vonChristian Ihle 09.01.2018

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Nach all dem Bohei um „Babylon Berlin“ – größte Serienproduktion Europas! Teuerste überhaupt! Tom Tykwer! Berlin! – war die erste Staffel doch eine milde Enttäuschung. Klar, schon ordentlich und nach Geld aussehend, aber auch zu clean, zu wenig schmutzig für ein Berlin, das von der „Elektrischen“ durchrattert wird und deren Bewohner sich die Nächte um die Ohren feiern, als wäre das Berghain schon erfunden worden.

Die erste Staffel wälzt sich zudem wie eine endlose Exposition durch die Berliner Gassen und führt als zentrales Mysterium ein Foto ein, das natürlich nur ein McGuffin ist, aber von der Serie geradezu ostentativ vernachlässigt wird – man hat nicht den Eindruck, dass sich irgendjemand für die Hintergründe jenes Fotos wirklich interessiert.

https://www.youtube.com/watch?v=SBgAlOb2niY

Doch dann: Staffel 2! Die Figuren sind präziser herausgearbeitet und es schält sich ein kleinerer, zentraler Cast heraus, der dafür aber mit Tiefe versehen wird. Volker Bruch in der Hauptrolle ist ein erfreulich unverbrauchtes Gesicht. In Liv Lisa Fries und ihre Figur (also den Charakter, den sie spielt) kann man sich regelrecht verlieben. Wie Fries dieses Klischee-Bild der Berliner Göre mit Frische und Leben füllt, ist phänomenal und unbestreitbar das Herz der Serie. Die zweite Staffel profitiert zudem enorm davon, dass die von Matthias Brandt subtil gespielte Figur des jüdischen Regierungsrats eine größere Rolle einnimmt. Wenn ein Zeichen für die Güte einer Serie ist, dass ich um das Ableben von Figuren trauere bzw. um ihr Weiterexistieren bange, dann hat sich Staffel 2 volle Punkte verdient.

Alles glänzt jedoch noch immer nicht, da die zentrale Geschichte um Gold und einen russischen Zug holprig und nicht so recht nachvollziehbar erzählt wird und bei weitem uninteressanter ist, als der zweite Handlungsstrang um den tiefen Staat & ein Stresemann-Attentat. Dass wir am Ende geradewegs in 70er-Jahre-James-Bond-Terrain stolpern und eine wilde High-Noon-Schluß- und-Schuß-Sequenz auf einem fahrenden Zug vorgesetzt bekommen, wäre auch nicht nötig gewesen und erzeugt weit weniger Spannung als beispielsweise die meisterhaft inszenierten Szenen mit Spionageflügen über Russland oder den Attentatsvorbereitungen des tiefen Staates.

Trotzdem: entgegen meiner Meinung nach Staffel 1 freue ich mich nun auf die in der Zwischenzeit bestätigte Fortsetzung der Serie.
Die zweite Staffel von Babylon Berlin ist zumindest auf einem „Boardwalk Empire“ – Level, wenn man mal eine internationale Vergleichskarte ziehen möchte.

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