vonRahel 29.01.2021

Abseitsregeln

Poised between rage, punk and politics

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Wenn über Generationen gesprochen wird, variiert der Ton von romantisch-verklärt zu politisch-anklagend. Dabei werden Generationen als soziologische Kategorien verstanden, obwohl sie in Wahrheit nicht mehr sind, als ein Konstrukt.

Beginnen wir also mit der Romantisierung: Jede Generation scheint ihr charakteristisches und prägendes Symbol zu haben. Seien es die Schallplatten (Babyboomer), der Golf (Generation X), das Tamagotchi (Generation Y) oder dieses eine Vanilla Kisses Deo, das viel zu penetrant riecht (Generation Z). Meiner Meinung nach ist dieses Deo total overrated. Genauso wie Babyschnullerhalsketten. Doch diese Gegenstände werden von Generationen beschlagnahmt und gelabelt. Was bei Babyschnullerhalsketten vielleicht noch Sinn ergibt aber schon bei Schallplatten schwierig wird. Diese repräsentieren heute nämlich auch den Vintage-Lifestyle der jungen Hipster. Jedenfalls sind es diese kleinen Dinge im Leben, die Verbindung schaffen und durch ihre Glorifizierung einen Symbolstatus erlangen. So weit so gut. Doch pure Romantik findet im Kapitalismus erst durch ihre Vermarktung einen Stellenwert. So beschreiben zahlreiche Bücher die verschiedenen Charakteristiken und Stärken der Generationen, auffällig oft die der jüngeren (X, Y, Z). Denn darüber lässt sich gut Motivationsliteratur mit „konkreten Handlungsempfehlungen“ für „Führungskräfte“ schreiben (1). Weniger romantisch ist auch der Generationenkonflikt, der wie eine Gewitterwolke über dem rosigen Zukunftshorizont der „Digital Natives“ schwebt. Spätestens 2025 kommt es zu ihrem Bruch und die Konsequenzen werden über die jüngeren Generationen hageln. Dann nämlich beginnt für die Babyboomer das Eintrittsalter in die Rente. Doch auch heute schon ist die Dominanz dieser Generation deutlich spürbar. Zum Beispiel in politischen Mehrheitsentscheidungen (Stichwort Brexit) und der Besetzung von Führungspositionen. Kein Wunder also, dass mit dem Meme „OK Boomer“ auf dieses Ungleichgewicht und die daraus resultierenden Ungleichheiten hingewiesen wird. Der Generationenkonflikt ist also politisch aufgeladen. So prangert die Fridays for Future Bewegung die Behäbigkeit der Älteren beim Thema Klimaschutz an. Generation Greta gegen Generation Golf. Aktivismus gegen Egoismus. So die verkürzte Darstellung des Generationenkonstrukts. Dass politische Verantwortung nicht per se in Generationen sondern vielmehr in bestimmten Positionen liegt, wird hierbei ausgeklammert. Ebenso wie die Tatsache, dass sich die Typisierung von Generationen eben nicht so leicht an gemeinsam erlebten Erfahrungen festmachen lässt. Der Gedanke, eine Generation sei von gemeinsamen kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Schlüsselfaktoren geprägt, erscheint mir total realitätsfremd. Durch die gängige Einordnung von Menschen in Generationen werden somit unterschiedliche Erfahrungen, Chancen und Privilegien verkannt. Der Ausgangspunkt der Generationenforschung liegt schließlich in der „gleichen Sozialisation“ und der „kollektiven Erfahrung“. Das führt zu einer Stereotypisierung der Mehrheitsgesellschaft. Die Frage ist also: Wer kann Teil einer Generation sein? Wer wird durch sie vereint und wer wird ausgegrenzt? Wer teilt die gleichen Erfahrungen? Und wer hat die Autorität, diese Erfahrungen zu bewerten und zu kategorisieren?

Anstatt Verantwortung und Schuld in den Generationen zu suchen, sollten wir eher Privilegien und Strukturen hinterfragen: Warum sind „alte weiße Männer“ in Führungspositionen? Vermutlich nicht durch einen Babyboomer-Ausweis. Und wie haben antirassistische, antikapitalistische und feministische Stimmen in vorherigen Generationen diesen Status quo angefochten? Dann wird deutlich, dass das Konstrukt der Generationen differenzierter betrachtet werden muss. Generationenübergreifende Bündnisarbeit ist die Lösung, um das Rentensystem, die Besetzung von Führungspositionen und den Klimaschutz zu verbessern.

Die Generation Boomer und Zoomer ist dabei lediglich ein schönes Wortspiel, reicht aber nicht aus, um die Welt zu erklären.

 

(1) Institut für Generationenforschung; https://www.generation-thinking.de

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