vonChristian Ihle 09.04.2020

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Ein Panoptikum der Exzentrik. Diese True-Crime-Dokumentation über illegale Raubtierhaltung, Mordkomplotts und Methmissbrauch scheint ein grelles Licht auf den White Trash des amerikanischen Südens und lebt von der larger than life Irrheit seiner Protagonisten.

Immer wenn man denkt: so jetzt ist’s aber echt genug, mehr Durchgeknallte können nicht noch mehr Irrsinn durchziehen, rennt der nächste Tigerkönig auf Meth durch die Manege und tritt zur Gouvernourswahl* an.

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„Tiger King“ ist inbesondere in seinen ersten zwei Dritteln eine Geschichte, die so viel Wahnwitz bietet, dass sie einfach unterhalten muss und die dank glücklicher Umstände (Narzismuss und Mediengeilheit all seiner Figuren) eine beinah unglaublich große Menge an inkriminierendem oder einfach absurdem Film-Material besitzt, um wirklich noch die abstrusteste Storywendung in ihrer Entstehung bebildern zu können.

Nach vier Folgen war ich kurzzeitig überzeugt, dass „Tiger King“ nur ein großer Scam von Netflix sein kann, ein einziger Spaß auf Kosten seiner true-crime-geilen Zuschauerschaft, dass am Ende der große Mittelfinger kommt und sich der Raubtierkönig und Konsorten als fiktiv herausstellen.

Aber das Leben unter Großkopferten und Großkatzen im amerikanischen Süden schreibt offensichtlich seine besten Geschichten doch selbst:
Die größte Freak-Show ever.
Total irr. (buchstäblich)

*und erhält knapp 20% der Stimmen. Alle meine Fragen nach Trump sind hiermit beantwortet.

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https://blogs.taz.de/popblog/2020/04/09/netflix-tiger-king-murder-mayhem-and-madness/

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kommentare

  • … voyeuristisches Trash-TV für Leute, die glauben, nie voyeuristisches Trash-TV zu sehen. Was es dann genau genommen noch ein bisschen schlimmer macht. Spätestens, wenn in Folge 1 der schwule Tiger-King-Freund ohne Zähne interviewt wird – überwiegend erstmal, weil er keine Zähne hat – ist klar, wohin die Reise geht. Wenn sich bei „Bauer sucht Frau“ ein Typ in eine Badewanne mit Gehacktem legt, ist der WTF- und Freakshow-Faktor genau so groß – das gilt in Hipsterkreisen halt nur nicht als kuckbar. Dass das hier ein Mü cleverer und faszinierender ist, heißt eben nicht, dass die Mechanismen nicht die gleichen wären.

    In eine ähnliche Richtung geht man im ‚Atlantic’:

    https://www.theatlantic.com/culture/archive/2020/04/netflix-tiger-king-is-an-ethical-trainwreck/609568/

    Na klar hat das Alles auch fesselnde Seiten: Während man so herabblickt auf die Weirdness der kulturellen Unterschicht, kommt man doch immerhin nicht umhin, irgendwie beeindruckt zu sein: Wie Joe Exotic sich seine eigene Realität erschafft bzw. sich komplett selbst erfindet – während wir hier alle nur stumpf nachleben, was der Nachbar in der Altbauwohnung nebenan so vorlebt: das ist schon auch ein bisschen groß. Er ist der Gott seiner eigenen Welt. Und wir sind womöglich letztlich nur Lemminge.

    Dennoch bedient’s halt niedere Instinkte. Man sieht White-Trash beim trashig sein zu und gruselt (bzw. wahlweise amüsiert) sich ein bisschen.

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