„Erst einmal die gute Nachricht: Seal hat zum zweiten Mal in seinem Leben ein Album herausgebracht, das nicht so heißt wie er. Nach „Seal“ (1991), „Seal“ (1994), „Human Being“ (1998) und „Seal“ (2003) ist nun „System“ erschienen, Seals neueste Platte, mit der er sich und der Welt gerne beweisen würde, dass er doch noch etwas anderes als Schmusesoul zustande bringt.
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Und jetzt die schlechte Nachricht: Seals Back-to-the-Roots-Projekt scheitert leider auf niedrigstem Niveau. Man mag keinen Club besuchen, in dem auch nur eine der neuen Seal-Produktionen aufgelegt werden könnte, es sei denn, man möchte einmal außerhalb einer RTL2-Reportage erleben, wie russische Millionäre in einer Moskauer Großraumdisco ihren fünfzigsten Geburtstag feiern.
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Durch seine Verbindung mit dem Bergisch-Gladbacher Model Heidi Klum, die rheinischen Frohsinn und kalifornisches Overstatement auf noch nicht dagewesene Weise in sich vereint, gerät Seal in letzter Zeit wieder in die Schlagzeilen der internationalen Klatschpresse. Heidi und Seal sind überall. Wenn sie nicht gerade an einem mexikanischen Strand heiraten, stehen sie zur Oscar-Verleihung auf dem roten Teppich vor dem Kodak Theatre, fahren am Rosenmontag auf einem Karnevalswagen durch Köln oder sitzen in Oprah Winfreys Talkshow-Studio. Nebenbei ziehen sie drei Kinder groß, drehen Werbespots für VW, schenken sich dafür Ferraris und schwärmen für Schwiegermutter Klums Kartoffelsalat. Sie machen alles richtig, was Britney Spears und Kevin Federline falsch gemacht haben, und es kann nur noch Wochen dauern, bis Heidi und Seal die Beckhams als nervigstes Power-Couple der Welt abgelöst haben.
Doch Seal ist glücklich wie nie zuvor in seinem Leben, versichert er sehr glaubhaft in Interviews, und dieses heidibedingte Lebensglück sei als größte Inspirationsquelle in „System“ eingeflossen. Schöne Idee, aber leider ändert dies nichts an der Tatsache, dass sich selbst eingängigere Mitklatsch-Titel des Albums wie „Amazing“ oder „Loaded“ produktionsbedingt wie von Madonna verworfene Songs anhören, nur eben ohne Madonna. Nach halbstündiger House-Zwangsbeschallung und acht Tracks, die alle ungefähr gleich klingen, wünscht man sich aus Verzweiflung dann doch nichts sehnlicher zurück als die guten alten Seal-Balladen.“
(Stephan Herczeg, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung)
Der ist schwarz, der hat Soul im Blut, der ist mit einer Deutschen zusammen – darauf stürzen sich die Medienfliegen wie auf einen Haufen Scheiße. Die Analogie stimmt bis zum Schluss.