Es war noch nie so einfach dem Vaterland zu dienen.
Um ein Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten, muss man zwar hervorragende Leistungen für das Gemeinwesen erbringen, allerdings scheinen diese Ansprüche in der Pandemie zu sinken. Selbst Einkaufen wurde nun zur Heldentat. So meinte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) der „Erhalt des stationären Handels ist eine nationale, ja auch eine patriotische Aufgabe“ da dieser stationäre Einzelhandel „Teil unserer Identität, Leitkultur“(1) sei.
In anderen Worten: Wer kauft und konsumiert, rettet die Wirtschaft vor dem Zerfall.
Dass die deutsche Wirtschaft dabei auf den Rücken von osteuropäischen Erntehelfer*innen (Spargel) und Niedriglohn-Kräften (Tönnies) lastet, wird gekonnt ignoriert. Genauso wie Corona-Schutzmaßnahmen. Die kapitalistische Ausbeutung gehört eben auch zu dieser deutschen Leitkultur.
Die schamlose Verknüpfung von Konsum, Patriotismus und Leitkultur ist in vielerlei Hinsichten problematisch. Angefangen bei dem Versuch eine Kultur einheitlich zu definieren. Eine solche deutsche Leitkultur ist in unserer pluralistischen Gesellschaft schon allein deswegen fragwürdig, da sie auf eine eingemeißelte Nationalkultur baut. Welche toxischen Auswirkungen eine solche Leitkultur mit sich bringt, beschreibt Max Czollek in seinem Buch „Desintegriert euch!“.
Im Gegensatz dazu, preist die CDU-Fraktion die sogenannte deutsche Identität und Leitkultur in den Himmel. Der Trendsetter Friedrich Merz meinte schon im Jahr 2000, dass sich „Zuwanderer, die auf Dauer hier leben wollen, einer freiheitlichen deutschen Leitkultur anpassen“(2) müssen. Das ist witzig, weil die CDU mal wieder gekonnt Gegensätze zusammenführt und dabei Brücken schlägt wo nunmal Gräben sind. Die Zusammenführung von „freiheitlich“ und „anpassen“ ergibt genauso wenig Sinn wie Angela Merkels „weltoffener Patriotismus“. Diese Formulierungen hören sich zwar kosmopolitisch an, verstecken sich aber hinter einem den Takt vorgebenden Konservatismus, der auf ein nationales „Wir-Gefühl“ baut.
Und dieses „Wir-Gefühl“ entsteht nunmal durch die positive Identifikation mit einem Land, durch Nationalstolz, durch Patriotismus. Kritische Zungen argumentieren, dass dieser Stolz nicht per se zu verdammen sei, solange er keine Überheblichkeit und Abwertung zum Ausdruck bringt. Doch genau hier liegt das Problem. Patriotismus und Nationalismus reichen sich die Hand.
Das zeigen wissenschaftliche Studien wie zum Beispiel solche zur Weltmeisterschaft 2006.
Anstatt des Party-Patriotismus der WM wird nun auf einen Corona-Patriotismus gesetzt.
Ganz nach dem Motto: Gemeinsam schaffen wir das schon! Doch solange diesem „Wir“ prekäre Arbeitsbedingungen von Saisonarbeiter*innen und Klimazerstörung (ein Milliarden-Rettungspaket für die Lufthansa) egal sind, ist das Ganze nur verklärte Schönmalerei.
Auf eine solche „Wir“tschaft kann ich gut verzichten. Ebenso wie auf Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten und auf Deutschlandflaggen bei der WM.
Quellen:
(1) Kai Schöneberg. „Solidarisch shoppen reicht“. Taz 26.11.2020
(2) Hartmut Esser. „Was ist denn dran am Begriff der „Leitkultur“?“.
https://doi.org/10.1007/978-3-322-91384-5_9