vonDonata Künßberg 19.10.2022

Buchmesseblog

taz-Autor*innen bloggten live von den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt. Ein Schmöckerladen für Buchliebhaber*innen.

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In den Zug, Durst weil Getränk vergessen, immer telefoniert jemand im Ruheabteil, dann mit Taschen behangen durch Frankfurt eiern, Hotelzimmer erklimmen, frische Kleidung anziehen, Wasser aus dem Zahnputzbecher trinken, los. Mangel verwalten können bedeutet handlungsfähig bleiben. /s

Bei der Eröffnungs-Pressekonferenz ging es am Dienstag auch um steigende Kosten für Papier, Energie und Distribution. Kommen also bald höhere Kaufpreise auf uns zu?
Auf der Party des Aufbau Verlags frage ich das zufällig jemanden, der genau dazu gerne ausholt: Die gebundene Ausgabe von “Der Name der Rose“ kostete in den 1980ern 75 DM. „Was bezahlt man heute für so ein Buch? Keine 75 Euro jedenfalls. Alle Produkte kosten heute mindestens das in Euro, was sie früher in Mark kosteten – eher mehr.“ Nur Bücher nicht. Und warum?

Vielleicht deshalb: Die auf Bücher gedruckten Vergleichspreise (für Österreich und die Schweiz, in DM und Euro) machen eine Anhebung des Preises sehr sichtbar. Die Kund*innen können gerade bei Büchern, die eben nicht nach zwei Monaten wieder aus dem Regal fliegen wie z.B. Kleidung, langfristig die Preise vergleichen. Bei Sachbüchern und Liebhaberei sei das anders, aber wenn man sich vorstelle, jemand sucht nach einem Krimi und blickt im Laden auf 20 Titel, die ähnlich gestaltete Cover haben, dann entscheide auch mal der Preis. Das könnte Verlage davon abgehalten haben, einfach mal loszuerhöhen.

Erster Spaziergang über die Messe

Hier spricht der Vertriebler, nicht der Poet. Ich mag das. Das Buch in seiner Handelsrealität anzusehen. Etwas angeschwippst vergesse ich total zu erwähnen, dass das ja fast so klingt, als sei Preiserhöhung etwas, das ein Unternehmen auch sein lassen könnte. So als wären vielen gegenwärtige Preissteigerungen vielleicht nur Abschöpfungen, weil es halt geht, nicht weil es dringend sein muss.
Seine Ausgabe von „Der Name der Rose“ hat er immer noch im Regal stehen, seit fast 40 Jahren. Ich fasse den Plan, das teuerste Buch auf der Buchmesse aufzuspüren und lasse mir mehrmals Wein nachschenken. Danke, Aufbau Verlag! Das war köstlich.

Am nächsten Morgen kriege ich kaum meine Frühstückszigaretten runter. Muss ja trotzdem: Ein erster Spaziergang über die Messe, Besuch am taz-Stand mit eigener kleiner Bühne (alle Veranstaltungen könnt ihr euch hier ansehen), draußen knallt die volle Sonnenpower vom Himmel, die längsten Schlangen bilden sich immer vor den Fressbüdchen.

Die Buchmesse hat, darauf macht mich der Code of Conduct aufmerksam, dieses Jahr Awareness-Teams, also Menschen, die im Fall von Grenzüberschreitungen angesprochen werden können – die aber auch selbst die Messe im Blick behalten und Empfehlungen für verbesserte Maßnahmen an die Messeleitungen abgeben.

Es liegt sehr sehr nahe, die erstmalige Anwesenheit der Awareness-Teams mit dem letztjährigen Boykott der Messe in Zusammenhang zu bringen. Jasmina Kuhnke und weiteren Autor*innen war ihre persönlicher Sicherheit wichtiger, als unfreiwillig gemeinsam mit Rechtsradikalen die „gesellschaftliche Realität“ abzubilden. Sie hatten wegen der Präsenz rechter Verlage und deren Anhänger*innenschaft nicht an der Messe teilgenommen und Kuhnke setzt ihren Boykott dieses Jahr fort. 

Iran, Lesekompetenz, Gekränkte Freiheit und die Villa Unseld

Im Eingangsbereich der Halle 4 steht nun ein fester Stand, es gibt einen kleinen Rückzugsraum, der auch gleich am ersten Tag gebraucht wurde, wie ich später erfahre. Im Augenblick steht eine Frau mit Laptop vor dem Stand, sie ist offensichtlich aus dem gleichen Grund wie ich hier. Wir wollen wissen, wie es läuft. Der „Bund für Anti-Diskriminierungs- und Bildungsarbeit BDB e.V.“ aus Berlin kümmert sich hier in den nächsten Tagen um Menschen, die ein Gespräch brauchen.

Input ist auch willkommen. Aber: Das Gelände ist riesig. Viele Menschen wissen noch gar nicht, dass es dieses Angebot gibt. Und so ein Angebot kann, selbst wenn es absolut perfekt ist, viele belastende Situationen zunächst nur auffangen, nicht verhindern. Ich fühle mich dennoch hingerissen, hier jetzt  hinzuschreiben: IMMERHIN. Mittelfristig bleibt ja auch zu hoffen, dass das Feedback der Awareness-Teams in künftigen Planungen berücksichtigt wird.

Von all den Dingen, die ich dringend hatte erwähnen wollen, aber jetzt (23:59) nicht mehr sollte, berichte ich morgen, versprochen. Teaser: Iran, Lesekompetenz, Gekränkte Freiheit und die Villa Unseld.

Die taz auf der Buchmesse: Seien auch Sie dabei, direkt vor Ort in Halle 3.1 Stand D72 oder digital. Mit 12 taz Talks präsentieren wir live on stage einen Querschnitt der Literaturneuheiten des Herbstes. Sie können die Talks unbegrenzt im Nachhinein auf dem taz Youtube-Kanal nachschauen. Alle Informationen und das Programm finden sie unter taz.de/buchmesse

 

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https://blogs.taz.de/buchmesse/2022/10/19/awareness-in-frankfurt/

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