Eine Premiere im Popblog: erstmals werden die „Album des Monats“-Ehren an eine Platte verliehen, die nicht im Verkauf erhältlich ist, sondern nur als kostenloser Download im Internet bereitsteht. Die Welt 2.0 macht auch vor unserem kleinen Blog nicht halt!
Aus traditioneller Sicht ist allerdings besonders schade, dass das zweite Album der Hamburg-Londoner-Band Mikrofisch nicht im Plattenladen Deines Vertrauens zu finden ist, denn Silvi Wersi und Mawe N Klave ist ein kleines Indiepop-Meisterwerk gelungen.
“Masters Of The Universe” ist Nerdcore par excellence. Es wird ein Referenzteppich geknüpft, der so dicht ist, dass er jedes Glatteis, auf das man sich bei so viel Zitaten begeben könnte, überdeckt.
Das liegt nicht nur an den richtigen Einflüssen, sondern auch an deren Vielfältigkeit. Vom klassischen Indiepop der britischen Hefner über die Heroen des DIY-Amerikas, Mountain Goats oder Magnetic Fields, über Synthiepop früher Pet Shop Boys b-Seiten, Gitarrenlinien der alten New Order Singles, dem Dadapop eines Andreas Doraus, den immer etwas neben der Spur stehenden Punkurväter Television Personalities und Wire bis hin zum träumerischen Italo-House der Marke Sally Shapiro streckt sich Mikrofischs Zweitwerk aus.
Textlich schwanken Mawe und Wersi zwischen introspektiver Melancholie 2.0 („on LastFM I see what music you are falling asleep to / all these songs have just been written to torture me and you“), dem wehmütig-stolzen Blick des Endtwentysomethings auf die erste Hälfte seines Lebens („lets kiss and listen to BIS / let’s lie down under a tree and listen to Twee“), ungezügelter Misanthropie (das brillante „The Kids Are All Shite“) und amüsanten Reimen („their skin is radioaktive / they are rather unattractive“ in Alien Monsters). Zurecht haben Mikrofisch dabei eine gewisse Faszination mit dem Thema Frisur entwickelt: „(No One Listens To You When You’ve Got) Flat Hair“ und „Bad Hair Days“ („are a Nazi“) zeigen neben dem MySpace-Hair-Zitat aus The Kids Are All Shite dass auch ehemalige Indiekids mit Anfang 30 die Verehrung des richtigen Haarschnitts noch zu schätzen wissen.
Neben der betont einfachen und gerade auch deshalb unwiderstehlich eingängigen Instrumentierung sind die unterschiedlichen Gesangsstimmen der beiden Mikrofische Trumpf. Während Mawe an den sonoren, beruhigenden Klang eines Stephin Merritt erinnert, schlägt Wersi den träumerischen Ton der bereits erwähnten Sally Shapiro an.
Masters Of The Universe ist ein durchweg gelungenes Album, das neben dem offensichtlichen Hit „The Kids Are All Shite“, der eine Abrechnung mit der NME-Gitarrenszene bereithält („Coldplay, Keane and Kaiser Chiefs / Kasabian, Jet and Razorlight / Kings Of Leon, Dead 60ies / The Kids Are All Shite!“), eine Handvoll weiterer potentieller Lieblingslieder aufweist. Eine schöne Überraschung zum Jahresende, bei der ein klein wenig Bedauern mitschwingt, dass man die Platte eben nicht doch im Laden um die Ecke auf Vinyl gepresst finden kann wie es sich für so ein Nerdschmuckkästchen gehört. So bleibt wenigstens zu hoffen, dass das Internet „Masters of The Universe“ den Weg zu einer viel größeren Hörerzahl bereiten wird. (Christian Ihle)
Anhören!
*The Kids Are All Shite (mp3)
*Bad Hair Days (mp3)
*I Never Got Much Sleep On Weekdays (mp3)
*Morrissey (mp3)
*Drum Machines Will Save Mankind (mp3)
Das Album Masters Of The Universe steht hier zum kostenlosen Download inklusive Artwork komplett bei dem Netlabel Kinokoma bereit.
Im Netz:
*Indiepedia
*Homepage
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