Am Ende des Regenbogens findet sich ein Töpfchen Gold, sagt die Legende. Radiohead beweisen dank geschicktem Marketing mit „In Rainbows“ wie wahr dieser Satz auch für das Musikbusiness 2007 sein kann.
Dank einer Reihe unumstrittener Albummeisterwerke (von The Bends bis Amnesiac) erreichten Radiohead eine sakrosankte Stellung in der heutigen Musikszene. Sänger Thom Yorke gerierte sich dabei immer als Vorkämpfer für eine bessere Welt, als ein thinking man’s Bono, gegen das eigentlich auch nichts einzuwenden ist.
Doch das grundsätzliche Radiohead-Problem lag darin, dass sie nie bereit waren den gleichen Weg zu gehen, den sie predigten – zumindest nicht bis zum Ende. Jede Radiohead-Aktion, die ihr politisches Gewissen offen legen sollte, hatte immer den Ruch eines Marketing-Gimmicks. Als ein schlagendes Beispiel soll nur Radioheads „Zelttour“ durch England genannt werden, bei der peinlich genau darauf geachtet wurde, dass keine „großen“, bösen Firmen ihre Produkte verkaufen, sondern alle Lizenzen an mit Naomi-Klein-Unbedenklichkeits-Siegel versehene Unternehmen ging. Prinzipiell eine lobenswerte Sache, wird sie aber doch völlig entwertet, wenn Radiohead sich auf der anderen Seite nicht scheuen, für eine horrende Summe den Headlining-Slot bei Rock im Park zu übernehmen, dem durchkommerzialisiertesten Festival auf deutschem Boden.
To Walk The Talk
Im Jahr 2007 veröffentlichen Radiohead ihr neues Album zunächst ausschließlich im Netz. Es gibt ein gut teures Boxset für 40 Pfund zu erstehen, das immerhin mit Vinyl und CD glänzt sowie eine Download-Möglichkeit für einen selbst zu definierenden Preis anbietet.
Einer Umfrage zufolge haben tatsächlich zwei Drittel der Radiohead Fans für den theoretisch kostenlosen Download eine freiwillige Summe gegeben, was eine sehr ordentliche Quote ist. Die Aufregung um das Bereitstellen des kostenlosen Downloads geschieht allerdings auch aus einer sehr weltfremden Perspektive. Es ist ja keineswegs so, dass niemand das neue Radiohead-Album kostenlos herunter geladen hätte, wäre es nicht von Radiohead angeboten worden. Die Briten kanalisieren lediglich eine Unausweichlichkeit, akzeptieren als erste die Realität und hoffen mit einem im haptischen Bereich (Box mit Vinyl und CD) herausragenden Angebot die Verluste durch die ausschließlich am Hören des Produktes (Download) Interessierten auszugleichen. Dazu ist die Bepreisung des eigentlichen Produktes circa dreimal so hoch wie eine normale Albumveröffentlichung gewesen wäre, wodurch man ebenfalls ein gewisses Polster schafft, um etwaige Download-Verluste auszugleichen, die aber – ist man ehrlich – mehr analog zu sunk costs zu betrachten sind, da sie unabhängig vom Bandangebot auch entstanden wären und schlussendlich irreversibel sind.
Der Schritt in die Wirklichkeit
Somit ist einerseits Radiohead hoch anzurechnen, dass sie als erste Band tatsächlich den Schritt in die Wirklichkeit vollzogen haben, aber ist es auch Augenwischerei, sie als Robin Hoods des Musikgeschäftes zu feiern. Interessant wird sein, wo die CD im nächsten Jahr tatsächlich veröffentlicht werden wird und ob Radiohead weiterhin unter den Fittichen eines Major-Plattenlabels bleiben. Denn sind wir mal ehrlich: für EMI oder Warner zu arbeiten, verträgt sich nicht mit Thom Yorkes Antikapitalismus-Mantra. Und dass es durchaus möglich ist, seinen eigenen Weg zu gehen, demonstriert eine Band wie Fugazi seit Jahren und das ohne eine Marktmacht wie Radiohead ihr eigen nennen zu können, die wissen, dass sie nicht nur eine der größten Bands der Welt sind, sondern darüber hinaus auch überaus loyale Fans besitzen, denen eine Entscheidung pro Boxset und gegen den Download fraglos unterstellt werden kann.
Unter dem Strich bleibt in der Analyse stehen, dass Radiohead wieder einmal einen cleveren Marketing-Gimmick angewandt haben, der auf der Oberfläche all ihr Reden untermauert, aber im Endeffekt nur ein vorweggenommenes Release-Modell darstellt, das Bands dieser Größenordnung relativ risikolos bestreiten können und in Zukunft auch vermehrt bestreiten werden.
(Christian Ihle)
Dem Artikel sind wichtige Einblicke zu verdanken, doch es stellt sich die Frage, ob eine clevere Manipulation des Marktes nicht auch eine effektive Form von Kritik darstellt. Außerdem fehlen hier Zahlen und Quellenverweise.