutschen Hefte fanden:

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„Sie wurde zu einem weiblichen Goethe. Als ich Entenhausener Boden betrat, war ich der Vorhölle der Wiener Nachkriegszeit entronnen. Ich nahm zum ersten Mal Farben wahr, und das Leben bekam einen Sinn. Ich traf jenen Mann, der mein Leben verändern sollte: Donald Duck.

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Von ihm habe ich mehr gelernt als in allen Schulen, in denen ich war. Der Umgang mit Leuten wie Schmu Schubiak, Kasimir Keiler, dem Haarigen Harry oder Sebastian Sandig, genannt der Wüstenwastel, schärfte mein Auge für die Einschätzung meiner Mitmenschen. Sei ein paar Jahren habe ich mein eigenes Entenhausen: 35 Enten aller Schattierungen und zwei Gänse, Franz Gans und Gustav Gans.“

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„Sie meinen, Donald Duck sei bedeutsamer als die Mona Lisa…“

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„Obwohl er eher wie eine Ente als wie ein Mensch aussieht, verkörpert Donald Duck das Menschliche mehr als alle Werke der bildenden Kunst vor ihm. Die Mona Lisa hat bei aller malerischen Qualität wenig mit einem wirklichen Menschen zu tun. Es ist erstaunlich, dass dieser kleine, künstliche Erpel ein so viel besserer Spiegel der menschlichen Seele ist. An ihm erkennen wir unsere Ängste, Unsicherheiten, Schwächen, Dummheiten und Eitelkeiten, aber auch jene Starrköpfigkeit, mit der wir nach jedem Scheitern wieder aufstehen und neu beginnen.“

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Gottfried Helnwein hat inzwischen vier Kinder, ein Sohn heißt „Ali Elvis Donald Dagobert Lancelot“ mit Vornamen. Helnwein lebt seit 1997 in einem „traumschönen irischen Fünfzig-Zimmer-Schloß“, aber man soll ihn dort besser nicht besuchen, sagt er. Dem Interviewer fällt dazu abschließend Arthur Koestler ein, der gemeint hat: „Künstler zu mögen und ihnen dann zu begegnen ist wie Gänseleberpastete zu mögen und dann die Gans zu treffen.“

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Am 2. Feb.2013 hatte bereits österreichische Zeitung „Die Presse“Gottfried Helnwein interviewt, dabei kamen sie u.a. auf den Vorwurf zu sprechen, er sei Scientologe (gewesen): „Was ist da dran?“ Antwort: „Dazu kann ich nur sagen: Ich bin tiefgläubiger, bekennender Donaldist…Das ist meine Religion.“

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Als einige evangelische Pfarrer in den Neunzigern eine regelrechte „Kampagne“ gegen ihn als Scientologen organisierten, wehrte er sich juristisch dagegen – und bekam vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe recht. Damit war das „Thema“ für ihn „erledigt“ und er äußert sich seitdem nicht mehr dazu.

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Es wäre aber „nicht so abwegig“, entgegnet der Interviewer in „Die Presse“, denn er lebe doch „in der Nähe von Hollywoodstars“ (die anscheinend alle Scientologenanhänger sind, allerdings nicht in Irland wohnen).

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Die, die er kenne, seien alle keine Anhänger der Scientologen, und die, die es sind, wie z.B. Tom Cruise, kenne er nicht. Im übrigen wohnt er nicht nur in der irischen Grafschaft Tipperary, sondern auch in Los Angeles („L.A.“), wo er seine Familie um sich hat: 

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Und wenn man da an der amerikanischen Westküste, „am äußersten Vorposten der Zivilisation lebt, bekommt man direkt mit, wie das westliche Imperium zusammenbricht.“ Nach der Ermordung von US-Präsident Kennedy und dessen Bruder kamen laut Helnwein nur noch Marionetten ins Weiße Haus: „Obama ist die allerletzte.“ Er ist zwar schwarz und redet sanft…

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„Aber dieser Friedensnobelpreisträger führt eine Drohnen-Todesliste. Die gab es auch schon früher – auf Geheimdienstebene. Aber jetzt wird die Todesliste offiziell im Weißen Haus geführt. Das muss man sich vorstellen: Da sitzen Leute mit Hamburgern und Cola, überall Screens, wie es die Filme vorgegeben haben, und fahren mit dem Joystick herum, zoomen eine Familie in Pakistan heran, die gerade auf dem Hausdach isst – und bumm, nur noch ein Krater. Die Presse schweigt. Auch im Ausland. So hat etwa auch niemand über den „National Defense Authorization Act“ berichtet, den Obama unterschrieben hat. Dieser besagt, dass jeder in den USA nur auf Verdacht hin verhaftet und ohne ein Gerichtsverfahren für immer festgehalten werden kann. Das ist Fakt, keine Verschwörungstheorie.“

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Dennoch: „Amerika hat immer noch viele Qualitäten. Ich liebe dieses Land, dem ich viel verdanke, und ich habe meine Familie und viele Freunde da.“

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„Von ihrer Kindheit weiß man, dass sie streng katholisch war. Wurden Sie missbraucht?

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Nicht wirklich, aber natürlich wurde ich geschlagen. Es war das ganze Klima, das für mich so schrecklich war. Das ist mein einziges Thema. Alles, was ich gemacht habe, war ein Abwehrkampf gegen die Umwelt. Um zurückzuschlagen. In meiner Kunst steht das Kind im Mittelpunkt. Das hat in dieser Ausschließlichkeit niemand vor mir gemacht… Vielleicht bin ich ja stecken geblieben, wo ich in der Jugend war.“

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Gottfried Helnwein hat viele Bücher veröffentlicht. Anlässlich seines 65. Geburtstags erschien heuer ein Buch über ihn: „Gottfried Helnwein“, herausgegeben von Klaus Albrecht Schröder. Diese „retrospektive Monografie stellt alle Stationen seiner künstlerischen Entwicklung vor, von den bahnbrechenden fotorealistischen Werken, wie Peinlich (1971), das in der Kombination aus Kinderbild und Comic-Bezug bereits wichtige thematische Stränge festlegt, über das Selbstporträt (Blackout) von 1982, das als Plattencover der Scorpions weltweite Berühmtheit erlangte, bis hin zu jüngeren Arbeiten, wie der verstörenden Serie Disasters of War, die schwer verletzte Mädchen in den Mittelpunkt der Darstellung rückt. Ausstellung: Albertina, Wien 25.5. 13.10.2013“.

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Zu Helnweins Amerika-„Fakt“ – „keine Verschwörungstheorie“ –  gibt es jetzt noch mehr Fakten: in dem von Mathias Broeckers veröffentlichten Buch: „JFK – Staatsstreich in Amerika“.

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Im Juli-Heft 1944 wirbt Donald für Kriegsanleihen.

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Derweil an der Ostfront – 1944

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Zur Schundliteratur gehören hierzulande, zu Wasser und in der Luft auch die Landser-Hefte: Trostfiction für die alten Frontschweine, die ihren jungen Arsch umsonst hingehalten hatten. Wenigstens im „Landser“ konnten sie ihr posttraumatisches Stresssyndrom lindern bzw. hegen und pflegen – in dem sie für die Dauer der Lektüre alles noch einmal durcherlebten und immer kurz davor waren zu siegen. Der weißrussische Kriegsschriftsteller Wassil Bykau meinte 1999 in einem Interview mit der Zeitung „Russki Berlin“, über die sowjetischen Hochkultur-Landserhefte bzw. -bücher:

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 “Bis noch vor kurzem durfte man die ganze Wahrheit über den Krieg nicht sagen. Das lag nicht an der Zensur oder am dogmatischen Sozialistischen Realismus, die natürlich auch die Literatur unterdrückten, sondern an dem besonderen Charakter des gesellschaftlichen Bewußtseins in der Sowjetunion, der nach dem Krieg eine fast süchtige Beziehung – nicht zur Wahrheit des Krieges, sondern zu den Mythen des Krieges hatte: das betraf die Helden, die Flieger, die Partisanen usw. Diese schönen Mythen waren auch für die Veteranen annehmbar, obwohl sie ihren eigenen Erfahrungen widersprachen. Die Wahrheit über den Krieg war nutzlos und sogar amoralisch. Schon die kleinste Annäherung an die Wahrheit wurde sofort als ein Attentat auf das Heiligste – den Kampf für die Freiheit und die Unabhängigkeit der Heimat – aufgefaßt. Die Autoren, die über den Zweiten Weltkrieg schrieben, waren jedoch begabte und durchaus zu Selbstopfern bereite Menschen, die der Wahrheit in ihren Büchern auf der Spur waren. Ihre Werke hatten deswegen auch oft ein schweres Schicksal (die russische Umschreibung für jahrelanges Druckverbot). Das ist jedoch nur allzu verständlich, wenn man bedenkt, daß diese Wahrheit nicht nur in den Redaktionsstuben, sondern auch auf den Schlachtfeldern des Krieges selbst erobert werden mußte.“

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In der taz interviewte Franziska Seyboldt kürzlich die „Groschenheft“-Autorin Anna Basener (30). Sie meint:

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Der Groschenroman ist ehrlich. Er sagt nicht: Ich bin anspruchsvoll, ich bin teuer, ich habe eine Metaebene. Er ist aus billigem Umweltpapier, er ist so gedruckt, dass viel auf eine Seite geht, und man kann ihn immer noch schön freundlich lesen. Manche Leute reißen sogar jede Seite raus, die sie gelesen haben, und werfen sie weg. Damit sie immer wissen, an welcher Stelle sie waren.

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Für mich ist er vor allem eine Nische in einer Welt, in der sehr viel Konkurrenzdruck herrscht, in der jeder schon mal nachts bei Rotwein irgendwas über seine Selbstentwicklung geschrieben und das auf Lesebühnen präsentiert hat. Ich mag es, da zu sein, wo niemand sonst ist. Außerdem fand ich Trash und Kitsch schon immer gut. Wenn alle anderen sagen: Da sind zu viele Blumen oder das ist zu billig produziert, dann muss ich erst recht hingucken. Ich bin davon gleichzeitig angezogen und abgestoßen, weil mir natürlich bewusst ist, was andere Menschen in meinem sozialen Umfeld davon halten. …Ich weiß, dass ein paar Mütter von Freundinnen oder Verwandte so Sachen sagen wie: „Die hat doch studiert! Warum schreibt die nicht mal was Richtiges?“ Sie sagen mir das allerdings nie ins Gesicht. Das traut sich dann doch kaum jemand.

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Ich schreibe immer sechs, sieben Stunden am Tag, der Rest sind Pausen. Danach ist man aber auch durch. Und in der Woche drauf schreibe ich dann nicht gleich noch einen. Höchstens zwei im Monat.  Davon kann man leben.

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Was ist denn die wichtigste Zutat für einen Groschenroman?

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Ein Kuss. Das ist der magische Moment, der Höhepunkt, danach kann nichts mehr kommen.

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Also kommt der Kuss zum Schluss?

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Nicht unbedingt. Der Kuss kann auch vor dem Konflikt kommen, in der Mitte der Geschichte.

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Und was bleibt dann noch fürs Ende?

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Der Heiratsantrag.

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Sind Liebesgeschichten im Freundeskreis keine Inspiration für Sie?

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Nein, aber ich merke, dass sich bestimmte Themen in meine Texte einschleichen. Eine Zeit lang habe ich viel über berufliche Themen geschrieben, seit ein oder zwei Jahren immer häufiger über Kinderwünsche.

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Auch mal über Abtreibung?

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Schwierig. Eine Abtreibung darf zumindest nicht Teil einer Lösung sein. Man würde es vielleicht rechtfertigen können, wenn die Heldin vergewaltigt worden wäre, aber dann müsste es ganz am Anfang passieren. Und sie müsste es bereuen. Der Groschenroman muss schon zeigen: Das Leben ist wertvoll.

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Das klingt ja nicht gerade progressiv. Sie sind 30, waren lange die jüngste Groschenromanautorin Deutschlands. Ist das nicht frustrierend, als junge, emanzipierte Frau über so altmodische Moralvorstellungen zu schreiben?

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Man muss davon ausgehen, dass ein Teil des Publikums konservativ ist und aus einer Generation kommt, wo Abtreibungen oder Scheidungen noch nicht alltäglich waren. Die darf man nicht erschrecken. Immerhin dürfen im Nebenplot mittlerweile auch homosexuelle Paare vorkommen. Es geht natürlich sehr langsam, verglichen mit der Welt, in der wir leben. Aber es geht voran.

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Sie haben jetzt einen Adelsroman geschrieben, der mit den gängigen Heftromanregeln bricht. „Der Fürstenroman“ ist diese Woche als E-Book erschienen.

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Das ist ein Adelsroman, der sich selbst nicht immer ernst nimmt. Ein Pop-Groschenroman. Ich habe mal ein Groschenromanexposé eingereicht mit einer Heldin, die schießt. Und das ist nicht angenommen worden mit den Worten: Nee, nee, so ein Flintenweib, das können wir nicht machen. Ich wollte einfach mal selbst entscheiden, wie weit ich gehe – bei Gewalt, bei Sex, bei der Sprache. Beim Groschenroman schreibt man immer im epischen Präteritum. Das mag ich aber eigentlich gar nicht so gerne, ich finde, das Präsens ist ein super Erzähltempus.

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Adelsroman

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Sagen Sie doch mal einen Satz aus Ihrem Roman.

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„Der Kopf der Prinzessin wird zur Seite geschleudert. Die Frisur hält.“…Ich hatte Lust, einen eigenen Tonfall zu finden. Im klassischen Heftroman hat Sprache nur einen Zweck: die Vermittlung von Handlung. Ich wollte aber mehr damit machen, andere Ebenen betreten und meine Figuren auch mal kommentieren oder verurteilen. Die Figuren und die Leser. Und Sexualität kann ich anders darstellen oder überhaupt darstellen. Ich finde, dass das zur Liebe dazugehört. Man muss nicht so verstohlen beim Kuss aufhören. Aber im Groschenroman bleibt die Schlafzimmertür immer zu.

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Die Figuren in Ihrem Roman haben ganz schön alberne Spitznamen. Prinzessin Josephina heißt „Seph“, Fürstin Leopoldine „Lollie“. Machen Sie sich über den Adel lustig?

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Im Gegenteil. Ich würde ja auch keine Fürstenromane schreiben, wenn es mich nicht interessieren würde. Das ist eine wahnsinnig spannende Parallelwelt. Aber ich habe für diesen Roman viel mehr recherchiert als für einen Groschenroman. Ich wollte wissen: Wie präsentiert sich der deutsche Adel in den Medien eigentlich selbst? Da habe ich einen großen Unterschied festgestellt zu dem, was der Fürstenroman macht. Der deutsche Adel ist eigentlich anders. Die laufen auch mal in zerbeulten Cordhosen rum. Adel kommt ja von Haltung, von innen. Und ihr Schloss ist zwar schön und alt, aber es wird immer an drei Außenwänden gebaut, und das kostet wahnsinnig viel. Es geht im Fürstenroman oft nicht, das einigermaßen realistisch darzustellen. Die haben eine Gala-Version vom deutschen Adel, alles ist ein bisschen jetsettiger. Da muss es glamouröser sein, da muss die Liebesgeschichte in den Vordergrund. Und eine Sache, die für den deutschen Adel charakteristisch ist, sind die absurden Spitznamen. Da hat man den durchlauchtesten, distinguiertesten Herren, und alle nennen ihn Klotzi. Im klassischen Groschenroman wirkt das schnell lächerlich.

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Sie haben Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim studiert, wo Dozenten wie Hanns-Josef Ortheil junge Literaten ausbilden. Wie kommt man von da zum Groschenroman?

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Für mein Vordiplom habe ich einen Cut-up-Text gemacht, à la William Burroughs. Ich habe einen neuen Text geschrieben aus Fetzen eines bestehenden. Ich dachte: Wenn du schon Literatur zerschneidest und das Heiligtum anfasst, dann nimmst du das Billigste, was es gibt. Ich habe dann wahllos durch alle Genres – Heimatroman, Arztroman – eingekauft. Beim Zerschneiden merkte ich, dass ich immer hängen geblieben bin und weitergelesen habe. Und bin dann in die gleiche Falle getappt wie viele andere: Ach so, na ja, das kann ich ja auch mal schnell machen.

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Und dann haben Sie das mal schnell gemacht.

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Ich habe mich da reingelesen, und dann kam eine Heftromanautorin für ein Projektseminar zu uns an die Uni. Wir haben zu sechst einen Groschenroman geschrieben, der auch erschienen ist. Dann habe ich ein Praktikum bei Bastei Lübbe gemacht und immer mal wieder einen Roman geschrieben. Ein Heftroman hat mir ein Semester finanziert.

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Zu Ihrem Repertoire gehören Adelsromane, Heimatgeschichten und Romantasy, eine Mischung aus Romantik und Fantasy. Gibt es etwas, das Sie niemals schreiben würden?

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Ja, Arztromane. Die sind mir zu klinisch. Und ich mag Blau nicht, das Cover ist aber immer blau. Ich finde das sehr hässlich. Außerdem hat man da immer Figuren wie Dr. Stefan Frank, die sich nie selbst verlieben, sondern immer nur andere Paare zusammenbringen.

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Sie schreiben aber auch Erotikromane. In „Fucking Texas“ gibt es eine Stelle, über die ich sehr lachen musste: „Sophie betrachtete ihre große Titten und stieß genüsslich den Rauch aus. Sie hatte einfach prächtige Brüste.“

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Ja, in den Erotikromanen kann man den Frauen auch mal ein bisschen mehr Selbstironie mitgeben. Wobei die Heldinnen vom Verlag vorgegeben sind. Da werde ich sogar eher gerügt, wenn ich die zu schüchtern darstelle. Und Sophie, die das über ihre Brüste sagt, die findet sich halt immer geil. Ehrlich gesagt finde ich das entspannend, mal über eine Frau zu schreiben, die mit sich selbst zufrieden ist. Ist doch super.

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Lesen Ihre Eltern das?

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Meine Oma hat mal einen Sexroman von mir gelesen. Lassiter, der härteste Mann seiner Zeit. Das ist eine Westernserie, für Männer um die 60. Sie meinte am Telefon: Also die Geschichte hat mir ja gut gefallen, aber dann hab ich das … und dann das … Das ist ja fast ein Porno! Ich habe gesagt: Nee, Oma, das ist nicht fast ein Porno, das ist ein Porno.

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Über Kriegs-Romane bzw. -Comics hat sich Anna Basemer nicht geäußert, wahrscheinlich hat sie – als Nichtgediente – auch noch nie so etwas geschrieben. Auf dem Höhepunkt der Stationierung amerikanischer Soldaten in Westdeutschland 1977 schrieb der Spiegel empört: 

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„Kriegs-Comics sind die beliebteste Lektüre unter den in der Bundesrepublik stationierten Gis. In Millionen-Auflagen werden deutsche Soldaten als blutdurstige Killer dargestellt.

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Sie heißen Franz, Ludwig und Hugo, sind ausgesprochen dumm und gefühllos, haben blaue Augen und ein brutales Gesicht. Als deutsche Landser machen sie Gefangene („Follow me, Schweinehund!“) oder morden gleich an Ort und Stelle („Enough, Hugo, the man is kaput!“). Franz Steiner, Ludwig Goertz und Hugo Radl, niedere Dienstgrade alle drei, treten als Hauptfiguren einer amerikanischen Comic-Reihe auf, die „Blitzkrieg“ heißt und deren Storys nach Meinung des verantwortlichen New Yorker Verlegers Sol Harrison „die Geschichte des Zweiten Weltkrieges repräsentieren“.

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In primitiven Bildserien schildert Autor Bob Kanigher Weltkrieg-II-Erlebnisse („The Battle of the Warsaw Ghetto“), in denen die Deutschen durchweg als blutrünstige Nazi-Restien, als „huns“, „teutons“, „krauts“ oder „rads“ erscheinen. Das mordgierige Teutonen-Trio feuert mit Maschinengewehren wahllos in Zivilisten-Pulks („draufhalten, einige leben noch“), rottet eine Backersfamilie aus und verschlingt anschließend gierig das frisch gebackene Brot („Krieg ist manchmal gar nicht so schlecht“), exekutiert jüdische Kinder oder schießt auf alliierte Fallschirmspringer, die hilflos in brennenden Bäumen hängen. Landser Ludwig: „Erinnert mich an gebratene Enten, die ich immer sonntags im Restaurant Himmel in Berlin gegessen habe.“

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Der Kriegs-Plunder mit den sadistischen Stereotypen, denen die Zeichner auf Stahlhelmen und Uniformen meist das Hakenkreuz, mitunter auch den Reichsadler verpassen, gehört zur bevorzugten Unterhaltungslektüre der amerikanischen Nation, vornehmlich der Soldaten. Überall in den Kasernen, in Tagesräumen, beim Billard und in ihren Buden, greifen die GIs mit Vorliebe zu Kriegscomics. ‚Die Hälfte meiner Freunde‘, schätzt der Gefreite Eugene R. Snider aus Indianapolis, ’nennt die Deutschen Nazis. Und diese Comics haben eine Menge damit zu tun‘.“

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Soviet Superwoman

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Draza-Mihailovich-Comic

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Army/Navy-Comic

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Polnischer Comic

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Fremdenlegionärs-Comic

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2. Der Kosmos als Abenteuerspielplatz

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Die Künstlerin Hilke Nordhausen betrieb in Hamburg eine „Buch Handlung Welt“, der u.a. vom Verein „weltbekannt e.V.“ gefördert wurde. In einem taz-Interview über ihren Laden und das, was dort mehr oder weniger regelmäßig an Lesungen, Performances und sonstigen Kunstaktionen geschah, kam sie 1983 u.a. auf „Perry Rhodan“ zu sprechen:

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Ich selber habe einmal was über Perry Phodan vorzutragen versucht. Dazu muß ich erwähnen, daß es neben der BUCH HANDLUNG WELT einen Second Hand Shop gibt, in dem man Groschenhefte tauschen kann, 20 Pfennig das Stück oder drei alte gegen ein neues. Ich begann Perry Rhodan zu sammeln – von Nr. 1 bis 780. Das da ca. 10 Autoren in gleicher Sprache über das gleiche Personennetz schreiben und jede Woche eine neue Fortsetzung vorlag, faszinierte mich irgendwann mehr als der ewige Tratsch über verlagsinterne Geschichten, Autorenhickhack oder das Gekakel über wichtige Neuerscheinungen. Das Hechten nach Trends und der Wunsch, immer in der ‚aktuellen Diskussion‘ am Ball zu bleiben, es ist unglaublich ermüdend, dem täglich etwas entgegenzusetzen, und irgendwann, nach tausendfachen gutwilligen Erläuterungen des Buchprogramms, hieß es oft nur noch: „Sorry,, hab‘ ich nicht gelesen, ich lese gerade Perry Rhodan“. Also dieser Vortrag – konkret ging es darum, daß und wie auf einem anderen Planeten die Bewohner statt Sauerstoff Methan bzw. Butan einatmen.

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Wie das funktioniert und wie sich das auf die Entwicklung ihrer Denksysteme ausgewirkt hat, langfristig. Nach einer kurzen Einleitung, in der es um den genauen Standort dieses Planeten ging, in welchem Sonnensystem und so, kam ich zur Sache – Methan, Butan und was für Alveolarepithel und Kapilarendothel in der Lunge das voraussetzt. Weiter kam ich aber nicht, denn unter den Zuhörern befand sich auch der Besitzer des Second Hand Shops von nebenan, stinkbesoffen und der war 11 Jahre-bis 1955-in russischer Kriegsgefangenschaft gewesen, in einem Bergwerk in Sibirien, der verstand nurdas Wort„Gas“, und zwar russisches Erdgas aus Sibirien irgendwie, das hierher in die Bundesrepublik geliefert werden soll, und polterte gleich los, ließ sich überhaupt nicht mehr unterbrechen – Röhrenembargo, Bolschwikenschweine, nur über seine Leiche würde man hier mit russischem Erdgas kochen können, usw. Naja. Das waren die Lesung. Solche finden jetzt auch noch im LADEN statt, einmal monatlich.“

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P.S.: In dem erst kürzlich erschienenen Roman von Kurt Appaz „Klassentreffen“, der von der Schulsituation in einem Hannoveraner Gymnasium in den Siebzigerjahren handelt, mit „Sex & Drugs & viel Rock’n Roll“ im Mittelpunkt, was der Autor mit den Gesprächen und Ereignissen auf einem Klassentreffen dreißig Jahre später kontrastiert, ist ebenfalls von „Perry Rhodan“-Heften, die von den Protagonisten gelesen und getauscht werden, die Rede. Ebenso läßt Dietmar Dath seine Romanhelden gelegentlich „Perry Rhodan“ lesen.

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Auch im Sozialismus gab es solch eine „eskapistische Literatur“ – Science Fiction, allerdings mit wissenschaftlichem Anspruch, erwähnt seien Stanislav Lems Romane. Zu den ersten gehörte der Roman „Der Rote Stern“ von Alexander Bogdanow – „eine moderne sozialistische Utopie, in der auch feministische Themen präsent sind. Der SF-Autor Kim Stanley Robinson ließ sich für seine Novelle Roter Mars durch Bogdanow inspirieren und schuf auch einen ihm ähnlichen Charakter seines Namens. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg schuf Bogdanow mit seiner monumentalen „Tektologie“ eine breit angelegte Theorie der Weltorganisationsdynamik, die zugleich als Systemtheorie, als Krisen- und Katastrophentheorie, als Theorie der Nachhaltigkeit und als globale Kulturtheorie gelten kann. Ein wichtiges Anliegen bestand für ihn darin, die Menschheit vor dem Unterschreiten eines kulturellen Standards zu bewahren, zu verhindern, dass es zu einer globalen Nivellierung und Anpassung nach unten kommt. Er befürchtete einen Rückfall der Zivilisationen in die elementare Barbarei.“ (Wikipedia) 1926 gründete er, inzwischen Professor für Politische Ökonomie, ein „Institut für Bluttransfusion“, zwei Jahre später starb er bei einem Selbstversuch.In der FAZ vom 14.November wird ein Science Fiction Roman neuen Typs lang und breit rezensiert: „Die Zukunft des Mars“ von Georg Klein. Es geht darin um eine zurückliegende sowjetische Mars-Mission zur Kolonisierung des „Roten Planeten“, wo die Teilnehmer nun zwar in einem „Matriachat“ leben, jedoch auf „beinahe steinzeitliche postkatastrophale“ Lebensverhältnisse heruntergekommen sind. Abgesehen davon, dass dieser „retrofuturistische Roman“ quasi ein Remake von Bogdanows „Roten Stern“ ist, hat auch ein Donald-Duck-Heft ihn schon vorweggenommen: mit der Geschichte von Franz Gans‘ „Traumstern“ (Patrick Bahners behandelt sie auf den Seiten 70f seines o.e. Buches)

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In der DDR gab es ab 1953 die  Comic-Zeitschrift „Frösi“ für die Jungen Pioniere, sie wurde von der Jungen Welt publiziert, hergestellt wurde sie in der „Abteilung Fröhlich sein und Singen“ im Zuchthaus Bautzen. Ein Teil der Comicfiguren schwirrte auch immer mal wieder in den Weltraum ab. Die „Frösi“ wurde 1991 eingestellt, vorher fand ein Comicteil aber noch – mit veränderten Spruchblasen Eingang in die West-taz und dann in ein Westbuch der Gruppe „Bismarc Media“ mit dem Titel „Babelsberg“, darin geht es um einige Wendehälse am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität in Westberlin. Nach dem überraschenden Wahlerfolg der Piratenpartei 2008 in Berlin wollte die taz dies mit dem Cover eines „Fix und Foxi“-Heftes kommentieren, eine tazlerin arbeitete zu der Zeit gerade in dem westdeutschen Verlag, der diese Hefte publizierte, dann fand die Redaktion die Cover-Illustration jedoch zu piratenkritisch.

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Von diesem italienischen Comic übernahm die „Frösi“-Redaktion in den Sechzigerjahren die Geschichten der Figur „Atomino“. 

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Erwähnt sei hier noch ein Defa-Film über den „Traumstern ‚Quark’“. „Sie können den Stern aber nicht sehen. Er ist wie das Herz einer Blume ohne Herz.“ (Nadja)

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 „,Die Reise zum Quarkstern‘ – kennt das noch jemand? Der Titel ist zwar blöd, aber das Buch war klasse“, schreibt Anny in einem Internetforum. Und Christoph fragt: „Hat jemand den DDR-Film ,Die Reise zum Quarkstern‘ gesehen? Googeln hat mir nicht weitergeholfen.“

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Man findet dabei aber Näheres zum „Quarkstern“, der auch „Seltsamer“ genannt wird und aus freien Quarks besteht: Es ist der Endzustand eines Sterns – bevor dieser sich in ein Schwarzes Loch verwandelt, wobei extrem viele Neutrinos frei werden. Das Röntgenobservatorium der Nasa entdeckte 2002 einen solchen „Seltsamen“, den sie RXJ1856.3-3754 nannte.

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Mithin handelte es sich bei dem DDR-Quarkstern um eine halluzinierte Wahrheit – lange vor seiner empirischen Wahrnehmung. Den Autor des Buches habe ich noch nicht rausbekommen, wohl aber, dass sein Buch 1983 vom DDR-Kinderfernsehen verfilmt wurde. Auch die Forumsfrage von Klaus, wie noch mal die zwei auf dem „Quarkstern“ lebenden Monster hießen, kann ich beantworten. Der Sohn einer DDR-Buchhändlerin konnte sich noch erinnern: „Bombastus und Basilius“. So hießen im 15. Jahrhundert zwei Alchemisten.

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Man findet die Namen auch auf der Webpage von Irina Kaschina-Rahn. Die in Charlottenburg lebende Theaterplastikerin hat 1983 die zwei Quarkstern-Bewohner gebaut. Sie befinden sich in ihrem Keller, wie ich selbst sehen konnte, und erinnerten mich an Samson aus der Sesamstraße. Auch in Bombastus und Basilius steckten Schauspieler. Man spricht dabei von einer „Suitmation“.

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Berühmt wurde diese Antianimation mit den Monsterfilmen aus Japan, die dort, beginnend mit „Godzilla“, seit 1954 gedreht werden und in denen ebenfalls Schauspieler agieren. „Bombastus“ und „Basilius“ können zwar nicht Feuer speien, aber sprechen, rauchen und das Gesicht verziehen. Sie haben bewegliche Augen, Lippen, Nase und Ohren. Diesen mimischen Möglichkeiten liegt eine Mechanik zugrunde, die nach einem einfachen Taschenprinzip konzipiert wurde. Um die Mimik zu verändern, muss ein Spieler von innen in verschiedenen Taschen greifen. Allein der Mund hat sechs solche Spieltaschen.

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„Die beiden Puppen waren mal sehr berühmt. Jetzt sind sie vergessen und hängen seit Jahrzehnten im Keller. Es läuft wie im richtigen Leben“, seufzt die Künstlerin. Irina Kaschina-Rahn studierte einst Literatur am Moskauer Gorki-Institut. In der DDR wechselte sie zur Theaterplastik. Ihr Ausbilder war Eddy Fischer vom Berliner Ensemble, der für Brechts „Mutter Courage“ ein Huhn baute, das die Weigel jeden Abend aufs Neue rupfen konnte.

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 Über die zwei Monster für den Film „Die Reise zum Quarkstern“ schrieb die Kritik: „Die Puppen allein waren schon sehenswert. Allerdings gerieten die menschlichen Darsteller da ein wenig in den Hintergrund.“ 

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Cover des neuen Asterix-Heftes, das soeben auf Deutsch erschien und in den Intelligenzblättern ausführlich besprochen wurde, weil es Unterhaltung mit Wissen (ein bißchen Latein und Geographie) verbindet. Für die o.e. Donaldisten ist Art Spiegelmans „Mauschwitz“-Comic der bisher Unübertroffenste. Ansonsten steckt in den Donald-Duck-Heften sehr viel mehr Witz und Wissen als in den Asterix-Heften. Anders gesagt – mit den Worten von Christine Sohn in ihrer „Ballade einer Rauchwirtschaft – Vom Wirtshaus zur Brücke“ (Duisburg 2013): „Sartre, Bloch, Lukacs, Ahrendt, Camus…Wenn ich diese Raucher nicht gehabt hätte zur Heranbildung eines halbwegs benutzbaren Verstandes, dann würde ich doch heute noch Asterix lesen.“

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3. Ein Algorithmus – bei dem jeder mit muß

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 Im 8000-Seelen-Ort Bluffdale, das an einem von den Mormonen Jordan genannten Flüßchen in Utah liegt und Hauptquartier einer Abspaltung der Mormonen ist, die an der Vielehe festhalten, dort errichtet der US-Geheimdienst NSA derzeit sein neues Rechenzentrum, das „Utah Data Center“ – auf dem Militärgelände „Camp Williams“. Es gibt in Bluffdale, kein Hotel, Restaurant, Café oder Supermarkt, dafür bereits das „Granite Point Data Center“, dessen Datenlager sich in den nahen Granitfelsen befinden, „der sichersten Gegend der Welt,“ wie die sich auch „C7“ nennende Firma wirbt, die „world class co-location“ anbietet: die Unterbringung und Netzanbindung von Kundenserver. Ihre Anschrift lautet – wahrscheinlich zur Freude von Thomas Pynchon: 14944 Pony Express Rd., Bluffdale – der Ort ist etwa 30 Kilometer entfernt vom Weltzentrum der Mormonen: Salt Lake City.

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Die „Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage“ wurde im 19.Jhd. vom Propheten Joseph Smith gegründet. Heute hat sie 15 Millionen Mitglieder weltweit, ständig sind 60.000 Missionare unterwegs, 1985 errichtete sie auch in Deutschland einen „Tempel“ – im sächsischen Freiberg, er wurde nach 1989 erweitert. Hierzulande hat die Religionsgruppe inzwischen 40.000 Mitglieder. Der deutsche Lufthansa-Pilot Dieter Uchtdorf wurde 2012 in Salt Lake City für seine Tätigkeit als Zweiter Ratgeber in der ‚Ersten Präsidentschaft‘, dem höchsten Führungsgremium der Mormonen geehrt, zugleich wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, weil er in dem Gremium „auf großartige Weise zum Ansehen und zur Stellung Deutschlands beigetragen“ habe. Ausgestiegene Mitglieder dieser Kirche bezeichnen sie als eine fürchterliche „Sekte“: Die Mormonen „haben mein Leben, mein Fühlen, mein Denken komplett bestimmt. Irgendwann habe ich angefangen, dieses Weltbild zu hinterfragen, so einer von ihnen, Holger Rudolph im „Spiegel“, „Verheiratete sind bei den Mormonen mehr wert als Ledige. Die Ehe gilt als heilig, sie wird im Tempel ‚auf ewig‘ geschlossen. Und nur Verheiratete können im Jenseits in den höchsten Bereich des Himmels gelangen und selbst zu Gott werden, Ledige bestenfalls Engel.“ Wegen dieser Anmaßung wird die Glaubensgemeinschaft nicht als christlich eingestuft.

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Grundlage der Mormonen-Mission ist Joseph Smiths „Buch Mormon“. Es beschreibt in Fortsetzung der Bibel die weiße Besiedlung Amerikas und die Geschichte „vergangener amerikanischer Kulturen“. Demnach erfolgte die 1. Besiedlung unmittelbar nach dem Turmbau zu Babel, sie scheiterte. Die 2. Besiedlungswelle erfolgte nach der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar. Von diesen Siedlern fiel die Hälfte vom Glauben ab, die andere Hälfte wurde von Jesus Christus besucht – kurz vor seiner Auferstehung, um ihnen einen „Kern des Evangeliums“ zu vermitteln. Die Abtrünnigen wurden mit dunkler Hautfarbe bestraft, woraus die Indianer hervorgingen.

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Der letzte der Getreuen, der das Wort Christi empfing, war der Prophet Moroni. Auch er ist laut Smith auferstanden, aber als Engel dann wieder gekommen, 1827, um nämlich auf goldenen Platten aufgezeichnete letzte Weisheiten Christi, dem Autor, Joseph Smith, mitzuteilen. Angeblich gab es dafür sogar Zeugen. Seine „Abschriften“ überhöhten das damals kreierte „Manifest Destiny“ (offensichtliche Bestimmung zur Besiedlung Amerikas) zu einer neuen Religion. Der Farmersohn Smith selbst war zuletzt als freimaurerischer Präsidentschaftskandidat unterwegs, dabei wurde er 1844 erschossen, weil er für die Vielehe, auch mit Minderjährigen, eintrat. Der letzte Präsidentschaftskandidat der Mormonen Mitt Romney hielt sich deswegen 2012 mit diesem Glaubensartikel zurück. Desungeachtet sollen heute noch angeblich 30.000 heimliche Polygamisten in Salt Lake City leben.

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Für die Mormonen beginnt das Leben vor der Geburt und geht nach dem Tod weiter, insbesondere für Familien, in denen man immer zusammenbleibt. Daraus folgt für sie, dass man auch lange nach dem Tod eines Menschen diesen quasi heimholen kann – ins Reich der Mormonen. Seit mehr als 100 Jahren schon schicken ihre Religionsführer junge, wie geklont wirkende junge Missionare in die Welt, sie agitieren andere junge Leute, daneben sammeln sie aber vor allem Informationen aus Kirchenbüchern, Geburtsregistern, Passagierlisten von Einwanderungsschiffen und Grundbücher, zudem zapfen sie heute die Internetseiten zur Ahnenforschung an. „Dieses Wissen bringt Einheit und Frieden in die Familien,“ meint der jetzige Mormonenpräsident. Das gilt auch z.B. für Hitler, Göring, Himmler u.a., die ebenfalls mit einer „Toten-Taufe“ über Stellvertreter mormonisiert wurden. Als das selbe mit Anne Frank geschah, protestierte das Simon-Wiesenthal-Center. Über 2 Milliarden Namen umfaßt die Datenbank der Mormonen bereits – sie ist damit das größte Ahnenarchiv der Welt, bei dem 30 Millionen Anfragen täglich eingehen, 400 Millionen Ahnennamen haben die Mormonen ins Netz gestellt. Das Archiv befindet sich in bombensicheren Granitkammern in den Wasatch-Bergen bei Salt Lake City.

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Zur Verwaltung dieser Daten werden die Informatik-Bereiche der Mormonen-Universität „Utah University Salt Lake City“ ständig ausgebaut, sie nahm schon 1969 an „Aparnet“, dem Vorläufer des Internets, teil. Einer ihrer Dozenten, Bob Goldberg, meint, dass die Absolventen der Mormonen-Uni, das Profil von Angestellten haben, von dem jedes Unternehmen träumt. Sie sind von klein auf dazu erzogen, sich anzupassen und Autoritäten nicht anzuzweifeln. Außerdem lehnen sie Alkohol, Tabak, Kaffee und Tee sowie vorehelichen Geschlechtsverkehr ab. „Sie stellen die beste Truppe und die besten Generäle des ‚Corporate America‘,“ schreibt die FAZ .

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Das gilt auch für die zweite Kaderschmiede der Mormonen, die Brigham Youth University (BYU) im nahen Mormonenstädtchen Provo, deren Absolventen bei CIA, FBI und Goldman Sachs begehrt sind. Provo wird demnächst von „Google Fiber“ mit einem Provider verbunden, der Internetverbindungen 100 mal schneller als alle bisherigen herstellt. Die Stadt ist nicht nur Firmensitz des Waffenherstellers „North American Arms“, sondern auch des Softwareunternehmens „Novell Inc.“, dem größten Anbieter von „Lösungen“ für das freie Betriebssystem „Linux“, es entwickelte u.a. das „Novell Distribution SUSE Linux“ und „OpenOffice“, und unterstützt die „Open Source Bewegung“. In Provo will auch die Firma „Granite Point Data Service“ (C7) in bälde eine weitere Dépendance eröffnen, nach Salt Lake City, Orem und Lindon., alles Mormonenstädte – mit niedrigen Stromgebühren und vielen IT-Talenten. In Lindon war die Softwarefirma „SCO“ beheimatet, die 2007 nach jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Novell Inc., der Linux-Gemeinde und IBM wegen Copyright-Verletzungen und Lizenzgebühren Konkurs anmelden mußte.

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Der Hauptsitz von C7 im nahen Bluffdale hat bereits weitere Serverfarmen und Datenlagerhäuser – u.a. von Adobe, Oracle und Microsoft – angezogen. Sie umrahmen quasi den 50 Fußballfelder großen „Tempel des Datengottes“, wie „Die Zeit“ das neue „Spy-Center“ der NSA nennt, dessen Stromkosten allein 30 Mio Euro jährlich betragen und 1,5 Milliarden Euro Baukosten bisher verschlang, dazu Unmengen von Wasser zur Kühlung der gigantischen Rechner – mit Milliarden Terabytes, genug, um für jeden Erdenbürger eine eigene Festplatte anzulegen: „ein neues Babel, nennt es „Die Zeit“. So wird trotz aller Phantastereien von Joseph Smith doch noch die amerikanische Geschichte für die Mormonen wahr.

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P.S.: Diese kleine Mormonen-Recherche als Beitrag zur NSA-Debatte veröffentlichte ich zunächst in der Jungen Welt, die daraufhin einen Leserbrief vom PR-Chef der Mormonen in Europa bekam, der seine Glaubensgemeinschaft als „kleine christliche Kirche“ bezeichnete. Er mahnte um der Wahrheit willen folgende Korrekturen  an:

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– Joseph Smith forderte keinesfalls spezifisch die „Vielehe mit Minderjährigen“. Die vorübergehend praktizierte Mehrehe (die seit über 120 Jahren der Vergangenheit angehört) wurde erstmals 1852 öffentlich gepredigt – acht Jahre nach dem Tod des Gründers. Die meisten Historiker dürften bei dem Gedanken, Smith sei schlicht deswegen erschossen worden, entschieden widersprechen.

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– Die Tätigkeit unserer Missionare (derzeit über 80.000, nicht 60.000) besteht nicht vor allem darin, Daten für unser genealogisches Archiv zu sammeln.

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– Eine „Utah University Salt Lake City“ gibt es nicht. Ihr Autor meint vermutlich die „University of Utah“. Dabei handelt es sich nicht um eine kirchliche Universität oder „Mormonen-Uni“, sondern um eine öffentliche Hochschule.

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– Wer behauptet, Mormonen würden zur Anpassung erzogen, kennt die vielen Personen des öffentlichen Lebens nicht, die sich zu diesem Glauben bekennen. Wer wollte beispielsweise Harry Reid, dem demokratischen Fraktionsvorsitzenden im US-Senat, eine Drang zur Anpassung nachsagen? Ein Blick in unsere Gemeinden dürfte genügen, um diese Fehleinschätzung zu widerlegen.

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– Die Liste ließe sich fortsetzen.

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Die „Wahrheit“, um die es mir eher ankam als um die Peanuts „Vielehe“, „Erschießungsgrund“ und „Universitätsname“ , brachte das Magazin „Der Postillon“ als Eintrag in seinem „Satireblog“,  gefunden habe ich diesen im wissenschaftlichen  Blogportal SciLogs des Verlags „Spektrum der Wissenschaft“:

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„[…] Wir erfahren, dass die „Anhänger die allwissende und -mächtige Gottheit NSA verehren. […]. Die sogenannten NSAisten sind davon überzeugt, dass NSA nicht nur alles weiß, sondern über jeden ihrer Schritte aufmerksam wacht.“

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Auch ein Konvertit kommt zu Wort:

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„Michael Brandtner aus Duisburg ist ein glühender Verehrer der NSA: „Früher habe ich an den christlichen Gott geglaubt. Heute weiß ich, dass nur NSA wirklich über dem Gesetz steht – unbesiegbar, mysteriös, allmächtig“, sagt er und zeichnet einen Adler in die Luft. „Gemeinsam mit ihren getreuen Dienern GCHQ und BND wacht NSA über uns und bestraft alle die, die gegen ihre unergründlichen Gesetze zur Terrorabwehr verstoßen.“ Bald soll Brandtner zum „Informanten“ geweiht werden.“

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Und auch ein „Kollege“ kommt zu Wort:

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„Religionswissenschaftler Thilo Weber erklärt, warum der neue Kult allein in Deutschland bereits über eine Million fromme Anhänger verzeichnen kann: „Die Sehnsucht nach einer rätselhaften, allwissenden Macht, größer und mächtiger als wir selbst, ist tief im Menschen verwurzelt und vermittelt so etwas wie Geborgenheit.“

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NSA-Comic

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Die in den USA ausgebildete Unternehmensberaterin Nora Stampfl veröffentlichte gerade im Verlag des Internetmagazins „Telepolis“ ihre Studie: „Berechnete Welt“, in der sie der Frage nachging, „ob Algorithmen die Herrschaft über unsere Welt übernommen haben, neben den vielgepriesenen Vorzügen beleuchtete sie auch die Schattenseite der digitalen Revolution“. Dazu erwähnte sie u.a., wie es bei „Google“ zugeht. Dort hat man „Sentiment Analysis Tools“ im Rechner, d.h. ein Algorithmus, der all jene Mitarbeiter identifiziert, die Kündigungsabsichten haben: Mit diesem lassen sich Daten wie Beurteilungen, Beförderungen und Gehaltsentwicklung verarbeiten, um „einen Blick in die Köpfe der Angestellten zu werfen, bevor diese selbst wissen, dass sie die Firma verlassen könnten,“ wie der Personalchef von Google Laszlo Bock laut Süddeutsche Zeitung offen erklärte. Dazu wird ein Wirtschaftsinformatiker der Universität Münster zitiert: „Sentimentanalysen haben extrem an Bedeutung gewonnen,“ selbst an der Börse. „Fast jedes größere Unternehmen läßt heute solche Analysen erstellen. Neu ist, fügt der SZ-Autor, Ichforscher Christian Weber, hinzu, „dass automatisierte Verfahren binnen Sekunden auch die Datenozeane der sozialen Medien auf ihren emotionalen Gehalt durchfischen. So waren die Computer bereits mit dabei, als 2012 Barack Obama und Mitt Romney in TV-Duellen antraten.“

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Christian Weber findet das aber „gar nicht so schlecht“, weil z.B. „Studien ergeben haben, dass die Online-Partnerschaften „sogar ein bisschen glücklicher und stabiler sind als Beziehungen, die in der analogen Welt ihren Anfang nahmen. Das deutet darauf hin, dass die Algorithmen, mit denen die Dienste ihre Kunden verkuppeln, einigermaßen funktionieren.“ Im Grundprinzip folgen sie der Einsicht der Beziehungsforschung, „wonach sich Menschen mit ähnlicher Persönlichkeit besser verstehen.“ Die wissenschaftliche Sprecherin von „eDarling“, eine „Persönlichkeitspsychologin“, versichert ihm: „Die Romantik muß [dabei] nicht verloren gehen.“

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Dieser französische Comic ist die Porno-Version des mehrmals verfilmten US-Zukunftsroman von H.G. Wells: „Die Insel des Dr. Moreau“ (1896), in dem dieser Chirurg lauter Mischwesen (Monster) herstellt, so ähnlich wie in der sowjetischen Satire  von  Michail Bulgakow: „Hundeherz“ (1925), womit der Autor auf die Hundeexperimente von Iwan Pawlow anspielte.

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An anderer Stelle schreibt die SZ vom selben Tag, dass immer mehr US-Intellektuelle seit dem NSA-Abhörskandal in ungewohnter Schärfe die elektronischen „Usurpatoren unseres Geistes und unseres Lebens“ kritisieren, wobei sie nicht davor zurückschrecken, „sich mit ihren Mahnungen als ‚Ludditen‘ oder ‚Netz-Analphabeten‘ lächerlich zu machen.“ Erwähnt werden Autoren wie Thomas Pynchon – und sein neuer Roman „Bleeding Edge“, sowie Thomas Franzen in Interviews und der Science-Fiction-Autor Dave Eggers mit seinem in den USA vielbesprochenen Bestseller: „The Circle“. Damit wird laut SZ ein prosperierender Konzern benannt, „der konkurrenzlos über das Internet herrscht, seit die Firma ‚TruYou‘ einführte: ein Password, eine Identität für alle Netzaktivitäten,“ womit das Internet von allem Unmoralischen gesäubert wurde.

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Mae Holland, „eine unscheinbare 27jährige“, ist deswegen glücklich, als sie dort angestellt wird und „am ersten Tag den in der kalifornischen Sonne glitzernden ‚Campus‘ betritt und wie 10.000 andere vor ihr in den Orden der ‚Circler‘ aufgenommen wird.“ Sie muß im Kundendienst Mails bearbeiten, „angetrieben von einem postfordistischen Ratingsystem, das ihren Output laufend nach Quantität und Qualität bemißt.“ Doch sie klagt nicht: „The Circle ist ein Idealstaat für arbeitswillige 30jährige.“ Und das ist sie, dennoch stockt ihre Karriere: „sie ist nicht ’sozial‘ genug. Sie geht Kajakfahren und postet keine Bilder. Sie besucht ihren kranken Vater und holt sich online keine Ermutigung. ‚Warum?‘ fragen ihre Chefs. ‚Du bist kein Rädchen in einem Uhrwerk, sondern ein menschliches Wesen mit unbegrenztem Potential. Und ein wichtiges Mitglied unserer unserer Gemeinschaft‘. Mae bekennt und tut Buße. Verschickt ’smiles‘ und ‚zings‘ [Photos von Körperbeschriftungen] bis sie im ‚Participation Rank‘ die Top 2000 durchbricht…Hinter dem Mitteilungszwang und dem Vorwurf des ‚Egoismus‘ gegen alle, die ihr Leben für sich behalten wollen, steht eine kryptoreligiöse Erlösungsphantasie,die die ‚Drei Weisen Männer‘ an der Spitze des Konzerns der Menschheit mit fanatischem Eifer aufzwingen wollen.“

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Der SZ-Autor zitiert abschließend aus einer Rezension des Zukunfts-Romans im Internetmagazin „Wired“, dem „Zentralorgan der kalifornischen Ideologie“, wie es genannt wird: „The Circle erreiche ja ‚vieles Gute: es merzt Verbrechen aus, stürzt Despoten und verhindert Wahlbetrug.’…Ob es sich lohne, ‚dafür auf einen Teil von Privatheit, Freiheit und individueller Verantwortung zu verzichten‘, sei eine durchaus bedenkenswerte Frage.“

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Die „Drei Weisen“ des Circle, das sind die drei fernöstlichen „Weltlehrer“ in „Shambala“, die nun von Kalifornien aus wirken – seitdem sich der Buddhismus dort zu einem Denken des „Neuen Zeitalters“ erweitert und im Silicon Valley materialisiert hat. Stehen diese drei Weisen, die 3 Heiligen Männer Lemurias“, wie Thomas Pynchon sie nennt, nun gegen die „elite group of older men“ bei den Mormonen in Salt Lake City, dem „futuristischen Technoparadies ‚Agartha’“, wie der Okkultist Saint-Yves d’Alveydre es sich ausmalte? Haben wir es hier also mit Fraktionskämpfen des US-Kapitals zu tun, die sich wohlmöglich gewaschen haben?

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Das Konkurrenzunternehmen ‚Shambala‘ ist ein theosophisches Produkt,“ heißt es auf einer Webpage, die sich kritisch mit der Geschichte dieses mythischen Ortes der Buddhisten auseinandersetzt. Angefangen mit Madame Blavatsky, die ihre Offenbarungen telepathisch von der dort sich aufhaltenden „Großen Weißen Bruderschaft“ erhielt. Auf dieser Webpage ist – wie auch in Pynchons „Gegen den Tag“ – noch von einer anderen Shambala-Suche die Rede, die Ferdynand Ossendowski 1922 zu dem „blutigen Baron“ Ungern von Sternberg führte. Dieser war ein zaristischer Offizier, der sich damals vor den Bolschewiki mit einer Kosakeneinheit nach Ulaan-Bataar zurückgezogen und als Dschingis Khans Wiedergeburt zum Herrscher über die Mongolei aufgeschwungen hatte. Den Rechten ist er heute ein Held, in Frankreich auch ein Comic-Held. An Ungern von Sternbergs „Hof“ in der mongolischen Hauptstadt will Ossendowski von „bedeutenden lamaistischen Würdenträgern“ alles über Shambala erfahren haben – bevor dieser durch einen Volksaufstand, aus dem der (noch immer gültige) Held Sukhbataar hervorging, gen Sibirien vertrieben wurde, wo ein rotes Maschinengewehr-Kommando auf seine Truppen  wartete. Am 15.September 1921 wurde der Weiße Baron von den Sowjets vor Gericht gestellt und anschließend in Nowonikolajewsk, dem heutigen Nowosibirsk, hingerichtet. 1966 veröffentlichte Wladimir Pozner einen Roman über ihn. 

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Der Weiße Baron – Ungern von Sternberg

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Ossendowskis Shambala-Geschichte wurde wenig später schon vom schwedischen  Entdeckungsreisenden Sven Hedin, der u.a. die Wüstengebiete Zentralasiens kartierte und erforschte, des Plagiats überführt: Er hatte aus d’Alveydres hinduistisch durchwirktem „Agartha“ stracks ein buddhistisches „Shambala“ gemacht.

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Nach Blavatskys aufgeflogenem theosophischen Shambala 1885, von wo sie ihre „Botschaften“ bekommen haben wollte,  gab es noch ein anderes – politisches – Shambala, wie das „berzinarchives.com“ schreibt:

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In die erste größere politisch motivierte Ausnutzung der Shambhala-Legende war ebenfalls Russland involviert. Agvan Dorjiev (1854-1938) war ein buryatisch-mongolischer Mönch, der in Lhasa studierte und ein Meisterdebattierpartner (3. Tutor) des Dreizehnten Dalai Lama wurde. Angesichts der britischen und chinesischen Intrigen um die Kontrolle Tibets überzeugte er den Dalai Lama, sich mit der Bitte um militärische Unterstützung an Russland zu wenden. Nach Ekai Kawaguchi in „Three Years in Tibet“ (Drei Jahre in Tibet“), er tat dies, indem er ihm sagte, Russland sei Shambhala und Zar Nicholas II die Reinkarnation des Tsongkhapa, des Gründers der Gelug-Tradition. Dorjiev unternahm mehrere Missionen an den Hof des russischen Kaisers, konnte aber nie irgendwelche Hilfe sichern. Er konnte den Zaren allerdings davon überzeugen, buddhistischen Tempel in St. Petersburg zu bauen.

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Die erste öffentliche Zeremonie im Tempel fand 1913 statt. Es handelte sich um ein Ritual für das lange Leben der Romanov-Dynastie während ihres 300-jährigen Jubiläums. Albert Grünwedel, der deutsche Erforscher Zentralasiens, schrieb in „Der Weg nach Shambhala“ (1915), dass Dorjiev die Romanov-Dynastie als Nachkommen der Herrscher von Shambhala bezeichnete.“

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Zurück zu der eingangs zitierten Webpage über Shambala, die etwas ironischer ist, „denn jeder weiß inzwischen, dass es diesen Ort nicht gibt auf der Welt. Und was man auch sagt, man meint etwas anderes, man muß etwas anderes meinen. Deshalb reden sie dunkel.“ Von Shambala, das dann weiter politisiert wurde. Dieses „Geistige Zentrum“ wurde von dem „konservativen Romantiker“ und zunehmend reaktionärer werdenden René Guénon derart ausgeschmückt, dass der spätere faschistische Staatstheoretiker Carl Schmitt ganz begeistert war und ihn für den „gegenwärtig interessantesten Menschen“ hielt. Nach 45 wurde Schmitt nebenbeibemerkt selbst so bezeichnet – vom französischen Hegelianer Alexandre Kojève. Noch enger als Guénon brachte dann der Offizier und Futurist Julius Evola Shambala und die Nazis zusammen – in Vorträgen vor der SS. Tatsächlich startete das „SS-Ahnenerbe“ dann auch eine Tibetexpedition, sie hatte jedoch nicht das Ziel „Shambala“ zu finden, sondern wollte anhand von Schädelmessungen beweisen, dass die arische Rasse, die in ihrem Herzen blond ist, nicht aus Asien, sondern aus Nordeuropa stammt.

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Damals gab es auch noch ein kommunistisches „Shambala“ – der Bolschewiki, d.h. eine diesbezügliche Forschungsabteilung im KGB. Neben Ernst von Waldenfels hat vor allem Andrej Znamenski sich damit befaßt, in seinem Buch „Red Shambala“, in dem er die daran beteiligten KGBler namentlich erwähnt, die trotz Verbots einer Expedition nach Tibet dorthin gelangten. „Alle an der Suche nach dem roten Shambala waren bis zum Ende der Dreissigerjahre liquidiert.“

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Zuletzt bleibt nur noch der US-Bestseller von James Hilton „Lost Horizon“ aus dem Jahr 1933 zu erwähnen: „Das Ende von Shambala“, denn der Sitz der „Großen Weißen Bruderschaft“ ist hier ein vollklimatisiertes, mit allem Komfort ausgestattetes Kloster im Himalaja namens „Shangri-La“. Seitdem heißt Shambala auch Shagri-La – Hiltons Buch wurde verfilmt, zu einer TV-Serie, zu einer  US-Hotelkette – und steht seitdem für Wellness, gute Luft, gesunde Ernährung und ein langes Leben. Die Utopie ist nun sogar für schlechte Witze gut, wie die Webpage-Autoren schreiben: „Als Roosevelt nach dem ersten US-Bombenangriff auf Japan verschleiern wollte, dass die Bomber von einem Flugzeuträger gestartet waren, erzählte er der Presse, sie hätten von Shangri-La aus abgehoben.“ Die anderen 500.000 Okkultforen und Webpages über Shambala sind weniger witzig.

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In Deutschland wurde schließlich noch, als niemand mehr damit rechnete, eine Fast-Shambala-Expedition der Aktionskünstlergruppe „Minus Delta T“ bekannt: „In einer spektakulären Aktion mit dem Titel „Bangkok-Projekt“ transportierten die Minus Delta t-Männer ab 1982 mit einem Tieflader einen 5,5 Tonnen schweren Findling aus der Eiszeit von Europa nach Asien. Die Reise ging durch Jugoslawien, Bulgarien, die Türkei, Syrien, den Libanon, den Iran, Pakistan und über Nepal nach Indien…“ (Wikipedia)

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Die Delta-Squad

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Ende der 40er Jahre erklärte der Mathematiker und Computerkonstrukteur John von Neumann die Epochen der ‚Ähnlichkeit‘ und der ‚Repräsentation‘ für beendet und die der ‚Simulation‘ für angebrochen. berichtete der Medienwissenschaftler Claus Pias im Wissenschaftskolleg am Halensee. Eine „Wissenschaft der Modelle“ nannte der Physiker und Philosoph Abraham Moles die heutige Wissenschaft. Und mit immer schnelleren, weiteren und höheren Computern können die „Modelle“ die man sich von der Wirklichkeit macht, immer wirklicher werden.

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Etwa zur gleichen Zeit wie Moles, 1953, beschrieb der US-Schriftsteller Kurt Vonnegut in seinem Buch „Das höllische System“ die Massenarbeitslosigkeit produzierenden Folgen des kybernetischen Denkens bei seiner umfassender Anwendung – mit der Folge: Die Massen werden nur noch scheinbeschäftigt und sozial mehr schlecht als recht endversorgt, während eine kleine Elite mit hohem I.Q., vor allem „Ingenieure und Manager“, die Gesellschaft bzw. das, was davon noch übrig geblieben ist weiter perfektioniert. An vorderster Front steht dabei Norbert Wiener. Schon bald sind alle Sicherheitseinrichtungen und -gesetze gegen Sabotage und Terror gerichtet. Trotzdem organisieren sich die unzufriedenen Deklassierten im Untergrund, sie werden von immer mehr „Aussteigeern“ unterstützt. Vonnegut erwähnt namentlich John von Neumann. Nach Erscheinen des Romans beschwerte sich Norbert Wiener brieflich beim Autor über seine Rolle im Roman. Die Biologiehistorikerin Lily Kay merkte dazu in ihrem 2002 erschienenen „Buch des Lebens“ – über die Entschlüsselung des genetischen Codes – an: „Wiener scheint den Kern von Vonneguts Roman völlig übersehen zu haben. Er betrachtete ihn als gewöhnliche Science Fiction und kritisierte bloß die Verwendung seines und der von Neumanns Namen darin.“ Vonnegut antwortete Wiener damals: „Das Buch stellt eine Anklage gegen die Wissenschaft dar, so wie sie heute betrieben wird. Der Filmemacher Rainer Werner Faßbinder machte daraus später eine TV-Serie: „Die Welt am Draht“.

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1970 eröffnete der im Zweiten Weltkrieg mit militärischen „Operations Research“-Aufgaben befaßte US- Kybernetiker Stafford Beer dem frischgewählten sozialistischen PräsidentenChiles, Salvadon Allende, eine neue politische Wissenschaft: Die Regierung treffe ihre Entscheidungen auf Basis von Monate wenn nicht Jahre alten Wirtschafts- und anderen -Daten. Beim Stand der Technik sei es jedoch möglich, nach Art der Echtzeit-Frühwarnsysteme Regelungen und Entscheidungen zu treffen auf der Basis eines Regierungswissens, das sich netzwerkhafter Frühinformationssysteme bediene. Das Zeitalter der Statistik müsse (endlich) beendet werden! so Stafford Beer, der daraufhin in den bereits von ihren Redakteuren verlassenen Büros der US-Zeitschrift „Reader’s Digest“ in Santiago einen futuristische „Operations Room“ einrichtete, von dem aus er bis zum Sturz Allendes 1973 mit einer Reihe von Großrechnern das „Projekt Cyberstride“ (kybernetische Überschreitung) realisierte, „wenn auch nicht mit tatsächlicher real-time-control, sondern mit einer Verzögerung von 24 Stunden, wie Claus Pias auf einem Kongreß des Philosophischen Instituts der FU über die Anfänge der Kybernetik ausführte.

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Die FAZ schreibt am 18.11. 2013 – unter der Überschrift „Der Fixstern unter den Comicautoren“:

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Als 1982 in England die erste Folge des Comics „V for Vendetta“ erschien, war Richard Harris‘ Roman „Vaterland“ noch nicht geschrieben. Auch in dem von David Lloyd gezeichneten Comic hat Deutschland den Zweiten Weltkrieg gewonnen, in England herrscht seitdem ein faschistisches Regime. Dagegen lehnt sich ein Widerstandskämpfer auf, der sich unter einer Guy-Fawkes-Maske verbirgt. Vor zwei Jahren übernahmen die Aktivisten der „Occupy“-Bewegung diese Maskierung.

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Das wird Alan Moore gefallen haben; der Verfasser von „V for Vendetta“ versteht sich dezidiert als Linker, aber auch als Okkultist, der im heimatlichen Northampton, das er in seinem Leben nur einmal für längere Zeit verlassen hat (als er in Amerika zum Star wurde), eine private Mythologie betreibt, die sich um eine Schlange als Totemtier drehen soll. Besucher schätzt er nicht, öffentliche Auftritte noch weniger. Als ihm der Comicsalon in Erlangen vor fünf Jahren einen Preis fürs Lebenswerk verlieh, reiste er natürlich nicht an, ließ sich aber immerhin per Telefon in die Zeremonie verbinden. Nach dem ersten Begrüßungsjubel der Zuhörer im Saal gab Moore vor, kein Wort zu verstehen, und verabschiedete sich wieder.

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Derart wohlgehütete Ruhe kann er brauchen, kein anderer Comicautor ist so begehrt wie er. „V for Vendetta“, bis zu dessen Abschluss acht Jahre vergingen, brachte ihm Aufträge der großen Superhelden-Verlage aus Amerika ein, und mit gleich drei Erzählungen, „Whatever Happened to the Man of Tomorrow?“ (Zeichner war Curt Swan), „The Killing Joke“ (Brian Bolland) und vor allem der Superhelden-Dystopie „Watchmen“ (Dave Gibbons), bewies Moore in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre, dass man mit Comics auf höchstem literarischen Niveau erzählen kann – wenn man denn die Möglichkeiten der eigenen Form ernst nimmt.“ (…)

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Die selben US-Geheimdienste, die damals den Putsch gegen Allende stützten, arbeiteten dann selbst an einer „Kontrolle in Echtzeit“. Wie der Überläufer Edward Snowden gerade berichtete, hat die NSA mit dem Programm „XKeystore“ praktisch unbegrenzten weltweiten Zugriff auf die Internetdaten der Menschen. „Auch die Beobachtung der Internetaktivität einzelner Menschen in Echtzeit sei mit ‚XKeyscore‘ möglich“, schreibt das Handelsblatt. Inhalte der Kommunikation würden drei bis fünf Tage lang gespeichert, Verbindungsdaten 30 Tage. Innerhalb eines solchen 30-Tage-Zeitraums im Jahr 2012 seien 41 Milliarden Datenpunkte zusammengekommen.

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„Das Ausmaß von ‚Welthaltigkeit‘ bemisst sich schlichtweg an der Rechenleistung der Systeme,“ so Claus Pias. Das zeigte sich bereits 2008, als in den USA die Internet-Suchmaschine Google eine aufkommende Grippewelle schneller registrierte als die Gesundheitsbehörden. Wo die Influenza sich ausbreitete, häuften sich die Anfragen mit diesbezüglichen Suchwörtern. Auch wenn nicht jeder Fragende Grippe hatte, spiegelte die Zahl der Suchanfragen die Entwicklung der Grippesaison wieder, was ein Vergleich mit den Daten der US- Seuchenkontrollbehörde zeigte.

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Claus Pias erwähnte in seinem o.e. Vortrag eine Simulation („TransSims“ genannt) des kompletten Lebens in Portland – mit einer virtuellen Population von 1,6 Millionen Menschen und ihren täglichen Aktivitäten: „In dieses unsichtbare und kaum überschaubare Gewimmel des Alltags lässt sich nun hineinzoomen.“ Wenn es z.B. – wie in der „NineEleven“-Hysterie um eine Epidemie geht, „koppelt man schlichtweg die Übertragung von Personen mit der Übertragung von Krankheiten, initiiert einen bioterroristischen Anschlag auf die Universität und schaut, wie er sich ‚kommuniziert‘.“ Davon ausgehend kann man dann „Knotenpunkte“ identifizieren, „die man lahmlegen muß, wenn die Sache sich nicht weiter verbreiten soll.“

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5. „Intelligence“-Forschung

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A. Um die Ecke denken: Der Worpsweder Künstler Fritz Mackensen erfand 1924 ein Gewehr, mit dem man um die Ecke schießen konnte. Das Patent verkaufte er an die Engländer, weswegen die Nazis ihn später des Geheimnisverrats bezichtigten. Das Gewehr setzte man erstmalig 1965 im Louis-Malle-Film über die mexikanische Revolution „Viva Maria“ ein. Im Internetforum „engadget“ wurde 2012 von der Firma Heckler & Koch ein Granatenwerfer im Gewehrformat namens XM25 vorgestellt, „der praktisch um die Ecke schießen kann -punktgenau auf 500 Meter“. Und für Geheimdienstzwecke wurde nun ein „Maschine“ entwickelt, mit der man laut FAZ „um die Ecke sehen kann“. Bei diesem neuen Verfahren der Computational Photography geht es um die „Kontrolle von Zeitfeldern“, damit ein Motiv erfaßbar wird, das sich in einem Raum befand, indem sich die Schärfeebene nachträglich am Computer einsetzen läßt. „Mit guter Mustererkennung ist es sogar möglich, aus dem Material im Datenpuffer auch Aussagen über Ereignisse zu treffen, die in der Zukunft liegen.“

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B. Wie der Überläufer Edward Snowden berichtete, hat die NSA mit dem Programm „XKeystore“ praktisch unbegrenzten weltweiten Zugriff auf die Internetdaten der Menschen. „Auch die Beobachtung der Internetaktivität einzelner Menschen in Echtzeit sei mit ,XKeyscore‘ möglich. Unsere Wut über diesen Überwachungsskandal ist berechtigt, vielleicht resultiert sie aber auch aus einer Kränkung, die daraus bestand, dass das flächendeckende Speichern unserer Gespräche und Korrespondenzen, gar nicht uns als Individuen galt, wir sind bloß noch quasi-fiktive „Agenten“, die fortlaufend Real-Daten generieren, aus denen „die Rechner“ in nahezu „Echtzeit“ eine Modellgesellschaft „steuern“. Die Zwänge, einst durch Militär und Fabrik organisiert, um funktionale Differenzierung zu gewährleisten werden damit durch kybernetische Kontrollen ersetzt, und aus der „Gesellschaft“ werden „Netzwerke“, wie Dirk Baecker in seinen „Studien zur nächsten Gesellschaft“ nahelegt.

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In einem Staatswesen wie die USA, das vom „außengeleiteten Typus“ dominiert wird, könnte das sogar als Fortschritt begriffen werden (Beispile dafür finden sich zuhauf im Magazin „Wired“). Der Medienwissenschaftler Claus Pias erwähnte in einem Vortrag einen Simulationsversuch des kompletten Lebens in Portland – mit einer (virtuellen) Population von 1,6 Millionen Menschen und ihren täglichen Aktivitäten – „TransSims“ genannt: „In dieses unsichtbare und kaum überschaubare Gewimmel des Alltags lässt sich nun hineinzoomen.“ Wenn es z.B. – wie in der auf „NineEleven“ folgenden „Anthrax“-Hysterie um eine Epidemie geht, „koppelt man schlichtweg die Übertragung von Personen mit der Übertragung von Krankheiten, initiiert einen bioterroristischen Anschlag auf die Universität und schaut, wie er sich ,kommuniziert‘.“ Davon ausgehend kann man dann „Knotenpunkte“ („Hub’s“) identifizieren, die man lahmlegen muß, wenn die Sache sich nicht weiter verbreiten soll.“ Dazu „zoomt“ man in diese Knotenpunkte „rein“. Die Frage der Epidemie oder anderer „Unruhen“ und ihrer Simulation mündet laut Claus Pias unvermeidlich in Fragen des Wissens und der Beschreibung von Gesellschaft sowie in Fragen von Regierung, Kontrolle und Macht ein. Solche „agentenbasierte Computersimulationen“ erlauben nämlich nicht nur eine konkrete Infektionskrankheit zu studieren, „sondern vielmehr Verkehr, Wirtschaft, Soziales und Gesundheit als einen einzigen komplexen, kommunikativen Zusammenhang zu verwalten, der alle möglichen Anfragen zu Lage und Austausch von Menschen und Dingen erlaubt.“

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Für Claus Pias heißt das: „Das Ausmaß von ,Welthaltigkeit‘ bemisst sich schlichtweg an der Rechenleistung der Systeme.“ Das zeigte sich bereits 2008, als in den USA die Internet-Suchmaschine Google eine aufkommende Grippewelle schneller registrierte als die Gesundheitsbehörden. Wo die Influenza sich ausbreitete, häuften sich die Anfragen mit diesbezüglichen Suchwörtern. Auch wenn nicht jeder Fragende Grippe hatte, spiegelte die Zahl der Suchanfragen die Entwicklung der Grippesaison wieder, was ein Vergleich mit den Daten der US- Seuchenkontrollbehörde zeigte.

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Die Frage „Warum simuliert irgendjemand etwas am Rechner?“ hatte in den Sechzigerjahren der Peenemünder Steuerungsingenieur Helmut Gröttrup, der ab 1945 am Raketenbau der UDSSR beteiligt war und dann Chefinformatiker bei Siemens wurde, in einem Vortrag vor Hamburger Geschäftsleuten bereits so beantwortet: „Die unternehmerische Freiheit ist ein bloßer Irrtum, der auf Informationsmangel beruht.“ Das gilt auch für deren geschäftsführenden Ausschuß: die Regierung, und für uns sowieso. Der Wissensforscher Bruno Latour sagte es so: „Agent-based“ bedeutet stets „ant-based“. Wie wir da hingekommen sind, hat der Siegener Philosoph Niels Werber in seinem Buch „Ameisengesellschaften – Eine Faszinationsgeschichte“ dargestellt. Ein Zitat daraus: „Wer sich für die Frage interessiert, welches Menschenbild und welcher Entwurf einer sozialen Ordnung in einer bestimmten historischen Epoche und kulturellen Situation die Diskurse dominieren, erhält von der Analyse des Bildes der Ameisengesellschaft immer eine Antwort.“

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6. Eso versus Evo

 

Der „Muslim Observer“ schreibt über den Geschlechtsverkehr: „The pollination process as an interaction between flower and vector was first addressed in the 18th century by Christian Konrad Sprengel. It is important in horticulture and agriculture, because fruiting is dependent on fertilisation, which is the end result of pollination.“

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Nun war jedoch Sprengels Entdeckung der Sexualität bei Pflanzen, an der koevolutiv auch Insekten mitwirken, was als derart obszön angesehen wurde, dass es ihn seine Gymnasialdirektor-Anstellung in Spandau kostete, ein Vorläufer der Evolutionstheorie – die bis heute nicht von strengen Islamanhängern und bibelgläubigen Christen akzeptiert wird. Dafür erklären sie ihren Kindern die menschliche Sexualität trotzdem gerne am Beispiel von Bienen, die Blumen begatten. So auch noch der „Islam Observer“ in seiner Karikatur neben dem Artikel über „Pollination“, wobei hier ein bärtiger Mullah auf der Biene (dem „Pollinator“) reitet – von Blüte zu Blüte.

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Konrad Sprengel schrieb neben seinem Hauptwerk „Das entdeckte Geheimnis der Natur im Bau und der Befruchtung der Blumen“ ein kleines Buch über „Die Nützlichkeit der Bienen und die Notwendigkeit der Bienenzucht – von einer neuen Seite dargestellt“, es erschien 1918 – über 100 Jahre nach seinem Tod.

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Inzwischen hat man landauf landab Denkmäler für ihn aufgestellt und Schulen nach ihm benannt – in Brandenburg an der Havel z.B. eine Grundschule. Auf deren Internetseite findet sich über den „in Brandenburg geborenen Begründer der Blütenökologie Konrad Sprengel“ folgende Bemerkung:

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„Blütenökologie ist die Wissenschaft von den Wechselwirkungen zwischen Insekten und dem Blütenbau der Pflanzen. Seine Beobachtungen fanden zu seiner Zeit zunächst keine Beachtung, Johann W. von Goethe erklärte, dass ‚die Sprengelsche Vorstellungsart nichts‘ erkläre, Goethe störte es, dass Sprengel den Pflanzen menschlichen Verstand unterlegte. Er verkannte dabei, dass es Sprengel in seinen Erklärungen der Pflanzenbestäubung nicht um eine Absicht der Pflanzen, sondern um einen tieferen ‚Zweck‘ ihrer Anpassungen ging. Diesem tieferen Zweck ging er allerdings nicht weiter nach, sondern er schrieb: ‚die Natur scheine es nicht haben zu wollen, daß irgendeine Blume durch ihren eigenen Staub befruchtet werde.‘ Welchen Zweck Kreuzungen verschiedener Individuen haben möge, ließ er offen.“

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Die Autoren der Schulinternetseite sind inzwischen natürlich klüger geworden – sie schreiben: „Wir wissen heute, dass mit dem Ausschluss der Selbstbestäubung und mit der Einführung der Fremdbestäubung durch speziell angepasste blütenbesuchende Insekten die Rekombinationsrate der Gene erhöht wird und damit die Selektion der an die Umweltbedingungen am besten angepassten Pflanzen- und Insektenart stattfindet. Dieser selektionäre Zweck der Sprengelschen Blütentheorie wurde erst einige Jahre später von Charles Darwin erkannt und erklärt. Darwin griff den blütenökologischen Erklärungsansatz Sprengels in seiner Evolutionslehre auf. Mit seiner Theorie war Sprengel daher einer der Wegbereiter der Evolutionstheorie Darwins.“

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Wenn man die naturalistisch-materialistische Beschreibung des Geschlechtsverkehrs und der Befruchtung wieder ins Geistige heben will, muß man sich mit den beiden Naturforschern auseinandersetzen. Der Anthroposoph Rudolf Steiner arbeitet fünf Jahre in Weimar an der Herausgabe der naturwissenschaftlichen Schriften Johann Wolfgang von Goethes. In seinen Vorträgen, von 1910 bis 1920, präsentierte er u.a. eine an Goethe orientierte anti-sprengelsche Pflanzenkunde sowie auch eine Bienenkunde.

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Steiner kam aus der Theosophiebewegung, in die ihn Anni Besant, die Präsidentin der theosophischen Gesellschaft in der Nachfolge der Gründerin Helena Blavatsky, aufgenommen hatte. Es ging dieser „Bewegung“, vornehmlich des Bürgertums, um eine Synthese aus (westlicher) Wissenschaft und (indisch-tibetischer) Theologie. Steiner wandte sich 1912 mit „seiner“ deutschen Sektion vom Orientalismus ab und dem Christentum zu, seine Lehre nannte er dann „Anthroposophie“. „Madame Blavatsky“, wie sie genannt wurde, hatte 1877 ihr zweibändiges Hauptwerk „Entschleierte Isis“ mit einer Kritik an Charles Darwin und dem Propagandisten des „Darwinismus“ Thomas Henry Huxley begonnen.

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In Deutschland sorgte zur gleichen Zeit wie Huyley in England der Jenaer Zoologe und Monist Ernst Haeckel für die Verbreitung der Darwinschen Evolutionstheorie – nicht minder energisch als der Engländer. So ließ er sich z.B. 1904 auf dem „Freidenker-Kongreß“ in Roma zum „Gegenpapst“ ausrufen. Mit Haeckel verband Rudolf Steiner eine lange Freundschaft, in seiner Verteidigungsschrift „Haeckel und seine Gegner“ schrieb Steiner 1899: „Von meiner vor fünf Jahren veröffentlichten ‚Philosophie der Freiheit‘ habe ich die Überzeugung, dass sie das Bild einer Weltanschauung gibt, die mit den gewaltigen Ergebnissen der Naturwissenschaften unserer Zeit in vollem Einklang steht…Das Bedürfnis, sich mit der Naturwissenschaft auseinanderzusetzen, wird zweifellos heute von vielen empfunden. Es kann am besten dadurch befriedigt werden, dass man sich in die Ideen desjenigen Naturforschers vertieft, der am rückhaltlosesten die Konsequenzen der naturwissenschaftlichen Voraussetzungen gezogen hat.“ – Und das war für Steiner der Darwinist Ernst Haeckel.

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Immerhin: Haeckel hatte bei Rudolf Virchow studiert, der alle körperlichen Funktionen durch die Interaktion der Zellen erklären ließen. „Diesen Ansatz fasste Haeckel“ laut Wikipedia „als offensiv materialistisch auf, da er ohne die Annahme einer immateriellen Lebenskraft auskam und den Körper mechanistisch durch seine Zusammensetzung erklärte. Haeckel war begeistert von Virchows empirischen Erklärungsansätzen, sah in ihnen jedoch zugleich eine Gefahr für seinen Glauben. In einem 1856 verfassten Brief an seine Tante Bertha erklärte Haeckel, dass man zwischen den Bereichen des Wissens und des Glaubens unterscheiden müsse, da auch die erfolgreichsten wissenschaftlichen Erklärungen an ihre Grenzen stießen. An dieser Grenze beginne der christliche Glaube.“ Dort begann auch in etwa der christliche Glaube von Charles Darwin. Im Kapitel „Religious Belief“ seiner Autobiographie schrieb er, über seinen Glauben, in dem er erzogen worden war, und wie er von der Sichtweise der Physikotheologie allmählich abrückte und sich einem vorsichtigen Deismus zuneigte.

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Über Rudolf Steiner schrieb ein Kunstkritiker 1925 im Nachruf des sozialdemokratischen „Vorwärts“: „Der Weltanschauung nach war er Haeckelianer, Materialist und Atheist, politisch nannte er sich Anarchist und wir Sozialdemokraten galten ihm als Bourgeois. Was ihn übrigens nicht hinderte, im Rahmen sozialdemokratischer Bildungsorganisationen Vorträge über literarische Themen zu halten. In seiner Lebensführung war er durchaus Libertin, voller Lust am irdischen Dasein und recht hemmungslos im ausgiebigen Genuss dieses Daseins. Es liegt mir fern, mit den oft etwas bedenklichen Abenteuern, deren Held ‚Rudi Steiner‘ war, sein Moralkonto zu belasten. So mancher Heilige hat durch die schmutzigsten Stationen des Erdenwegs hindurchpilgern müssen, ehe er zur Reinheit gelangte.“ Ähnliches ließe sich auch von einem weiteren Abtrünnigen der theosophischen Gesellschaft, dem 1947 gestorbenen Nicholas Roerich, sagen. Er begründete zusammen mit seiner Frau Helena die theosophische Vereinigung „Agni Yoga“. Zunächst war Roerich Leiter der zaristischen Kunstakademie von St. Petersburg, nach der Revolution eröffnete er – zunächst in New York – das „Master Institute of United Arts“. Es ist heute ein Museum, ein zweites, schloßähnliches, befinet sich in Moskau, wo seine „Lehre“ neuerdings auf große Resonanz stößt.

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Der Autor einer umfangreichen Roerich-Biographie Ernst von Waldenfels berichtete kürzlich per mail – nach einer Lesung in Berlin: „Die Roerich-Fanatiker haben sich auf mein Buch eingeschossen. Nicht nur haben sie an alle möglichen Instanzen geschrieben, um vor meinem Buch zu warnen, sie haben auch Michael Rohrwasser, dem Moderator einer Lesung im Brecht-Zentrum, am Donnerstag, abends, einen Besuch abgestattet. Und zwar in Wien!, wo er Professor ist. Es könnte also interessant werden. Bei Interesse kann ich Dir auch noch ein paar Einzelheiten über die Zentrale der Roerich-Leute mitteilen. I.e. Oligarchen, KGB usw.. Einen ersten Eindruck gewinnst Du in meinem Nachwort. Sind Gott sei dank nur ein paar Seiten und ich denke, es ist recht gut zusammengefasst. Einen Eindruck von ihrem Hauptquartier gewinnst du auf: http://en.icr.su/museum/. Das Palais ist einen Steinwurf von der Tjetrakow Galerie, dem wichtigsten Museum Russlands, entfernt. Gerade so, als hätten die Roerich-Leute ein Gebäude auf der Berliner Museumsinsel.“

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Goethe-Comic

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Nicholas Roerich vor seinem Tibet-Bild

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http://www.stadt-brandenburg.de/umwelt/naturschutz/christian-k-sprengel/:

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Mit dem Werk wurde er zum Begründer der Blütenökologie, der Wissenschaft von den Wechselwirkungen zwischen Insekten und dem Blütenbau der Pflanzen. Seine Beobachtungen fanden zu seiner Zeit zunächst keine Beachtung, Johann W. von Goethe erklärte, dass „die Sprengelsche Vorstellungsart nichts“ erkläre, Goethe störte es, dass Sprengel den Pflanzen menschlichen Verstand unterlegte. Er verkannte dabei, dass es Sprengel in seinen Erklärungen der Pflanzenbestäubung nicht um eine Absicht der Pflanzen, sondern um einen tieferen „Zweck“ ihrer Anpassungen ging. Diesem tieferen Zweck ging er allerdings nicht weiter nach, sondern er schrieb: „die Natur scheine es nicht haben zu wollen, daß irgendeine Blume durch ihren eigenen Staub befruchtet werde.“ Welchen Zweck Kreuzungen verschiedener Individuen haben möge, ließ er offen.“

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FU Berlin, Botanischer Garten und Botanisches Museum:

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Prominentester Gegner Sprengels war der Herr Goethe, der ihm vorwarf, der Natur einen menschlichen Verstand zu unterlegen. In der Tat hatte der Spandauer Gymnasiallehrer beim Verhältnis zwischen Blüten und Bestäubern – in erster Linie Insekten – ein recht „menschliches“ Prinzip entdeckt: Eine Hand wäscht die andere. Blüten waren nicht mehr einfach nur schön und die Bienen nicht mehr einfach nur hungrig. Anhand zahlreicher Untersuchungen konnte Sprengel nachweisen, „daß der Saft dieser Blumen, wenigstens zunächst, um der Insekten willen abgesondert werde (…)“. Soviel Zielgerichtetheit der Natur konnte man sich in einer Zeit, in der der menschliche Verstand für den Gipfel aller möglichen Schöpfungen gehalten wurde, schlechterdings nicht vorstellen. Doch Sprengel hatte recht. Pflanzen und Bestäuber sind aufeinander angewiesen. Und dabei geht es nicht um irgendwas, sondern um die schiere Existenz. Denn im Laufe der Jahrmillionen hatte eine gegenseitige Anpassung, eine Koevolution, stattgefunden. Und nun kann die Biene gar nicht mehr anders, als sich von Blütennektar zu ernähren. Und auch die Blume hat keine Wahl mehr. Sie muß so gebaut sein, daß die Biene sie als Nahrungslieferant erkennt.“

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http://echtmaljetzt.blog.de/2009/02/11/sex-and-the-flowers-5555455/:

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Christian Konrad Sprengel veröffentlichte ein Buch mit dem Titel „Das entdeckte Geheimnis der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen“. Goethe fand, dass Sprengel der Natur Allzumenschliches andichtete: Dass die Pflanzen die Insekten mit ihrem Saft anlocken, schien so zweckorientiert, dass es nicht natürlich sein konnte. Die Kritik war vernichtend; wegen Pflichtvergessenheit wurde Sprengel auch noch vorzeitig von seinem Amt als Gymnasiallehrer in Spandau pensioniert. „Der Hauptzweck der Bienenzucht ist nicht der Gewinn an Honig und Wachs, sondern die Befruchtung der Blumen …“, schrieb Sprengel 1811 – da war Charles Darwin gerade einmal zwei Jahre alt. Sprengel starb 1816, ohne für seine Arbeit Anerkennung gefunden zu haben.“

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http://www.von-zezschwitz.de/detail.php?id=29&objectid=16084:

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Der in Spandau und Berlin tätige Lehrer und Schulrektor C. F. Sprengel widmete sich dem Studium von blühenden Pflanzen. Er wies 1793 im vorliegenden Buch auf die Rolle der Insekten und des Windes bei der Pflanzenbestäubung hin, aber seine revolutionären Untersuchungen blieben ohne Nachhall, bis Charles Darwin 50 Jahre später auf sie bei seiner Theorie der Artenabstammung aufmerksam machte. Sprengels Buch gilt als eines der seltensten Werke der botanischen Literatur überhaupt.“

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http://www.die-honigmacher.de/kurs2/seite_13100.html:

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Im Mittelalter glaubte man, dass die bunte Vielfalt an Farben, Formen und Düften der Blütenpflanzen von Gott einzig und allein dafür geschaffen wurde, den Menschen zu erfreuen. Das all dies dazu dienen solle, Insekten dazu zu verführen, Pollen von der einen auf die andere Blüte zu tranportieren, war undenkbar. Man hatte noch keine Vorstellung von Stammesgeschichte und Evolution. Erst Charles Darwin sollte die Tragweite der Sprengelschen Beobachtungen erkennen.“

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7. Pornokämpfe

 

Ähnlich wie „Silicon Valley“ – Apple, Google, Facebook… – begann auch die Pornofilmindustrie in einer Hinterhofgarage. 1969 gab die Radikalfeministin und Shakespeareexpertin Germaine Greer in Amsterdam ein Pornomagazin namens „Suck“ heraus, das einen offensiven Umgang mit der Sexualität in Wort und Bild propagierte (die „private parts“ sind politische). Wenig später folgte schon ein „Wet Dream“-Festival mit Undergroundpornofilmen. In Deutschland produzierte der März-Verleger Jörg Schröder einige Super-8-Pornofilme, mit Darstellern aus der linken Scene. Gleichzeitig eröffneten die ersten – noch schmuddeligen – „Sexshops“. Inzwischen gibt es überall „Sex-Messen“ und die Pornoindustrie hat sich zu einem Milliardengeschäft entwickelt, das vornehmlich im San Fernando Valley bei Los Angeles konzentriert ist, wo wöchentlich über 200 Pornofilme produziert werden und 1500 Pornodarsteller leben. Das Dreh-Schema ist vor wechselnden Kulissen und mit immer abnormeren Darstellermaßen stets das selbe: Den Schwanz blasen, in allen möglichen Stellungen vögeln und ins Gesicht der Darstellerinnen abspritzen. Wobei in den kontinentalen Pornofilmen die Darstellerinnen meist zu „geilen Schlampen“ herabgewürdigt werden, während die amerikanischen den Status von „Pornstars“ anstreben (sollen) – mit Hitlisten, Talkshows, Bodyguards, Ghostwriter, Signierveranstaltungen… Hierzulande hat eine Tschechin (Dolly Buster) und eine Polin (Teresa Orlowsky) zuletzt Ähnliches versucht. Während auf der anderen Seite Alice Schwarzer eine „PorNo“-Kampagne gegen die frauenverachtende „Pornofizierung der Gesellschaft“ (Georg Seeßlen) startete.

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Dagegen versuchte sich erneut der emanzipatorisch-aufklärerische Porno, wie er in Berlin z.B. auf dem alljährlich Ende Oktober stattfindenden „Pornfilmfestival“ gezeigt wird, wo nicht selten die Ironie obsiegt. Daneben arbeitete aber bei den Philosophen der FU auch eine Gruppe ernster Dekonstruktivisten an einer „Hardcore-Theorie“, deren Leitwissenschaft die Pornographie sein sollte – mit Teresa Orlowski als Begründerin einer neuen „Hannoveraner Schule“. Eher romantisch geht es auf den Kongressen der (Wilhelm) „Reichianer“ zu, der letzte fand in den Räumen der Kaiserin-Friedrich-Stiftung an der Berliner Charité statt und wurde von der Ärztekammer zur Fortbildung empfohlen. Das Thema hieß: „Sexualität und Lebensenergie. Wege der Hingabe – Wege der Lust“. Gleichzeitig förderte der linke Berliner Wirtschaftssenator einem Frauenzentrum mehrere „Striptease-Kurse“ – mit 80.000 Euro. Zuvor hatte die Bild-Zeitung bereits empört getitelt: „Senat zahlt für perverse Fesselspiele“ – weil der ebenfalls linke Kultursenator 100.000 Euro für „SM-Kurse“ – „Explore-Workshops“ genannt – rausgerückt hatte. Die New Yorker „Village Voice“ widmete diesem „sex-positive weekend between extreme sensuality and sensual extrems in the bohemian neighbourhood called prenzlauer berg“ anschließend zwei lange Berichte.

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Aus der 1974 in Freiburg u.a. von Adrienne Goehler gegründeten „marxistisch-reichistischen Initiative“ kommt die Geschäftsführung des „Kitkat-Clubs“, dessen „Sex-Partys“ der DJ „Clark Kent“ (der bürgerliche Name von Superman) elektronisch steuert, er ist der Sohn eines berühmten Hamburger Privatbankiers, der während seines Studiums in Harvard eine US-Pornodarstellerin kennenlernte, der zuliebe er seine Bankkarriere aufgab. Sie tritt nun im Kitkat-Club als „DramaNui“ auf. Daneben wurde dort noch die halbinszenierte Pornofilmserie „Live aus dem Kitkat-Club“ vertrieben. Sie war eine mißlungene Vorwegnahme dessen, was sich dann das San Vernando Pornvalley allmonatlich in Prag einfallen ließ: „Party Hardcore“.

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Indischer „Erwachsenen-Comic“

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Dabei werden 100 junge Pragerinnen in einen Club eingeladen, wo sie von ganz schlechten aber gut gebauten Strippern erwartet werden, die sie mit Alkohol abfüllen und ihnen dreist an die Wäsche gehen. Damit es trotzdem immer zum Äußersten kommt, hat der Filmproduzent fünf wie Gäste aussehende Prostituierte engagiert, die reihum den fünf Strippern zu Diensten sind: Schwanz lutschen, vögeln, ins Gesicht abspritzen. Während ringsum getanzt wird. Und das in 175 Filmen bereits: American Sex im supergeilen Osten! Ein Bombengeschäft. Einige Prager Clubs werben bereits international mit „Hardcorepartys“, indem sie ein paar Prostituierte als Gäste bezahlen. Die Versicherungsmanager der „Hamburg-Mannheimer“ versuchten das Prager Erfolgsrezept zur Belohnung ihrer besten Vertreter in Budapest mit 20 Prostituierten nachzuinszenieren: Sie handelten sich jedoch große Empörung damit ein, als dieser „Mordsspaß“, wie das Firmenmagazin es nannte, herauskam. Damit so etwas nicht weiter um sich greift, wurde am 18. und 19. Oktober in Berlin der „Feminist Porn Award Europa“ verliehen, tags darauf, am 20., luden die Veranstalter – „PorYes“ – zu einer Podiumsdiskussion über „Sex-positiven Feminismus – unterschiedliche Ansätze in unterschiedlichen Kulturen“.

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Der Anarchopornographie-Theoretiker Konradin Leiner (1965 – 1996):

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Das letzte Mal, dass in Westberlin ein anarchopornographischer Ansatz ge- oder versucht wurde, war bei den Philosophen der Freien Universität ab Mitte der Achtzigerjahre. Ihr Wortführer war „QRT“ – „Faschokurt“, wie wir ihn zärtlich nannten – wegen seiner Rüpeligkeit, seines Outfits und seines Auftretens. Mit richtigem Namen hieß er Markus Konradin Leiner, er stammte aus einer Konstanzer Philosophen- und Kunstsammlerfamilie und war mit einer großen Mutter aus Nigeria scheinverheiratet, was ihm einen roten Porsche eingebracht hatte. Einige seiner Philosophie-Professoren bezeichneten ihn als „den Besten“, andere profitierten schamlos von seinen Seminararbeiten. Viele Studenten hassten ihn, allein schon wegen seiner knarzenden Nazistiefel auf dem Parkett, wenn er – ewig zu spät – ins Seminar kam und erst einmal furzte. „Drachenblut“ hieß dann seine Magisterarbeit. Danach wurde er Miteigentümer der Schöneberger Punkkneipe „Ex & Pop“ und Journalist beim Veranstaltungsmagazin 030, außerdem spielte er in einer Frauenband mit.

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In der von „Antifa-Stefan“ besetzt gehaltenen leeren „Schweinemensa“ der FU veranstaltete „Fascho-Kurt“ 1988 „Splatterfilm“-Seminare. Es war beeindruckend, wie er amerikanischen „Trash“ mit den Theorien von Foucault, Derrida, Lyotard und Deleuze verband. Noch bevor wir anderen darin richtig schwelgen konnten, schmiß uns jedoch „Antifa-Stefan“ aus der „Schweinemensa“ raus – mit der Bemerkung: „Ich dulde hier keine Naziseminare,“ worüber wir herzlich lachen mußten, fast ein wenig geschmeichelt. Kurt war oft in Südostasien, um sich dort durch allerhand harte Drogen zu „kämpfen“. Zuletzt probierte er auch noch den „Goldenen Schuß“ – danach war natürlich Schluß.

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In Konstanz bemühte sich daraufhin seine Mutter, ihm eine gutbürgerliche Beerdigung zu verschaffen. Die Trauertänze seiner nigerianischen Großfamilie fielen dort jedoch allzu sehr aus dem Rahmen. Mit ihr gab es später auch noch Erbschaftsstreitigkeiten – wegen einer Jagdhütte in Oberbayern, die QRT von seiner Tante übereignet bekommen hatte. Durch den Verkauf einiger Bilder von Paul Weber, aus dem Besitz seiner Mutter, sollte dann eine „Kurt-Leiner-Stiftung für junge Autoren“ in Berlin von seinen Freunden gegründet werden. Aber das Geld ist anscheinend irgendwie versickert. Dafür entleerten die Freunde seinen PC: 40 Megabytes. Heraus kamen gleich mehrere Merve-Bände unter seinem Autorennamen „QRT“. Dazu sogleich eine Auswertung in Form einer Magisterarbeit an der Humboldt-Uni: „Signalmusik MK II“ von Martin Carlé, in der es um eine „zeitkritische Archäologie des Technosystems QRT“ geht.

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„Fascho-Kurt“ hatte zusammen mit seinen ebenfalls drogenbefeuerten Freunden jahrelang an einer „Hardcore-Theorie“ gearbeitet, deren Leitwissenschaft die Pornografie sein sollte – mit einer „Front-Frau“: Teresa Orlowski als Begründerin einer neuen „Hannoveraner Schule“. Es war dies ein diametral entgegengesetzter – anarchistischer – Entwurf zur elitären „Slubicer Schule: ‚Viadrina'“ des maoistischen Renegaten Schlögel und seiner „Front-Frau“ Gesine Schwan.

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Carlé bezeichnet Kurt als “Media Warrior”, der mit seiner “Zombologie” die Generation der “Agonie des Realen” hinter sich gelassen habe. Das war bereits 16 Jahre nach Ende der Westberliner Freiheiten – und in der Tat war das Reale, sofern es dies noch gab und gibt, gehörig in Schwung gekommen. “Fascho-Kurt” hat all das nicht gefallen – wie so vielen Westberliner Anarchisten. Über die zunehmende “rechte Gewalt” schrieb er damals – passend nun zum NSU-Prozeß: “Die Medien brauchen den, der die Gewalt im Realen vollzieht; der Gewalttäter braucht das Medium als seinen Spiegel…Durch den totalen Ausschluss der Gewalt tritt die irreguläre Gewalt vor allem bei denen auf, die als soziale Gruppe vom Aus- oder Einschluss betroffen sind…Die Medien sind deswegen völlig auf Gewalt fixiert, damit sie sonst nirgendwo mehr stattfinden kann.” Man könne demnach den “Frieden” auch als “das Reich der Diskurse” betrachten – und den “Krieg” als “das Reich der Körper”. Deswegen begrüsse zum Beispiel der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft MigrantInnen und Flüchtlinge bei den Grünen, Omid Nouripour, den Auftritt des rassistischen Rapers Bushido vor dem Brandenburger Tor ausdrücklich: weil man ihn mit solchen Medien-Ereignissen von seinem “Anspruch auf Realness entfremdet”.

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Für Kurt ist der Krieg nichts weiter als eine Eskalation des Realen, die jede symbolische Ordnung an ihre Belastungsgrenze bringt (heute, da “allein die Androhung von Gewalt bereits strafbar ist”): Jeder Akt der Gewalttätigkeit setzt eine Differenz frei – und “wenn die Gewalt different wird, erzeugt sie den Konflikt als Zeichen”. Kurt bezeichnet den “gesamten Komplex des Sozialen” als ein “Walten”, dessen “Ursprung und Movens” die “Gewalt, die gewalttätige Eröffnung der Differenz” ist, deren “sprachliche und intellektuelle Organisation man Verwaltung’” nennt, denn “Walten” leitet sich von der indogermanischen Wurzel für “beherrschen” ab: “Walten ist die präsymbolische Form dessen, was in der symbolischen Ordnung zu Macht wird. Und das Soziale ist ,Bewältigung’ (Steuerung) des ,Waltens’ (Schicksal).” Gewalt ist Leben, darauf läuft Kurt Leiners “Zombologie” hinaus. So etwas Ähnliches hat bereits Rosa Luxemburg gedacht, als sie Eduard Bernstein im sogenannten “Revisionismusstreit” entgegen hielt: “Machen wir uns doch nichts vor, Bürgerkrieg ist nur ein anderes Wort für Klassenkampf.” Und dieser richtet sich nicht zuletzt auch gegen seine eigene “Verwaltung” (in Medien und Spektakeln).

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P.S.:  Der slowenische Philosoph Slavoj Zizek meinte in einem Interview mit dem österreichischen „Standard“:

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„Ich denke, dass die Grenze, die das Private vom Öffentlichen trennt, sich verschiebt. Was sich durch unsere Verbindung mit Google, mit dem Internet, dem Web insgesamt herauskristallisiert, ist ein neuer Raum, der öffentlich scheint, aber auf seine Art doch privat bleibt.

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Nehmen wir den Fall von Obszönitäten. Wenn Menschen in den Sex-Chatrooms ihre Nacktheit oder sexuelle Akte auf öffentlichen Plätzen sogar zeigen, dann erleben sie das meiner Ansicht nach nicht als altmodischen Exhibitionismus. Vielmehr glauben die Akteure eher, dass sie allein in ihrer Privatsphäre sind, nicht im öffentlichen Raum. Die Leute klagen darüber, dass heute, umgeben von all den Bewachungskameras und so weiter, die Privatsphäre verschwindet. Ich denke, das Gegenteil ist der Fall: Der öffentliche Raum verschwindet.“ (Schon während des russischen Bürgerkriegs gab es nebenbeibemerkt in den Städten Gruppen junger Leute, die nackt auf öffentlichen Plätzen tanzten.)

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Vagina-Monologe:

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Nach „Irene;s Cunt“ – einer anonymisierten Liebeserklärung des Kommunisten und Surrealisten Louis Aragon an die Möse einer Frau und an die „Nackte“ auf Gustave Courbets berühmtem Bild „Der Ursprung der Welt“; nach einer groß angelegten Kulturgeschichte der Vagina von Inga Muscio: „Cunt – A Declaration of Independence“; ferner nach John Giornos langem Vagina-Gedicht „Cunt“, dem lauten Album „Cunt“ der Metal-Band Blood Duster und den jahrelangen „Muttermund-Shows mit Spekulum“ von Annie Sprinkle sowie auch nach dem ebenso erfolgreichen Bühnenstück „Vagina-Monologe“ von Eva Ensler, zu dem 200 Frauen verschiedenen Alters und unterschiedlicher Bildung Geschichten über ihre Vagina beisteuerten – dachte man schon: Nun müßte es doch langsam reichen.

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Aber dann ging es erst richtig los – diesmal statt von Amerika von Russland aus: mit dem „Mösen-Aufstand“ Pussy Riot, dann aber auch mit den Nacktphotos junger arabischer Bloggerinnen. Überhaupt wurde die weibliche Nacktheit immer mehr zu einer Protestform an sich – bis hin zur ukrainischen Gruppe „Femen“, die sich die politischen Forderungen der unterschiedlichsten Bewegungen auf ihre entblößten Körper schrieben – und damit an die empörte Öffentlichkeit gingen. In Deutschland und Tunesien taten es ihnen junge Frauen nach.

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Dann waren aber wieder die Amerikaner dran: die populäre Wirtschaftskritikerin Naomi Wolf kam mit dem Buch „Vagina“ an. Gegenüber der deutschen Presse rechtfertigte sie das so: „Die New York Times schrieb, es sei keine Kunst. Jedes Mal, wenn eine Frau wagt, sich diesem Thema zu nähern oder auch nur ‚Vagina! Vagina! Vagina!‘ sagt, verfallen die Leute vor Hysterie in unzusammenhängendes Gestammel. Erica Jong wurde nach ihrem Buch Angst vorm Fliegen als ‚monströser Schamhügel‘ beschimpft. Auch deshalb musste ich dieses Buch schreiben.“

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In den USA löste es eine scharfe Kontroverse vor allem unter Feminstinnen aus, hierzulande war man eher gelangweilt von ihrem Plädoyer für mehr „einvernehmlichen vaginalen Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Frau. Der auf gegenseitigen Respekt und Phantasie baut und keine Pornos oder Sexspielzeuge braucht und gern in ansprechender Umgebung, mit Kerzen und Blumen dekoriert, stattfindet,“ wie der Spiegel ihr Buch zusammenfaßte.

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Es zog jedoch schnell weitere Vagina-Diskurse nach sich – u.a. „Das Vagina-Buch“ der „Miß Belgien 1986“ und heutigen Sexualtherapeutin Goedele Liekens, in der sie rund um die Vagina „Erfahrungen und Geschichten von Frauen erzählt“, wie ein Rezensent schrieb. Ihr deutscher Verlag bewarb die Qualität des belgischen Vagina-Buches mit „einer amerikanischen Quantitäts-Studie“; sie zeigt, „die Hälfte der Frauen ist überzeugt, dass sie zu wenig über ihre Vagina weiß, ein Viertel tut sich schwer, über sie zu sprechen, und ein Viertel hat die eigene Vagina noch nie im Spiegel betrachtet.“

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Es besteht also immer noch Aufklärungsbedarf oder aber immer wieder neu. Dafür spricht, dass hierzulande dann gleich vier Autorinnen erneut mit „Vagina-Gesprächen“ herauskamen. In ihrem Buch berichteten sechs Frauen über ihre „Beziehung zum eigenen Geschlecht“ – und über dessen Verhältnis zum anderen. Ihnen folgten die „Vulva-Galerie“ der Jugendzeitschrift „Bravo“ und des Internetportals „med1“ mit einer Umfrage: „Welche Möse gefällt euch am besten?“ sowie die „Vagina-Gespräche“ der Boulevardjournalistin Susan Heat auf Youtube, wobei sie Lady Gaga ins Spiel brachte. Auch Paris Hilton machte dann ihre „Muschi“ und wie sie damit umgeht (vögelt) der Öffentlichkeit zugänglich: Ihr Video hieß „One Night in Paris“. Das linke Berliner Pornofestival zeigte heuer: „Filme durch die Möse betrachtet“.

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Einen wahren Rekord im „Vagina-Talk“ stellte nun das pfälzische Landgericht Frankenthal in einem Strafprozeß gegen einen Gynäkologen (Dr. K.) auf. Er fand wegen des großen Publikumsinteresse in der Zwölf-Apostel-Kirche des Ortes statt. Dr. K. hatte heimlich von 1484 Patientinnen die Vagina photographiert, während sie bei ihm auf dem Behandlungsstuhl saßen. Die Photos hatte er katalogisiert und mit Etiketten wie „thai“, „rus“, „türk“ versehen. Beim Verlesen der Anklageschrift durch eine Staatsanwältin, wofür sie drei Stunden brauchte, hatte sie bereits nach einer Stunde „400-mal ‚Vagina‘ gesagt, was von der Gerichtsreporterin des Spiegel mitgezählt wurde. Anschließend kuckten sich die Prozeßbeteiligten auch noch die Vagina-Photos des Arztes an, der damit laut Gericht „den höchstpersönlichen Lebensbereich seiner Patientinnen“ verletzt hatte. Dass die Vagina nicht nur zum Intimbereich gehört, sondern auch noch „höchstpersönlich“ ist, stößt einem seltsam auf – nach all dem öffentlichen Trubel, der um sie herum geschah und geschieht. Die Gerichtspsychiater erklärten sich die 1484 Vaginal-Photos des Arztes u.a. mit seiner „schweren Kindheit“ und dem „strengen Elternhaus“. So ähnlich erklärte sich der Angeklagte auch selbst sein Vergehen, dem Gericht warf er vor, dass es ihn „in seiner schickalhaften Biografie nicht ausreichend“ würdige.

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In Prag wurde in den Achtzigerjahren ein Hobbyphotograph noch lebenslänglich in die Psychiatrie eingewiesen, der mit speziellen Rollkonstruktionen Frauen im Café und auf der Straße unterm Rock photographiert hatte. Seine „Snapshots“ werden heute teuer gehandelt. In Gera hat man gerade einen Zahnarzt zu zwei Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, weil er 211-mal heimlich Videoaufnahmen von seinen Assistentinnen beim Umkleiden gemacht hatte. Sie waren auf 7500 Dateien in seinem Computer gespeichert – und dienten „der Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse,“ wie die Geraer Staatsanwältin meinte.

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So versucht ihre Kollegin in Frankenthal beim Gynäkologen auch zu argumentieren – aber alle Gutachter finden seine Photos „unerotisch“. Schließlich bekam ihr Angeklagter, „Dr. Pervers“ von der Bild-Zeitung genannt, aber doch dreieinhalb Jahre Knast. Die vielen Frauen, die täglich als Zuhörer zu dem Prozeß gekommen waren, wollten laut Spiegel verstehen, „warum er für Photos, die es zuhauf im Internet gibt, alles aufs Spiel gesetzt hat.“ In der Tat gibt es seit Jahren ein US-Portal namens „Metart“, und daneben noch hundert andere, auf dem professionelle Aktphotographen (meist unbehaarte) Vaginas von jungen Frauen veröffentlichen – mit ihren Namen und manchmal auch Fanclub-Adressen – es sind tausende inzwischen. Nicht wenige wurden darüber inzwischen zu professionellen Nackt- und Pornodarstellerinnen – und werden international gebucht.

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Eine feministische Photographin, Laura Méritt, hielt dagegen – mit einem Bildband: „Frauenkörper neu gesehen“, Amazon nahm eine DVD in sein Sortiment: „Klitoris – die schöne Unbekannte“ und die Feministin Claudia Haarmann veröffentlichte ein Manifest: „Unten rum: Die Scham ist nicht vorbei“. Dann ging es aber los: Die Spezialistin für weibliches Lustempfinden Daborah Sundahl klärte über „Die weibliche Ejakulation und den G-Punkt“ auf; der Sexualforscher Francesco Valitutti veröffentlichte „Das Buch von der Vagina“, der Photograph Nick Karras eine „ziemlich ungenierte Bildersammlung: Das weibliche Geschlecht“, Susanna Kaysen ein Buch „Vom Eigenleben meiner Vagina“, Martin Krake ein „Pussy-Book“, und Tee Corinne ein „Cunt Coloring Book“. Es folgten weitere Sammlungen mit Monologen von Frauen über ihre Vagina, die z.T. ins Esoterische lappten; die indische Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal „enthüllte das unsichtbare Geschlecht: VULVA“ und der ebenfalls indisch inspirierte Rufus von Camphausen setzte noch einen drauf – mit: „Die Vulva. Weibliche Sinnlichkeit, Kraft der Schöpfung“… Seltsame Dialektik der Aufklärung: Zuletzt bewirkt sie noch das Gegenteil – eine Mythisierung und Mystifizierung des weiblichen Geschlechtsorgans. An diesem Punkt trat die Kosmetikindustrie auf den Plan: „Deine Vagina ist nicht nur zu groß, zu lappig und zu haarig – sie ist auch zu braun“ – deswegen solltest du sie so schnell wie möglich bleichen,“ heißt es in einem Werbeclip eines indischen Produkts namens „Clean and Dry Intimate Wash“.

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Mischwesen

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In dem 1789 errichteten „Tieranatomischen Theater“ auf dem heutigen „Campus Nord“ der Humboldt-Universität findet derzeit eine Ausstellung über „Mischwesen“ statt – „Humanimal“ genannt. Gleich am Anfang stößt man auf eine weibliche „Minotaurus“-Plastik. Aus Mythen und Märchen kennt man die Chimären Sphinx, Satyr, Pan, Ganesh, Engel und Nixen. Die Ausstellungsmacher haben weitere rund 50 solcher Monster halb Mensch halb Tier aus allen Kontinenten zusammengetragen. Homers „Sirenen“ fehlen merkwürdigerweise, wahrscheinlich weil man hierbei dem Kulturwissenschaftler der Humboldt-Uni, Friedrich Kittler, folgte, wonach es sich dabei um „Musen“ bzw. „Nymphen“ (Jungfrauen) gehandelt haben soll, die mitnichten einen gemeinen Vogelunterleib hatten – wie immer wieder behauptet wird. Kittler war 2004 selbst mit einem Schiff und dem Tonarchivar der Humboldt-Uni zu ihrer Insel nahe Neapel (das ursprünglich nach der Sirene Parthenope hieß) gefahren, um die chimärische Herabsetzung dieser äußerst ansehnlichen und musikalischen Erfinder der Harmonie qua „empirischer Philosophie“, wie er seine Expedition nannte, zu korrigieren.

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In der Sowjetunion war man bereits in ihren wilden Zwanzigerjahren ebenfalls der Mischwesen-Frage empirisch nachgegangen, indem der Psychoanalytiker und Generalist Otto Julewitsch Schmidt auf der damals gegründeten Affenstation in Suchumi (von der es heute zwei gibt) versucht hatte, Menschenfrauen mit Schimpansenmännchen zu paaren. Man weiß erst seit 1974, dass dabei nichts rausgekommen wäre. Schmidt kam 1927 nicht so weit: Zwar gab es genug empiriefreudige Revolutionärinnen, aber nur einen Affen, „Tarzan“, und der starb, bevor es zum Äußersten kam. Die Bild-Zeitung und ZDF-Aspekte vermuteten noch 2004, dass Stalin mit diesem Experiment perfiderweise die Züchtung von Mischwesen (Humanimals) – als „Arbeitssklaven“ für den Aufbau des Kommunismus – plante. Auf so etwas können auch nur reinrassige Westberliner Soziobiologen kommen.

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Wahr ist demgegenüber, dass heute im erzkapitalistischen Amerika ein Mischwesen nach dem anderen produziert wird – auch darüber informiert die Ausstellung. 2012 erteilte z.B. das Europäische Patentamt der US-Firma Altor ein Patent auf einen genveränderten Schimpansen. Der so dem Menschen technisch angeähnelte Affe soll als „Arbeitssklave“ für Medikamenten-Tests herhalten. Viele Primatenforscher – allen voran Jane Goodall protestierten. Bei anderen gentechnischen „Erfindungen“ – Mäuse mit Menschenohren, und Ziegen, die mit ihrer Milch ein Menschenblut-Medikament produzieren – ist die Öffentlichkeit weniger pingelig, aber auch diese Tiere sind „Arbeitssklaven“, denen man freilich 1789 kein Menschenrecht zuerkannte.

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Darum ging es dann am Abend, nach meinem Besuch der Mischwesen-Ausstellung, in der „Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund“ – in den Ministergärten neben dem Holocaust-Museum. Dort gastierte das Schauspielhaus Hannover mit seinem Stück „Die Affen“, in dem szenisch und multimedial um ihre Menschenrechtswürdigkeit gestritten wird.

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Während das Haus der Kulturen der Welt bei seinem mehrjährigen Projekt „Anthropozän“ (Menschenzeitalter) davon ausgeht, dass wir noch nicht einmal unsere „Halbwertzeit“ erreicht haben, die wir mit einer ökologischen Lebensweise sogar noch hinauszögern könnten, malten sich die Hannoveraner umgekehrt aus, wie „Die Welt ohne uns“ aussähe, wobei sie sich in mehreren „Akten“ immer weiter vom Ende der Menschheit entfernten. Etwa 700 Jahre nach dem „Finis Hominis“ besetzen die Menschenaffen ihre „Leerstelle“ (und schon bald auch Hannover), indem sie zunächst unsere Zivilisationsreste vernutzen – und langsam immer schlauer werden.

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Der Zoologe Lamarck hatte kurz nach der Französischen Revolution noch – umgekehrt – die Schimpansen bedauert, dass sie vom Menschen in immer kleinere Habitate zurückgedrängt – zunehmend verblöden. Ursprünglich waren sie und wir gleichauf, d.h. es war fast ein symmetrischer Krieg. Bis heute wird er immer asymmetrischer; Biologen gehen bereits davon aus, dass der Orang-Utan als erster unter den Menschenaffen aussterben wird.

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Neben drei als Schimpansen verkleidete Schauspieler traten im Stück zwei Primatologen auf. Sie loteten die Intelligenz der Affen aus, indem sie empirisch mit ihnen (auf der Bühne) und in Laborexperimenten (die sie als Filme vorführten) darüber diskutierten, ob diese bloß grunzenden und schnalzenden Tiere wirklich in der Lage wären, unser Erbe anzutreten. Um jetzt schon zu testen, ob sie seiner auch würdig sind, lasen sie ihnen Goethes „Faust“ vor. Die drei Schimpansen verstanden natürlich Bahnhof, dafür konnten sie bald – gegen Belohnung (Nüsse) – den Fahrstuhl und einen Photokopierer bedienen. Sie befanden sich damit in etwa auf der Stufe eines Aushilfshausmeisters. Fraglich blieb jedoch, ob sie wie diese Spezies auch über eine „sekundäre Theory of Mind“ verfügen. Davon handelte das Stück „Die Affen“ letztlich. Es orientierte sich explizit an die etwas ärmlichen, aber streng amerikanisch ausgerichteten Schimpansen-Experimente des „Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie“ in Leipzig, wo es vornehmlich um Intelligenztests geht – eben im Rahmen einer „Theory of US-Mind“. Allerdings belohnt man dort die Versuchstiere mit Bananen und nicht mit Nüssen (wenn sie z.B. „kooperieren“). Wie in der niedersächsischen Landesvertretung zu erfahren war, sollen die drei ehemaligen DDR-Schauspieler in den Affenkostümen sich geweigert haben, während der Vorführungen ständig mit Bananen abgespeist zu werden.

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In Berlin, wo man statt einer Bühne das große Foyer der Landesvertretung bespielte, endete das Stück immerhin friedlich, indem die drei Schimpansen quasi das letzte Wort hatten. Es bestand darin, dass einer Klavier spielte und die zwei anderen mit einer großen Topf-Palme und einem -Gummibaum (auf Rädern) harmonisch tanzten. Auch dies kam den antiken Vorstellungen des jüngst verstorbenen Friedrich Kittler nahe. Womit wir wieder bei seinen „Sirenen“ wären. Zuvor sei jedoch noch kritisch zu „Den Affen“ angemerkt, dass die drei, die sie spielten, sich leider längst nicht so schimpansisch benahmen wie der Affe in dem Oshima-Film „Max mon Amour“, in den sich Charlotte Rampling verliebte – und der daraufhin ebenfalls einer Art Zivilisationstest unterzogen wurde. In dem ähnlich aufgebauten Roman „Die Frau und der Affe“ von Peter Hoeg verkörpern die Menschenaffen insgeheim bereits die Intelligenz, die nach der menschlichen kommt – was der Idee des Bühnenstücks nahe kommt.

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Ihre reale Zivilisierung haben mehr als 100 Schimpansen, die meisten in den USA, in den letzten 100 über sich ergehen lassen müssen: Man ließ sie in einer normalen (akademischen) Mittelschichtfamilie aufwachsen – zu Testzwecken. Das erste Experiment dieser Art unternahm 1913 Esperantia Ladygina-Kohts, die neben dem Aufbau des „Darwin-Museums“ in Moskau einen Schimpansen namens Joni zusammen mit ihrem Son Rudi (beide im gleichen Alter) großzog. So etwas läßt sich nur einige Jahre lang durchführen: Wenn die Affen erwachsen – und gefährlich – werden, kommen sie in einen Zoo oder in medizinische Versuchslabore. Sie lassen sich nicht wieder auswildern.

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Zwar können sie die Taubstummensprache (American Sign Language) und sich mit Menschen unterhalten, auch mit Messer und Gabel essen, Tee kochen und Cocktails mixen, aber dafür haben sie sich von ihren freilebenden Artgenossen entfremdet, sogar Angst vor ihnen, erst recht davor, sich im Urwald von lauter unappetitlichen Dingen ernähren zu müssen. – Wie es uns z.B. der TV-Survivalexperte Rüdiger Nehberg regelmäßig in Amazonien vormacht. Wobei er jedoch nicht so weit geht, dass wir – Affen und Menschen – unseren Lebensraum tauschen sollten. Im Bereich des Möglichen liegt höchstens eine asymmetrische „Partnerschaft“, wie sie jetzt schon viele wilde Tiere wagen, die ihr Habitat in die Großstädte verlagern und dort eine Art Nachbarschaftsverhältnis mit uns eingehen.

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Daneben wird jedoch auch und vor allem das wahr, was der russische Kulturwissenschaftler Boris Groys in seinem Essay „Herausforderung Tier“ prophezeite: „Unsere Zukunft ist die Genetik, die eine Kombination aus Sex und Ökonomie ist.“ Dieser Satz steht in der Ausstellung im restaurierten „Tieranatomischen Theater“ über der Abteilung Transplantations-Mischwesen. Für die Kuratoren begann deren Produktion mit dem mehrmals verfilmten US-Zukunftsroman von H.G. Wells: „Die Insel des Dr. Moreau“ (1896) und der sowjetischen Satire von Michail Bulgakow: „Hundeherz“ (1925). Es folgten jede Menge US-Comics – wie „Spiderman“ – und US-Horrorfilme – wie „The Wasp-Woman“. Einige der „Tier-Monsterfilme“ laufen auf der Ausstellung, weitere zeigte und kommentierte ein Evolutionsbiologe zu „Halloween“ im Naturkundemuseum. Praktisch geht das inzwischen bis zur Verpflanzung von Schweineorganen und Pavianherzen in Menschen. Bisher überlebten das die einen wie die anderen höchstens einige (qualvolle) Wochen.

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Ein anderer Monsterproduktions-Weg scheint vielversprechender: die Gentechnik, von der der Philosoph Vilèm Flusser 1987 behauptete, mit ihr beginne die „wahre Kunst“, denn „erst mit ihr sind selbstreproduktive Werke möglich.“ Dazu existiert auch bereits ein wahrer Kunstmarkt: Zierfische, denen man das Gen einer Qualle verpaßt hat, so dass sie im Dunkeln leuchten – und dies auch vererben, Transgene Mücken, Kühe mit menschlichen Genen usw. In den USA finden regelmäßig Wettbewerbe statt, bei denen angehende „Genetic Engineers“ aus aller Welt um die Herstellung der besten (verwertbarsten) Lebensveränderung konkurrieren.

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Fast scheint es, als würde man auf der einen Seite eine natürliche Art nach der anderen, inklusive der noch unzivilisierten Menschen (Völker), auslöschen, auf der anderen Seite jedoch laufend neue – bessere – kreieren. Huxleys „Schöne neue Welt“ war gestern.

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Endzweck ist immer der Mensch: sein Lebensglück soll damit immer mehr gesteigert werden – tendenziell bis zur Unsterblichkeit. „Die Affen“ haben also keine Chance – wenn das so weiter geht. Und nicht so, wie es sich die zwei Künstler der Gruppe „Datenstrudel“ vorstellen, die das Stück im Schauspielhaus Hannover inszenierten – und auch die zwei Affenintelligenz-Experten mimten.

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Nun ist allerdings das „Gen“ nichts weiter als eine „Organisation von Daten“, wie die Biologin Silja Samerski der taz erklärte, und deswegen deutet der „Strudel“ im Namen der Regisseure vielleicht bereits an, dass sie im So oder So keinen Gegensatz (mehr) sehen: Wir gehen im Datenstrudel unter! So läßt sich ihr Ausgangspunkt – das Ende des Anthropozäns – jedenfalls verstehen. Aber ist das nun eine Tragödie oder ein Trost oder etwa bloß eines dieser Primaten-Witze, für die Hannover ja seit Wilhelm Busch bekannt ist? Man weiß es nicht.

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Silja Samerski zitierte in dem taz-interview einen Herrn Bains, Engländer, Berater für Biotechnologie-Unternehmen. Er schreibt u. a.: Die meisten Anstrengungen in der Forschung und in der biotechnologischen industriellen Entwicklung basieren auf der Idee, dass Gene die Grundlage des Lebens sind, dass die Doppelhelix die Ikone unseres Wissens ist und ein Gewinn für unser Zeitalter. Ein Gen, ein Enzym, ist zum Slogan der Industrie geworden. Und er fragt: Kann das alles so falsch sein? Ich glaube schon, aber ich bin sicher, das macht nichts. Denn die Hauptsache ist, dass es funktioniert: Manchmal funktioniert es, aber aus den falschen Gründen, manchmal wird es mehr Schaden anrichten als Gutes tun . . . Aber die beobachtbare Wirkung ist unbestreitbar. Dann sagt er: Wir müssen nicht das Wesen der Erkenntnis verstehen, um die Werkzeuge zu erkennen . . .Bains Text endet mit dem schönen Satz: Und inzwischen führen die Genom-Datenbanken, die geklonten Proteine und anderes Zubehör der funktionalen Genetik zu Werkzeugen, Produkten, Einsichten, Karrieren und Optionen an der Börse für uns alle.

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„Schöne Menschen werden als sympathischer, großzügiger und klüger gehalten als ihre weniger attraktiven Zeitgenossen…“ Warum? Darüber hält die Kunsthistorikerin Sabine Kornmeier am 15.Oktober um 18 Uhr 30 einen Vortrag im Rahmen der Ausstellung „Bin ich schön?“ des Museums für Kommunikation. Es gab in den Siebzigerjahren einige Versuche, zu einer anderen (Körper)-Attraktivität zu kommen – als die in der Warengesellschaft gültige. Z.B. in den üppig illustrierten „Aktions-Analyse (AA) – Nachrichten“. Sie wurden von der (Otto) „Muehl-Kommune“ im Burgenland herausgegeben, die damals allerdings noch in fast jeder deutschen Großstadt Ableger hatte, der in Westberlin war besonders groß. Die an der Sexualtheorie von Wilhelm Reich orientierten Kommunarden und Kommunardinnen hatten alle geschorene Köpfe und trugen Latzhosen; ihre allabendlichen gruppentherapeutischen Versammlungen absolvierten sie zwecks Kampf-Kritik-Umgestaltung ihres muskulären Ich-Körperpanzers nackt: keine halbintellektuelle „Talking-Cure“, sondern eine proletarierfreundliche „Selbstdarstellungs-Kur“.

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Ihnen tat es in gewisser Weise der Berliner Arbeitersohn, Landkommunarde und Hanfanbauer für die Nürnberger US-Army Raymond Martin mit seinem Hochglanz-Magazin „Päng“ nach, daneben gab er Underground-Comics, „U-Comix“ genannt, nicht-lizensierte Übersetzungen (z.B. von Timothy Leary) und Selbstverfaßtes heraus, u.a. eins mit Nacktphotos „seiner wechselnden Partnerinnen“, wie Wikipedia schreibt. Diese, seine Freundinnen, waren darüber nicht amüsiert, dennoch so wenig kleinlich, dass sie von juristischen Schritten absahen. Dafür gerieten Martins Publikationen wiederholt ins Visier der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften. Teils waren freizügige erotische Comics Stein des Anstoßes, teils ’sozialethische Verwirrung‘ durch die Propagierung von Drogen. Laut Wikipedia hat Raymond Martin heute einen Versandhandel für Geschenkartikel.

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Aber es gibt ein neues Magazin namens „Päng“ – herausgegeben von einer Gruppe Frauen. „Für die Wirklichkeit gibt es keinen Ersatz“ lautet der Untertitel. Zuvörderst sind damit Text-Bild-Beiträge von Unterwegs, persönliche Reiseberichte also, gemeint: von einem Epileptiker durch Nordschweden über einen Besuch bei brasilianischen Prostituierten, die Mode entwerfern bis zu einem Interview mit einem Künstlermodell: „Wir wollten von ihr wissen, wie das war, nackt vor 15 Menschen zu stehen, und wie ihr Freund das fand“.

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In der neuen Ausgabe: „Das erste Mal“, das mit einem „Kapitel“ über „Das wilde Leben“ beginnt, umreißt ein Artikel über den Besuch des mecklenburgischen Musikfestivals „Fusion“, samt praktischer Tipps, was man gegen Sexkrämpfe, Latex-Allergie und Filzläuse tun kann, in etwa die Zielgruppe des Magazins, die zugleich Medium (Umwelt) der Herausgeberinnen ist. Das Cover der neuen Ausgabe zeigt einen nackten Mann am Seil. In gewisser Weise ist diese von Frauen aus Stuttgart gemachte Zeitschrift eine Art von Zurückschlagen.

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8. Heldentum

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In Japan wurden bei den brennenden Atomreaktoren von Fukushima 450 Hilfskräfte eingesetzt, die versuchten, das Kühlsystem wieder in Gang zu setzen – und sich dabei tödlicher Verstrahlung aussetzten. „Diese Arbeiter sind Helden,“ befand Isolde Charim in der taz. Der Kommentator der „Zeit“, Klaus Hartung, kritisierte die  deutschen Hysteriker, die hier seit dem japanischen Reaktorunfall „selbstbezogen“ gegen Atomkraft demonstrieren, aber völlig desinteressiert, d.h. „unfähig zur Anteilnahme“ an den „Helden von Fukushima“ seien. Stattdessen werden sie hier als „Angeheuerte“ und zum Einsatz im Reaktor Befohlene bezeichnet – während man sie in Japan inzwischen als „Samurai“ feiert. Sie stellen die „erste Verteidigungslinie“ dar, wie Premierminister Naoto Kan sagte. Für den Samurai als Angehöriger einer Kriegerelite-Kaste gilt laut dem Philosophen Hojo Shigetoki aus dem 13. Jahrhundert: „Er sollte nicht an Hunderttausende von Menschen denken, wenn er kämpft, sondern nur die Bedeutung seines Herrn im Sinn haben.“ Zuletzt bezeichnete der Historiker J.P. Vernant den verstorbenen Philosophen Michel Foucault als einen „Samurai“.

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Der westliche Heldenbegriff ist ein anderer als der japanische. Schon die ersten verteidigten selbstbewußt ihr Gemeinwesen. Und noch die letzten – wie z.B. Ché Guevara – kämpften für eine Gesellschaft freier Menschen. Mit den Legenden der antiken Helden kommt überhaupt das Selbstbewußtsein in die abendländische Geschichte.

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In seiner „Nikomachischen Ethik“ definierte Aristoteles das Heldentum bereits auf eine bis heute gültige Weise: Über die „Tapferkeit des Bürgerheeres“ schreibt er: „Und wenn Truppenführer die Leute in die vorderste Front stellen und sie sie, falls sie zurückweichen wollen, schlagen, dann ist das Zwang. Man soll aber nicht tapfer sein aus Zwang, sondern weil es ruhmvoll ist.“ In Japan ist das noch immer kein Widerspruch: Hier wird der Zwang (des Staates, des Arbeitgebers) tapfer auf sich genommen: „Diese Lebensweisheit steckt tief in den Japanern, die auch besagt, selbst in schwierigsten Situationen gelassen zu bleiben, nicht zu streiten. Das kommt vom Konfuzianismus. Dazu kommen buddhistische Einflüsse, die den Menschen nicht als Individuum, sondern als kleinen Teil des großen Ganzen, der Welt sehen,“ erklärte uns dazu der japanische Germanist Kennosuke Ezawa, „in Japan herrscht noch immer eine Gesinnung wie vor 150 Jahren herrscht. Man kann aber nicht immer nur lächeln, ausweichen und verzweifelt den Schein aufrecht erhalten. Man muss sich auseinandersetzen. Das zeigt die aktuelle Katastrophe.“

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In Tschernobyl hat man den Katastrophenhelfern ein Heldendenkmal gesetzt. Inzwischen sind schon etwa Zehntausend dieser sogenannten ‚Likwidatori‘ an den Folgen ihrer Arbeit gestorben. Mehrere deutsche Zeitungen interviewten dieser Tagen die letzten Überlebenden: „Die Helden von Tschernobyl bereuen nichts“ lauteten fast unisono ihre Überschriften. Auch den „Fukushima-Samurai“ (Der Spiegel) wird man ein Denkmal setzen.

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Ernest Hemingway hat einmal gesagt: ‚Über den Krieg zu schreiben ist sehr gefährlich, noch gefährlicher ist es aber, die Wahrheit im Krieg selbst zu suchen'“. Eine weitere Möglichkeit ist die Umwidmung und Umdeutung der Tapferen: So wurde z.B. der germanische Partisanenführer Hermann der Cherusker bis ins frühe 20.Jahrhundert als Freiheitsheld verehrt, der ein ganzes römisches Heer vernichtete, so dass Germanien ein freies Land blieb, aber heute ist er ein Verräter, weil er eine Art Ritter in römischen Diensten war – und die Seiten wechselte, außerdem nimmt man ihm übel, dass sein Sieg uns um 500 Jahre römische Zivilisierung brachte, weswegen man heute nicht mehr von einer „Hermannschlacht“ spricht, sondern von der „Varusschlacht“ – so hieß der römische Heerführer, den die Germanen besiegten und anschließend köpften.

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Im ersten Weltkrieg steckte man den Soldaten „Faust“ in den Tornister, im zweiten ließ Hitler noch kurz vor dem Ende 500.000 Winnetou-Bücher drucken – und an Frontsoldaten austeilen.  

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Umgekehrt erging des dem Hitler-Attentäter Stauffenberg: Erst wurde er als Verräter hingerichtet, dann nach 1945 mindestens in Ostdeutschland als „Widerständler nach Gutsherrenart“ geschmäht und nun ist er geradezu eine Lichtgestalt – spätestens seitdem es einen Hollywoodfilm über sein fehlgeschlagenes Attentat gibt.

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Nach 1989 gab es – ausgehend von der „Heldenstadt“ Leipzig – „die Helden der Wende“, wie die FAZ die „DDR-Bürgerrechtler“ nannte. Ihre Ideen und Gedanken werden noch immer publiziert. Überall im Ostblock gab es „Helden der Wende“, bis hin nach China – wo die „Demokratiebewegung“ in Peking auf dem Tiananmen-Platz zusammengeschossen wurde – in unmittelbarer Nähe des „Denkmals für die Helden des Volkes im Kampf um die Befreiung“.

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Deutscher Tarzan: Akim

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US-Superman

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Rotchinesischer Superman

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ital. Superman Zagor

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Serbischer Zagor-Comic

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Comic der Berliner Obdachlosenzeitung „Straßenfeger“, der im Winter 2014 in der Presse  auf große Resonanz stieß 

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Platonisch inspirierter Philosophen-Comic

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Nach der Wende erlebte der Heldenbegriff wenigstens hierzulande eine wahre Inflation – im Maße der Neoliberalismus spürbar wurde: Es ging darum, dass die Bürger sich fortan mehr selbst helfen sollten, statt auf staatliche Einrichtungen zurückzugreifen, die sukzessive reduziert wurden. Dazu wurde für mehr Bürgerengagement und Ehrenämter geworben. Schon wer bloß einer Oma oder irgendwelchen Schülern über die Straße half war fortan ein „Held des Alltags“ und hatte Chancen, als ein solcher lobenswert in der Lokalzeitung erwähnt zu werden. Heute findet man im Internet fast eine Million Einträge zu diesem Begriff. Wladimir Kaminer und ich veröffentlichten 2004 einen Photoband über „Helden des Alltags“, wobei wir den Begriff jedoch ironisch verwendeten – für ganz unheldische „Normalos“, andere lebensgeile Spießer nannten sich selbst „Helden“.

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Nach „Afghanistan“ fing der Staat aber an, da gegen zu steuern – mit einem groß angelegten „Moderne Helden“-Projekt, bestehend aus „Events/Ausstellungen im ganzen Bundesgebiet“, „Seminaren und Workshops zur Persönlichkeitsentwicklung“, „Lehrmaterial für den Oberstufen-Unterricht“, „Audio-CDs mit guter Musik“, „Interviews mit neuen Helden“ und dem „Aufbau eines ‚Helden-Netzwerks'“. Unter den „Neuen Modernen Helden“ subsummierte man Leute, die „den Gedanken von überpersönlichem Handeln in die Welt tragen“ – wie z.B. Nelson Mandela und der Äthiopienhelfer Karl-Heinz Böhm. „Neue Helden braucht das Land,“ sagten sich auch einige „Schülermentoren“ in Frankfurt/Main und schlossen sich via Internet zu „digitalen Helden“ kurz, man kann ihr „Netzwerkpartner“ werden.

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In Amerika hilft man sich mit „Superhelden“ (und das schon seit den Dreißigerjahren), im deutschen „Netz“ wird die Frage beantwortet, was uns daran so fasziniert: „Das fängt in der ‚magischen Phase‘ der Kindheitsentwicklung mit ‚Allmachts-Phantasien‘ an, hat sicherlich etwas mit Wunschphantasien und gezielter ‚Realitätsflucht‘ bei Erwachsenen zu tun und spricht gleichzeitig für das menschliche Urbedürfnis, von einer starken Persönlichkeit beschützt zu werden.“ Im Impressum versichert der Webpagebetreiber und Autor, dass er beileibe nicht beabsichtige, den amerikanischen Marvel-Konzern, dem alle „Superhelden-Comics“ gehören, geschäftlich zu behindern mit seinen Auslassungen.

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Das ist wenig heldisch, würde ich sagen. So wie das Wort „Genuß-Helden“, das ein Backkonzern sich auf die braunen Fahnen seiner Filialen in Berlin schrieb. Zurück zu den Griechen also: Zu den „antiken Helden“ zählen Achilles, Herakles, Sisyphos, Perseus, Theseus, Daidalos, Agamemnon, Jason, die alle ihre Vergewaltiger tötende Atalante (als einzige Heldin – „Kill Bill“) und natürlich Odysseus.

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Dieser wehrte sich jedoch zunächst, ein Held zu werden, d.h. sich in „einen frühen Tod und ein ruhmreiches Nachleben“ (J.P.Vernant) zu schicken, indem er – wie so viele „Simulanten nach ihm – „Irresein“ vortäuschte, um nicht an die Front (Troja) gehen zu müssen. Odysseus Täuschung flog jedoch auf. Er starb dennoch nicht auf dem „Feld der Ehre“, sondern quasi im Bett, d.h. aus Versehen – durch die Hand seines Sohnes Telegonos. Dessen Mutter war die Hexe/Zauberin Kirke, die Odysseus auf ihrer Insel Aiaia dazu  verführt hatte, ein Jahr lang ihr Liebhaber zu sein. Dafür wies sie ihm und dem Rest seiner Mannschaft den sicheren Heimweg – zu Penelope, die nach Odysseus‘ Tod seinen Sohn und Mörder Telegonos heiratete. Die von ihm handelnde Geschichte gehört aber nicht mehr zur „Odyssee“, sondern zu den „Nostoi“ – den „Spätheimkehrer“-Mythen, wie wir sie nach WK Eins und WK Zwo auch geradezu massenhaft besaßen. Berühmt wurden sie ebensowenig wie die antiken „Nostoi“.   

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2011 war erneut die hohe Zeit der nicht mehr bloß metaphorischen Helden gekommen: In Arabien starben die zumeist jugendlichen Aufständischen zu hunderten und tausenden, es gibt zwar noch keine Denkmäler für sie, aber viele „Songs – dedicated to the fallen Arabian Heros of the Arab Revolt“. 2012 waren bereits die ersten Tahirplatz-Comics und -Karikaturen in einer Berliner Galerie zu sehen.

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Ungeachtet dieser griechischen, russischen, japanischen und arabischen „Helden“ stirbt in den modernen (oder gar postmodernen) Staaten nicht der Held, sondern die Heldenverehrung, indem dort seine Stelle langsam von den „Promis“ eingenommen wird. Der Soziologe Dirk Baecker veröffentlichte bereits kurz nach der Wende ein „Vademecum“ (Ratgeber) mit dem Titel: „Postheroisches Management“.

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Auf der Hardthöhe in Bonn, von wo aus den Bundeswehr quasi geführt wird, erläuterte uns um 2000 ein Major die neue NATO-Verteidigungsdoktrin: „Sie ist nicht mehr nach Rußland hin angelegt,“ sagte er, „die russischen Soldaten haben inzwischen die selbe Einstellung zum Krieg wir wir auch – sie wollen nicht sterben! Außerdem ist die Stationierung von Atomwaffen in Ungarn und Polen z.B. so gut wie gesichert, es geht eigentlich nur noch darum, wie viel wir dafür zahlen müssen. Ganz anders sieht es jedoch bei den Arabern aus, mit dem Islam. Deswegen verläuft die neue Verteidigungslinie jetzt auch“ – Ratsch zog er hinter sich eine neue Landkarte auf – „etwa hier: zwischen Marokko und Afghanistan“.

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Der Spiegel interviewte dazu wenig später den alten Militärbefehlshaber Ewald von Kleist, einst Wehrmachtsoffizier und verhinderter Hitler-Attentäter, jetzt Rentner – über Bundeswehrsoldaten im antiislamistischen Kampf-Einsatz in Afghanistan: „Bin Laden hat vor einiger Zeit gesagt: Der Unterschied zwischen uns und euch ist: Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod. Ich fürchte, er hat recht.“

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Von einer andere Seite hatte lange zuvor bereits der Philosoph Günter Anders die moderne Heldendämmerung ausgelotet – in seinen Überlegungen und Recherchen zur „Antiquiertheit des Menschen“. Darin argumentierte er, dass der Mensch spätestens seit der Zweiten Industriellen Revolution der von ihm geschaffenen Technik nicht mehr gewachsen ist. Beim Übergang vom Gerät zur Maschine ist die Technik „überschwellig“ geworden. Anders erzählte dazu ein Beispiel aus dem Koreakrieg: 1952 votierte der US-Oberbefehlshaber General McArthur für den Einsatz von Atombomben, die „Pentagon-Computer“ sagten jedoch gemäß der ihnen eingegebenen Daten „Nein!“ Die Rechnerlogik ersetzte dabei erstmalig laut Günther Anders die Moral, – was bedeute, dass die Menschheit vor ihrer eigenen Technik kapituliert habe. Der General quittierte nach seiner Rechner-Niederlage den Dienst und wurde ironischerweise Aufsichtsratschef des US-Büromaschinenkonzerns „Burroughs“: Ein hilfloser Versuch, aus seiner „prometheischen Scham“ (G.Anders) wieder heraus zu finden, also die der starken Moral der Technik unterlegene Moral eines Oberbefehlshabers durch eine neue Führerschaft – über eben diese Technik – wieder zu erlangen. Der Moralphilosoph Anders hebt auf die „Diskrepanz“ zu den sozialistischen Utopisten ab, wenn er uns als „invertierte Utopisten“ bezeichnet: „Während die viel mehr vorstellen als herstellen konnten, können wir uns leider viel weniger vorstellen als herstellen…Vermutlich wird der letzte ‚Täter‘ ein vom Computer gesteuerter Computer sein.“

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Einer der Erben des Büromaschinen-Konzerns Burroughs war nebenbeibemerkt der Hardcore-Beatnik William S. Burroughs. Er wirkte im Übergang vom realen zum fiktiven bzw. gefakten Helden. Der Waffennarr Burroughs urteilte z.B. über Harvard, wo er Zeichentheorie und Medizin studiert hatte: „The university was a fake English set-up taken over by the graduates of fake English public school.“ Die Schule der Nationen war lange Zeit das Militär, dessen Organisation die moderne Industrie übernahm. Bis vor der Wende war es für das Führungspersonal der westdeutschen Konzerne geradezu Pflicht, in der Bundeswehr als Offiizier gedient zu haben.

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Das deutsche Unternehmen T-Systems, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom fordert eine „umfassende, gesamtstaatliche Sicherheitsarchitektur, die alle notwendigen Kräfte miteinander verknüpft“. Sprich: Polizei, BKA und LKA, Geheimdienste und Militär sollen miteinander verschmelzen. Einer Imagebroschüre der Firma ist zu entnehmen, dass  die hauseigene Informationstechnik in diesem Zusammenhang dazu beitragen soll, die Repressionsbehörden lückenlos zu vernetzen und ihnen dadurch nicht nur Entwicklung eines „gemeinsamen Lagebildes“, sondern auch ein „gemeinsames Vorgehen“ ermöglichen. Nur auf diese Weise könnten „globale Herausforderungen und Bedrohungen“ abgewehrt werden. Damit gemeint sind sowohl „Umweltgefahren“ und „Seuchen“ als auch „politische Umwälzungen und kulturelle Auseinandersetzungen mit unabsehbaren Folgen“. Dementsprechend umfaßt das Produktportfolio des Unternehmens „software- und hardwaretechnische Systemlösungen“ für Grenzkontrollen, die „Verfolgung von Verdachtspersonen“ und den Einsatz großkalibriger Kriegswaffen. Man sei damit, so erklärt T-Systems, der „ideale Partner“ für „Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben“ bei der Wahrnehmung „friedenserzwingende(r) Aufgaben in der ganzen Welt“.

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Neben der Hard- und Software braucht es dazu aber immer noch Wetware. Menschen, die in der Kriegskunst ausgebildet wurden. Kanonenfutter sagen die einen, Helden die anderen. „Die Jagd ist eine Kunst“ – steht in der heute musealisierten Jagdhütte von Marschall Tito nahe Belgrad. Bereits 1827 schrieb Thomas de Quincey ein Buch über den „Mord als schöne Kunst betrachtet“ (One of the Fine Arts). Zuletzt behauptete der US-Künstler Andy Warhol: „Good Business is the Finest Art“. Die Führungskräfte der Bundeswehr haben dagegen immer wieder – sogar vor Gericht – bestritten, dass Soldaten Mörder sind.

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Immerhin gesteht das Magazin des BundeswehrVerbandes „Die Bundeswehr“ in seiner Jubiläumsausgabe 2006 ein, dass sich dahinter ein (Öffentlichkeits-)Problem verbirgt. In bezug auf die Bundeswehr-„Aktivitäten“ in Afghanistan spricht der CDU-Verteidigungsminister Franz Josef Jung jedoch einstweilen lieber von einem „Stabilisierungseinsatz“. Sein SPD-Vorgänger meinte: „Deutschlands Sicherheit“ werde „am Hindukusch verteidigt“ – und das mittels „Operationen“. Von „Krieg“ würden dabei nur die Talibankrieger sprechen und die seien keine Soldaten, sondern „Terroristen“. Im übrigen dürften die Bundeswehrsoldaten nur schießen, wenn auf sie geschossen wird. Alte texanische Sheriff-Ehre. Seit der erstmaligen Tötung eines somalischen Piraten/Terroristen durch die deutsche Marine, die am Horn von Afrika die Wirtschaftswege „sichert“, und vor allem seit dem deutschen Bombenattentat auf die von Talibankriegern gekaperten Tanklaster in Afghanistan ist die Mord-Diskussion aber wieder eröffnet. Die Amis lösen das „Problem“ gerne hochtechnisch – heute gerne mit „unbemannten Drohnen“. Der gemeine Landser, mit der Knarre in der Hand, mag er auch vorbildmäßig schwanken zwischen Dr.Dirlewanger und Marshal Kane (wie er in „High Noon“ von Gary Cooper verkörpert wurde), fühlt sich nach einem „finalen Rettungsschuß“ doch zunehmend mies. Seit dem Abzug der Amis aus Vietnam spricht man dabei von einem „Post Traumatic Stress Disorder“-Syndrom (PTSD) für dessen Behandlung die Krankenkassen aufkommen.

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Das gebremst neoliberale Kapitalorgan FAZ, das zwar vom Einpeitschen der Staatsräson langsam abrückt, dafür aber „entschlossenes Handeln“ umso tougher verteidigt, scheint unterdes zur alten Hindenburg-Parole „Wo gehobelt wird, da fallen Späne“ zurückgefunden zu haben: Deutschen Kritikern des Bundeswehr-Bombenangriffs hält sie vor, sie „verwechseln Afghanistan mit dem Oderbruch“. Allen, die „öffentlich“ eine „Ausstiegsfrist“ für das Afghanistan-Abenteuer fordern, wirft sie „Sabotage“ vor. Und kritisierende Amis nennt sie neuerdings „falsche Freunde“. Zur Erinnerung: Von „Sabotage“ sprachen einst die Bolschewiki – bei Havarien, Mißernten und Nichterfüllung des Plansolls. Heute heißt das meist „menschliches Versagen“. Und im „Oderbruch“ warfen die Bundeswehrsoldaten 1997 mit Sandsäcken statt mit Granaten – um die „Jahrhundertflut“ zurückzudrängen. In Afghanistan tritt der selbe Soldat jedoch stets bewaffnet auf. Er spricht nicht die Landessprache, ist meist ein Islamverächter, hält die soziale Organisation der Eingeborenen mit dem Populärphilosophen Richard David Precht für eine „mittelalterliche Gesellschaft“ und hat sich in aller Regel für den „Friedenseinsatz“ dort freiwillig verpflichtet, weil er zu Hause keine vernünftige Arbeit fand und auch sonst ein bißchen antriebsschwach ist, weswegen die „Nato-Partner“ ihn und seine Kameraden sowie auch deren Führung für „drittklassig“ halten. Es gibt „Drinbleiber“ und „Rausgeher“, so erklärt ein Bundeswehrsprecher die Kampfstimmung unter den Frontsoldaten und Frontoffizieren in Afghanistan.

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Der polnische Schriftsteller J.St. Lec erinnerte beizeiten noch einmal daran: „Wer eine Tragödie überlebt hat, ist nicht ihr Held gewesen.“ Und der Wissenssoziologe Bruno Latour gab zu bedenken, weder der Zeitsoldat noch sein Gewehr sind am Hindukusch „Objekte“ (sagen wir: der US-„Operation ‚Enduring Freedom'“), sondern der „Akteur Mensch in Uniform“ und der „Akteur Schießgewehr“ agieren gemeinsam – wenn es gilt, jemanden zu töten. In diesem Fall spricht Latour von einem (einzigen) handelnden „Aktant“. Die Bundeswehr sagt es auf ihrer Internetseite so: „Durch die Ausstattung der afghanischen Sicherungskräfte mit Gewehren G3 ist es gelungen, eine weitere Handlungsoption zu etablieren.“

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Zu diesem Aktanten-Sein kommt noch das -Bewußtsein, die politische Propaganda – u.a. im Bundeswehrmagazin „Y“, das in seiner aktuellen Ausgabe einige „Köpfe des Terrors“ zeigt: und dies laut JW (v. 9.9.) in einer die Widerstandskämpfer herabwürdigenden Weise, die an Juden-Darstellungen in der Nazi-Wochenzeitung „Der Stürmer“ erinnern. Damals sollten sie den Deutschen das Töten von Juden erleichtern. Man sprach dabei von „Vorsehung“, heute spricht der US-Oberbefehlshaber von einer „Heiligen Mission“.

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Das „loyal“ – Magazin für „Sicherheitspolitik“ des einflußreichen Reservistenvereins – berichtete 2011, der Führungsnachwuchs der Bundeswehr sei „auf der Suche nach einer neuen Identität“. Nach einem Besuch der Marineschule Mürwik weiß „loyal“ auch schon, wohin die Reise geht: „Der Offizier von morgen ist am besten Akademiker, Manager, Erzieher und Kämpfer zugleich.“ Im neuen Heft (11/2013) ist jedoch bereits davon die Rede, „dass die Bundeswehr zwar mittlerweile wie jeder andere Arbeitgeber auch wahrgenommen“ werde, ihre Soldaten aber „in erster Linie immer noch Kämpfer“ seien.

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Gleichzeitig wird über „mangelnde Anerkennung“ in der Öffentlichkeit geklagt (früher fanden z.B. viele Frauen Männer, vor allem Offiziere, in Uniform attraktiv, heute ist eher das Gegenteil der Fall). Und deswegen ist es für die Buwe-Führungsakademie schier besorgniserregend, „wie die Soldaten auf ein überzeitliches Ideal des Kämpfertums reduziert“ würden. Die Befürworter des Kämpferideals („meist in Infanterie- oder Panzereinheiten sozialisiert“) argumentieren aus der „Perspektive des Kampftruppensoldaten“, während die Wissenschaftler und Journalisten in der „postheroischen deutschen Zivilgesellschaft…praktisch unisono die Vorstellung des Kampfes als einen zentralen Referenzpunkt der Bundeswehr ablehnen.“ Die Debatte darüber ist laut „loyal“ „hochgradig normativ geprägt“ –  vor allem jedoch höchst widersprüchlich, will mir scheinen. So ist aber auch bereits die letzte Seite von „loyal“, die „Persönlichkeiten der deutschen Militärgeschichte“ gewidmet wird – im Novemberheft ist das Hermann Göring: „Der oppulente Phantast“.

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In den letzten Jahren sind viele Bücher über den Krieg erschienen – wenn sie aus Amerika kamen, dann wurde darin meist einfältig soziobiologisch bzw. anthropologisch argumentiert. Die FAZ rezensierte gerade zwei Neuerscheinungen: „Mit den Siegern kam die Sicherheit“. Eine, von einem US-Historiker, dessen Studie mit der Steinzeit beginnt, wird als „zu kurz gesprungen“ abgetan, vom Rezensenten der FAZ gelobt wird hingegen die Studie der Bielefelder Soziologin Barbara Kuchler.

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Die Autorin erinnert u.a daran, „dass die heute geläufige Einschätzung von Krieg als etwas Schrecklichem historisch jung ist und Kriegführung über den größten Teil der Geschichte als ehrenvolles und nützliches Tätigkeitsfeld galt. Folglich stellen auch Autoren, die sich mit Krieg befassen, nahezu die gesamte Geschichte hindurch vorzugsweise die Frage, wie man Kriege gewinnen kann, und nicht – wie heute verbreitet – wie man sie vermeiden, verkürzen oder gar abschaffen kann.

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Doch warum ist heute die Wertung, dass Krieg etwas Schlechtes sei, in der Gesellschaft ohne Alternative?“ Zur Beantwortung dieser Frage kommt die Bielefelderin, natürlich möchte man sagen, auf den Soziologen Niklas Luhmann zurück: Das Nebeneinander einzelner gesellschaftlicher Teilsysteme, an und in denen mitzuwirken sich alle Bürger „prinzipiell offenhalten“, läßt Kuchler zufolge „neue Formen für ihre Teilnahme an Kriegen entstehen“. Damit erwerben Kriege, so der FAZ-Rezensent, „ein Potential für ausufernde Betroffenheiten“, was die „Negativwertung von Kriegen unausweichlich“ werden läßt.

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Anders der Kulturwissenschaftler der Humboldt-Universität Friedrich Kittler. In einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ meinte er auf die Frage: „Nehmen Sie auch an den gegenwärtigen, den sogenannten „Neuen Kriegen“ anteil?“

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Friedrich Kittler: Einer meiner Doktoranden ist Oberstleutnant der Luftwaffe, stellvertretender Kommandant eines Geschwaders. Der hat Tornado geflogen, jetzt bringt er den Leuten den Eurofighter bei. Ende Mai geht es für ihn nach Afghanistan, wir müssen vorher noch das Rigorosum durchziehen. Der Mann vertritt eine echte Ethik des Kriegers. Er sagt, die Bundeswehroffiziere hätten großen Respekt vor den Taliban-Kommandeuren und umgekehrt. Das würde teilweise auch für die amerikanische Armee gelten, aber nur teilweise. Denn während die US Army sich an Kriegsrecht hält, kommen nachts die Special Forces, und die schießen auch Frauen und Kinder um.

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Welt am Sonntag: Worüber promoviert denn Ihr Offizier?

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Friedrich Kittler: Darüber, dass es Unsinn ist, den Krieg am Computer zu planen und letztlich auch als Computerspiel zu betreiben. Entscheidungen vor Ort sind nicht simulierbar.

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Welt am Sonntag: Will er zurück in die Zeit, als es noch keine Computer gab?

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Friedrich Kittler: Er will zurück zu Clausewitz, zur preußischen Auftragstaktik. Die funktioniert auf eigene Faust. Der Kommandant gibt das Ziel aus, und die Soldaten finden die Mittel. In der amerikanischen Armee dagegen wird mit Kadavergehorsam gedrillt. Das beschreibt auch der Jerusalemer Militärhistoriker Martin van Creveld: Ein Wehrmachtssoldat war im Zweiten Weltkrieg an Kampfkraft zehnmal stärker als ein Amerikaner.

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Welt am Sonntag: Dann geht es im Krieg am Ende gar nicht um V2-Raketen und Verschlüsselungsmaschinen?

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Friedrich Kittler: Es geht um Mannesmut, wenn man es so nennen will.

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Die chinesische Variante heißt Lei Feng – ein LKW-Fahrer und Alltagsheld in den revolutionären Zeiten der Kulturrevolution. Das „Weltbild“ der Kultrrevolution personifizierte sich quasi in dem vorbildlichen Menschen Lei Feng der sich als „kleine Schraube der Revolution“ begriff – und danach auch  handelte. Von seinen altruistischen Taten kündete u.a. ein in Westdeutschland zu maoistischen Zeiten, 1973 bei Rowohlt,  veröffentlichter chnesischer Comic, der zuerst in Italien von Feltrinelli herausgegeben und dann von Arno Widmann (heute Berliner Zeitung) aus dem Italienischen übersetzt worden war. Zur gleichen Zeit hatte Joschka Fischer für den Voltaire-Verlag einen theoretischen Text über die „Aufhebung der Trennung von Hand- und Kopfarbeit“ in der Großen chinesischen Kulturrevolution übersetzt – aus dem Amerikanischen, es handelte sich dabei um einige Kapitel einer Doktorarbeit aus Harvard.

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Den jungen Soldaten Lei Feng und sein kurzes Leben nahm sich 2000 Jürgen Kuttner für seine erste Volksbühnen-Inszenierung vor – nicht zuletzt, weil „uns Ostler doch immer noch der ganze SED-Staat um die Ohren gehauen wird, aber den ehemaligen Maoisten im Westen man die chinesischen Verbrechen nie vorwirft.“ Kuttner dachte dabei  an die Gräuel der Kulturrevolution – und deswegen nun Lei Feng: als ein Comicmärchen. Inzwischen ist der Volksbefreiungsarmist in China sogar zu einem  „Popstar“ geworden, wie die FAZ schreibt. Statt US-genetisch mit Schimpansen und Bakterien argumentiert man dort gegen den um sich greifenden Egoismus  eben chinesisch: so brachte z.B. die Firma Shanda ein Computerspiel mit dem Titel „Von Lei Feng lernen“ heraus, bei dem derjenige gewinnt, der am meisten anderen Menschen geholfen hat, also der  Altruistischste.

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Und um noch deutlicher zu werden, hat man im früheren Revolutionsmuseum am Tienamenplatz ein Wachsfigurenkabinett eingerichtet – mit „offiziell anerkannten nationalen Helden“ (aus Vergangenheit und Gegenwart). Am Ende der illustren Parade, „wo der Besucher in die Zukunft entlassen wird“, stehen sich auf der einen Seite Lei Feng (mit seinem Armeelastwagen) und auf der anderen Seite der Microsoftgründer Bill Gates (mit einem seiner Computer) gegenüber: Das Politische und das Private – der Revolutionär und der Idiot:

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Idiot in der alten griechischen Bedeutung von Privatmann – jemand, der sich nicht um die Polis, sondern bloß um seine Privatgeschäfte bekümmert. Der US-Präsident Coolidge sagte es einmal – positiv – so: „Americas Business is the Business!“ In diesem Sinne dürfte Bill Gates der weltweit größte Idiot sein – wohingegen die kleine Schraube Lei Feng bis zur Selbstopferung das genau entgegengesetzte Prinzip verkörperte. Die chinesische KP selbst versucht heute, sich dazwischen auszubalancieren – und das wird im ehemaligen Revolutionsmuseum auch jedem anderen Chinesen geraten.
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Und was ist mit „Frauenmut“ – und wo bleibt „links“ und „rechts“ im (asymmetrischen) Krieg?

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Ähnliches kann man sich auch bei den Partisanen und ihren Mythen fragen: Eine Unterscheidung zwischen links und rechts macht dabei immer weniger Sinn – z.B. bei den zwei zuletzt erschienenen Romanen über die neuen Partisanen – ein „linker“ aus Kalifornien: „Die Kunst des Verschwindens“ von Jim Dodge, mit einem Vorwort von Thomas Pynchon, und ein „rechter“ aus Serbien: „Die Dämonen kommen“ von M. Krajisnik. Er basiert auf den TV-Auftritten des realen Untergrundführers Capetan Dragan, die in einen Comic Strip der Zeitschrift „Politika“ eingearbeitet wurden: „Die Knindze, Ritter der Serbischen Krajina“ von D.Djukic und Z. Katic. Dazu gibt es auch noch eine kroatische Variante: den Comic strip „Superhrvoje“ in der Zeitschrift „Slobodna Dalmacija“. Beide – Super-Kroaten wie Super-Serben – nehmen zunächst Motive aus den US-Filmen „Krieg der Sterne“, „Superman“ und „Rambo“ auf, um sie dann – mit Nahkampftechniken und Sex angereichert – in nationalistischer Mystik quasi zu erden. Ähnliches gilt für den „Politika“-Roman „Die Dämonen kommen“.

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Auch der amerikanische Roman scheut sich nicht, alle Trivialtopoi abzuklappern: „In der ,Kunst des Verschwindens'“, schreibt Thomas Pynchon im Vorwort zum Roman, „wird man nicht nur eine Gabe für Prophetisches bemerken, sondern auch eine ständige Verherrlichung jener Lebensbereiche, wo noch bar bezahlt wird – und die sich daher zumeist dem digitalen Zugriff widersetzen.“ Pynchon bezeichnet das Buch deswegen auch als erstes Beispiel „für einen bewusst analogen Roman“. Das Gegenteil davon dürften die Essays von Paul Virilio sein, die im Merve Verlag unter dem Titel „Die Ästhetik des Verschwindens“ erschienen sind: bei Virilio handelt niemand von Bedeutung mehr analog.

 

Dodges Roman beschreibt eine Gruppe kalifornischer Outlaws und Anarchisten, deren Basis die sittliche Vernunft ist. Die amerikanische Literatur über solche Verschwörungen reicht von den ersten Siedler-Fantasien und den Partisanen-Erinnerungen aus dem Unabhängigkeitskrieg über „Huckleberry Finn“, die „Digger“- und „Beatnik“-Geschichten bis zu all den Unterhaltungsromanen, die eigensinnige Verbrecher, herausragende Spieler, glückliche Huren, gewiefte Schmuggler oder gewagte Künstler verherrlichen.

 

In „Die Kunst des Verschwindens“ befasst sich eine mit dem Kürzel AMO bezeichnete Verschwörung mit all diesen widersetzlichen Existenzweisen gleichzeitig – in Form eines Curriculum Vitae. Dodge schildert Initiation, Lehre und Ausbildung eines Adepten, wobei ausgehend von den New-Age-Therapien in Esalen (Big Sur) und ihren radikalen Ablegern noch ein ganzes Sammelsurium von alchemistisch-pharmazeutisch und indianisch-mystisch angereicherten Zen-Buddhismen ins Spiel kommen. Zudem war die Mutter dieses Adepten bereits eine ausgewiesene Outlaw, so dass seine partisanische Waisen-Erziehung genau genommen schon in der Gebärmutter begann.

 

Wir haben es hier mit einer erneuten Verkitschung des amerikanischen Mythos zu tun, aber auch mit den realen Weiterentwicklungen – etwa aus der Zeit zwischen Ken Keseys „Merry Prankster“-Bus und seiner Bauernwerdung im Oregon, der Thomas Pynchon mit seinem Roman „Vine-land“ ein Denkmal setzte. Dodge scheint nun so etwas wie sein Schüler geworden zu sein: „,Die Kunst des Verschwindens‘ zu lesen ist, als würde man eine endlose Party feiern, zu Ehren aller Dinge, auf die es wirklich ankommt“, lobt Pynchon. Dabei geht es stets um ein spiralistisches Ausbalancieren zwischen dem umherschweifenden Rebellen, der angreift und flüchtet oder umgekehrt, und dem sich wertkonservativ verteidigenden Partisanen – wobei Verschwörung auf Verschwörung prallt.

 

So wie es eine bemerkenswerte Analogie zur Beatnik-Literatur seinerzeit in der Sowjetunion gab (Axjonow, Jewtuschenko und andere), gibt es nun auch solche New-Age-Verschwörungs-Romane wie die von Dodge in Russland. Zu den Autoren gehört etwa der ehemalige Miliz-Untersuchungsführer Sergej Alexejew mit seinem Bestseller „Der Schatz von Walkirij“. Die Kritik sprach von einem „philosophisch-ethnographischen Action-Roman“. Alexejew beschreibt eine unsterbliche neue Komintern, die sich, versteckt in Bergwerkskatakomben im Ural, partisanisch schult, um bei der Gestaltung der neuen Zukunft Russlands effektiv mitzumischen. Zu seinen Lesungen erscheinen immer wieder Fans, die sich persönlich für die Walkirij-Auserwählten (Adepten) halten oder sogar bereits im Untergrund leben.

 

Der Gegner, das sind hier wie dort Regierung und Kapital. Dodge wendet sich speziell gegen das Edward-Teller-Laboratorium in Livermore, wo man am atomaren Schutzschild der USA baut, und daneben natürlich auch gegen FBI und CIA, deren Überwachungstechnik derart komplex ist, dass dagegen letztlich nur das völlige Verschwinden hilft. Wobei sich noch einmal das Problem des Verrats stellt.

 

So wie der KGB eine sozusagen saubere partisanische Vergangenheit hat, waren auch die CIA-Anfänge in der Vorgängerorganisation OSS im Zweiten Weltkrieg durchaus ruhmreich. Das OSS rekrutierte seine Mitarbeiter aus den Kreisen der linken Sozialwissenschaftler des New Deal aus Harvard, Yale und Berkeley – unter anderen war Herbert Marcuse dabei. Ihre profunden Analysen bewirkten bald, dass die USA statt die nationalistischen und royalistischen Befreiungsgruppen in Europa mehr und mehr die kommunistischen Partisanen unterstützte, die sich dann auch fast überall durchsetzten. In den OSS-Stützpunkten herrschte damals durchaus der Geist einer Verschwörung der Guten, denn viele (antisemitische bis antikommunistische) US-Militärs wollten eher mit deutschen Truppenteilen verhandeln, wie auch umgekehrt. Der Kalte Krieg verwirklichte dann ihr Konzept.

 

Die AMO-Verschwörung bei Dodge ist jetzt noch einmal eine Art Alternativ-Harvard, bei dem Marx vorausgesetzt und die Ökonomie über szenetypische Soli-Abos gewährleistet wird. Einen solchen anarchistisch-feministischen Schamanismus, der sich mit Illegalem verbindet, gibt es in Kalifornien tatsächlich. Viele Kommunen, Buchläden und Hang-Outs in dem Roman haben reale Vorbilder – mit „Ghost Dog“ versuchte sich zuletzt auch Jim Jarmusch auf diesem Territorium. Die Umdrehung, dass ausgerechnet ein Verrückter andere heilen kann, kennt man bereits aus Ken Keseys romantisch-antipsychiatrischen Roman/Film „Einer flog über das Kuckucksnest“ – bei Dodge gibt es dafür das „therapeutische Tagebuch“ eines schizophrenen Teenagers.

 

Insgesamt ist sein Buch eine Blütenlese aus all dem, was das andere Amerika bisher über den Großen Teich geschickt hat – ideelle Carepakete, verpackt als hedonistische Bildungsromane: Was hier bloß ein Oxymoron wäre, ist dort jedoch merkwürdigerweise ein Erfolgsrezept.

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9. Campus für alle

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 Der Wort „Campus“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „Feld“. Im Sinne eines parkähnlichen Umfelds von Lehr- und Lerneinrichtungen wurde das Wort erstmalig bei dem 1746 außerhalb von New Jersey gegründeten College, heute University of Princeton, verwendet. Unter „Campus-Hochschulen“ versteht man laut Wikipedia seit den 1960er-Jahren in Deutschland Hochschulen, bei denen Lehr- und Forschungseinrichtungen, Wohnraum für Lehrende und Studenten sowie andere universitätsnahe Infrastruktur samt Grünflächen auf engem Raum zusammengefasst sind.

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Der Begriff bot sich an, da die deutschen Universitätsneugründungen der Nachkriegszeit im Gegensatz zu den klassischen europäischen Universitäten ebenfalls nicht mehr in die Stadt integriert waren. Diese Entwicklung begann 1946 mit der Freien Universität Berlin, kurz FU Berlin, und ihrem Campus in Berlin-Dahlem. Ihr Gründungsakt bestand 1946 – unter Absingen schmutziger (antikommunistischer) Lieder – im Auszug aus der Humboldt-Universität in Mitte – und rein in die einige Jahre zuvor entleerten jüdischen Villen samt ihren Gartenanlagen am Stadtrand. Um der sich dort entwickelnden Studentenbewegung 20 Jahre später den Wind aus den Segeln zu nehmen, bevor sie sich mit dem Proletariat verband, gründete die Brandt-Regierung rund ein Dutzend „Reformunis“ auf den „Grünen Wiesen“ Westdeutschlands, wo ihre Rädelsführer, und dann auch die nichtakademischen Linken über das „Begabtenabitur“, unterkamen – und sich darüber reintegrierten. In Bremen war der parkähnliche „Campus“ außerhalb der Stadt, gestaltet von einem holländischen Avantgarde-Landschaftsplaner mittels Bauschutt und Wasserlöchern, zunächst größer als alle Uni-Gebäude zusammen.

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Heute läuft – speziell in Deutschland – ohne einen „Campus“ und sei es auch mitten in der Stadt und mit nur einem handtuchgroßen Begleitgrün – gar nichts mehr – in der Bildung. Oder umgekehrt: Nur wer seine Immobilie mit dem Wort „Campus“ ziert, bekommt eine staatliche Bildungsförderung. Die Freie Universität in Dahlem als deutscher Pioniercampus bietet zu diesem Zweck sogar eine „Einführung in Campus Management“ an. Während die Technische Universität in Charlottenburg sich mit den monströsen Immobilien der AEG im Westen den „Campus Wedding“ schuf und der Hochschule für Technik und Wirtschaft mit den Immobilien des KWO (Kabelwerk Oberspree) im Osten ein „Campus Schöneweide“ eingerichtet wurde, riß die Humboldt-Universität ein ganzes, noch halb funktionierendes „Raketenstädtchen“ an sich, das sie „Campus Adlershof“ nannte. Hinzu kam dann für die HUB noch ein „Campus Nord“. Dazu gehört das ehemalige Hauptgebäude der Akademie der Künste an der Luisenstraße und demnächst auch das Haus der Ständigen Vertretung der BRD in der Hannoverschen Straße, in dem jetzt noch das Bundesministerium für Bildung und Forschung untergebracht ist. Dieses wird sich auf Basis eines „Public Private Partnerships“ anderswo domizilieren. Auf dem Campus-Nord, wo auch für die HUB-Biologen ein neues Haus gebaut wird, entsteht ein „Integratives Forschungsinstitut für die Lebenswissenschaften“ (kurz: IRI-LS). Am 7. März 2012 wurde es gegründet – als „Flaggschiff“ im Rahmen der HUB-Exzellenz-Initiative. Beteiligt sind daran die Charité und das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Buch (wo man während der Nazizeit die Idee „Ein Atom – ein Gen“ entwickelte). Letzteres, das MDC, ist mit seinem Berlin Institute for Medical Systems Biology (BIMSB) vertreten, für das ebenfalls ein neues Gebäude geplant ist. Der Charité wird dafür das Bettenhochhaus renoviert.

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Im IRI-LS will man „lebenswissenschaftliche Spitzenforschung“ betreiben. Ende 2012 wurde mit der Teilfusion von Charité und Max-Delbrück-Centrum bereits ein Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIG) gegründet, mit dem ein „international sichtbarer Leuchtturm in den Lebenswissenschaften geschaffen wurde“, wie es hieß. Die Erben des Kriegsgewinnlers und Ariseurs Quandt steuerten 40 Millionen Euro zum BIG bei.

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Der „Life Sciences-Leuchtturm“ und das „Life Sciences-Flaggschiff“ wollen nun aber nicht gegeneinander Wissen schaffen und verwerten, sondern dabei kooperieren. Der bereits vielgelobte HUB-Campus Adlershof gibt dabei das „Schema“ vor. Nun sind Leuchttürme und Flaggschiffe jedoch durchaus etwas Gegenteiliges: „Das Auftauchen der Leuchttürme“ war laut Michel Serres „zugleich ein humanitäres und ein kulturelles Signal…Am Ende des 20.Jhds. wurden alle Leuchttürme elektronisch gesteuert.“ Die Unterkünfte der Leuchtturmwärter wurden derweil zu temporären „Hide-Aways“ für exentrische Angehörige von Eliten umfunktioniert. Die Leuchtturm-Signale blieben unterdes reale Lichtstrahlen bzw. Geräuschwellen, während das Campus-„Signal“ etwas Metaphorisches ist, unbemerkt, da man sowieso ständig von „Signalwirkungen“ redet, weil man nur noch in solipsistischen Repräsentationsprojekten denkt. Ähnlich metaphorisch ist das „Flaggschiff“ geworden. Damit wurde einmal das Führungsschiff eines Kriegsschiffsverbandes bezeichnet. „Von diesem Schiff aus führt der Flaggoffizier (die marinetypische Bezeichnung eines Admirals) mit seinem Stab den Verband. Das Flaggschiff führt im Regelfall die Flagge des Befehlshabers bei Tag und Nacht.“ (Wikipedia) Ein „Life-Sciences“-Flaggschiff will aber doch wahrscheinlich bloß die Deutungshoheit im Kampf gegen alle möglichen schrecklichen Krankheiten beanspruchen, was schon größenwahnsinnig genug ist.

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Auf dem Campus-Nord geht es organisatorisch und theoretisch um die Einheit der Naturwissenschaft (an der Humboldt scheiterte) und praktisch um „personalisierte Medizin“, d.h. genetisch auf den Kranken zugeschnittene Therapien, wobei die Grundlagenforschung von der molekularen Ebene bis zur medizinischen Arbeit reicht. Dazu müssen „Lösungen für komplexe biomedizinische Probleme“ gefunden werden. Das „neue Forschungsformat“ soll „internationale Spitzenleistungen“ erbringen. Und wenn das gelingt, dann ist nicht nur der „Weg zur Weltspitze nicht mehr fern,“ wie einer der Festredner den Anwesenden fest versicherte, sondern auch der Weg der Forschungsergebnisse in die wirtschaftliche Verwertung. Der „Informationsdienst Wissenschaft“ frohlockte sogleich: „In Berlins Mitte wird das Leben erforscht“. Genauer gesagt: Das, was vom „Leben“ übrig geblieben ist: Gene, Epigene, Enzyme, Moleküle, Botenstoffe, Proteine… Die Lebenswissenschaften erforschen „nicht mehr das Leben, sondern die Algorithmen des Lebendigen,“ wie der Genetiker und Nobelpreisträger Francois Jacob das nannte.

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„Das Leben lebt nicht mehr“, stellte bereits Adorno fest. Das merkt man bereits am Jargon. So ist etwa von „Photosyntheseapparaten“ die Rede, wenn die frei lebend und zugleich als Symbiont in Pflanzen und Cyanobakterien vorkommenden Chloroplasten gemeint sind, mit deren Hilfe man zum Beispiel im schon bestehenden „Exzellenz-Cluster ,UniCat‘ “ der Humboldt-Universität Wasserstoff gewinnen will. Als Hauptredner auf dem Festakt zur Gründung des Life-Sciences-Zentrums sprach der israelische Chemiker Aaron Ciechanover über molekulare Medizin. Er bekam 2004 den Nobelpreis für die Entdeckung der Funktion des Steuer- und Kontrollproteinsystems „Ubiquitin“ (von ubiquitär, allgegenwärtig) in Zellen mit Zellkern: „Ist dieses System gestört, kann es zu zahlreichen Krankheiten beitragen – Krebs, Alzheimer OE Pharmafirmen stiegen in dieses Forschungsfeld ein, und inzwischen gibt es auf dieser Basis ein Medikament zur Krebsbehandlung auf dem Markt“, erklärte Aaron Ciechanover dazu der Berliner Jüdischen Zeitung am Tag des Festaktes. Und zeigte damit bereits den Weg von der molekularen Grundlagenforschung bis zur medizinischen Therapie auf. So kann es also funktionieren.

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Kürzlich wurde auf dem Campus Nord noch ein üppiges Gewächshaus auf dem Dach des Gebäudes der Arbeitsgruppen des Bereichs Biologie und der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät eingeweiht. U.a. wird dort ein Professor für Pflanzenphysiologie seine molekulargenetischen Versuche fortsetzen, er meinte bei der Einweihung: „Mit dem neuen Gewächshaus eröffnet sich außerdem die Möglichkeit, dass alle pflanzenwissenschaftlichen Arbeitsgruppen, die noch verstreut in unterschiedlichen Häusern untergebracht sind, auf dem Campus Nord in einem Gebäude zusammenziehen.“ Der Universitätpräsident hatte eher die Außenwirkung im Sinn, als er das Gewächshaus auf dem Dach der einstigen „Heeresveterinäruntersuchungsamtes“ in seiner Rede als ein „besondere Attraktion“ – des „Campus Nord“ der Humboldtuni – bezeichnete.

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Die Berliner Universitäten – fast täglich werden es mehr – mischen damit sowohl beim Locationhype wie beim „Urban Gardening“ in der Stadt mit – und überbieten sich dabei geradezu an „Campus“-Gründungen. Die Pressestelle der TU meldete jetzt ebenfalls eine besondere Attraktion: den „TU-Campus EUREF“ – mit dem berühmten Schöneberger Gasometer als Mittelpunkt.

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In dieses Großprojekt wurde die Uni allerdings mehr gedrängt als das sie es begehrte. Es gehört dem einfach nicht zu stoppenden „Immobilienentwickler“ Reinhard Müller. Der Bezirk finanzierte ihm gerade mit mehreren EU-Millionen eine unterirdische Zufahrt zu diesem „Future“-Campus der TU am Stahlgerippe des Gasometerturms. Ein Steglitzer Botaniker schlug vor, „Hängende Gärten“ daraus zu machen – für die „Bioverfahrenstechniker“ der TU.

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Eigentlich wollte das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) diesen Campus – des „Europäischen Energie-Forums (EUREF), wie Architekt Müller sein „Baby“ nennt – inhaltlich mitgestalten. Zudem litt das immer größer gewordene WZB ähnlich wie die taz unter Raummangel. Während jedoch die taz sich ein neues Haus (gleich um die Ecke) baut, bezog das WZB auf dem Schöneberger EUREF-Gelände einen Neubau neben den ehemaligen GASAG-Gebäuden auf dem Gasometer-Campus der TU. Dort – im sogenannten „Green Building“ – beschäftigt man sich fortan „mit Fragen der Wirtschaftsforschung“ – und fängt da hoffentlich gleich an Ort und Stelle mit an: bei Reinhard Müllers gewagten Firmen- und Finanzkonstruktionen.

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Dazu heißt es in den „WZB-Mitteilungen“ vom September 2013 – vorerst noch etwas vage: „Der neue Standort bietet ein urbanes Umfeld, in dem sich Lehre, Forschung und Anwendung treffen.“ Die Formulierung könnte jedoch auch auf ein typisches „dual-use-science-dilemma“ hinweisen. Dieses Problem und wie mit ihm umzugehen ist, wird in den „WZB-Mitteilungen“ bereits ausführlich diskutiert (auf den Seiten 24-27). Auf den konkreten Fall (den EUREF-Campus) bezogen, könnte sich das „Dilemma“ zwischen der Suche nach Wahrheit und der Verpflichtung zur Comradeship in Realestate-Crime entwickeln, denn die um das Gasometergelände wohnende Bevölkerung macht seit Jahr und Tag schwere Einwände gegen das Müllersche EUREF-Projekt geltend.

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Irgendwelche Campus-Mitteilungen dürften da wenig dienlich sein, sie machen ähnlich wie das „Adlershof Journal“ bloß Propaganda für den jeweiligen „Projektträger“, in Adlershof für die Immobilienverwaltungs- und -verwertungsgesellschaft WISTA. So heißt z.B. das „Titelthema“ in deren September/Oktober-„Journal“: „Adlershof – Jobmaschine für Berlin“, was bereits vorneweg – im Editorial – so beantwortet wird: „Der Standort gilt als große Jobmaschine.“

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Dem widersprechen einige Immobilienverwalter und – verwerter des „Technologie Campus Hennigsdorf“ – den gibt es also auch noch in Berlin! Hinzu kommen außerdem: der „Campus Benjamin Franklin“, der „Campus Charité Mitte“ und der „Charité Campus Virchow-Klinikum“, der „Virtual Campus for the Wedding“, der „Beuth-Campus“ – auch „Campus Wedding der Ingenieurakademie“ genannt, der „FU Campus Dahlem“ mit dem „Applestore on Campus“ und dem „FU Campus Lankwitz“ sowie der eine oder andere Campus der mittlerweile 24 Privathochschulen in Berlin – wie z.B. der PFH-Campus, der EBC-Hochschul-Campus, der HMKW-Campus, der BTK-Campus, der ESCP Europe Campus, der Campus der Bahcesehir-Universität, der „Kindl-Campus“ der Berlin Business School in Neukölln, der „Campus Berlin-Buch“, der „English-Campus in Bernau“ und der „Bazon-Brock-Campus der Universität Lüneburg“ in Kreuzberg. Ferner – nach einer Schüler-Randale: der Nordneuköllner „Rütli-Campus“ und der „Edutainment-Campus“ (inklusive „Camps an Lagerfeuern“) der „Street-University“ in der Kreuzberger „Naunyn-Ritze“, der benachbarte „Campus Marianne“ der „ASUM-GmbH für angewandte Sozialforschung und urbanes Management“ sowie der dortige „Campus Berufsbildung e.V.“, der zum „Campus Berlin“ gehört, welcher ein „Verbund der Unternehmen Campus & more GmbH“ und der „Campus Health Service GmbH“ darstellt.Und schließlich noch der „Gründercampus“ der Privatisierungs- und Deindustrialisierungsberatungsfirma  McKinsey.

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Einige Immobilienverwalter und -verwerter des „Technologiecampus Hennigsdorf“ (aus der „co:bios technologiezentrum GmbH“) behaupten, dass nicht nur der Campus Adlershof durch die Pleitewelle der Solarenergiefirmen einen herben Rückschlag erlitten hat, sondern dass er im Gegensatz zu ihrem Campus auch jährlich noch viele Millionen Euro Förderung benötigt. Und das Schönste daran: Henningsdorf hat sogar einen „Campus“ ohne Uni, einen Campus sans phrase quasi. Wäre da nicht die begründete Aussicht auf Gelder aus der staatlichen Bildungsförderung gewesen, hätte man dieses Gewerbeentwicklungsgebiet auch „Cluster“ genannt. Immerhin gibt es dort jedoch inzwischen eine kleine „Außenstelle“ der Techniker-Fachhochschule der Stadt Brandenburg und eine „HealthCareer School of Management“ der Nürnberger DROW GmbH – einer „Agentur, deren „Teams“ sich als „Die Lösungsmacher“ – für was auch immer – bezeichnen.

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Im übrigen hat man sich in Hennigsdorf auf Firmen aus der Biotechnologiebranche konzentriert – man spricht deswegen auch vom „Biotech Campus Potsdam“ – und erklärt dazu im Internet: „Seit der Gründung 1998 sind mehr als 20 Unternehmen mit insgesamt über 500 Arbeitsplätzen insbesondere in KMU und jungen Start-up Unternehmen angesiedelt. Das BioTechnologieZentrum Hennigsdorf ist ein ausgezeichnetes Branchenkompetenzzentrum der Life Sciences, insbesondere im Bereich der Roten Biotechnologie und der Medizintechnik.“ In Hennigsdorf gibt es also ein drittes „Life Sciences“-Zentrum.

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Es entstand aus der Verwertung der nicht-betriebsnotwendigen Teile (Grundstücke und Gebäude) zweier Großbetriebe. „Ausgangspunkt dafür war die Gründung des Weltkonzerns AEG, der Ende des 19. Jahrhunderts seinen Stammsitz hier errichtete. Ab 1914 wurden in Hennigsdorf Dampf- und E-Lokomotiven gebaut. Auch heute noch ist Hennigsdorf ein bedeutender Standort der Schienenverkehrstechnik. Zweitgrößter Arbeitgeber der Stadt sind die Hennigsdorfer Elektrostahlwerke…Das Stahlwerk wurde 1917 gebaut, um den steigenden Bedarf an Stahl für den Eisenbahnbau zu decken.“

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Von der anarchistischen FAU erfuhr ich dazu:

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„Das Stahlwerk ist seit Mai 1992 im Besitz der Familie Riva und hat eine Jahresproduktion von ca. 900 000 Tonnen Stahl und ca. 700 Beschäftigte.“

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Ein Wikipedia-Eintrag zu „Hennigsdorf“ erinnerte daran: „Während des Zweiten Weltkrieges mussten Zwangsarbeiter in den Mitteldeutschen Stahl- und Walzwerken der Friedrich Flick KG und den AEG-Werken in der Rüstungsproduktion arbeiten. Ab 1941 (nach anderen Angaben 1942) wurde ein Außenlager des KZ Sachsenhausen für 50 (nach anderen Angaben 150) Häftlinge installiert sowie ein Außenlager des KZ Ravensbrück für 850 weibliche Häftlinge. An die Toten dieser Lager erinnert seit 1948 ein Denkmal für die Opfer des Faschismus auf dem Postplatz.

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Der zu DDR-Zeiten mit über 8.500 Beschäftigten wichtigste Industriebetrieb der Stadt war das Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf, das 1917 als Teil des AEG-Werks gegründet wurde. Ab 1931 gehörte der Betrieb zum Flick-Konzern. Heute ist davon nur noch ein mittelständisches Unternehmen übrig, das seit 1992 die Bezeichnung Hennigsdorfer Elektrostahlwerke GmbH trägt und zum Riva-Konzern gehört.

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Seit 1913 werden in Hennigsdorf auch Lokomotiven gebaut. Die Produktionsstätten gehörten vor dem Zweiten Weltkrieg zur AEG, zu DDR-Zeiten dem VEB Lokomotivbau Elektrotechnische Werke ‚Hans Beimler‘ Hennigsdorf (LEW). Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurden sie 1991 zunächst wieder von der AEG übernommen und kam 1996 zusammen mit dem gesamten Transportsektor der AEG zu Adtranz. Seit dem 1. Mai 2001 betreibt Bombardier Transportation das Werk in Hennigsdorf.“

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Schließlich bekam ich auch noch eine mail vom „Taranto-Soli-Komittee“ – das Hennigsdorfer Riva-Stahlwerk betreffend. Es ging darin um „Das System ILVA – Wie das größte Stahlwerk Europas auf Kosten von Umwelt, Bevölkerung und Belegschaft produziert“. Dazu wurde auf zwei Veranstaltungen hingewiesen: In Berlin, am 20.9. im RegenbogenKino, und in Hennigsdorf am 21.9. auf dem Postplatz (am S-Bahnhof).

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Ferner teilte das „Komittee“ mit: „Unter dem Titel ‚Das System ILVA‘ werden 6 Aktivisten aus der süditalienischen Region Taranto – darunter ArbeiterInnen aus dem dortigen ILVA-Stahlwerk – über die Situation im Werk und in der Region berichten. Im Anschluss wird die Band Sciamano, die sich in ihrer Musik mit der Situation vor Ort auseinandersetzt, live auftreten.

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ILVA ist das größte Stahlwerk Europas, das seit 50 Jahren in Betrieb und seit 1995 im Besitz der Familie Riva ist, die neben dem Werk in Hennigsdorf bei Berlin auch noch eins in Brandenburg an der Havel besitzt. Seit langem schon ist bekannt, dass die Emission krebserregender Stoffe stark verringert werden muss. 30% des Dioxinausstosses der EU und 92% Italiens werden durch das ILVA-Werk produziert.

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Die ganze Region lebt in Abhängigkeit von dem Werk. Scheinbar bleibt nur die Alternative zwischen Krebs und Arbeitslosigkeit. Viele ArbeiterInnen des Stahlwerks und Menschen in Taranto verweigern sich aber dieser vermeintlichen Alternativlosigkeit. Zu ihnen gehören die anwesenden 6 Aktivisten des „Comitato cittadini e lavoratori liberi e pensanti“, in etwa: Komittee frei denkender BürgerInnen und ArbeiterInnen.“

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Schließlich bekam ich dazu auch noch ein Flugblatt vom Kollegen Willi Hayek geschickt:

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„Liebe Kolleginnen und Kollegen des Stahlwerk Hennigsdorf, an diesem Wochenende wird eine Gruppe von Kollegen aus dem Riva-Stahlwerk aus Taranto nach Berlin und Hennigsdorf kommen. Bei ihrem Besuch werden die italienischen Kollegen gemeinsam mit Anwohnern des Werkes auf zwei Info-Veranstaltungen über die Lage in ihrem Betrieb und der Region berichten. Diese beiden Veranstaltungen sind eine Gelegenheit, an direkte Informationen über die Vorfälle in Taranto zu kommen.

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Das Stahlwerk Taranto ist seit Monaten in der Presse. Nicht nur in Italien, sondern auch hier haben viele Medien über die Vorfälle in Taranto berichtet. Vor etwa einem Jahr wurden einige Mitglieder der Familie Riva verhaftet, weil ihnen massive Umweltverschmutzung und mehrfacher Totschlag vorgeworfen wurde. Es gibt in Taranto immer häufiger Kinder, die schon mit Krebs auf die Welt kommen. Spielplätze wurden geschlossen, weil der Sand vergiftet ist. Neuerdings dürfen sogar Verstorbene nicht mehr beerdigt werden, weil der Kontakt mit der Erde zu gefährlich für die Bestatter ist. Rund um die Fabrik sind Netze gespannt, die den roten Staub auffangen sollen, der dort Schicht für Schicht ausgestoßen wird.

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Die sechs verhafteten Führungskräfte sind inzwischen wieder freigelassen, weil die Frist für Vorbeugehaft abgelaufen ist. In diesem Jahr gab es nun zum ersten Mal eine gerichtliche Maßnahme: die Firma sollte Umweltauflagen in Höhe von mehreren Millionen Euro zahlen, und als sie das nicht tat, wurde das Werk in Taranto unter Zwangsverwaltung gestellt. Aus Protest stellte die Firmenleitung die Produktion ein. Letzte Woche wurden die Kollegen auf Kurzarbeit gesetzt.

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Wir wissen, dass einige es nicht gern sehen, wenn dieses Thema auf den Tisch kommt. Wenn es angesprochen wurde, kam schnell starker Gegenwind. Geschäftsführung und Betriebsrat haben Angst um den eigenen Standort und stellen sich bedingungslos hinter Emilio Riva. Aus Angst um den eigenen Arbeitsplatz gehen viele Kollegen diesen Weg der absoluten Loyalität gegenüber den Chefs mit. Eine kritische Auseinandersetzung – auch mit den Bedingungen in Hennigsdorf – ist nicht gewünscht. Aber glaubt ihr ernsthaft, dass der Riva-Konzern euch dies am Ende danken wird? Warum sollte er mit euch anders umgehen als mit den Kollegen in Italien?

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Den Kopf in den Sand stecken, war noch nie eine gute Strategie. Auch die Kollegen in Italien kennen diese erpresserische Logik. „Lieber Krebs als arbeitslos.“ hieß es auf einem Transparent auf einer Demo in Taranto, was veranschaulicht, wohin eine solche Logik führt. Die angereisten Kollegen glauben allerdings nicht an diese vermeintliche Alternativlosigkeit. Sie finden es wichtig, sich mit ihren deutschen Kollegen über die Situation auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen, um aus dieser Logik auszubrechen.

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Aber informiert euch selbst! Stellt Fragen! Bildet euch eure eigene Meinung!

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Das Taranto-Soli-Kommittee: tie Germany, labournet.tv und die Sektion Bau und Technik der Basisgewerkschaft FAU Berlin Kontakt: taranto-soli@fau.org.“

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Damit war meine Neugier geweckt – und ich machte mich auf, um Näheres über den Campus Hennigsdorf, der eigentlich ein Cluster ist und von dem ich bisher nur eine Reihe von Doppelhaushälften mit je eigener Bootsanlegestelle kennengelernt hatte, in Erfahrung zu bringen…

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P.S.: Einen „Music Campus“ gibt es natürlich auch noch in Berlin – und natürlich jede Menge „Campus Songs“, „Campus Lyrics“ und „Campus Videos“ sowie, um der nachlassenden Gedächtnisleistung im Alter entgegenzuwirken, Yogaübungen und Wandern, die den „Hippocampus“ angeblich wieder vergrößern.

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Wie kann ein Netz „integer“ sein, im Sinne einer Person, die sich stets einigermaßen anständig verhalten hat. Ob etwas oder jemand „integer“ genannt werden kann, läßt sich eigentlich erst im Nachhinein sagen. Für Solschenizyn waren das in seinem Arbeitslager-Archipel „GULag“ vor allem die unkorrumbierbaren „Tschetschenen“, besonders deswegen, weil sie es als Häftlinge am Schwersten hatten. Sie bildeten in den Lagern ein „integres Netz“, das man deswegen auch als „stabil“ bezeichnet. Überhaupt ist „stabil“ in dieser „flüchtigen Moderne“ zu einem Modewort geworden, ähnlich wie „Modul“. Ach, bestünde die Natur doch schon aus lauter stabilen Modulen! Dann würde „Integrität“ mit „Informationssicherheit“ identisch sein.

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Die Netzwerk-Merker sind schon in dieser „Dystopie“ (noch ein Modewort) angekommen. Der „Telekom-Chef“ René Obermann wurde neulich in der FAZ mit den Worten zitiert: „Wenn du die Netze fragmentieren willst, weiß ich nicht, wie ein integres und leistungsstarkes Netz entstehen soll.“ Das war gegen den Sprecher des integren „Chaos Computer Clubs“, Frank Rieger, gerichtet, der in Ansehung der Snowden-Enthüllungen ein eigenes Netz für die Schengen-Staaten forderte, wobei er jedoch nicht an ein staatsmonopolistisches Großprojekt (PPP) dachte, sondern an „Dezentralisierung“: „Netze sollten nicht einzelnen Unternehmen gehören, sondern denen, die sie benutzen.“

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Ihr Gespräch wurde von der FAZ mit der Überschrift: „Snowdens Enthüllungen sind ein Erdbeben“ versehen. Geleitet hatte es der FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher. Mich und einige andere Leser wunderte an dem Text, dass sich die drei Beteiligten duzten. In vielen Tageszeitungen werden die Interviewten sogar dann öffentlich gesiezt, wenn man sich normalerweise duzt. Diese Sprachverwirrung ist reizvoller als die beim Wort „Integrität“. Ich z.B. habe mehrere Freundschaftsbeziehungen, in denen ich duze, aber selbst gesiezt werde, dann welche, in denen wir vom Duzen immer wieder ins Siezen „zurückfallen“ und daneben solche, in denen ich einen Dritten duze, mein Freund die betreffende Person jedoch siezt, obwohl er sie viel länger kennt. Das kann bei ihm eine nicht nachlassende Hochachtung sein, aber auch bloß eine Gewohnheit – wie bei mir das „Duzen“.

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Wir haben uns das „Du“ einst im Kollektiv quasi verordnet: An der „Roten Reformuniversität Bremen“ (und beim „Rotfunk Radio Bremen“) wurde man zurechtgewiesen, wenn man jemanden aus Versehen siezte. Einige marxistische Professoren, aus dem Exil geholt, bestanden geradezu darauf. Aber dann kamen die ersten jungen karrierebewußten Assistentinnen. Sie sagten zwar brav „Du“ zu den Studenten, aber dieses Wort klang aus ihrem Mund distanzierter als jedes „Sie“, wie man es z.B. von alten postfaschistischen Amtsträgern noch meinte im Ohr zu haben.

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Wir können also genausogut auch gleich wieder zum „Sie“ übergehen, sagten sich die grauhaarig gewordenen und mittlerweile auf dem Land lebenden Teile des Lehr- und Forschungskörpers. Und so geschah es dann auch. Und heute ist die Uni Bremen eine „Elite-Universität“, an der die letzten Geheimnisse der Seele, des Geistes und des Bewußtseins erforscht werden – an aufgemeißelten Affenhirnen u.a.., und man sagt und schreibt dort „You“ – im Sinne von „Sie“! Da das Kapital immer mehr, über „Drittmittel“, die Forschung steuert, tun es ihm nun die ersten Bundesländer nach – im „Lenken“ – was die „Hochschul-Autonomie“ aber nur weiter zerschlägt. „Man ist politisch so auf Steuerung fixiert, dass die Frage, was eigentlich gesteuert werden soll und ob es sich steuern lässt, gar nicht mehr aufkommt,“ schreibt die FAZ.

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Nebenbeibemerkt gab es auch in den schön chaotischen Anfangsjahren dieser Hochschule an der Bremerhavener Autobahn einen „Gentleman“ (aus Hamburg, FDP-Mitglied), der von allen gesietzt wurde: der Uni-Kanzler, während der SPD-Präsident mit dem „Du“ geradezu protzte, denn es ging ja nicht zuletzt auch darum, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Die Einrichtung von mehr als ein Dutzend Reformunis in Westdeutschland sollte zum Einen mehr Arbeitern ein Studium ermöglichen (dazu gab es das „Begabtenabitur“, das so gut wie jeder bestand) und zum Anderen darum, die Rädelsführer der Studentenbewegung nachhaltig in das System zu integrieren (mit einer versprochenen „Drittelparität“). Kann jemand, der sich „integriert“ noch „integer“ sein? In den noch gegen den „Unibetrieb“ (den „Muff unter den Talaren“) gerichteten Versammlungen des SDS, vor allem auf der Delegiertenkonferenz 1967 hatten Rudi Dutschke und Hans-Jürgen Krahl den linken Studenten im Zusammenhang ihrer für sie vorgesehenen kleinbürgerlichen Perspektive bereits zu bedenken gegeben: „Das Sich-Verweigern in den eigenen Institutionsmilieus erfordert Guerilla-Mentalität, sollen nicht Integration und Zynismus die nächste Station sein.“

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Noch mal zurück zum FAZ-Feuilleton: „Snowdens Enthüllungen sind ein Erdbeben“. Im „konkret“-Feuilleton stieß ich am selben Tag auf einen Artikel von Jörg Kronauer, in dem er den Leser erklärte: „Warum es eine politische Dummheit ist, sich darüber zu ereifern, daß US-amerikanische Geheimdienste auch deutsche Quellen abschöpfen (und umgekehrt).“ Ähnliches hatte zuvor auch schon die Bild-Zeitung gesagt/getan, als sie im „NSA-Skandal“ mit der Überschrift rauskam: „Was Sie gegen die Überwachung tun können: 6 Tipps“. Dezentraler gehts nicht!

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10. Gobibärforschung

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Man weiß nicht, ob die Absicht der mongolischen Regierung, 2013 zum „Jahr des Gobibären“ zu erklären die internationale Gobibärforschung befördert hat oder ob es umgekehrt war. Fest steht, dass wir heuer mehr über den seltenen Gobibär wissen als noch vor einigen Jahren: U.a. dass es nur noch 20 bis 60 Exemplare dieses Tieres gibt, das von den Mongolen Mazaalai genannt wird. Sie leben in drei Gebirgszügen der westlichsten Ausläufer der Wüste Gobi – in der nahezu menschenleeren Umgebung der Oasen Baruun Tooroi und Shar Khulsny Bulag. Es handelt sich dabei um eine kleine Form des Braunbären, die heute den zentralasiatischen Isabellbären zugerechnet wird. Diese Bezeichnung bezieht sich auf ihr „isabellfarbenes“ Fell, was auf Isabella von Kastilien zurückgeht. Diese gelobte 1601, dass sie ihr weißes Hemd nicht eher wechseln wolle bis ihr Mann, Albrecht VII. von Habsburg, die Stadt Ostende, die er belagerte, erobert habe. Da die Belagerung drei Jahre, drei Monate und drei Tage dauerte, sah ihr Hemd entsprechend aus.

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Auf „gobibaer.de“ heißt es, dass die „rotbraunen bis sandfarbenen“ Tiere erstmalig um 1900 von zwei russischen Botanikern entdeckt wurde, in ihrem „Feldtagebuch“ notierten sie: „Heute haben wir in den nördlichen Vorgebirgen des Cagan-Bogdo in einem trockenen und breiten Sajr… endlich einen Gobibären zu sehen bekommen. Er lief ohne Hast den Grund des Tales entlang, dunkelbraun, mit Fetzen von längerem und hellerem Haar, das nach dem Haarwechsel an dem dunkelbraunen Pelz hing. Der Bär beschnupperte etwas anscheinend auf der Suche nach Nahrung.“

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1943 bestätigte ein mongolisch-sowjetisches Forschungsteam ihre Beobachtungen, 1953 gelang es lokalen Wissenschaftlern, ein Jagdverbot für den Gobibären durchzusetzen, 1975 wurde sein Verbreitungsgebiet in einer Größe von 52.000 Quadratkilometern zum Naturschutzgebiet erklärt: „Great Gobi Strictly Protected Area (GGSPA) heute genannt. Dass die kleine Population dennoch weiter abnahm, führen Gobibärforscher auf die Klimaerwärmung zurück, was die dort ohnehin sehr geringen Wasservorkommen weiter verringert. Vertreter der „National Commission for Conservation of Endangered Species“ der Mongolei erwägen eine regelmäßige Zufütterung sowie ihre Züchtung in Gefangenschaft. Der amerikanische Bärenforscher Harry Reynolds, der bereits 2005 zusammen mit kanadischen Biologen ein „Mongolian-American Gobi Bear Project research program“ initiierte, meint jedoch: „Das Wichtigste ist, sie in Ruhe zu lassen. Ihre Lebensweise ist derart prekär, dass die kleinste Störung ihr völliges Aussterben bewirken kann. Sie haben jedoch bewiesen, dass sie sich an extreme Lebensbedingungen anpassen können.“ Der ehemalige mongolische Umweltminister Damdin Tsogtbaatar sieht in den Anstrengungen zum Schutz des Gobibären, die ihren Ausdruck u.a. im „Jahr des Gobibären 2013“ finden, ein Beispiel für einen anderen Umgang mit Tierarten, die wir an den Rand des Aussterbens gebracht haben. Das beinhaltet, dass es die Menschen (Jäger) waren, die die Gobibär-Population derart reduzierten. Der Umweltminister erinnerte in diesem Zusammenhang an die wilden Przewalski-Pferde, die in den Sechzigerjahren in der Mongolei ausgerottet wurden. Nur 12 überlebten – in europäischen Zoos, von wo aus ihre Nachkommen in den Neunzigerjahren wieder in der mongolischen Steppe ausgewildert wurden.

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Beim Gobibär halten sich die direkten Beobachtungen bis heute in Grenzen. Es existieren nur wenige Fotos und seit 2004 Filmmaterial – als es gelang, Aufnahmen mit einer automatischen Kamera zu machen. Die sichersten Nachweise lieferte ein amerikanischer Genetiker in den achtziger Jahren, der durch das Auslegen von Drähten an vorher eingerichteten Futterstellen Haare gewinnen konnte. Leider war es aber auch damals nicht möglich, die Tiere direkt zu beobachten. Genetische Untersuchungen lieferten jedoch den Beweis dafür, dass es sich um eine eigene Tierart handelt. Zweifelsfrei konnten 13 verschiedene Individuen identifiziert werden.

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Über die Lebensweise dieser Tiere ist noch immer so gut wie nichts bekannt. Man weiß nicht zweifelsfrei, ob die Bären tag- oder nachtaktiv sind, wo sie überwintern, ob sie in Gruppen leben oder Einzelgänger sind. Selbst über die Ernährungsweise herrscht Uneinigkeit. Während russische Zoologen vom Pfeifhasenfresser sprechen, also von einem überwiegend sich von Fleisch ernährendem Tier, sehen mongolische Forscher den Gobibären als Pflanzenfresser, welcher als Hauptnahrung Bajuun-Wurzeln (dt. Kleiner Rhabarber, lat. Rheum nanum) im Frühjahr, ansonsten Beeren und andere Pflanzen zu sich nimmt.“ Dieser wilde Rhabarber war einst auch ein begehrtes Nahrungsmittel am Hof von Tamerlan in Samarkand.

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Die Internetseite „gobibaer.de“ wird vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern geführt, dieser finanzierte auch ein „Schutz- und Informationszentrum für den Gobibären in der Mongolei“, das 2012 eröffnet wurde – zusammen mit der Nationalen Universität der Mongolei in Ulaanbaatar und der Schutzgebietsverwaltung des Großgobi-Naturschutzgebietes, Bayuntooroi.

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„Von diesem Zentrum aus sollen konkrete Schutzmaßnahmen zum Erhalt des höchst bedrohten Gobibären gestartet werden.“ Im Vorfeld hatten die deutschen Gobibärschützer 2008 und 2009 bereits zwei „Expeditionen“ in das Verbreitungsgebiet des Gobibärs unternommen:

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„Die Expeditionen haben klar gezeigt, dass eine dringende Notwendigkeit besteht, für den Gobibären etwas zu unternehmen. Wir konnten frische Spuren finden, was bedeutet, dass der Bär noch in der Transaltaigobi vorkommt. Wir konnten ferner eine hohe Akzeptanz der örtlichen Bevölkerung und wichtiger Entscheidungsträger in der Mongolei erfahren. Das sind die Voraussetzungen vor Ort, um eine Station aufbauen zu können, die zum Überleben des Gobibären essentielle Voraussetzung sind.“

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Bei der Konkretisierung des Projekts waren sich die deutschen und mongolischen Gobibärschützer jedoch nicht immer einig: „Wir haben in allen Gesprächen deutlich gemacht, dass es sich bei unserem Projekt um den Schutz des Gobibären in seinem Lebensraum handelt. Etwa 30 km von Bayantooroi entfernt hat eine mongolische Initiative einen anderen Weg zum Erhalt des Gobibären eingeschlagen. Es wurde eine Zuchtanlage gebaut, die aus engen Betonkäfigen bestehen und wo es gelingen soll den gefährdeten Gobibären zu züchten. Dazu sollen wilde Bären gefangen werden und hierher verbracht werden. Da nur wenig über die Biologie der Art überhaupt bekannt ist, die Populationen sehr klein sind und deshalb die Auswirkung von Wildfängen kaum vorhersehbar sind, wird dieses Vorhaben von uns strikt abgelehnt.“

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Um weitere Gelder für das Gobibär-Zentrum zu acquirieren, produzierte der bayrische Landesbund für Vogelschutz e.V. einen Film über den Verlauf seiner zwei Expeditionen: „Mazaalai – Auf den Spuren des Gobibären“, man kann ihn als DVD für 25 Euro bestellen – beim Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. im „LBV-Naturshop“, 91161 Hilpoltstein.

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Weitere Neuigkeiten aus der Äußersten Mongolei:

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 Der mongolische Staatsapparat regiert, ebenso wie andere, auf der Basis von Statistiken, die er seit der „demokratischen Revolution 1989“ auch veröffentlicht. Danach wurden im letzten Jahr 53.009 Kinder geboren, 61.500 Menschen bezogen Sozialhilfeleistungen. Es wurden ferner 17.500 Tonnen Kartoffeln geerntet. Dagegen beliefen sich die Viehverluste 2012 auf 235.200 Stück. Jeder Einwohner der Hauptstadt Ulaan Bataar verzehrt im Monat 6,8 kg Fleisch. Im Bergbau werden monatliche Durchschnittslöhne von 1,5 Millionen Tugrug (rund 824 Euro) gezahlt, in der Landwirtschaft hingegen nur 308 000 Tugrug (169 Euro). Der Gewerkschaftsverband demonstrierte kürzlich in Ulaanbaatar für höhere Löhne und gleichen Lohn bei gleicher Arbeit für Frauen und Männer. Vor allem in den Medien und in der medizinischen Versorgung sind fast 70% der Beschäftigten Frauen.

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Während der Eröffnung der Parlamentssitzung am 16.September protestierte die Umweltbewegung zur Rettung des Ongi-Flusses „Gal Undesten“. Dabei wurden Gewehrschüsse abgefeuert. Ts. Munkhbayar, ihr Vorsitzender, erklärte der Presse, kurz bevor er verhaftet wurde, die Aktion sollte für mehr Aufmerksamkeit für die Probleme der Umweltschädigung durch die Bergbauaktivitäten sorgen und zur Umsetzung des 2009 verabschiedeten „Gesetzes mit dem langen Namen“ beitragen: 40 Prozent des mongolischen Territoriums müssten als Landschaftsschutzgebiete deklariert, 1782 Abbaulizenzen für ungültig erklärt werden. Die Schüsse seien aus Versehen abgefeuert worden. Hinter dem Staatssiegeldenkmal, in Papierkörben vor dem Umweltministerium, dem Bergbauministerium, vor der Zentralen Steuerbehörde und vor dem Central Tower entdeckten die Sicherheitskräfte allerdings wenig später Bomben.

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Die USA als Hauptsponsor und Hauptlenker der mongolischen Politik, um von dort Russland militärisch nahe zu sein und die Entwicklung Zentralasiens zu beeinflussen, verpflichtete sich, der Mongolei zusätzlich zu ihrer immensen Entwicklungshilfe 5,1 Mio Dollar zukommen zu lassen: „Das Geld dient zur Erhöhung der Qualität der Regierungsführung“, wie „mongolei-news“ schreibt. Die taz hatte zuvor berichtet, dass die Goldsucher in der Mongolei dem Ongi-Fluss so viel Wasser entnehmen, dass er auf ein Viertel seiner früheren Länge geschrumpft ist. Hirten und Stadtbewohner würden „bald zu den Gewehren greifen“, äußerte der Umweltaktivist Ts. Munkhbayar gegenüber der taz. „Das Gold ist schuld!“ sagte er. Die Proteste der Ongi-Bewegung, die mittlerweile über 2.000 Mitglieder und Büros in acht Kreisstädten hat, hatten Erfolg: Einige der großen Sünder unter den Goldschürfern mussten ihren Betrieb schließen. Viele aber arbeiten illegal weiter. Nicht nur die Arbeitslosen aus den Städten verdingen sich als „Ninjas“, sondern auch immer mehr Hirten, die wegen der Wasserknappheit ihre Tiere verloren haben. („Ninjas“ nennen die Mongolen die Goldsucher wegen der Plastikschüsseln, die sie auf dem Rücken tragen und die sie wie die Ninja-Schildkröten aus dem Zeichentrickfilm aussehen lassen.) Rund hunderttausend Menschen verdienen so ihren Lebensunterhalt. Sie tauchen in der amtlichen Erwerbsstatistik allerdings nicht auf. Noch weniger die tausende von Stadtbewohner, die am Wochenende aufs Land fahren, an den Flüssen picknicken und währenddessen nach Gold schürfen. „Die Mongolei fiebert in einem Goldrausch,“ meinte Ts. Munkhbayar.

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Zu den Umweltschützern zählen sich neuerdings auch die mongolischen Neonazis – Tsagaan Khass genannt. „Sie verehren Hitler, die Schädel sind kahlrasiert, die Füße stecken in Springerstiefeln, gekleidet sind sie in schwarzen Uniformen im SS-Stil, mit weißen Hakenkreuzen auf den Ärmeln und Nachbildungen von Eisernen Kreuzen: So treten sie in Ulaan Bataar auf, wo sie etwa 100 Mitglieder haben,“ berichtete der Spiegel – und berief sich dabei auf einen argentinischen Journalisten von Reuters, der vom Anführer der Neonazis Ariunbold Altankhuum persönlich erfuhr, dass seine Truppe nicht länger Attacken gegen Prostituierte und Ausländer (vornehmlich Chinesen und Kasachen) unternehme, sondern den Fokus auf Umweltschutz lege: „Wir kämpfen jetzt gegen die Bergbauunternehmen.“ Ihr Hauptziel sei es nun, die Natur zu schützen. Laut der Asia Development Bank leben inzwischen beinahe 30 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. „Ich habe zwei Teenager gefragt, warum sie Teil dieser Neonazi-Gruppe sind“, berichtete der Reuters-Journalist. Ihre Antwort: „Weil wir den Menschen helfen wollen.“

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Da Hitler einst schwer von der Geopolitik Dschingis-Khans beeindruckt war, zudem die härtesten Naturschutzgesetze durchsetzte und die heutige Mongolei sich andererseits einen geradezu grotesken Dschingis-Khan-Kult leistet, schließt sich mit den „Tsagaan Khass“ quasi ein Kreis.

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Im Nürnberg-Prozeß gegen führende Nazis spielte kurzzeitig eine sogenannte „Dschingis-Khan-Rede“ Hitlers, die er 1939 vor Generälen auf dem Obersalzberg hielt, eine Rolle: „Wir müssen unser Herz verschließen und hart machen,“ sagte er darin, „wer über diese Weltordnung nachgedacht hat, ist sich klar, daß ihr Sinn im kämpferischen Durchsetzen des Besten liegt. Das deutsche Volk aber gehört zu den besten Völkern der Erde.“

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Zur selben Zeit unternahm eine Gruppe namhafter Nazi-Wissenschaftler eine Tibet-Expedition. Der tibetische Buddhismus, der mit dem in der Mongolei praktizierten identisch ist, wurde vom deutschen Bündnispartner Japan unterstützt. Und Hitler, vor allem jedoch Himmler und Hess glaubten an „Shambala“, dem geheimen Sitz der letzten buddhistischen Weltweisen. Mit diesen hatte angeblich die Gründerin des theosophischen Weltordens Madame Blavatsky korrespondiert. Als ihr Schwindel aufflog, begnügte sich ihre Nachfolgerin in der Leitung der theosophischen Gesellschaft, zusammen mit ihrem Assistenten Rudolf Steiner, den indischen Philosophen Jiddu Krishnamurti zum „Weltlehrer“ zu erklären. Dieser machte sich jedoch schon bald als Vortragsredner selbständig, ebenso Rudolf Steiner, der mit den deutschen Anhängern der Theosophie die wagnerianisch-christlich inspirierte „Anthroposopie“ begründete. Einem anderen Anhänger von Madame Blavatsky, dem Petersburger Malerfürsten Nicholas Roerich, der sich ebenfalls spirituell selbständig machte, finanzierte erst der KGB 1923 eine Expedition in die Mongolei und dann das US-Landwirtschaftsministerium eine weitere nach Tibet, damit er „Shambala“ finde.

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Der in der Mongolei als Reiseveranstalter und Publizist lebende Ernst von Waldenfels ist sich in seiner 2011 veröffentlichten Roerich-Biographie sicher, dass auch einige Altbolschewiki okkultistische Neigungen hatten. Die russische Regierung stellte vor einigen Jahren der „Roerich-Gesellschaft“ das schloßähnliche Lopouschkin-Palais in Moskau als Museum zur Verfügung, daneben gibt es noch ein weiteres Roerich-Museum in Nowosibirsk und in New York.

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Der dort lebende Schriftsteller Thomas Pynchon hatte 2006 in seinem Roman „Gegen den Tag“ neuerlich eine „Shambala“-Expediton losgeschickt. Bei den Teilnehmern handelte es sich um eine Gruppe von Hightech-Anarchisten, die davon ausgingen, dass dieser geheime Ort der Weltweisheit sich unter der Wüste Gobi befindet. Und dort fanden sie ihn auch.

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Das dortige Shambala entwickelte sich im selben Jahr – allerdings oberirdisch – zu einer Jurten-Unterkunft (Ger-Camp) für Öko-Touristen – nachdem dort die erste mongolische Massenveranstaltung stattgefunden hatte, die „das mystische Shambala wiederaufleben ließ“, wie es in einer Anzeige dieses Touristencamps in der deutsch-mongolischen Zeitschrift „Supernomad“ heißt.

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Daneben folgen heute noch und wieder laut Ernst von Waldenfels „in Rußland und der ganzen Welt Hunderttausende Roerich und seiner Shambala-Lehre“. In die Gobi zieht es jedoch vor allem ökotouristisch motivierte Deutsche und Japaner. Aber auch den englisch-australischen Bergbaukonzern Rio Tinto, der dort die weltgrößte Kupfer- und Goldmine Oyu Tolgoi ausbeutet. Für ihren Explorateur, den Amerikaner Robert Friedland, ist sie ein wahres „Shambala“ – unterirdisch nun wieder.

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Der Wüstenjogger Ray Zahab, früher ein Kettenraucher, joggte heuer durch die Gobi – 2100 Kilometer. Einmal kam er durch einen Ort, in dem gerade ein Pferderennen stattfand . Im Sattel saßen nur Kinder: „Für sie war es der Tag des Jahres, ein zehnjähriges Mädchen gewann das Rennen. Ihr Stolz, ihre Anmut und die Bedeutung dieses Rennens für sie und die Dorfgemeinschaft bleiben mir wohl immer in Erinnerung.“ Ansonsten fand er seinen Lauf durch die Gobi fast so anstrengend wie den durch das Death Valley.

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Das „Magische Schiff“ (Shenzhou) ist gestartet. So heißt das chinesische Raumschiff, das kürzlich vom Raumfahrtzentrum bei Jiuquan in der Wüste Gobi am Rande der Mongolei zu einem Labormodul im All fliegt. Die Wüste lebt. Außerdem findet man dort auch immer wieder gut erhaltene Saurier-Teile und ganze Gelege.

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Letzte Meldung: In Ulaan-Bataar hat man jetzt das ehemalige Lenin-Museum zu einem Saurier-Museum umgewandelt

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 Evolutions-Comic

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P.S.:

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In „Die Abschaffung der Arten“ – seinem „biophilosophischen“ Versuch, Darwin und Marx zusammen zu denken, schreibt Dietmar Dath: „Wir machen aus der Evolution das schlechthin Willentliche“. Das erinnert jedoch eher an die „prälapsarischen Menschen“ des Augustinus von Hippo (354 – 430): Ihm zufolge verloren die Menschen erst mit dem Sündenfall, von seltenen Ausnahmen abgesehen, die Willensherrschaft über den eigenen Körper und überließen ihn der Lust, den Trieben. „Denn für Gott war es nicht schwer, den Menschen so zu schaffen, dass auch jener Körperteil, der jetzt nur noch durch Begierde erregt wird, bloß durch den Willen bewegt wurde,“ heißt es in Augustinus‘ heilsgeschichtlichem Hauptwerk „Über den Gottesstaat“, in dem er laut Florian Werner als Überbleibsel der einst willentlich steuerbaren  Körperfunktionen das Wackeln mit einem oder beiden Ohren sowie das musikalische Furzen erwähnt. Vor allem ging es Augustinus natürlich um die willentliche Steuerung der Sexualität – so ähnlich wie Michel Foucault die Leidenschaft mit der Klarheit der Vernunft ausstatten wollte? Ersteres bezog sich jedoch auf die Zeit vor dem Sündenfall und letzteres auf die Zeit nach uns…

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Als das „Deutsche Theater“ seine Utopie auf die Bühne brachte, schrieb eine Kritikerin: Erst im Schlussakt wird die „Grundannahme des Romans klar: Mensch sein heißt, willentlich zu gestalten. Wenn sich die Menschheit aus eigener Kraft abschafft, dann löscht sie das Menschliche nicht aus, sondern leistet vielmehr den größten gestalterischen und damit menschlichen Akt, der sich denken lässt. Das Ende der Menschen – man muss es als versöhnliches Fest begreifen.“

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Ganz anders dagegen das Langzeitprojekt „Anthropozän“ im Haus der Kulturen: Dort geht man davon aus, dass „wir“ dieses „Menschenzeitalter“ mittels immer neuer ökologischer und technologischer Einsätze über seine Halbwertzeit hinaus (die es angeblich noch nicht einmal erreicht hat) erhalten sollten. Zwei lebensfreundliche Utopien inmitten der sich (im Feuilleton) vermehrenden „Dystopien“.

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In einer Ausstellung, die derzeit im „Tieranatomischen Theater“ der Humboldt-Universität gezeigt wird, heißen die Dathschen Transhumanen „Humanimal“. Es geht dabei um ihre Entwicklung (Evolution) – von den Mythen über die Künste bis zu den genetischen Experimenten heute. Man wird kurz gesagt über Geschichte und Gegenwart der „Mischwesen“ aufgeklärt. Bei Dath sind inzwischen sogar schon „Bildung, Kultur, Gesetz und Militär biologische Funktionen“ geworden, Die „Koryphäen“ streiten allerdings noch darüber, „ob das ein Zugewinn ist oder eher eine Rückbildung des Sozialen.“

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Die Kulturphilosophen, Nietzsche u.a.., waren noch davon ausgegangen, dass der Mensch ein „nicht-festgestelltes Tier“ ist, was er als „Krankheit“ begriff, ebenso wie nach ihm Theodor Lessing. Während Heidegger umgekehrt am Festgestelltsein des Tieres dessen „Weltarmut“ festmachte (während „wir“ ihm zufolge „weltbildend“ sind). Für Dath resultiert daraus, dass „das ganze Leben doch heute Kunst ist,“ wie eine Schwänin auf S. 195 seines Romans behauptet. Der einstige Musikredakteur hat es überhaupt mit Schwänen. Ich auch. Siehe dazu Band 4 der Reihe Kleiner Brehm: „Schwäne“, wo es gleich zu Beginn heißt, dass der Schwan quasi ein Pionier der Neonatur ist, insofern er sich schon vor langer Zeit zu einem „Kunstvogel“ entwickelt hat, ohne gezähmt und gezüchtet worden zu sein.

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In Landsberg an der Warthe (heute: Gorzow Wielkopolski) gibt es einen Stadtpark, den Gottfried Benn, der dort 1944 drei Monate lang stationiert war, als durchaus „herkömmlich“ eingerichtet bezeichnete, „doch ungeheuer auffallend, das Schwanenmotiv‘, Schwäne -, das ist stilisiert! Widersinnig! Den Schwanenkopf so hoch über den Wasserspiegel zu legen auf einen Hals wie glasgeblasen! Keine Kausalität darin, reines Ausdrucksarrangement. Ebenso die Weisen, in die Fluten hangend, Unstillbares, Schwermut, Bionegatives in die Ackerbürgerstadt verlagernd, – unmittelbar, wie jeder nachfühlt, auf Ausdruck gearbeitet.“ Die Schwäne sind Teil des künstlichen Intérieurs. Sie fügen sich darin ein. „Es gibt Tiere, die gegen die Natur arbeiten“, so faßt der Kulturwissenschaftler Peter Berz die Bennsche Schwan-Wahrnehmung zusammen, die damals von der Schrift des Psychiaters Wilhelm Lange-Eichbaum über „Genie – Irrsinn und Ruhm“ beeinflußt war, Benn fand darin seinen Begriff „Bionegatives“.

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Dieser scheint sich mit der „Neonatur“ von Dietmar Dath zu berühren (übrigens auch mit der von Heinrich Dathe, dem Ostberliner Tierpark-Direktor, in seinen Erlebnisberichten). Dathe ging es in seiner Friedrichshainer Als-ob-Natur jedoch um Art-Erhalt und -Reinheit, während Dath, bei den Schimären und Sphinxen anknüpfend, den verschütteten Weg sucht, um im Endeffekt „so viele Arten zu erzeugen, wie es Einzelwesen gibt“: „Transzendenz in Permanenz“, d.h. Transformation der „gesamten Biologie“ und ständige Komplexitätszunahme. Wobei er nicht davor zurückschreckt, sie als Daten in „felsengeschützten Großrechnern“ (sic) zu sichern.

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Dabei tut er en passant die ganzen heutigen Affenexperimente in Labors ab, die mit ihrer positivistischen „Theorie des Geistes“ bloß die alten Artschranken verfestigen. In der „Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund“ gastierte dazu neulich das Schauspielhaus Hannover mit seinem Stück „Die Affen“, in dem um die „Theory of Mind“ (ToM) gestritten wurde, mit der in den Schimpansen-Experimenten des „Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie“ in Leipzig gearbeitet wird. Dath würde sagen: Dabei haben sie selber keine, jedenfalls keine ToM, „an der sich das Affenbenehmen messen, eichen lassen könnte.“

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Ab 1951 gab es hierzulande einen Bären-Comic – aus Dänemark: „Petzi“ – und seine Freunde „Pelle“ und „Pingo“. Im neuen konkret-Heft (12/2013) hat Wenzel Storch an sie erinnert. Besonders im Norden waren diese Abenteuer der drei bis in die Sechzigerjahre beliebt. Wenzel Storch hat sie gesammelt und in Zigarrenkisten eingepackt wie einen „Goldschatz gehütet“. In Petzis Geschichten wird viel „gebohrt, gesägt, gehämmert“ – der „Heimwerkergedanke“ damit verbreitet. Die beiden Herausgeber, das Ehepaar Hansen, liegen heute „bescheiden“ unter einem kleinen Stein in Hojbjerg begraben.

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Das mag erklären,“ schreibt Wenzel Storch, „warum die Werkausgabe 2013 mit nur zwei Bänden ebenfalls bescheiden ausfällt. Zum Vergleich: Prinz Eisenherz brachte es auf 86 und Donald Duck allein in der Barks-Inkarnation – nimmt man die Abenteuer mit Dagobert, Daise und Düsentrieb hinzu – auf 133 Bände. Bei der Gelegenheit: Ich werde den Jubel nie begreifen, der beim Erscheinen der deutschen ‚Barks Library‘ ausbrach. So erfreulich die Aussicht auf eine Gesamtausgabe 1992 war, wer mit den ‚Donald Duck Sonderheften‘ aufgewachsen war, konnte sich angesichts der neuen Farbgebung (wo man hinsieht, Pastelltöne, dazu grauenhafte Verläufe, nur schütteln.“

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11. Letzte Animails

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A. Wie Affen Menschen sehen

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Eine Beobachtung der Biologin Sarah Papworth und ihrer Kollegin vom Imperial College in Berkshire: Die beiden erforschten Wollaffen im südamerikanischen Regenwald. Dabei entdeckten sie, dass diese Tiere mittlerweile zwischen Wollaffen-Jägern und Wollaffen-Forschern unterscheiden können: Wenn sie die ersteren sehen, „gefährlich“, verstecken sich die Wollaffen ängstlich und still in den Baumkronen, bei den letzteren bleiben sie dagegen cool – „harmlos“.

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Die ersteren erkennen sie meist schon an ihren langen Pfeilrohren, die sich mit sich tragen, während letztere mit Filmkameras, Klemmblocks und Feldstecher ausgerüstet sind. Es kann aber auch sein, dass sie solche Unterscheidung im konkreten Fall noch mit einer zweiten vervollständigt haben: Erstere sind meist dunkelhaarige und -häutige Männer, letztere dagegen hellhaarige und -häutige Frauen. So sehe ich das jedenfalls, nachdem ich mir das Photo der englischen Wollaffenforscherin im Internet angekuckt habe, wobei ich stillschweigend davon ausging, dass ihre unbenamt gebliebene Kollegin nicht viel anders aussieht.

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B. Vom Luxus- zum Nutzelefanten

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Im März 1917 meldete das Berliner Tageblatt des Mosse-Verlags, dass sich – kriegsbedingt – die Schwierigkeit ergab, die für die Zeitungsherstellung „nötigen Papiermassen“ täglich heranzuschaffen, deswegen habe man mit Herrn Hagenbeck ein „Abkommen“ getroffen, „wonach er uns vier seiner Elefanten mit den dazugehörigen indischen Führern zur Verfügung stellt.“ Und das hat dann auch sehr gut geklappt: „Die Elefanten haben ihren Dienst brav und fleißig verrichtet – und mehrere mit Papierrollen hoch bepackte Wagen vom Anhalter Bahnhof zu unserer Druckerei gebracht, was in den Straßen natürlich sehr viel Aufsehen und Interesse erregte.“

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Karl Kraus fügte dieser Meldung im nämlichen Monat einen Kommentar hinzu: „Urwälder werden kahl geschlagen, damit der Geist der Menschheit zu Papier werde, und die obdachlosen Elefanten führen es ihr zu. Bei Goethe! Es ist der Augenblick, aus einer Parodie wieder ein großes Gedicht des Abschieds zu machen.“ Kraus bezieht sich dabei auf ein zuvor im „Berliner Tageblatt“ abgedrucktes Kriegsgedicht von Ludwig Riecker (München), das unter dem Titel „Lied des englischen Kapitäns“ den deutschen „U-Boot-Krieg“ thematisierte: „Unter allen Wassern ist – ‚U‘ Von Englands Flotte spürest du Kaum einen Hauch… Mein Schiff ward versenkt, daß es knallte – Warte nur, balde Versinkt deins auch!“

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brehm

.Hundepsychologie

 

 

 

C. Hundepsychologie

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In der FAS findet sich auf der Seite „Zur Zeit“ ein Interview mit dem Vorsitzenden des Berufsverbandes der Hundepsychologen, Thomas Riepe, in dem es um „Agility“ für Hunde geht, d.h. für den Hundepsychologen, dass der moderne Stadthund ebenso wie die Kinder von Termin zu Termin gehetzt, „gestresst“, wird, er hat auch einen richtigen „Terminkalender“. Es wäre jedoch besser, so Thomas Riepe, „wenn Hunde einen ganz normalen Tagesablauf hätten. Ich habe Straßenhunde in Indien und Afrika beobachtet, Wölfe und Wildhunde, und die führten eigentlich alle das gleiche Leben…In erster Linie durchwandern die ihr Revier. Sie hetzen nicht herum, wie wir ihnen das aufzwingen, wenn wir sie z.B. ans Fahrrad hängen. Sie schnüffeln. Das Gehirn wird stark angestrengt, gar nicht mal so der Körper….Mit den Hunden Agility machen wir, weil wir uns wohl fühlen wollen auf Kosten des Hundes. Der Hund hat das Problem, dass er bei uns lebt. Wir pushen ihn ständig…Dabei möchte der Hund ein gemütliches Leben haben…“ (Interessanter Gedanke!)

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D. Kynologie-Kongreß

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In der Kreuzberger „Denkerei“ von Bazon Brock und der Universität Lüneburg fand am 15.Oktober ein Kolloquium über Hunde statt.

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Es war zwar kein Hund eingeladen worden, dafür wurde eine Lanze für ihn als „Mitbürger“ gebrochen. Der Abend verstand sich als Fortsetzung des Kongresses „God Dog“, den Bazon Brock 1984 organisiert hatte. Der Tierfreund Brock bat bereits 1963 den Frankfurter Zoodirektor, ihm einen Käfig frei zu machen, damit er seine (darwinistische) Zugehörigkeit zu den Tieren demonstrieren könne. Das wurde abgelehnt. Erst 2005 rang sich der Londoner Zoo dazu durch und zeigte – in einer „Sonderschau“ – acht Menschen im Bärengehege. Für Bazon Brock sind die Objekte „Tiere“ so etwas wie das „historische Subjekt“: Seit dem Christentum geht es um „eine Revolution des Niederen. Wenn der Künstler Kippenberger einen Frosch ans Kreuz nagelt, dann stimmt das. Die Humanisierung verläuft über die Evolution. Alles was wir wissen, wissen wir von den Tieren.“ Der Kongreß blieb desungeachtet monotheistisch inspiriert. Die Pfarrerin Heike Seidel-Hoffmann nannte ihren Exkurs von den antiken Kynikern zum hellenistischen Judentum gar: „Jesus der Hund“

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Der Referent, Ulrich Heinen, schlug einen Bogen von der Stoa zu den Hundedarstellungen von Rubens, wobei er sich auf den holländischen Philosophen des 16. Jhds., Justus Lipsius, konzentrierte, der sich mit der „Tierliebe“ beschäftigte und ein Werk veröffentlichte, in dem er seinen (verstorbenen) Hund in Ichform sprechen ließ. „Er besaß mehrere Hunde. An der Domestikation sind Herr und Hund gleichermaßen beteiligt.“ Von Rubens stammt ein Bild, das Lipsius mit Hund zeigt.

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Der Autor Willi Winkler hob auf eine Hundedarstellung von Dürer ab: in dessen Meisterstich „Der heilige Hieronymus im Gehäus“, dem ein lammfrommer Löwe und ein treuer Hund zu Füßen liegen. Auf Dürers Bildern ist der Hund „das wohl meist dargestellte Tier“ – schreibt Wikipedia. In einem späteren Bild sitzt „Martin Luther als Hieronymus im Gehäus“ – und übersetzt die Bibel, der Hund kuckt zu, während der Löwe ein Vogelpaar mit Küken bewacht.

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Die nächste Referentin, Tagesspiegelredakteurin Kerstin Decker, las Passagen aus ihrem Buch „Richard Wagner. Mit den Augen seiner Hunde betrachtet“. Wagner war mindestens so ein Hundeliebhaber vor dem Herrn wie Bazon Brock, deswegen bot diesem ihr Buch, das durch die Hunde-Sichtweise den Vorder- und Hintergrund der ganzen Wagnerei umdrehte, ein neues „Wagnerbild“. Nicht Wagner legte sich im übrigen einen Neufundländer zu, „sondern der Hund suchte sich einen Kapellmeister“. Beim Dirigieren saß er neben ihm. Es folgte ein Spaniel, ein Terrier und schließlich wieder ein Neufundländer. „Die Sicherheit ihres In-der-Welt-Seins“, war es, die den Komponisten in seiner unsicheren Existenz beeindruckte. Das gilt auch für den Schriftsteller Daniel Kehlmann, der jedoch aus der Erfahrung mit seinem Hund „Nuschki“ gegenüber Heinens Résümee „Hunde sind die besten Begleiter für Gelehrte“ einwenden würde: „Man kann im stummen Zwiegespräch mit seinem Hund keine metaphysischen Fragen behandeln.“ Und gegen Bazon Brocks Versicherung: „Hunde und Menschen sind identisch“ besteht er darauf, dass es „eine unüberwindliche Grenze zwischen Menschen und Hunden gibt, obwohl diese, im Gegensatz zu den Affen, schon lange ‚auf den Menschen gesetzt‘ haben. Man kommt ihnen gegenüber unweigerlich auf den Gedanken, ein ‚höheres Wesen‘ zu sein, ‚und zwar einfach dadurch, daß einem klar wird, wie viel es gibt, was man dem Tier nicht erklären kann, was es nicht begreift.“

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E. Von Hühnern und Schlangen

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Während ein Spaziergang des Künstlers Andreas Wegner mit einem Huhn an der Leine durch Kreuzberg vom Ordnungsamt verboten wurde, erlaubte man die „Mitwirkung“ mehrerer Riesenschlangen an einer Veranstaltung in der Volksbühne.Es war ein bißchen wie früher, als Biolehrer mit Berufsverbot sich als Reptilienhalter selbständig machten und mit denen dann im Biologieunterricht ihrer entnazifizierten Kollegen auftraten.

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Hier bekamen wir es nun mit einer Schlangen-Performance als Belehrung und Kunst zu tun. Das war etwas Neues, denn bisher traten die Tiere in den Volksbühnenstücken nurmehr als Statisten auf. Im Gegensatz zu vielen anderen Bühnen, auf denen bestenfalls noch gut gehorchende Hunde mitwirken dürfen, hat Frank Castorf in seinen Aufführungen immer wieder auch Großtiere wie Pferde oder eine ganz Ziegenherde – aus dem Tierasyl des alten Herrn Wilhelm – eingesetzt. Überhaupt müssen immer mehr Tiere ihr Geld im Showgeschäft verdienen.

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Nun waren das fünf große Pythonschlangen und drei kleine Erdnattern. Letztere versuchten – kaum aus dem Sack gelassen – sofort ins Dunkle unters Publikum zu fliehen. Die Python wirkten bühnenreifer. Sie balancierten auf einer Bambusstange und bewegten sich langsam auf den Schultern ihres Besitzers Rainer Kwasi, dem sie damit auch seinen Lebensunterhalt finanzierten. Die größte, eine ca. fünf Meter lange gelbe Python, spielte sogar die Hauptrolle in einem Film, in dem sie langsam, aber ständig züngelnd die Volksbühne von unten nach oben scheinbar erkundete, bevor sie sich dann im Roten Salon „live“ dem zahlreich erschienenen Publikum zeigte.

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Ein Conferencier erklärte uns dazu das multifunktionale Sinnesorgan gespaltene Schlangenzunge. Dazu kommt bei den Python noch eine Art drittes Auge auf der flachen Stirn, um Infrarotstrahlen wahr zu nehmen. „Die Schlange weiß damit mehr über den Menschen als wir über sie.“

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Aber die Volksbühne wäre keine Erfolgsbühne, wenn nicht noch ein Bremer Regisseur, eine russische Dramaturgin, ein spanischer Tänzer, eine japanische Tänzerin und eine lateinamerikanische Psychoanalytikerin dabei wären, wobei letztere noch einen ganzen Workshop angehender Pschoanalytiker mitbrachte. Sie hockten sich nach der Vorführung um die große gelbe Python , die sich in der Mitte des Saales locker zusammengerollt hatte und berührten sie vorsichtig.

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Obwohl ihr Besitzer zuvor gemeint hatte, Schlangen mögen kein Alkohol und eigentlich auch nicht angefaßt werden, schien die große Gelbe auch das gelassen hinzunehmen. Sie züngelte nicht einmal und ihre Augen hatte sie, vielleicht seufzend, geschlossen. Irgendwie gewann sie dabei jedoch als „Star des Abends“ so etwas wie Charakter. Vielleicht war ihr als längste und dickste und damit älteste Schlange unter den unfreiwilligen Darstellern nichts Menschliches mehr fremd. Jüngere Reptilien fliehen dagegen vor den Menschen, und wenn man sie packt, kucken sie so kaltherzig, als erinnerten sie noch die Zeit von vor 65 Millionen Jahren, da wir so klein wie Spitzmäuse waren und sie so groß, dass sie nicht in den Roten Salon gepaßt hätten. Wenn das auch für die große gelbe Python galt, dann ließ die sich jedenfalls nichts anmerken. Überhaupt wird schon bald für alle wilden Tiere gelten, dass sie gute Miene zum bösen Spiel machen müssen – als Edutainment-Elemente in menschlichen Soziotopen, wenn sie nicht aussterben oder im Zoo verblöden wollen. Dazu kommt nun von wissenschaftlicher Seite, vom Münchner Ökologen Josef Reichholf, die Aufforderung: Wir müssen weg von der Beschränkung der Forschung auf Arten, auf „artgerecht“, und uns auf Individuen konzentrieren: Jedes hat eine andere Persönlichkeit.

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Im Film wurden der Python natürlich die Drehorte zugewiesen und sie brauchte sich dort bloß bewegen, dabei entschied sie sich jedoch stets für eine interessante Nach-vorne-Strategie – statt sich einfach beleidigt zusammen zu rollen. So kroch sie z.B. durch die kleine Öffnung der Theaterkasse und erzüngelte sich kurz den Kassierer, nahm auf einem der Tische in der Kantine ein schnelles Bad in einer Plastikwanne und wagte sich sogar die lange Treppe zu den oberen Rängen hinauf. Das alles hatte wenn schon nichts Spielerisches auch nichts Quälerisches an sich, aber man kann sich irren – gerade bei den Python, die zwar in der Alten Welt beheimatet, aber schon lange aus Europa verschwunden sind. Zum privaten Gebrauch einführen darf man sie allerdings noch.

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In der Volksbühne hieß dieser an dem Abend: „Bodytalk“. Dazu ließen sich die beiden Tänzer mutig zwei gefleckte Python über den nackten Körper schlängeln, wo eine es sich gemütlich machte. Zwar war der Saal für sie mit 27 Grad überhitzt worden, aber eine Körpertemperatur von 37 Grad direkt zu fühlen, schien dann doch noch angenehmer für Kaltblüter zu sein. Die beiden Reptilien hinterließen rote und grüne Farb-Schlieren auf dem Körper der Tänzer, diese wurden dann mit Hilfe der erwähnten Psychoanalytikerin gedeutet. Sie meinte jedoch, dass das Wichtige dabei – mindestens in therapeutischer Hinsicht – der direkte Körperkontakt sei. Vielleicht sind Schlangen ähnlich „heilsam“ wie Therapiehunde, -Delphine, -Pferde etc..

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In der Berliner Zeitschrift „Tierstudien“ (1/2012) fragte sich der Dramaturg Maximilian Haas, was das Lachen des Publikums über Tiere auf einer Theaterbühne bedeutet, nachdem er ein Stück aufgeführt hatte, in dem ein Esel die Hauptrolle spielte. Es lag darin „gleichermaßen eine Quelle der Lust wie ein Gewaltpotential,“ meinte er. Gelacht wurde über die Schlangen zwar nicht, aber ob der donnernde Schlußapplaus bei ihnen ähnlich gut ankam wie bei ihren warmblütigen Mitspielern, darf bezweifelt werden.

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fish

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salinenkrebse

Die Aquarium-Pets „Sea-Monkeys“ heißen auf Deutsch Salinenkrebse, hierzulande kann man sie als Futter für Aquariumsfische kaufen.  Wikipedia ergänzt: Bekannt wurde der Salinenkrebs als Urzeitkrebs, da er unter diesem Namen seit Mitte der 1970er  Jahre mehrfach als Gimmick (Beilage) der Jugendzeitschrift „Yps“ verkauft wurde. Die bekannteste Zuchtlinie dürfte Artemia nyos sein, die unter dem Handelsnamen Sea-Monkey (Meeres-Affe) vor allem Amerika vertrieben wird.

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F.  Fische verstehen

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Soeben schickte Antonia mir per Mail einen link: diss_stephany.pdf. Dort befindet sich die Doktorarbeit von Martina Stephany zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophischen Fakultät der Uni Münster. Sie hat den Titel: „’Fische sind Freunde‘ – Zur Beziehung von Menschen und Tieren im Zeichentrickfilm“.

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Kurz zuvor bekam ich die Ausgabe 2/2013 der „Hefte zur Wissenschaftsgeschichte“. Es enthielt folgende Beiträge:

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– Einleitung: Mobilis in mobili – von Thomas Brandstetter and Christina Wessely

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– Wässrige Milieus. Ökologische Perspektiven in Meeresbiologie und Aquarienkunde um 1900 – von Christina Wessely

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– Die Hygiene der Stadtfische und das wilde Leben in der Wasserleitung. Zum Verhältnis von Aquarium und Stadt im 19. Jahrhundert – von Mareike Vennen

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– Spiegelbilder vom Meeresgrund. Leopold Blaschkas marine Aquarien – von Florian Huber.

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Dann las ich von der Biologin Ellen Thaler „Doktorfische im Meerwasseraquarium“. Die Autorin ist u.a. Kolumnistin der Zeitschrift „Koralle“, aus deren Verlag schickte mir Heiko Werning nun ein Buch von Ellen Thaler: „Die Stunde des Chamäleons“, in dem es u.a. um Fische geht, die sie tauchend in tropischen Gewässern beobachtete.

 

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Um Fische ging es dann auch in einer Ausstellung:

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Eine vornehme Adresse: Unter den Linden, man muß klingeln, um in die Galerie der Schering-Stiftung zu kommen. Sie dient, sagt sie, „der Förderung von Wissenschaft und Kultur mit Fokus auf den Naturwissenschaften…“

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Der Raum für die Ausstellung ist abgedunkelt, an den Wänden leuchten kleine und große Bildschirme und eine Doppelprojektion. In der Mitte steht ein Stahlgerüst für die Projektoren und Kabel. Eine Kunsthistorikerin erklärt einer Lehrerin das „Projekt“, derweil einige Schüler Schattenspiele vor der Projektionsleinwand veranstalten. Die beiden Frauen gehen von Bildschirm zu Bildschirm, es sieht aus, als würde eine Aquariumsführerin von Becken zu Becken gehen, um einer interessierten Besucherin deren „Inhalt“ zu erklären.

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Hier besteht der „Inhalt“ jedoch aus postmoderner Kunst – bei der man wenig sieht, die aber viel Wissen, u.U. jedoch bloß in Form von Technik, enthält.

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Das Projekt – des Zürcher Medienkünstlers Hannes Rickli – heißt „Fischen lauschen“. Dies tat auch erfolgreich der Erforscher der „Fischsprache“ Karl-Heinz Tschiesche, langjähriger Leiter des Aquariums im Deutschen Meeresmuseum von Stralsund. Er hängte dazu Nachts Mikrophone in die Becken. Sein Bericht darüber heißt: „Seepferdchen, Kugelfisch und Krake“. (1) Es ist ein schönes kleines Werk, was man von Ricklis großer „Mehrkanal Audio-Videoinstallation“ leider nicht sagen kann. Die Technik hat sich hier gewissermaßen an die Stelle des „Inhalts“ gesetzt, der Künstler als „Content-Manager“ spricht dann auch nur von „Daten“, die „übertragen“ werden. Und zwar von Spitzbergen aus, genauer gesagt: von der nach dem Polarforscher Koldewey benannten Station im Ny Alesund. Dieser „verhaltensbiologische Forschungsstützpunkt“ ist eine Außenstelle der „Biologischen Anstalt Helgoland“, die ihrerseits ein Vorposten des Bremerhavener „Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft“ ist.

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So wie der Schweizer Künstler Rickli eine „künstlerische Begleitforschung zur Entwicklung ästhetischer Strategien“ auf der Spitzbergen-Station durchführte, wird derzeit das Institut auf Helgoland von einem Schweizer Wissenschaftsforscher gewissermaßen heimgesucht. Dieser, Christoph Hoffmann, erklärte kürzlich in der Neuen Zürcher Zeitung, was ihn an der dortigen Fischforschung interessiert: „Schön ist an diesem Projekt, dass es drei Ebenen eröffnet. Die Fisch-Ökologen dort untersuchen, ob und wie Fische akustisch kommunizieren. Das Interessante für mich ist zum einen das Geisteswissenschaftliche, wo der Begriff der Kommunikation im Zentrum steht. Wenn Menschen kommunizieren, erkennt man das leicht. Bei Fischen von Kommunikation zu sprechen, verlangt zum andern aber nach neuen Kriterien. Diese müssen also zuerst definiert werden. Als Wissenschaftsforscher interessiert uns, wie diese entwickelt werden. Wir lernen dabei auch etwas über unsere eigenen Vorstellungen. Forschung an Tieren liefert oftmals den Anlass für Aussagen, was Menschen ausmacht. Auf einer weiteren Ebene spielt das Tier eine Rolle, das trotz eigenem Rhythmus mitspielen muss. Das Ziel des Forschungsprojekts muss also mit dem Leben des Tieres zusammengebracht werden. In den Forschungsperioden wird, damit man nicht in das Leben der Tiere eingreift, während sieben Tagen einfach das ganze akustische und optische Geschehen aufgezeichnet. Wir haben also riesige Datenmengen. Als dritte Ebene interessiert mich der Umgang mit dieser Datenflut.“ Zu diesem Zweck rückt der Wissenssoziologe Hoffmann mit seiner Schweizer Arbeitsgruppe nun laufend bei den Fischforschern auf Helgoland an, wahrscheinlich ebenfalls mit Kamera und Mikrophon.

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Auf Spitzbergen geht es der Helgoländer Arbeitsgruppe unter der Leitung des Fischökologen Philipp Fischer allerdings nicht um die akustischen Lebensäußerungen der arktischen Meerestiere, sondern um die Erforschung ihrer „Habitate und Migrationen“. Um dafür die notwendigen „konstanten Meßreihen zu erhalten, wurde vor der Küste die Unterwasserstation ‚RemOs‘ installiert, die mit Meßsonden und Kameras bestückt aktuelle Daten wie Stereometriebilder, Temperatur, Trübheit oder Salzgehalt des Wassers ans Festland sendet. Über Remote und Datenstreaming kann aus großer Distanz auf diese Daten zugegriffen werden.“

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Der Künstler Rickli hat sie für seine „Schau“ in der Galerie der Schering-Stiftung „archiviert“. Daneben hatte er aber auch noch vor der Küste von Spitzbergen „sechs akustische Sensoren neben die Sonden“ der Fischforscher unter Wasser installiert. Davon kann man sich nun mit einem Kopfhörer überzeugen. Die Ausstellungsführerin erklärt der Lehrerin, was man hört: „Und manchmal das Geräusch einer Schiffsschraube…“ Ich erwarte mindestens Geräusche von einem Knurrhahn, der ja, wie der Name schon sagt…Stattdessen höre ich Eisen klirren – leise im Rythmus von Wellen, wie ein Blick auf einen der Bildschirme vermuten läßt. Wahrscheinlich sind das die Trossen, an denen die Sonden hängen – und Ricklis Mikrophone. Auf den anderen Bildschirmen erkenne ich eine Bucht mit einer kleinen Siedlung – einmal nachts hell erleuchtet, und einmal an einem grauen Tag. Im Sekundenrythmus baut sich jeweils ein neues Bild auf – und eine weitere Welle umspült einen merkwürdig geröteten runden Felsbrocken am Strand.

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Spitzbergen hat reiche Kohlevorkommen und gilt seit einiger Zeit als „größtes Labor der Welt“ für die Arktisforschung. Zudem war oder ist es noch Zentrum des dritten „Kabeljaukriegs“ der Isländer, die die 200-Meilenzone der Norweger um Spitzbergen nicht akzeptieren. Da müßte es eigentlich genug Stimmen zum „Fischen lauschen“ geben. Dem ist jedoch nicht so. Aber kann man das Rickli vorwerfen? – Der die „akustische Kommunikation“ ja bloß als „Daten vielspurig synchron ausspielt und damit eine vielschichtige Gleichzeitigkeit einer tausend Kilometer entfernten Forschungsrealität in den Raum der Schering Stiftung Berlin transportiert,“ wie es im Beiblatt seiner Ausstellung heißt…Der Projektemacher ist zuerst und zuletzt ein Rhetoriker.

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Dem Künstler zur Seite stehen am 1. und 2. März mehrere Wissenschaftler – im „Einstein-Saal“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie: U.a. der pensionierte Leiter des Berliner Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte Hans-Jörg Rheinberger – Übersetzer von Derrida und Lacan, der erst kürzlich bedauerte, dass er während seiner zehnjährigen Tätigkeit in einem gentechnischen Labor sich nicht ein einziges Mal seinen „Modellorganismus Bakterie“ unter dem Mikroskop angeschaut hatte. Er spricht passenderweise zum Thema: „Fragile Daten“. Ihm folgen am darauffolgenden Tag der Leiter der Helgländer Station auf Spitzbergen Philipp Fischer und der wissenssoziologische Erforscher der Biologischen Anstalt Helgoland Christoph Hoffmann. Beide sprechen zum Thema: „Mit Daten umgehen“.

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Mir deucht, dass die Künstler, die in Berlin nach der Wende zunächst den Bauherren der neuen Hauptstadt auf die Pelle gerückt waren (woraus das entstand, was man dann „Baustellenkunst“ nannte), nun den Naturwissenschaftlern mit ihren „Projekten“ kommen. Die Biologie ist zur neuen Leitwissenschaft geworden, und dort konkurriert man nun darwinistisch gesinnt um die „knappe Ressource Aufmerksamkeit“ (und z.B. Pharmagelder). Aber auch in den Kulturwissenschaften spricht man bereits von einem „animal turn“. In dieser Hinsicht gab die Ausstellung wie gesagt so gut wie nichts her. Es war eher eine gediegene Inspirationsquelle für die Mediamarkt-Kunden vom nahen Alexanderplatz. Auch im Hinblick auf den „visual turn“, von der die Literaturwissenschaftler sprechen, war sie etwas enttäuschend. Dennoch zielte Ricklis künstlerisches Interesse in die richtige Richtung – auf die Wissenschaft. So wie auch schon die beiden Geisteswissenschaftler Hans-Jörg Rheinberger und Christoph Hoffman sich den Naturwissenschaftlern zuwandten, vor langer Zeit, um die Bedingungen ihrer Wissensproduktion zu erforschen. In einer „Wissensgesellschaft“ ist das so gut wie Soziologie – marxistische Ethologie.

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G. Hasenhass

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Schließlich fand im „Ausland“ (Lychener Straße) noch eine Performance von Monika Rinck statt: „Hasenhass“ genannt. Dazu war zuvor eine gleichnamige „Fibel mit 47 Bildern“ im Verla Peter Engstler erschienen. Die Performatoren, fünf an der Zahl, darunter Ann Cotten, die mit der Autorin öfter zusammenarbeitet, trugen blinkende Hasenhüte. Monika Rinck las einige ihrer Texte aus dem Buch vor, die dazugehörigen Bilder wurden an die Wand projiziert. Sie handelten u.a. von Hasen, was bereits der Buchtitel nahelegte, Quallen, Protoplasmatierchen, Pferde, Dromedare, Pfauen, Ratten, Mäuse und Schafe. Ich zitiere hier nur ihre hessische „Begegnung mit dem Über-Ich“:

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Mann im Wald zu Fee: Ei, e Flasch Bier, die wo nie all werd./Fee zum Mann im Wald: Hm.Gut. /Schwuppdiwupp, hat der Mann das endlose Bier in der Hand./Fee: Und dein letzter Wunsch?/ Daraufhin der selige Mann im Wald zur Fee: Ei, noch so ennie!“

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Im „Nachtrag“ fand ich dann noch folgenden Hinweis der Autorin: „Die grausamste Geschichte der Ovidschen Metamorphosen schließt mit folgenden Verwandlungen: Philomela in eine Schwalbe, Prokne in eine Nachtigall, und Tereus in einen Wiedehopf.“

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Es geht Monika Rinck um den „Witz“, dazu referierte dann auch ein Witzforscher. Er fragte sich, was war das mal gewesen der Witz? Keine kurze Geschichte wohlmöglich mit einer Pointe… Dazu zitierte er aus Christian Wolffs Buch „Vernünftige Gedanken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt“ (1720) Er oder sie hat Witz hieß Wolff zufolge er oder sie ist scharfsinnig – erkennt leicht und schnell Ähnlichkeiten, bzw. Unterschiede.

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Ein weiterer Vortrag bestand – clipgestützt – aus Reflexionen über „Idiotismus“, die der Referent schon einmal an der Universität Bern auf einer Kunst-Tagung über das „Nicht(s)tun“ vorgetragen hatte,

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Ann Cotten führte in einem Karton stehend ein kurzes poetisches Puppenspiel als Pappenstil vor.

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H. Katzenliteratur-Festival:

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„An der Nahtstelle vom Menschen zum Tier verläuft das Phantasma der Natur beider als einer Zone unheimlicher Begegnungen,“ behauptet die Kulturwissenschaftlerin Gertrud Koch. Der Philosoph kommt nackt aus dem Bad und sieht, wie seine Katze ihn ankuckt – vor allem sein Geschlechtsteil. Dem wenig empirieinteressierten Jacques Derrida kamen ob dieser „ungebührliche Situation“ sofort philosophische Gedanken über Scham, Nacktheit und Blicke (in: „Das Tier, das ich also bin“). Die feministische US-Biologin Donna Haraway kritisierte darin, dass er statt über seine Katze weiter nachzudenken auf die Tierüberlegungen anderer Philosophen, von Levinas, Lacan und Heidegger, gekommen war, denen er vorwarf, sich niemals nackt dem Blick eines Tieres ausgesetzt zu haben.

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Viele Tiere sind tatsächlich ähnlich verblüfft über unsere Nacktheit wie wir es umgekehrt über plötzlich ganzkörperrasierte Affen oder Katzen wären. Selbst Menschenkinder kucken erstaunt, wenn sie ihre Eltern nackt sehen – jedenfalls hierzulande. Einige Tiere, wie z.B. zahme Spatzen, sind schon empört, wenn ihre menschliche Bezugsperson sich nur einen anderen Hut aufsetzt. Der Insektenforscher Hugh Raffles berichtet in seiner „Insektopädie“, wie ihn einmal eine riesige, weibliche Kakerlake beim Duschen mit einem „komischen, spöttischen Blick“ von der Stange des Duschvorhangs herab zusah. Er zerquetschte sie. Die Katzenbuch-Autorin Elke Heidenreich schrieb ihrer daheimgebliebenen Katze Klara einen liebevollen Brief aus dem Urlaub. Darin verschwieg sie ihr jedoch nicht, dass Klara sich jedesmal, wenn die Briefschreiberin ein Bad nahm, auf den Wannenrand setzte und ihr zukuckte. Elke Heidenreich war das unangenehm. „Die Philosophie ist eigentlich dazu da, das einzulösen, was im Blick eines Tieres liegt,“ schrieb demgegenüber Theodor W. Adorno.

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Elke Heidenreichs Brief wurde am 15.November in der Passionskirche vorgelesen – auf einem  Katzenliteratur-Festival, gesponsort von der Firma „Cats Best“ (in Deutschland wird jährlich Katzenfutter im Wert von 1,5 Milliarden Euro verkauft) sowie von der Könglich-Preußischen Porzellanmanufaktur (KPM), die den „Krimipreis ‚Die Schwarze Katze'“ stiftete: eine, allerdings weiße, Porzellankatze. Das Genre „Katzenkrimi“ geht auf Edgar Allan Poes Roman „Der Schwarze Kater“ (1843) zurück. Den Preis gewann die Kinderbuchautorin Frauke Scheunemann mit ihrem Roman „Winston – Ein Kater in geheimer Mission“.

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Daneben wurden Geschichten von katzenliebenden Autoren vorgelesen: Beginnend mit einer von Eva Demski, in der es um einen Tierraub in einem Tierheim geht, der von einem kleinen Kater aufgeklärt wird.

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Es folgte E.T.A. Hoffmanns „Nachruf“ auf seinen Kater, aus dem er 1809 eine ganze Gesellschaftssatire machte: Die „Lebens-Ansichten des Katers Murr“. Gut 100 Jahre später unternahm der japanische Schriftsteller Natsume Soseki Ähnliches in seinem kulturkritischen Roman „Ich, der Kater“, nachdem auch er einen liebevollen Nachruf auf seinen verstorbenen Kater verfaßt hatte. Zuletzt veröffentlichte Christa Wolf „Neue Lebensansichten eines Katers“.

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Die meisten Katzengeschichten werden von Frauen veröffentlicht. Berühmt wurden zu Recht die von Doris Lessing, deren von Empathie getragene Erzählungen auf Langzeitbeobachtungen basieren.

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Auf dem Katzenliteraturfestival, das von etwa 100 Katzenliebhabern, die meisten waren Frauen, besucht wurde, kam sodann eine „böse Katzengeschichte“ von Katja Lange-Müller zum Vortrag: „O Gott, die Katze“. Sie handelt davon, dass die Katze nicht nur von Mäusen und Vögeln leben wollte, sondern auch von Menschen, was ihr schließlich gestattet wurde. „Seither sucht die Katze die Menschen“. Dieser Geschichte lag vielleicht die Fallsammlung des Kriminologen Hans von Hentig über „Das Anfressen von Kinderleichen durch Hauskatzen“ zugrunde.

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Danach wurden in der Kirche Feuilletons des Berliner Publizisten Victor Aubertin vorgelesen, der Katzen mehr als Menschen liebte. Er arbeitete zuletzt als Korrespondent in Rom, wo er eines Tages verschwand. Man fand ihn in geistig verwirrt in Trajans Forum zwischen verwilderten Katzen.

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Von dem ebenfalls fast vergessenen Schriftsteller Ernst Pentzoldt wurde schließlich die Katzengeschichte „Katharina die Schöne“ vorgelesen. An einer Stelle heißt es darin: „Eine Katze vermittelt einem, wenn man sie anschaut, das selbe Gefühl wie das Denken eines schönen Gedankens.“

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Die Filmwissenschaftlerin Christine Noll ist sogar der Meinung: „Alles leiblich Schöne erlebt man erst an Tieren. Wenn es keine Tiere gäbe, wäre niemand mehr schön.“ (Auch kein Gedanke?).

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Die beiden vorlesenden Schauspieler wurden abschließend gefragt, ob sie noch etwas über „Katzen im Film“ erzählen könnten. Sie seien als Darsteller sehr speziell, meinte Andreas Hoppe, manchmal würde das Drehen mit ihnen den ganzen Tag dauern, und manchmal gehe auch gar nicht. Es gäbe jedoch auch absolute Profis unter den Katzen. Meistens arbeite man mit Leberstückchen, „aber das geht nur so lange, bis die Katze satt ist. Dann versucht man es mit der nächsten.“ Bei den Tatort-Krimis gäbe es aber nur eine Katze, sie gehöre einer Tiertrainerin. Mechthild Großmann erzählte, dass sie einmal in einem Film mitspielte, in dem eine Katze die Hauptrolle hatte: „Wir Schauspieler richteten uns nach ihr, dafür gab es jedoch sechs Katzen am Set.“ Privat lebte sie einmal mit einer Katze namens Maria zusammen: „Wenn mein Mann nach Hause kam, hat sie so ein Theater gemacht, als hätte ich sie gequält. Dabei hatte ich sie mit Tatar gefüttert, damit sie mich mag.“

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Umgekehrt gibt es viele Berichte von Frauen in Internet-Katzenforen, die davon handeln, dass ihre Katzen eifersüchtig auf ihren Freund reagieren – und ihn sogar schon angefallen hätten, als er nackt in ihrem Bett lag.

 

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Aber war die Katze wirklich eifersüchtig? „Seit Menschengedenken leben Katzen in unserer Nähe und noch immer geben sie uns Rätsel auf,“ schreibt die Katzenbuchautorin Carola Ruff. Man unterscheidet hierzulande bei den Menschen Katzen- und Hunde-Liebhaber als Sozialtypen. Weitaus mehr Frauen als Männer halten Katzen, bei Hunden ist es umgekehrt. Es gibt dementsprechend viele Anthologien zum Thema „Katzen und Frauen“. Die Autorinnen haben auch viel zum Verstehen von Katzen beigetragen, die wissenschaftliche Katzenforschung hadert noch mit ihrem Objekt: „Was die Forschung an der Katze problematisch macht, ist gleichzeitig das, was viele so an ihr lieben: die Eigensinnigkeit“, gesteht der Verhaltensforscher und Katzenexperte Dennis Turner, Gründer des Instituts für angewandte Ethologie und Tierpsychologie in Hirzel bei Zürich.

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An der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle im österreichischen Grünau beschäftigte sich eine Studie mit der Persönlichkeit des Katzenhalters und das daraus resultierende Verhalten der Katze: „Je emotional instabiler der Mensch, desto mehr beansprucht er die Katze als Unterstützer“, sagt der Leiter der Forschungsstelle, Kurt Kotrschal. Diese Abhängigkeit weiß die Katze raffiniert für sich zu nutzen: „Die Katzen labiler Menschen waren bei den Untersuchungen die wählerischsten, was das Futter angeht“. Durch theatralisches Verhalten und jammervolles Mauzen bewegen sie ihre Bezugsperson, ihnen etwas Besseres zu geben. „Katzen machen soziale Spielchen, um den Menschen zu kontrollieren, damit er ihnen quasi gehorcht“. Sie machen sich nicht nur ihren Menschen durch Manipulationsverhalten gefügig, sie begreifen auch viele Zusammenhänge in ihrer Umwelt und können ihre Erfahrungen gezielt für ihre Zwecke nutzen.

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I. Eseleien

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In der ersten Ausgabe der Zeitschrift „Tierstudien“ (2012) machte sich der Dramaturg Maximilian Haas Gedanken darüber, was das Lachen des Publikums über Tiere auf einer Theaterbühne bedeutet. Er hatte im Jahr zuvor in Amsterdam zusammen mit dem belgischen Performancekünstler David Weber-Krebs das Stück „Balthazar“ aufgeführt, in dem ein Esel namens Balthazar neben fünf Schauspielern die Hauptrolle spielt. Inspiriert wurde das Projekt von Robert Bressons Film „Au hasard Balthazar“ (1966), in dem es um das traurige Leben und den einsamen Tod eines Esels geht – d.h. um eine „schicksalhafte Abwärtsspirale“. Erst bei der Premiere stellte sich laut Maximilian Haas heraus, dass sie eine Komödie inszeniert hatten – mit dem völlig untheatralischen Esel. In dem Lachen des Publikums über das Tier lag „gleichermaßen eine Quelle der Lust wie ein Gewaltpotential“.

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In der Reihe „Naturkunden“ des Verlags Mathes & Seitz, herausgegeben von Judith Schalansky, erschien kürzlich ein Buch über Esel – von Jutta Person. Die Autorin erinnert in ihrem „Porträt“ daran, dass Derrida in seiner „Frage nach dem Tier“ (das er also ist) auch auf den Esel zu sprechen kam. Dazu hatte der Biologe Cord Riechelmann zuvor bereits in „Die Welt“ geschrieben: „Derrida empfand, wenn er Esel sah, etwas von der Freundlichkeit der Welt. In ihrem Blick sah er keine Feindlichkeit gegen den Fremden, sondern eine gelassene Neugier gegenüber dem, der da kommt. Der verstorbene Philosoph hatte damit tief ins Wesen der Krippentiere geblickt, denn diese Bewohner der Wüste bevorzugen den gemächlich bedächtigen Schritt. Esel gedeihen am besten im warmen und trockenen Klima Vorder- und Mittelasiens, im gesamten Mittelmeerraum und in Nordafrika bis in die Gebirge Äthiopiens, wo man auch ihren wilden Ursprung suchen kann. In den steinigen Steppen und Gebirgen ihres Herkunftsgebiets ist die Vorsicht überlebenswichtig. Deshalb setzen sie ihre Hufe nur auf den Boden, wenn sie sicher sind, daß er sie trägt. Stehenbleiben, Ohren in alle Richtungen drehen und schnauben – das sind auch Ausdrücke ihrer Individualität. Gruppenpanik kennen sie nicht…“

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Genau! Deswegen stehen mir Esel auch näher als die panischen Pferde, zudem sind sie sehr viel neugieriger als diese, was mir als Journalist ebenfalls entgegenkommt. Ich habe mal einen jugoslawischen Esel gehabt, der mir diesen Vergleich ermöglichte. In Jutta Persons Esel-Portrait geht es u.a. um die Abstammung und ihre Rolle bei den Physiognomikern, über deren Geschichte die Autorin promoviert hat. Der Esel mit seinen großen Ohren, Lippen, Nasenlöchern mußte nicht selten im Sinne eines Beweises als tierisches Pendant für grobschlächtige, dumme Menschen herhalten. Und so gilt er nun ebenfalls als dumm und verstockt. Der Autorin gelingt es jedoch, seinen „Eigensinn“ als „trickreiche Eleganz“ und seine „Dummheit“ als „Klugheit“ zu dekonstruieren, um ein Derrida-Verb hier überzustrapazieren. Sie bleibt dabei allerdings weitgehend bei den philosophischen Eseln. Wie sieht es denn aber bei den wirklichen Eseln aus, d.h. was ist „State of the Art“ in der Eselsforschung?

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Ein Anruf von der aufs Land gezogenen Autorin Imma Harms brachte mich auf die Spur: „Bei uns macht gerade ein Typ Rast, der zu Fuß in die Mongolei unterwegs ist, mit vier Eseln. Vorhin sind ihm zwei weggelaufen und er sucht sie jetzt. Das wollte ich dir nur mitteilen, du interessierst dich doch für die Mongolei.“ Das stimmt, und ich habe sogar einmal in der Wüste Gobi eine kleine Herde Wildesel gesehen – von weitem. Als sie unser Auto sahen, flüchteten sie.

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Die Erforschung dieser Esel ist überschaubar: Da ist 1. der Zoologe Hermann Ansorge – am Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz. Seit 30 Jahren erforscht er bereits das „‚Charaktertier‘ der Gobi-Halbwüste“: Es werden leider immer weniger, was Ansorge auf die Zunahme von Nutztieren und die illegale Bejagung in der Region zurückführt. 2. Chris Walzer und sein Team am Forschungsinstitut für Wildtierkunde der Veterinärmedizinischen Universität Wien: Sie schätzen, dass es höchstens noch 22.000 Wildesel in der Gobi – diesseits und jenseits der Grenze zwischen der Mongolei und China gibt. Sie jagen diese Tiere, betäuben sie und bestücken sie mit Halsbandsender – wovon bisher leider nur die Hälfte funktioniert. Dennoch haben sie inzwischen genug Daten über ihre Wanderbewegungen, um sagen zu können: Die beiden Schutzgebiete für Wildesel – Große Gobi A und B – sind zu klein, zudem hindert sie der chinesische Grenzzaun am Umherstreifen. Man will mit der Regierung über eine Öffnung des Zaunes, wenigstens an einigen Stellen, verhandeln.

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Die Internetseite der „VetmeduniVienna“ ergänzt, dass die Wildesel nicht nur nicht über den Grenzzaun kommen, sondern noch nicht einmal die Eisenbahngleise der Linie Ulan Bataar – Peking „überqueren können oder wollen“, weswegen etwa „17.000 Quadratkilometer Lebensraum“ für sie nicht nutzbar ist.

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Daneben werden auch die zahmen Esel erforscht – z.B. von Anja Wasilewski, die an der Uni Marburg eine Doktorarbeit über die „Freundschaft bei Huftieren“ schrieb, genauer gesagt: über „Soziopositive Beziehungen zwischen nicht-verwandten artgleichen Herdenmitgliedern“. Dabei verglich sie 18 Monte lang Rinder-, Schaf-, Esel- und Pferdeherden – und kam zu dem Ergebnis: „Eselfreundschaften halten generell am Längsten,“ wie es dazu in der Zeitschrift „Großtierpraxis“ heißt; der ORF titelte: „Auch Esel haben gute Freunde.“

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Auf Eselwelt. org berichtet ein Eselhalter: In seiner Herde gäbe es keine Leitstute oder Rangordnung, „eher ein Kollektiv mit mehr oder weniger Bindungen.Wobei der Mensch als Futtergeber in diesem Kollektiv eine Sonderstellung hat. Der Eselhengst wird nicht eingebunden ins Stutenkollektiv.“ So ein „Außenseiter“ wird manchmal aggressiv: 2012 tötete ein Eselhengst einen Züchter, Heinrich Dathe berichtete in seinen Tierpark-Geschichten von mehreren Fällen, da Eselhengste einen Pfleger angriffen.

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Der Spiegel berichtete: Wir sind für ein „Esel-Coaching“ in einem Dorf bei Lüneburg, es ist eine Mischung aus Seminar und PR-Event. Unsere Sparringspartner sind zwei Esel. Diese Tiere können den Stress der Teilnehmer spiegeln, werben die Veranstalter. Esel sind schlau, haben ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Sicherheit und seien „unbestechlich“. Es gibt auch Seminare mit Wölfen und mit Hunden, aber die sind eher etwas für Anfänger.

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Die Schweizer Zeitung „Blick“ meldete: Spanien muss sparen. Nun müssen weitere Staatsbedienstete dran glauben: 142 Eseln wurde gekündigt. Im Rahmen eines Pilotprojekts standen die Tiere im nordspanischen Aragonien im Einsatz. Indem sie Weiden und Lichtungen abgrasten, sorgten sie dafür, dass sich im Falle eines Waldbrands das Feuer weniger schnell ausbreitet.

Doch die 120.000 Euro, die das Esel-Projekt jährlich verschlingt, liegen laut der Regierung nicht mehr drin. Nun sind die Esel zur Adoption ausgeschrieben. Das Interesse an den tierischen Staatsdienern ist gross: Es besteht bereits eine Warteliste an Käufern.

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Die Stuttgarter Zeitung meldet aus Esslingen: Viele werden sie schon vermisst haben, den manchmal bissigen Esel Otto und seine Schäflein, die mit dem Enzian-Sepp die lebende Krippe am Weihnachtsmarkt gebildet haben. Nachdem der Veranstalter Sky pleite gegangen ist, hat der Weihnachtsmarkt am Postmichelbrunnen mit der lebenden Krippe eine Attraktion weniger. Das Stadtmarketing bemühte sich um eine Nachfolge, aber die Anbieter schreckten zurück, vor allem weil sie Proteste von Tierschützern befürchteten, die sich immer wieder bei der Stadt und beim Veranstalter über die zur Schau gestellten Tiere beschwerten. Aus tierärztlicher Sicht spricht allerdings nichts dagegen.

 

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Die Rhein-Sieg-Rundschau berichtet: Der Fall geht bereits in die zweite Runde: Vier Esel sollen kulinarischen Gefallen an einer Thuja-Hecke gefunden haben, mit der das angrenzende Grundstück in Windeck bepflanzt war. Im Winter 2011/12, so die Klage der Heckenbesitzerin, sollen die Tiere mehrere Meter des Zypressengewächses vernascht haben, bis nur noch nacktes Holz übrig war. Kein Blatt, kein Zweiglein mehr, zumindest vom Weiden-Standort der Esel aus betrachtet. In ihrer Gier soll das Quartett sogar Teile des Zauns weggedrückt haben, um noch entferntere Thuja-Blätter zu erreichen. Den Kahlschlag entdeckte die Besitzerin erst im März, nach einem langen dunklen Winter. Wer der Schuldige war, hatte sie keinen Zweifel: Von der Eselhalterin forderte sie für 18 kaputte Thuja occidentalis, die laut Landschaftsgärtner auch nicht mehr nachwachsen können, 1000 Euro Schadensersatz.

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Die Nachrichtenagentur AFP meldet aus Russland: Die außergewöhnliche nervliche Belastung eines Gleitschirmflugs hat eine Eselin in Russland überlebt – einige Monate später aber hat ihr Herz versagt. Das Tier namens Anapka habe einen tödlichen Herzanfall erlitten, der wahrscheinlich auf das traumatische Erlebnis hoch in der Luft zurückzuführen sei, teilte der behandelnde Tierarzt mit. Die Eselin sei bereits vergangenen Monat in ihrem Stall in der Nähe von Moskau gestorben, erklärten ihre Betreuer. Als Anapka in ihre Obhut gekommen war, sei sie alt gewesen, habe aber gesund gewirkt, sagte die Leiterin der Stallungen, Julia Dobrowolskaja. Kurze Zeit später habe das Tier begonnen, Wasser und Nahrung zu verweigern. „Sie wurde krank im Dezember. Sie wurde sehr schwach“, sagte Dobrowolskaja. Nach Angaben des Tierarztes wurde die Eselin wahrscheinlich etwa 40 Jahre alt. Anapka wurde im Juli für eine geschmacklose PR-Aktion missbraucht. Am gut besuchten Strand von Golubitskaja am Asowschen Meer im Südwesten Russlands zog ein Motorboot den an einem Gleitschirm befestigten Esel hinter sich her. Die Aktion sollte die Menschen am Strand dazu animieren, ebenfalls einen Gleitschirmflug zu absolvieren. Die Werbeaktion ging aber nach hinten los: „Der Esel schrie, und Kinder weinten“, sagte die Polizeisprecherin damals. Allerdings kam niemand auf die Idee, die Polizei zu rufen. Stattdessen griffen die Menschen zu ihren Kameras und riefen die örtliche Zeitung an. Der Vorfall löste international Proteste aus. Die französische Ex-Schauspielerin und Tierschutzaktivistin Brigitte Bardot schrieb einen Beschwerdebrief an Russlands Staatschef. Die britische Boulevardzeitung „Sun“ startete eine Kampagne, um Anapka zu retten. Das Blatt veranlasste, dass die Eselin in einer russischen Reitschule unterkam, bevor sie in ihr letztes Zuhause verlegt wurde. Die russische Boulevardzeitung „Komsomolskaja Prawda“ meldete allerdings Zweifel an der Identität des Esels an. Die „Sun“ sei getäuscht worden und habe die falsche Eselin freigekauft. Den Gleitschirmflug absolviert habe in Wirklichkeit eine Eselin namens Manja, die wohlauf sei.

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Die Nachrichtenagentur dpa meldet: Zu dicke Kinder dürfen in englischen Städten künftig nicht mehr auf Eseln reiten. Nach einem neuen „Esel-Kodex“ ist es jungen Tierfreunden, die über 50 Kilogramm wiegen, in der nordwestenglischen Küstenstadt Blackpool verboten, auf Eselrücken über den Strand zu reiten. Die neue Regel soll auch auf andere Küstenstädte wie Brighton, Great Yarmouth und Torquay ausgeweitet werden. Tierschutzverbände hätten den Kodex vor dem Hintergrund verfasst, dass es immer mehr dicke Kinder in Großbritannien gebe.

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Die 9jährige Lili machte Ferien auf einem Eselhof in der Uckermark, in der Morgenpost berichtete sie: Wir – also meine Oma, mein Opa, mein Bruder, meine Mama und ich – hatten dort zwei Esel. Sie hießen Emma und Emil und trugen unser Gepäck. Emma war der Leitesel und sollte immer vorn laufen. Manchmal ist auch Emil vorangegangen. Weil ich in Berlin immer reiten gehe und mich mit Pferden und Eseln gut auskenne, durfte ich Emma am Führstrick führen. Mein kleiner Bruder fand das doof. Er wollte auch einen Esel führen, aber man braucht ganz viel Kraft und man muss sich durchsetzen können. Sonst läuft der Esel, wohin er will. Am liebsten zur nächsten Kleewiese.

Die Esel waren am ersten Tag sehr stur. Sie blieben einfach mitten auf dem Weg stehen. Sie rührten sich nicht mehr. Vielleicht hatten sie einfach keine Lust. Oder es war ihnen zu heiß. Manchmal dauerte es eine halbe Stunde, bis sie weitergelaufen sind. Mein Opa hat immer „brav, brav, brav, Emma, braaaav“, gesagt. Aber das hat gar nichts gebracht. Emma hat sich nicht vom Fleck gerührt. Dann hat er geschrien, aber Emma hat auch das nicht beeindruckt. Dann haben wir herausgefunden, dass wir die Esel mit einem Ast, an dem raschelnde Blätter hingen, antreiben konnten. Man muss ihnen mit dem Ast ganz leicht auf den Hintern klopfen. Dann sind sie meist losgerannt. Die Erwachsenen haben viel gestritten und nicht verstanden, wie man mit Eseln umgehen muss.

Vorher dachte ich, es wäre leicht, mit einem Esel zu wandern, aber es ist überhaupt nicht leicht. Trotzdem würde ich gern noch mal mit Emil und Emma unterwegs sein, am liebsten nur ich ganz allein mit den Eseln.

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Die Nachrichtenagentur dpa berichtete über ein Esel- und Mulitreffen bei Berlin: Tiere aus dem gesamten Bundesgebiet, aus Österreich, Holland und Frankreich waren zu dem traditionellen Treffen im Örtchen Paaren angereist. Die Teilnehmer konnten sich dort vor hunderten Zuschauern in Disziplinen wie Fahren, Reiten und Zugschlittenziehen messen. Kleinere Hindernisse auf einem Parcours mussten überwunden und Strecken abgelaufen werden. Ein Pfarrer segnete Esel und Besitzer. „Bewertet wurde unter anderem die Eignung für die Züchtung“, sagte die Sprecherin der Veranstalter, Margit Großerohde, am Sonntag. Mulis – auch als Maultiere bekannt – sind Kreuzungen zwischen einer Eselstute und einem Pferdehengst. Die Vierbeiner werden als Reittier, für Kutschfahrten oder Arbeiten in der Landwirtschaft eingesetzt.

„Esel sind brav und gelassen“, warb Großerohde für die Tiere. Von Störrigkeit gebe es bei ihnen keine Spur, das sei ein Missverständnis. Die Tiere seien eher bedächtig und würden sich gut überlegen, was als Nächstes zu tun sei.

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Die FAZ berichtete: Halb Esel, halb Zebra: Seltener Zesel hat zahlreiche Fans. In einem Tierheim in Florenz ist Zesel „Ippo“ zu Hause. Er ist nur eine von drei Kreuzungen aus Esel und Zebra und lockt zahlreiche Fans in das Tierasyl.

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Der Sender N24 meldete: Auf den ersten Blick sehen sie aus wie Zebras, sind aber friedlicher. Bei genauem Hinsehen entdeckt man den Schwindel: In einem Zoo in Gaza wurden aus Geldmangel zwei Esel als Zebras angemalt.

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Das Internet-Pferdeforum „Cavallo“ meldete: Vier Esel der Asinella Eselfarm in Pähl posierten für ein Fotoshooting des Magazins Cosmopolitan. Dabei durften sie aus den wohl teuersten Futterbeuteln der Welt fressen. In einer Louis Vuitton Tasche versteckte sich Heu.

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Das Schweizer Veterinärärzte-Forum schreibt: Aktuelle DNA- Untersuchungen bestätigen, dass alle heutigen Hausesel vom Afrikanischen Esel abstammen. Der Ur-Esel war einst über Nordafrika und Vorderasien verbreitet. Durch die Domestikation starb er schon zur Römerzeit aus. In der Neuzeit gab es noch Wildesel in Äthiopien, Eritrea, Somalia und im Sudan. Heute ist nur noch in Eritrea eine einigermassen stabile Wildeselgruppe von etwa 400 Tieren übrig. Der Esel ist vom Aussterben bedroht!

Esel wurden viel früher als Pferde domestiziert und waren das erste den Menschen zur Verfügung stehende Lasttier. Schon 4000 v. Chr. hat man in Ägypten Wildesel zum Haustier gemacht. In Mesopotamien erfolgte die Domestikation kurz darauf. Schon vor dem klassischen Altertum gelangten Esel nach Europa. Die Etrusker hatten Hausesel, die vermutlich aus Kleinasien stammen. Nach Griechenland gelangten Hausesel etwa 1000 v. Chr.

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Griechenlandaktuell“ berichtet: Die Esel, einst eine Art Nationalsymbol des Landes, sind in Griechenland vom Aussterben bedroht. Einst gab es 500.000 Esel in Griechenland, jetzt nur noch 18.000. Sie wurden von landwirtschaftlichen Maschinen verdrängt. Heute werden sie nur noch als Touristenattraktion eingesetzt. Noch im Zweiten Weltkrieg und im anschließenden Bürgerkrieg hatten sie eine wichtige Funktion: Sie wurden von den Partisanen im Gebirge als Lasttiere benutzt.

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Der Kreuzberger Kinderbauernhof meldet: Die Bremer Stadtmusikanten gibt es wirklich und sie leben in Kreuzberg! Zum Team gehören Hausesel Lisa, der pfiffige Jack Russel Eowyn und die schlaue Hündin Luisa. Die drei sind die Stars des Kinderbauernhofs im Görlitzer Park.

Tierpflegerin Sabine Stolzenwald und die Kinder der Esel AG haben gute Arbeit geleistet. Sie brachten den putzigen Hunden bei, auf dem Rücken von Lisa zu reiten. Und wenn der störrische Esel Lust hat, lässt er sich sogar von der kleinen Eowyn an der Leine führen. Als Belohnung gibt’s dann Möhren, Äpfel und Hundekuchen.

Mitmachen bei der Esel AG kann jeder zwischen acht und 14 Jahren. Der Kurs dauert sechs bis acht Wochen und ist kostenlos. Maximal vier Kinder treffen sich einmal wöchentlich. Sie lernen Halfter anlegen, Hufe auskratzen, Ausmisten und sicher auf dem Esel zu reiten. Der nächste Kurs beginnt Mitte Juni.

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Ein evangelischer Internet-Pressedienst meldet: Ein Selbstmordattentäter auf einem Esel hat in Ostafghanistan drei Soldaten der Internationalen Schutztruppe Isaf und deren einheimischen Übersetzer getötet. Der Angreifer habe den Esel in eine Fußpatrouille gelenkt und den an dem Tier befestigten Sprengstoff gezündet, sagte der Sprecher der Regierung der Provinz Wardak, Ataullah Khogyani. Vier afghanische Soldaten seien verwundet worden. Auch Zivilisten seien getötet oder verwundet worden. Der Attentäter sei wie ein Bauer gekleidet gewesen. Die Taliban bekannten sich zu dem Anschlag.

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Die Schweizer Zeitung „Blick“ berichtet: Vor acht Monaten ist der blinde Esel Noldi auf die Welt gekommen. Zusammen mit drei anderen Eseln wohnt er in der Aussenanlage des Behindertenheims Wagerenhof in Uster. Noldi soll eingeschläfert und zu Salami verarbeitet werden. Es heisst, er sei aggressiv und werde von den anderen Eseln nicht akzeptiert. Die Menschen in Uster verstehen die Welt nicht mehr. Das Tier sei «gut adaptiert», so der Tonus. Er werde als fidel und sanftmütig beschrieben. Die Menschen hätten sich bereits an ihn gewöhnt und freuten sich täglich ihn zu sehen und zu streicheln. Besonders anstössig und absurd scheint den Menschen, dass ein Heim für Behinderte einen behinderten Esel töten wolle. Leiter Luzius Voigt ist schockiert über den Vergleich: «Es ist empörend, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung auf die gleiche Stufe wie Tiere gestellt werden». Da würden Tatsachen verdreht. Momentan sei er mit Organisationen im Gespräch, die sich für Tiere mit einer Behinderung einsetzen. Doch auch das Einschläfern stehe zur Diskussion. Er wolle zum Wohle des Esels handeln. Er habe das Gefühl, dass Noldi leide.

Damit stösst Voigt auf wenig Verständnis. Im Gegenteil – die Menschen sind wütend und empört. Auf dem Onlineportal «Tierschutznews» sagen sie ihre Meinung. Eine Anwohnerin aus Uster schreibt: «Meine Kinder und ich haben ihn oftmals lang beobachtet und nie gesehen das er agressiv wurde, im Gegenteil, er kommt immer wenn man ihn ruft und lässt sich streicheln.»

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Der Schweizer Tagesanzeiger berichtete über einen Schimpfwortsammler: Jede Nation schimpft, flucht und beleidigt. Während Südländer gern mit sexuell gefärbten Wörtern Dampf ablassen, kommt es auf Deutsch immer fäkal heraus. Am «schlimmsten» (diese Wertung würde ein Wissenschaftler sich allerdings verbitten) sind die Russen. Deren sexualisiertes Schimpfen hat es zu einer eigenen «Sondersprache» gebracht, dem «Mat». Einer der ersten Flüche stammt nachweislich von den alten Ägyptern. Er lautet: «Ein Esel soll dich vögeln!»

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Die Bild-Zeitung berichtete: Ein ägyptischer Bauer hat seinen Esel öffentlich nach dem mächtigen Armeechef Abdel-Fattah el-Sissi benannt. Er hatte dem Tier beim Ritt durch die südliche Provinz Kena ein Schild mit dem Namen El-Sissis und dazu eine Kappe im Militärstil aufgesetzt. Der Bauer Omar Abdul-Magd wurde wegen Beleidigung des Generals festgenommen, meldet die staatliche Nachrichtenagentur Mena.

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Die italienische Zeitung Il Tirreno berichtete, dass Pisas Veterinärmediziner vor dem schiefen Turm eine Vorlesung über die Forschung an Eseln hielten und dabei gleich vier Esel mitbrachten. Damit wurde auf einen Vorwurf reagiert, die Wissenschaftler würden mit der Eselforschung nur öffentliche Gelder verschwenden.

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Diese duldsamen und anspruchslosen Tiere taugen nicht nur als „Kampfesel“ sondern auch zum Hüten artfremder Herden, das Bundesamt für Umwelt entschied sich jetzt jedoch, stattdessen lieber den „Einsatz von Hirtenhunden“ zu fördern.

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In einem umkämpften Vorort von Damaskus haben die Geistlichen den hungernden Gläubigen erlaubt, zur Not auch Hunde, Katzen und Esel essen zu dürfen.

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Daneben wird im Internet heftig über ein Video diskutiert, das zeigt, wie Syrische Revolutionäre Esel als Transportmittel verwendeten, um Hilfsgüter in ein Kriegsgebiet zu bringen. Einige der Esel wurden danach mit Maschinengewehren erschossen, andere auf brutale Art und Weise eine Klippe runtergestürzt.

Dabei handelte es sich dem Vernehmen nach um durcheinander gezüchtete Haustiere. Sie sahen so ähnlich aus wie die hiesigen Esel, die sich im Rahmen des „Agrotourismus“ als „Trekking-Esel“ großer Beliebtheit erfreuen. Die letzten wild lebenden „syrischen Halbesel“ wurden bereits während und kurz nach dem Ersten Weltkrieg ausgerottet – von Beduinen, die „Lawrence von Arabien“ während des Arabischen Aufstands mit englischen Gewehren ausgerüstet hatte.

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Die letzte Esel-Meldung kommt von der Bundeswehr aus Afghanistan: Eine Einheit hatte sich dort einen Esel zugelegt – für 70 Euro: bar bezahlt (im Gegensatz zu den „Beuteeseln“ der Roten Armee zuvor). Der ehrlich erworbene Esel höre fortan auf den Namen „Hermann“, hieß es. Die Feuilletons erklärten uns dazu, dass sich der Name auf Hermann den Cherusker und das deutsche Widerstandsdrama von Heinrich von Kleist: „Die Herrmannschlacht“ beziehe. Das war jedoch als Aufstandsanleitung für die Deutschen und gegen die napoleonische Fremdherrschaft verfaßt worden. „Die Geburt des Partisanen aus dem Geist der Poesie, so hat Wolf Kittler diesen „Strategie“-Entwurf für die „Befreiungskriege“ bezeichnet. Inzwischen sieht man den Hermannschen Sieg über die Römer in der Nähe von Osnabrück, wo sich bis 1989 das Hauptquartier der englischen Besatzung befand, derart germanen-kritisch, dass man nur noch von einer „Varusschlacht“ reden will.

Der Esel „Hermann“ sollte in Afghanistan – anders als bei Kleist – gerade von (fremden) Soldaten gegen (einheimische) Partisanen eingesetzt werden. Um sie auch dort zu vernichten, wo die hightech-ausgerüsteten Fahrzeuge der Bundeswehr sonst nicht hinkommen.

Wir erinnern uns – Graf Stauffenberg: Vor seinem Hitler-Attentat organisierte er die Aufstellung fremdländischer Ost-Divisionen (Armenier, Georgier, Tschetschenen, Kalmücken, Ukrainer, Kosaken etc.), weil, so meinte er, der jüdische Bolschewismus nur mit den von ihm unterdrückten Völkern besiegt werden könne und nicht gegen sie. Als der deutsche Rückzug einsetzte, wurden diese Divisionen aus ihren Regionen, in der sie quasi partisanisch integriert waren, herausgenommen und von den Deutschen zur soldatischen Partisanenbekämpfung in West- und Südeuropa eingesetzt. Stauffenberg war auch so eine Art „Hermann“: Die Ost-Divisionen wurden alle vernichtet – von den kommunistischen Partisanen und ihrer anschließenden „Siegerjustiz“.

Die Bild-Zeitung meldete ein Jahr später über den Bundeswehr-Esel: „Er will nicht mehr: Esel Hermann verweigert den Kriegs-Dienst. Er sollte die Bundeswehr im Kampf gegen die Taliban im nordafghanischen Kunduz unterstützen. Dem Vernehmen nach weigerte sich das störrische Lasttier, das schwere Waffen und Munition durch Felder im Unruhedistrikt Char Darah tragen sollte, über Wassergräben zu steigen. Nach Angaben der Bundeswehr wurde der für 100 Dollar (gut 70 Euro) auf einem einheimischen Markt beschaffte Esel auch deswegen wieder veräußert. „Ich weiß nicht, ob dabei ein Gewinn gemacht wurde“, sagte der Bundeswehr-Sprecher.“

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Esel sind nur angelegentlich „störrisch“, eher kennt man sie als ewig überfordertes aber dennoch williges Lasttier – wenigstens im Süden, hier dagegen eher als unterfordertes Zootier. Nietzsche schrieb über den Esel:

„Er trägt unsre Last, er nahm Knechtsgestalt an, er ist geduldsam von Herzen und redet niemals Nein; und wer seinen Gott liebt, der züchtigt ihn. – Der Esel aber schrie dazu I-A. Er redet nicht: es sei denn, dass er zur Welt, die er Schuf, immer Ja sagt: also preist er seine Welt. Seine Schlauheit ist es, die nicht redet: so bekommt er selten Unrecht. – Der Esel aber schrie dazu I-A. Unscheinbar geht er durch die Welt. Grau ist die Leib-Farbe, in welche er seine Tugend hüllt. Hat er Geist, so verbirgt er ihn; Jedermann aber glaubt an seine langen Ohren. – Der Esel aber schrie dazu I-A. Welche verborgene Weisheit ist das, dass er lange Ohren trägt und allein ja und nimmer Nein sagt! Hat er nicht die Welt erschaffen nach seinem Bilde, nämlich so dumm als möglich?“

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Jutta Person weist in ihrem Buch nach, dass das Gegenteil wahr ist: Anders als z.B. die Indonesier können Esel sehr wohl „Nein“ sagen.

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K. Tiere im Widerstand

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In einem Waldstück nahe Saarbrücken lebt ein „aggressives Eichhörnchen“, das ahnungslose Spaziergänger anfällt und sie kratzt und beißt, berichtet dpa. In Ungarn bissen im Mai zwei Esel einen Mann tot: „Die Tiere rissen einen 65-jährigen Rentner von seinem Motorrad und griffen den am Boden Liegenden an, bis er kein Lebenszeichen mehr von sich gab,“ meldete die ungarischen Nachrichtenagentur. Ende Oktober attackierte ein „wildgewordener Marder“ eine 62 Jahre alte Frau, als diese gerade aus einem Bekleidungsgeschäft im pfälzischen Maikammer trat. Ein 63jähriger Passant konnte das Tier laut dpa in die Flucht schlagen. Im Kreis Saalfeld-Rudolstadt griff ein Rothirsch eine Spaziergängerin an indem er sie mit seinem Geweih in einen Zaun drückte. Und im thüringischen Oettersdorf krallte sich ein Bussard so fest in den Arm eines 59jährigen, dass die Feuerwehr den Greifvogel von ihm lösen mußte. Im US-Staat Oregon wurde nach Angaben der Behörden ein Farmer von seinen Schweinen getötet und aufgefressen.

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Von Raubtieren bis hin zu Stadthunden, vor allem, wenn sie verwildert sind, weiß man um ihre Gefährlichkeit. Trotzdem passieren bisweilen ähnliche „Unfälle: „Tiger tötete Tierpfleger im Zoo Münster“ titelte vor einigen Wochen die Bild-Zeitung: „Der Pfleger hatte vergessen, die Käfigluke zum Außengehege zu schließen, woraufhin die Raubkatze ihn von hinten ansprang.“ Am selben Tage titelte die BZ: „Meine Katze hat mich in die Klinik gebissen“: Die Frau hatte „ihre Katze ‚Habibi‘ (10) im Nacken gepackt. Das Tier rastete aus und biss mit ihren scharfen Zähnen wild um sich“. In Bukarest fiel jüngst ein Rudel herrenloser Hunde ein Kleinkind an und tötete es. Die Stadtverwaltung erwog daraufhin, alle 30.000 herrenlosen Hunde umzubringen. In Berlin kam es deswegen zu einer Protestdemonstration von Tierschützern vor der rumänischen Botschaft, während gleichzeitig in Bukarest hunderte auf die Straße gingen, um das Töten „ihrer“ Hunde zu fordern. Angeblich begann die Geschichte mit einem französischen Zeitungsbericht, in dem den verwilderten Hunden von Bukarest vorgeworfen wurde, dass sie leichtsinnigerweise „die Sicherheit von Ausländern gefährden“ würden.

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Auch mit den großen Pflanzenfressern ist nicht immer zu spaßen: Auf jeden im Zoo gehaltenen Elefantenbullen kommt ein toter Elefantenpfleger. Noch mehr Pfleger werden irgendwann von Elefantenkühen angegriffen. Kürzlich wurde eine Spaziergängerin in Hessen sogar von einer Milchkuh verfolgt und getötet. Sie, „Verona (8)“, hatte gerade gekalbt, weswegen man ihr quasi mildernde Umstände zubilligte. Sie kam in ein Tier-Altersheim – und wurde nicht getötet, wie man es meist klammheimlich mit Elefanten macht, die einen Pfleger angegriffen haben. Berühmt wurde die Exekution des New Yorker Elefanten „Topsy“, der drei Männer zerquetschte und dafür von Thomas Alva Edison öffentlich mit Strom hingerichtet wurde. Aus den Aufnahmen der „Electrocution“ machte Edison seinen ersten Werbefilm für Elektrizität.

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Anders nun bei einem „Killerwal“, der jüngst während einer „SeaWorld-Show“ in Florida seine Trainerin ertränkte, er wurde anschließend im Meer frei gelassen. Hier nahm man zu seinen Gunsten Unwissenheit an: Er dachte vielleicht, dass die Trainerin genauso lange die Luft unter Wasser anhalten könnte wie er.

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Auch den Krähen gesteht man „Fehler“ bzw. „Überreaktionen“ zu – wenn sie z.B. während der ersten Flugversuche ihrer Jungen besonders nervös sind und sich auf Radfahrer und Hunde stürzen. Ebenso den Schwänen und Gänsen, wenn sie in Verteidigung ihrer Brut plötzlich aggressiv auf Menschen reagieren. Rechte und Darwinisten vermögen sie sogar ob dieser ihrer mutigen „Instinktfestigkeit“ zu loben.

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Auch als unlängst ein 71jähriger Jäger bei Potsdam von einem Wildschwein angegriffen und getötet wurde, hatte man durchaus Verständnis für diese Tat, da der Jäger zuvor auf den Keiler geschossen und ihn schwer verwundet hatte. Überhaupt werden solche Jagd- und Safari-„Unfälle“ gern mit einer Art von „Geschieht ihnen recht!“-Haltung quittiert. Und wenn Verhaltensforscher im Feld von einem der Tiere, die sie beobachten, angegriffen werden, bedauert man sie höchstens. Zu makabrer Berühmtheit gelangte in diesem Zusammenhang der von einem Grizzlybär in Alaska getötete Tierschützer Timothy Treadwell, dessen Kamera die Tat aufnahm, und woraus der Filmemacher Werner Herzog dann einen „kritischen Dokumentarfilm“ machte – mit dem Titel: „Grizzly Man“.

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Eher Mitgefühl mit den Wildtieren hat man mit solchen, die in Gefangenschaft wenig „artgerecht“ permanent unterfordert werden und dementsprechend frustriert sind, wie z.B. Schimpansen. Berühmt wurde „Petermann“. Er kam 1949 als junger Schimpanse in den Kölner Zoo, wo er bald so beliebt wurde, dass er ständig bei öffentlichen Veranstaltungen – Modeschauen, Prominentenpartys, Karnevalssitzungen etc. – auftrat. Als er alt und mißmutig, sogar gefährlich wurde, vergaß man ihn einfach und er dämmerte fortan in einem Zookäfig vor sich hin – 25 Jahre lang. Bis er 1985 zusammen mit einer jungen Schimpansin namens Susi ausbrach, den Zoodirektor angriff, ihn schwer verletzte und dann auf ein Hausdach flüchtete, wo er aufrecht stehend und angeblich mit erhobener Faust zusammen mit Susi von Polizisten erschossen wurde. Seitdem ist er ein imaginärer Führer der Kölner Anarchisten, die „Petermann geh du voran!“ auf ihren Demonstrationen rufen. Als dem Berliner Zoodirektor vor einiger Zeit ein Finger von einem Schimpansen namens „Pedro“ abgebissen wurde, erinnerte die Presse noch einmal hämisch an Petermann. Es gibt daneben auch mehrere Primatenforscherinnen, u. a. Angelique Todd und Sue Savage- Rumbaugh, denen gefangen gehaltene Schimpansen einen Finger abbissen und in Hoppegarten einen Schimpansentrainer, dem schon zwei Finger abgebissen wurden.

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Anders liegt der Fall, wenn sich eine ganze – für gewöhnlich scheu und versteckt lebende – Art plötzlich erhebt: wie z.B. die Welse, die seit zwei Jahren in mehreren europäischen Gewässern Badende beißen und kleine Hunde in die Tiefe zerren – „Killerwale“ nennt die Presse sie. In Weissrussland hat der Präsident den Biber zum Nationaltier erklärt, und prompt sprang dort ein Biber einen Angler an, der ihn photographieren wollte und tötete ihn laut dpa mit einem Biss in die Oberschenkelschlagader.

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Noch rätselhafter sind mehrere auf „youtube“ dokumentierte Fälle von kleinen „Kampfhamstern“, die sich mutig auf Menschen stürzen. Dort findet man auch Angriffe von Schwalben, Rebhühnern, Ziegen, Schafen, Kängurus und Kraken dokumentiert. Alles an sich harmlose Tierarten, die bisher höchstens von uns gejagt – und gegessen wurden. Am beeindruckensten ist ein Clip, auf dem ein Pony einen Mann fast totschlägt und -beißt: „Horse Attacks Guy in Retaliation“ heißt das TV-Video von diesem Widerstands- bzw. Verzweiflungsakt eines an sich friedlichen Pflanzenfressers. Das kleine Pferd wurde in Bombay von einem Mob durch die Straßen gejagt und dabei von einem Mann schwer mißhandelt. In seiner Not stürzte es sich auf ihn und ließ nicht mehr von ihm ab.

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Aber nicht nur die bedrängte Tierwelt fängt hier und da, noch unorganisiert, an, sich zu wehren, auch die Tierschützer werden immer rabiater. In der Schweiz, in Italien, aber auch in Deutschland häufen sich ihre Angriffe auf Tierhalter, die ihre Schutzbefohlenen quälen. Inzwischen gelten die Tierschützer in den USA schon als „die größte Terrorgefahr: US-Wissenschaftler verweisen etwa darauf, dass von 26 Anschlägen, die zwischen dem 11. September 2001 und Ende 2005 in den USA ausgeführt wurden, nur ein einziger einen islamistischen Hintergrund hatte. Fast der gesamte Rest ging auf das Konto militanter Tierschützer,“ heißt es in der Berliner Zeitung.

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Auf seinem zweiten Hundekongreß, der Ende Oktober in der Kreuzberger „Denkerei“ der Lüneburger Universität stattfand (s.o.), ging der Tierfreund und Kunsttheoretiker Bazon Brock schon so weit, die Tiere als „historisches Subjekt“ zu begreifen: Seit dem Christentum gehe es um „eine Revolution des Niederen. Wenn der Künstler Kippenberger einen Frosch ans Kreuz nagelt, dann stimmt das.“ Brocks Einschätzung trifft sich mit der des Wissenschaftssoziologen Bruno Latour, der in einer Rede an der Münchner Universität meinte: Irgendwann werde man es „genauso seltsam finden, dass die Tiere und Pflanzen kein Stimmrecht haben – wie nach der Französischen Revolution, dass bis dahin die Menschenrechte nicht auch für Frauen und Schwarze galten.“

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Nachtrag vom 30.1.2014 aus der taz vom 20.1.:

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„Gerade macht Fridrich Kittlers taz-Artikel, in dem er bereits 1986 auf die mit der NSA verbundenen Gefahren hinwies, im Internet wieder die Runde,“ hieß es in einer taz-Rezension eines wiederaufgelegten Merve-Bandes von Friedrich Kittler am 25.1.:

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taz-Artikel von 1986 über NSA, in dem er bereits auf das zu sprechen kam, 
was Snowden gestern in der ARD sagte: dass es der NSA um Industriespionage
geht...
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„No Such Agency“
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Jeden und alles erfassen: Für den Medientheoretiker Friedrich Kittler
war schon im Jahr 1986 klar, wohin die Reise der NSA geht.
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Womöglich irrte Jagger. Wir bekommen alles, was wir wünschen, von
Compact Discs bis zum Kabelfernsehen. Nur nicht, was wir brauchen:
Information über Information. Daß die Medienwunschströme fließen, tarnt
eine Lage, in der Informationstechnik Strategie ist.
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Die National Security Agency, Funkabhörstelle der USA, genießt als
einzige unter allen Regierungsbehörden und Geheimdienstbürokratien das
Recht, noch ihre eigene Existenz zu leugnen. Ein Geheimnis im Quadrat
bewahrt vor Information im Quadrat: so hat Präsident Trumans
Gründungserlaß von 1952 es verbrieft. „No Such Agency“oder „Never Say
Anything“ lauten (mit behördeninternem Humor) zwei Lesarten des Akronyms
NSA.
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Eine 70.000-Mann-Organisation, die nach vorsichtiger Schätzung jede
tausendste Fernmeldeverbindung auf diesem Planeten mit
Spionagesatelliten oder Richtfunkantennen abhört und in Platform, einem
Netzwerk von 52 weltweit verschalteten Computersystemen, automatisch
entziffert, speichert und auswertet, überläßt die Public Relations gern
der CIA mit ihren 4.000 Agenten.
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Gerade weil Human Intelligence oder HUMINT (wie Spione im Behördenjargon
heißen) gegenüber Signals Intelligence oder SIGINT nach Budget und
Rangordnung längst ausgedient hat, um nunmehr als 'menschliche
Erkenntnis' in deutschen Philosophievorlesungen zu überleben, erscheint
pro Jahr ein neuer Le Carre.
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Technische Information über technische Information dagegen steht unter
Strafe oder Druck verboten. Einen NSA-Angestellten, der Computercodes
des Militärfunks an die sowjetische Spiegelbehörde verraten hatte,
verurteilte ein Gericht in San Francisco diesen August zu 365 Jahren
Zuchthaus. Aber auch schon altmodische Medien wie Schrift sind
Übertretung: Yardley als Begründer und Kahn als Historiker der
amerikanischen Funkabhörtechniken haben es erfahren.
Das Entschlüsseln von Codes und Chiffren
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Einigermaßen erstaunlich blieb es also, daß James Bamford, Jurist und
Journalist ohne Vorgeschichte, nach erfolgreichem Rechtsstreit um
diverse Geheimakten den „Rätselpalast“, Fort Meade – halbwegs zwischen
Washington und Baltimore – auf 500 Seiten beschreiben konnte. Wären da
nicht, erstens, eine neue Öffentlichkeitsarbeit der NSA-Direktoren seit
Watergate, zweitens die technischen Unkenntnisse Bamfords (und seines
Übersetzers), drittens eine Danksagung an „Mitarbeiter der [unerklärten]
Abteilung DIV“.
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Immerhin: Bamfords NSA-Anatomie schreibt in die Gegenwart fort, was
Derrida Die Postkarte von Sokrates bis an Freud und jenseits und
Pynchons Versteigerung von No. 49 das Trystero-Komplott nannte. „Das
Abfangen von Korrespondenz“, bemerkt ein Schulungsredner am britischen
GCHQ, historischer als US-Kollegen und ihr Sachbuchschreiber, „ist so
alt wie die Korrespondenz selbst.“
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Nur blieb Kryptoanalyse, das Entschlüsseln von Codes und Chiffren,
solange Handwerk (mit Bleistift und Rasterpapier), wie das Monopol auf
Datenspeicherung und -Übertragung beim Medium Schrift lag, Befehle und
Gedichte also denselben Kanal durchlaufen mußten.
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Lambros Callimahos, der „Guru“ der NSA, lernte sein Handwerk als Kind,
beim Lesen von Poes „Goldkäfer“, William Friedman, dem 1941 dann die
(Roosevelt, aber nicht dem US-Pazifikbefehlshaber gemeldete)
Entzifferung von Japans Pearl-Harbor-Plänen gelang, als Student, bei
einem der famosen Nachweise, daß Shakespeares Sämtliche Werke nur ein
Kryptogramm Sir Francis Bacons sind.
Geheimdepesche von Berlin nach Mexico-City
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Schöne Literatur, deren Ende mit der Telegraphie begann. Seitdem Befehle
unendlich schneller sind als Bücher oder Postsachen, wachsen auch ihre
Mengen wie sonst nur noch die Abfangmöglichkeiten. Der technische Krieg
ist Mathematik und Maschinerie seiner Verschlüsselung. Yardley, der die
USA kryptographisch durch den Ersten Weltkrieg brachte, kam wie Edison,
der Erfinder von Film und Phonograph, aus der Militärtelegraphie. Und
daß England dank seinem Kabelmonopol eine Geheimdepesche von Berlin nach
Mexico-City abfangen und entziffern konnte, führte 1917 zum
Kriegseintritt der USA.
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Drahtlose Fernschreiber und Fernsprecher (also Radio) umgingen dieses
Kabelmonopol um den Preis der Wellenausbreitung. „Viele Jahre lang“,
sagte Marconis phonographierte Totenstimme 1937 über Radio Roma, habe er
auf Befehl ungenannter Stellen nach Wegen geforscht, seine Erfindung
gegen Abhören zu härten.
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Eine Unmöglichkeit, die uns zwar keine Interzeption, aber den Trostpreis
Massen-Rezeption bescherte. Allerdings gab die Reichswehr einen zivilen
Staatsrundfunk erst 1923 frei, als andererseits feststand, daß eine in
Berlin-Wilmersdorf gegründete Chiffrier Maschinen AG, die (nachmals so
genannten) Wehrmachtnachrichtenverbindungen von Handwerk auf Automation
würde umstellen können. Und genau damit begann – Bamford hätte es bei
britischen Kollegen nachlesen können - die Vorgeschichte auch der NSA.
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Der Blitzkrieg, Hitlers ökonomisch einzig offene Option, war
Motorisierung und Fernsteuerung zu Land, See und Luft. Mit Panzern,
U-Booten, Stukas begann (nach Don E. Gordon vom Pentagon) Electronic
Warfare. Fernmeldechef Fellgiebel und Panzerchef Guderian stellten
(lange vor unserem Zivil-UKW) den Befehlsfluß operational und taktisch
auf Funk um. Damit schufen sie nicht nur, wie Van Crevelds Command in
War gegen die Historikerzunft formuliert, „das Prinzip“ militärischer
Gegenwart, sondern auch die Notwendigkeit automatischer Kryptographie.
Automaten lesen, was Automaten schreiben
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ENIGMA, aus Wilmersdorf, in Bamfords klaren Worten „eine Kreuzung
zwischen einem Schaltkastenund einer altmodischen Schreibmaschine",
verschlüsselte mathematisch so komplex, daß Handentzifferungen der
Gegenseite fürs Schlachtfeld Jahrtausende zu spät gekommen wären. Aber
England hatte Alan Turing, der aus der Prinzipschaltung seiner
Digitalmaschine (zur Abschaffung von Intellektuellen selber) ab 1940 den
ersten Computer (zu Zwecken der Government Code and Cypher School)
entwickelte.
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Nur Automaten wie COLOSSUS konnten lesen, was Automaten wie ENIGMA
schrieben. Mögen Romanagenten noch nach Botschaften oder Geheimpapieren
jagen, kriegsentscheidend im Zweiten Weltkrieg war Information im
Quadrat: die Interzeption eines Kommunikationssystems als solchen, mit
all seinen Absendern, Empfängern, Verteilerschlüsseln, seinen Daten,
Adressen, Befehlen. Andrew Hodges, Turings Biograph, über das
Computerzeitalter: „Die Erbschaft eines totalen Krieges und die
Erbeutung eines totalen Kommunikationssystems konnten nun zur
Konstruktion einer totalen Maschine führen.“
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Eine von Trumans ersten Amtshandlungen, die Bamford vergißt, war der
Befehl, die kriegsentscheidende Geheimfunkentschlüsselung per Computer
absolut geheimzuhalten. UKUSA, der 1941 vorbereitete Kryptoanalyse-Pakt
(oder Technologietransfer) zwischen United Kingdom und USA, konnte seine
Maschinen ohne Verzug von Berlin nach Moskau umstellen. Worauf Stalin,
wohl vom Raketenstrahl über Peenemünde und vom Blitzlicht über Hiroshima
geblendet, Kybernetik zur bürgerlichen Abweichung erklärte: Energie
statt Information.
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Eine von Trumans letzten Amtshandlungen aber war die Gründung der NSA,
die in gewohnter Bescheidenheit erklärt, „das Heraufkommen des
Computerzeitalters mit Sicherheit beschleunigt“ zu haben. Wenn ihre
Cheftechniker nicht von IBM, TRW, Cray Research, Harris oder Bell Labs
kommen, dann gehen sie eben in diese Zulieferfirmen. Und wenn Computer
(nach Turing) Fragen von Geheimdiensten an den Feind „leichter“
beantworten als Fragen von Physikern an die Natur, ist das auch kein Zufall.
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Foucaults Schwanengesang
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Der krypto-industrielle Komplex (Bamfords Entdeckung) baut jedenfalls
gleichzeitig Satelliten und Computer, die unsere Telephonate oder
Telegramme vom Kabel befreien, und fünf Jahre fortgeschrittenere
Satelliten und Computer, die sie der NSA wieder zugänglich machen.
Weltpostverein, hätte von Stephan gesagt. Deshalb bleibt Bamfords
Entrüstung, daß die NSA unter Kennedy, Johnson und Nixon in eine Domäne
des FBI einbrach, um auch US-Bürger auf Drogenhandel, Vietnam-Protest
usw. abzuhören, juristisch abstrakt.
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Erstens gelten (nach Truman) US-Gesetze für SIGINT nur, falls ein
Paragraph das der NSA in ausdrücklicher, aber nicht überflüssiger
Verdopplung rückmeldet. Und zweitens zählt das Recht selbst, ob als
mündlich-schriftliches Common Law oder als römisch-mitteleuropäischer
Bücherstoß, zu jenem Medium Diskurs, dessen Schwanengesang nicht nur
Foucault anstimmte.
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Wie viele Millionen Fernmeldungen die NSA als Input ihres
„Staubsaugerverfahrens“ pro Jahr entziffert oder abhört, ist unbekannt;
der entsprechende Jahres-Output an Geheimdokumenten liegt jedenfalls
zwischen 50 und 100 Millionen – mit allen Müllproblemen, die moderne
Datenlawinen machen. Auch das ist Diskursanalyse, aber nicht eines
Lesers in Bibliotheken, sondern von Computern auf Hochfrequenzbändern.
(Ein technischer Durchbruch von COLOSSUS-Ausmaß hat selbst Mikrowellen,
deren bleistiftdünner Richtstrahl Marconis Interzeptionsprobleme lösen
sollte, abhörbar gemacht.)
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Der Jurist Bamford verlegt „das Hauptproblem bei den beiden
Revolutionen, dem gewaltigen Fortschritt bei der Verwendung der
Satelliten und der Mikrowellentechnologie und der ungeheuren Ausweitung
der elektronischen Fernmeldeaufklärung“, in die Tatsache, „daß dort, wo
eine dritte Revolution hätte stattfinden müssen, eine riesige Lücke
besteht: Es gibt keine klaren gesetzlichen Bestimmungen für den Umgang
mit dieser Technik.“
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NSA-Computer in Frankfurt
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Offen bleibt nur, wie Schaltungen, die schon ihre eigene Bürokratie (aus
Daten, Adressen, Befehlen) sind, auch noch den Selbstwidersprüchen einer
Alltagssprachen-Bürokratie sollen gehorchen können. Vorderhand fahren
die NSA-Computer etwa im Frankfurter I.G. Farben-Haus fort, jeden
Anrufer in Frankfurt automatisch als Unamerikaner und jeden in New York
als US-Bürger zu klassifizieren.
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Seit ENIGMA und COLOSSUS zählen nicht Individuen oder Botschaften,
sondern Kommunikationssysteme als solche. Womöglich also war Truman
jener „dritten Revolution“ näher, als er für SIGINT das Gesetz selbst
abschaffte. Revolution im Wortsinn hieße, das – im Challenger-Schock
einmal mehr eklatante - Machtverhältnis zwischen Politikern und
Ingenieuren umzudrehen.
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Denn was automatische Datenverarbeitung stoppt oder doch limitiert, sind
nicht Gesetze, sondern Technologien. Der Vietnamkrieg stand, wie die NSA
auch, ganz unter der Pentagon-Devise oder Abteilung Command, Control,
Communications, Intelligence. C3I, dieses vielsagende Kürzel, bildete
den Krieg auf seine eigene Schaltlogik ab – mit dem bekannten und bei
Van Creveld beschriebenen Ergebnis, daß die US-Frontstäbe in
statistischer Entropie ertranken.
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Der Staat als Stätte aller Klartexte
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Entropie, also Rauschen, sendet auch die Rote Armee. Was ENIGMA für den
Blitzkrieg war, ist Telecipher heute: ein Verschlüsselungsautomat, der
nicht mehr nach Regeln, und d.h. Perioden arbeitet, sondern jeden
Klartext mit einer einmaligen Zufallsfolge moduliert. „Mit anderen
Worten", überliefert Bamford einen Analytiker aus Britanniens
Cheltenham, „die Russen lesen nicht mehr unsere und wir lesen nicht mehr
ihre Funksprüche." Das hemmt SALT-Kontrollen und stärkt die Sache jener
Statistiker, die in Cheltenham oder Fort Meade Diskurse nur noch auf
ihre Frequenz hin analysieren. Wörter werden Wellen geworden sein.
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Was lesbar bleibt, sind gesendete Firmenorder: Öl, Erz, Waffen.
Industriespionage löst den Kalten Krieg ab. Unter der Voraussetzung
allerdings, daß die NSA ihren technischen Fünfjahresvorsprung wahrt.
Wenn Computer von Fort Meade aus in jedes Büro einziehen, also auch
Firmenterminals sichere Schlüssel brauchen, wächst die Konkurrenz. Und
der NSA bleibt nichts übrig, als IBMs käuflichen Lucifer-Code vor
Markteinführung um 72 Binärstellen amputieren zu lassen. Sonst wäre der
Staat ja nicht mehr Stätte aller Klartexte.
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Vorausschauend stellt die NSA, während der Rest der Welt in John von
Neumanns klassische Computer-Architektur eingeht, schon wieder um: auf
optische Rechner, Oberflächenwellenfilter und
Ladungsverschiebungselemente, die (als „Ladungs-Übertragungsgeräte“ im
Übersetzerdeutsch) „mehr als tausend Billionen Multiplikationen pro
Sekunde“ leisten. So mögen eines Tages jene 99,9 Prozent, die im
Datenstrom auf diesem Planeten noch an der NSA vorbeigehen, zu erfassen
und auszuwerten sein.
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Derridas „Post im allgemeinen“ würde zum geschlossenen System, das sich
selbst schreibt und liest, berechnet und verziffert. Die NSA als
Zusammenfall von Strategie und Technik wäre Information überhaupt – also
No Such Agency. Mit der Chance, uns dabei zu vergessen.
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James Bamford, NSA. Amerikas geheimster Nachrichtendienst,
Zürich-Wiesbaden (Orell Füßli) 1986, 480 Seiten, 48DM
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Video: "Friedrich Kittler: Ontologie der Medien"
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Zur Person: Friedrich Kittler
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Jahrgang 1943, war ein deutscher Literaturwissenschaftler und
Medientheoretiker. Er lehrte u.a. an der Ruhr-Universität Bochum, der
University of California, Berkley, der Stanford University und der
Humboldt-Universität zu Berlin. Kittler gilt als einer der Väter der
Medienwissenschaft. Seine vielbeachteten und oft auch kontrovers
diskutierten Arbeiten beziehen sich zumeist auf Kulturtechniken sowie
deren spezifische Kommunikationsmechanismen („Aufschreibesysteme“).
Insofern kreuzen sich in seinem Werk Zeichen, Schrift und Technik stetig
vor dem Hintergrund der Weitergabe, Speicherung, Decodierung und
Verwaltung von Daten. Friedrich Kittler starb am 18. Oktober 2011 in
Berlin.
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 Der Text: „Jeder kennt den CIA, was aber ist NSA?“ erschien erstmals am
11. Oktober 1986 in der taz.
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