vonChristian Ihle 13.07.2017

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Dass Olivier Assayas‘ „Personal Shopper“ einerseits bei seiner Debütvorstellung in Cannes ausgebuht wurde, andererseits aber beim gleichen Festival den Preis für „Beste Regie“ mit heimgenommen hat, zeigt, wie polarisierend diese Filmerfahrung sein kann. Und ich kann jeden verstehen, der mit „Personal Shopper“ gar nichts anfangen kann, sitzt er doch richtig breit zwischen den Stühlen Genre und Arthouse. Für Freunde von Letzterem ist die Grundgeschichte einer Frau als Medium, das den verstorbenen Zwillingsbruder „spüren“ kann und mit ihm zu kommunizieren versucht, spätestens bei den ersten Geistererscheinungen wohl schwer erträglich, für Geistergeschichtenfans ist „Personal Shopper“ aber viel zu abstrakt und uninteressiert an Schrei & Schocks.

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Da man mich im Normalfall mit Geistererscheinungen jagen kann, war die erste Hälfte des Films, nun ja, hart am Rand des noch Abnickbaren. Aber mit fortschreitender Dauer bekommt „Personal Shopper“ so etwas beunruhigend Haneke-haftes, denk an „Cache“ oder „Code: Innocu“.
Zudem habe ich noch keinen Film gesehen, der moderne Kommunikation so aus dem Leben gegriffen einsetzt (hier unterhält man sich über Filme und bekommt als Ratschlag eben „gib „‚Hugo + Tische + Seance‘ bei YouTube ein, ist dort in voller Länge“). Das Smartphone ist sogar der Hauptdialogpartner – aber nie zu offensichtlich oder in einer fortschrittspessimistischen „oh Gott wir reden gar nicht mehr miteinander!“-Art, sondern eben wie 2016 tatsächlich mit Internet & iPhone umgegangen wird.

In der Mitte des Films gelingt Assayas ein kleines Wunder, vielleicht die beste Szene seiner Filmographie überhaupt: es passiert im Grunde nichts, als dass Kristen Stewart mit dem Zug von Paris nach London und wieder zurück fährt. 20 Minuten Filmzeit. Sie läuft durch den Security Check In, wartet auf die Abfahrt, kauft sich einen Kaffee, fährt Zug. Sie spricht mit niemandem – aber sie bekommt Nachrichten auf ihr Smartphone von unbekannter Nummer. Message für Message werden die Nachrichten weirder, intimer, aber auch reizvoller. Mehr geschieht nicht – und erzeugt doch eine Spannung, ein Interesse wie es sonst nur den großen Meister im Thriller-Fach gelingt. Noch eine zweite Stelle mit dem Smartphone: Stewart stellt in einer späteren Szene das Phone für einige Zeit auf Flugmodus. Stellt die Verbindung wieder her. Eine Message nach der nächsten – wieder unbekannter Nummer – kommt im Zeitablauf herein, diesmal jede drängender, bedrohlicher, angstmachender. Der „Dialog“ von Mensch zu Smartphone wird zum Monolog des Smartphones mit dem Nutzer und, boy, zieht mehr Spannung auf als 80% aller Horrorfilme pro Jahr.

Abgesehen vom wirklich innovativen, weil ehrlichen Einsatz der uns umgebenden Technologie, ist „Personal Shopper“ ein Kristen Stewart – Showcase. Stewart ist nicht nur herausragend gut – man kann sie in der Zwischenzeit in die Riege der Natalie Portmans & Scarlett Johanssons aufnehmen – sondern auch so wichtig für diesen Film (sie ist praktisch in jeder Szene), dass „Personal Shopper“ ohne die Figur und die selbstbewusst-nervöse Fragilität, die Stewart mitbringt, mit niemand anderem denkbar wäre.

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