Cookies sind sehr erfreulich, wenn man sie zufällig in der Vorratskammer findet und sehr nervig wenn man nur mal schnell die Regenwahrscheinlichkeit googeln möchte. Als müsste man im Alltag nicht schon genug Entscheidungen treffen, wird man auch noch vor die Wahl gestellt ob man erforderliche, funktionale, geographisch relevante oder interessenbasierte Cookies zulassen möchte. Mangels Geduld und Übersichtlichkeit wird munter der Button „Alles akzeptieren“ geklickt. Ganz zur Freude von Big Data Cookie Monstern wie Google, Amazon, Microsoft oder SAP. Diese lecken sich die Finger bei dem ganzen zuckrigen Content mit dem wir sie füttern.
Cookies sind Textdateien, die zeitlich beschränkte Informationen enthalten. Tracking-Cookies können dabei auch seitenübergreifend Zugang zu Daten erheben und so ein detailliertes Bewegungsprofil erstellen. Diese Daten können an Werbenetzwerke verkauft werden. Zwar gilt EU-weit die Datenschutzgrundverordnung, in der die „ePrivacy-Richtlinie“ vorschreibt, dass die User zunächst eine ausdrückliche Einwilligung zur Benutzung von Cookies erteilen müssen. Dann allerdings können diese Cookie-Informationen nicht nur von der Internetseite selbst, sondern auch von Drittanbietern, also Werbeagenturen, ausgelesen werden. Kein Wunder also, dass Google jährlich 3 Billionen Starbucks-Kund*innen kostenloses WLAN zur Verfügung stellt (1). Für Google ist die Rechnung einfach: Mehr Augen auf den Displays ist gleich mehr Datenfutter ist gleich mehr Profit. Wie Hänsel und Gretel hinterlassen wir mit Kekskrümeln einen „digital footprint“, um im Dickicht des World Wide Webs einen Wegweiser zu bauen. Einen Wegweiser zu den neuen veganen Sneakern, dem aktuellen Baumarktangebot oder zur FDP. Cookies und Algorithmen kreieren nämlich nicht nur personalisierte Werbung für Konsumgüter, sondern werden auch im Bereich der politischen Werbung immer relevanter.
So schaltet die FDP dieses Jahr zur Landtagswahl in Baden-Württemberg Werbung auf YouTube. Selbstverständlich nur für eine fein ausgewählte Zielgruppe. Ihr höchstes Versprechen dabei lautet: Digitalisierung. „Denn“, so die Partei, „ PDF heißt rückwärts nicht umsonst FDP“ (2). Mit dem Wort DSL hätte das Sprachspiel nicht so glücklich geklappt. Allerdings hätte es wesentlich besser zum Design der Wahlplakate gepasst. Auch sonst sind die Wahlsprüche der FDP eher mäßig kreativ. Auf einem viel kritisierten Wahlplakat zeigte sich Christian Lindner mit dem Slogan:“Digitalisierung first, Bedenken second.“ Später räumte er ein, dass das Plakat „wohl doch etwas im Überschwang gestaltet“ worden war (3). Und genau dieser Überschwang ist bei neuen Technologien nicht immer von Vorteil. Zumindest sollten sie nicht hastig und unreflektiert in unseren Alltag implementiert werden. Diese Ansicht teilt auch die Professorin Shoshana Zuboff. Sie prägt den Begriff „Überwachungskapitalismus“ und beschreibt als dessen fundamentale Voraussetzung den Überschuss an Daten, der „weit über alles hinausgeh(t), was man zur Verbesserung eines Produkts oder einer Dienstleistung braucht“(4). Diese Daten werden aus unserem Online-Verhalten entnommen und kreieren damit einen „finanziellen Gewinn“ für diejenigen, die Zugriff auf sie haben. Daten bedeuten eben Macht und Kontrolle. Deswegen ist es kaum verwunderlich, dass die FDP die Digitalisierung so vehement und „unbedenklich“ vorantreiben möchte. Für ihre weiteren Parteiziele kann das nämlich der Schlüsselfaktor sein. Beispielsweise für ihr Einwanderungsgesetz mit Punktesystem. In ihrem Wahlprogramm steht: “Dauerhafte Einwanderer wollen wir uns wie jedes andere Einwanderungsland selbst aussuchen. Deutschland ist auf die Einwanderung von qualifizierten und fleißigen Menschen angewiesen, wenn wir unseren Wohlstand auch zukünftig erhalten wollen. (…) Zudem wollen wir ein Punktesystem schaffen, bei dem sich Menschen aus aller Welt aufgrund ihres Bildungsgrades, Alters, ihrer Sprachkenntnisse und beruflichen Qualifikation um eine Einwanderung nach Deutschland bewerben können“(5).
Diese Klassifizierung nennt die FDP eine „faire Erwirtschaftungsgesellschaft“ und verzerrt damit die Realität des kapitalistischen Wirtschaftssystem, bei dem die an erster Stelle stehen, die mit weißer Hautfarbe in Deutschland geboren worden sind und dazu noch reich geerbt haben.
Dass diese Klassifizierung anhand eines Punktesystem durch den exponentiellen Zuwachs von Daten erleichtert werden kann, scheint auf der Hand zu liegen. Die Frage ist also, in welchem System und zu welchen Zwecken Cookies Textdateien speichern. Es ist wichtig und notwendig, dass die Funktion von Cookies der breiten Gesellschaft verständlich erklärt werden. Mit all ihren Vorteilen und all ihren Nachteilen. Nur dann können wir ehrliche Zustimmung über unsere Daten und Privatsphäre erteilen. Die Europäische Kommission veröffentlichte im April 2019 ein Paper in dem sie unter anderem die unbedingte Transparenz von Daten, Systemen und KI Modellen verankert(6). Hört sich in der Theorie super an, es mangelt jedoch noch an der praktischen Umsetzung. Deswegen folge ich vorerst dem universellen Grundsatz:
Quellen:
(1)https://infocus.delltechnologies.com/william_schmarzo/the-value-of-data-google-gets-it/
(2) Facebook FDP Eichstätt (11. Dezember 2020)
(4) https://netzpolitik.org/2019/im-zeitalter-des-ueberwachungskapitalismus/
(5) https://www.fdp.de/forderung/einwanderungsgesetz-mit-punktesystem-schaffen
(6)https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/news/ethics-guidelines-trustworthy-ai