vonChristian Ihle 02.06.2013

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Samstag, 01.06.

Bad Lieutenant (2009), Sat1, 22.40




Als Werner Herzog ankündigte, Bad Lieutenant zu verfilmen, begann ein Catfight im Arthousekino. Abel Ferrara, der Anfang der 90er Jahre mit Harvey Keitel in der Cage-Rolle einen wuchtigen Klotz an tiefkatholischem, aber schwerbrutalem Verdammnis-und-Erlösungskino als „Bad Lieutenant“ in die Kinos brachte, sah sein Vermächtnis gefährdet. Herzog bestritt ein Remake zu drehen, verneinte sogar die Vorlage, ja gar, Arthouse-Veteran Abel Ferrara selbst zu kennen. Ob Herzog nun das Original kennt oder nicht – ein Remake hat er jedenfalls in keiner Sekunde gedreht. Im Gegenteil: was von Ferraras Film bleibt, ist gerade einmal die Drogen-, die Wett- und die Sexsucht des Polizisten – sonst bleibt kein Cracksteinchen auf dem Anderen. Nicht nur erzählt Herzog eine gänzlich andere Geschichte, er erzählt sie auch völlig anders. Herzog gibt der unverhohlen reptilienhaften Cage-Figur im Gegensatz zum Keitel-Entwurf ein Herz, eine Hintergrundgeschichte. Wo wir mit Keitel von Beginn an in den Abgrund starren, werfen wir mit Cage – in seiner besten schauspielerischen Leistung seit geschlagenen 20 Jahren („Wild At Heart“) – einen Blick zurück und verstehen, warum wir überhaupt ins Nichts starren. Dass es Herzog dabei noch gelingt einen teils surrealen, teils saukomischen Film zu drehen, ist beinahe ein ebenso großes Wunder wie die unverschämt märchenhafte Auflösung der Geschichte eines gefallenen Menschen. Ein herzerwärmendes, wenn auch hartes Märchen – The Crack, Cocaine & Corruption Feelgood Movie Of The Year! Werner Herzog, ein König.



Alternative: Flightplan, Sat1, 22.40


Wer Jodie Foster schon immer mal mit der U5 nach Hönow fahren sehen wollte: heute gehen Nahverkehrs-Träume in Erfüllung! Tatsächlich spielt “Flightplan” nämlich zum Teil in Berlin, gedreht wurde der Film übrigens von dem jungen deutschen Regisseur Robert Schwentke, der hier nach seinem kleinen (auch nicht sonderlich bemerkenswerten) deutschen Genre-Film “Tattoo” doch leicht überraschend auf einmal dieses Riesen-Jodie-Foster-Vehikel verantworten durfte. Die Wege des Herrn und Hollywoods, sie sind unergründlich.


Sonntag, 02.06.

Duplicity, RTL, 20.15


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Groß besetztes Katz-und-Maus-Spiel mit Clive Owen, Julia Roberts, Tom Wilkinson und Paul Giamatti. Der Plot twistet und dreht bis man nicht mehr weiß wo vorn und hinten, gut und böse ist, aber alles in allem harmlose Sonntagabendunterhaltung, die sich vor dem großen Vorbild „Charade“ verbeugt, aber natürlich nicht auf Augenhöhe mit dem 60er-Jahre-Klassiker ist.



Alternative: Universal Soldier: Regeneration, Pro7, 23.15


Der ursprüngliche „Universal Soldier“ war einst Roland Emmerichs Durchbruch in Hollywood, danach folgten einige straight to video Produktionen mit wenig namhafter Besetzung bis vor zwei Jahren die fünfte Folge wieder die Original-Stars verpflichten konnte und mit Jean-Claude van Damme und Dolph Lundgren die Hochzeiten des 80er Jahre Actionfilms wieder aufleben ließ. Normalerweise würden wir trotzdem sagen: Was’n Quatsch… aber die Nerds aus der Actionfilmecke waren voll des Lobs für diese Universal Soldier – Folge.

Montag, 03.06.

Trainer!, WDR, 22.45





Mit der hervorragenden Fußballer-Doku „Tom meets Zizou“ über den ehemaligen Bundesligaprofi Thomas Broich hat WDR-Sportmann Aljoscha Pause bewiesen, dass er außerhalb der box denken kann, wenn es um Fußballgeschichten geht. Deshalb verspricht auch sein neues Projekt, drei in der zweiten bzw. dritten Liga gefangene Trainer auf Schritt und Tritt zu verfolgen, faszinierend zu werden. Man dürfte in 90 Minuten Aljoscha-Pause-Doku mehr ehrliche Einsichten über das Fußballgeschäft gewinnen als in zwei Jahren Aktuelles Sportstudio am Stück…

Dienstag, 04.06.

Der Knochenmann, Arte, 0.00



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Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Verfilmungen von Wolf-Haas-Romanen mit der Brenner-Figur ist in Der Knochenmann endlich die Krimihandlung auf einer Höhe mit den komödiantischen Elementen. Haben die bisherigen Filme – so gut sie auch waren – immer nur wie Vehikel gewirkt, um dem österreichischen Kabarettisten Josef Hader eine Plattform zu bieten, ist „Der Knochenmann“ auch als eigenständiger Thriller gelungen. Manchmal erinnert die Gewaltspirale in Richtung Absurdität an frühere Werke der Coen-Brothers wie “Fargo” oder “Blood Simple”, in denen oft Morde auch nicht aus bösem Willen oder Berechnung geschahen, sondern weil sie just in diesem Moment den handelnden Personen als beste oder einzige Lösungsmöglichkeit erschienen. Dazu ist die neue Haas-Verfilmung dank der schauspielerischen Urgewalt Josef Bierbichler und Brigit Minichmayr (als Brenners Herzensdame) auch in den Nebenrollen überdurchschnittlich gut besetzt. So ist “Der Knochenmann” nicht nur der beste Film der Brenner-Reihe, sondern auch eine der besten Thriller-Komödien der letzten Jahre.



Alternative: Die Königin von Versailles, ARD, 22.45


Einen überraschend guten Sendeplatz bekam die amerikanische Doku über den US-Immobilienunternehmer David Siegel geschenkt, in der die ganze Absurdität des, jaja, Raubtierkapitalismus auf irre Art präsentiert wird. Von der Kritik überall hochgelobt: „A succulently entertaining movie that invites you to splash around in the dreams and follies of folks so rich they’re the 1 percent of the 1 percent. It’s like a champagne bath laced with arsenic“, so Entertainment Weekly.


Mittwoch, 05.06.

Abgedreht! (Be Kind Rewind), Arte, 20.15


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Jack Black und Mos Def sind die Urlaubsvertretung eines alten Videothekenbesitzer. Durch einen blöden Zufall löscht Jack Black alle Kassetten. Damit die Kunden trotzdem Filme leihen können, beginnen die beiden die Blockbuster nachzuspielen. Der erste Versuch ist “Ghostbusters” in der DIY-Edition und dann rollt der Rubel: jeder will das Hollywoodkino aus dem Hinterhof sehen.
“Be Kind Rewind” ist so etwas wie die Essenz eines Michel-Gondry-Films (Eternal Sunshine Of The Spotless Mind, Science Of Sleep): nicht nur dass er wieder sehr süss ist und vor aberwitzigen, absurden Ideen beinahe überläuft, sondern die Art wie Jack Black und Mos Def die Hollywoodhits nachstellen, entspricht ja auch genau der Gondry-Arbeitsweise. Die Idee ist das entscheidende, die Kulissen kann man sich dann auch selbst basteln.
Schöne Seitenhiebe auf die paranoide und größenwahnsinnige Filmindustrie gibt es gleich mehrfach: ob die Anwälte der Industrie die nachgespielten Hollywoodfilme wegen Copyrightverletzung per Dampfwalze zerstören lassen oder dem Zuschauer vorgeführt wird, wie albern die Blockbuster eigentlich sind, zieht man ihnen das Ausstattungs- und Explosionskleid aus, ist ganz formidabel.



Alternative: eXistenZ, 3sat, 22.25


eXistenZ ist eine Art Übergangswerk in der Filmographie Cronenbergs, von der wilden ersten Hälfte seiner Karriere (von “Scanners” bis “Crash”) zu den späteren, mainstreamverträglicheren wie “History Of Violence” und “Cosmopolis”. Ende der 90er filmte in eXistenZ Cronenberg mit Jude Law eine schön abgedrehte Story über virtual reality und echtes Leben. Wie sich Cronenberg 1999 halt “Second Life” so vorgestellt hat…


Donnerstag, 06.06.

RoboCop, 3sat, 22.25





Ähnlich wie der erste Teil der Rambo-Reihe ist er erste Robocop einer der unterschätzten 80er-Jahre-Actionfilme. Robocop, Teil 1, ist ein dystopischer Law-and-Order-Science-Fiction-Film von erstaunlicher Härte. Regie Paul Verhoeven.



Alterntive: Chihiros Reise ins Zauberland, SuperRTL, 20.15

Hayao Miyazaki ist eine Legende des japanischen Zeichentrickfilms und „Chihiro“ sein wohl bekanntester Film. Unter anderem der Zeichentrick-Oscar sowie Platz 41 in den ewigen IMDB-Top-250-Filmcharts stehen zu Buche. Man sollte allerdings mit eher freifließender, assoziativer Erzählung keine Probleme haben, Miyazakis Stärken liegen eher im Psychedelischen, im Einfallsreichtum, im Erschaffen neuer Welten denn in der straighten Ploterzählung.

Freitag, 07.06.

Parade’s End, arte, 20.15


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Sherlock-Darsteller Benedict Cumberbatch in einer britischen TV-Serie als konservativer Aristokrat, zerrissen zwischen zwei Frauen. Geschrieben von Tom Stoppard, dem Drehbuchautor von „Shakespeare in Love“.



Alterntive: 28 Days Later, pro7, 22.25


In der großen Zombie-Wiedergeburtswelle des letzten Jahrzehnts sticht Danny Boyles „28 Days Later“ heraus, ja, hat sich sogar als einer der ganz großen Höhepunkte dieses Horror-Sub-Genres erwiesen. Vor allem die erste Hälfte des Films, ein menschenleeres London, Einsamkeit und Verzweiflung beeindrucken. Der danach folgende homo homini lupus est – Plot verliert ein wenig an Dringlichkeit, aber Boyle setzt kaum einen Fuß falsch und haucht dem Genre neues Leben ein.

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