vonAchmed Khammas 18.07.2012

Der Datenscheich

Erneuerbare Energie, Science Fiction, Technikarchäologie und Naher Osten – verifiziert, subversiv, authentisch.

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Als ich die jüngste Rundmail meines Stamm-Buchladens Otherland bekam, traute ich meinen Augen nicht: Da wurde tatsächlich ein neuer SF beworben, der den Titel MESSIAS MASCHINE trägt (von Chris Beckett, Knaur Verlag). Dazu muß man wissen, daß ich seit 1975 (!) eben eine solche weltweit als Lösung aller Energie- und Umweltkrisen verkünde, wie man in diversen Artikeln und Texten nachlesen kann. Hier habe ich sogar eine technische Zeichnung der Maschine veröffentlicht. Und jetzt das!

Dabei geht es in dem Buch überhaupt nicht um unsere Maschine – sondern darum, daß überall auf der (geistig) ins dunkle Mittelalter zurückgefallenen Welt Wissenschaftler wie Ketzer verfolgt und massakriert werden. Wer entkommen kann, flieht nach Illyria, dem Mekka der Technik und des Fortschritts, wo es auch Sex-Androiden gibt. Und ein(e) solche(r) scheint Selbstbewußtsein zu entwickeln … womit eine Kette unerwarteter Geschehnisse ausgelöst wird.

 

Ich habe in den letzten Wochen aber noch diverse andere SFs verschlungen. Die interessantesten davon möchte ich Euch vorstellen:

Beginnen wir mit Ready Player One von Ernest Cline (hervorragend übersetzt von Hannes & Sara Riffel). Das Buch ist eine Huldigung and die 1980er – und insbesondere an die damals aufgekommenen Videospiele. Als der superreiche Spieleentwickler James Halliday 2044 stirbt, verfügt er in seinem Testament, daß seine Milliarden an denjenigen gehen sollen, der in der virtuellen Welt OASIS das von Halliday dort versteckte Easter Egg findet. Damit beginnt ein langjähriger Quest, an dem auch der junge Wade Watts teilnimmt. Ein packend geschriebenes Buch, das ich (natürlich) in einem Rutsch durchgelesen habe.

BZRK1 von Michael Grant fällt dagegen weit ab, obwohl das Thema an sich äußerst zukunftsträchtig ist: Der Krieg hat sich von der Makro- in die Mikroebene verlagert, und statt mit Panzern und Drohnen wird mit biologischen nanomaschinen IN den Organen und Hirnen der Menschen gekämpft. Da das Werk als Auftakt einer Trilogie gilt, hoffe ich sehr, daß sich der Autor im folgenden noch etwas steigert.

Sehr großen Spaß hatte ich mit der (antiquarisch beschafften) Sternenriff-Serie von David Brin (6 Bände), nachdem ich mir schon die vorangegangenen Bücher des Uplift-Universums mit Begeisterung reingezogen hatte. Dieses Thema ist auch noch lange nicht abgegessen – denn bislang haben wir weder die Delphine noch die Schimpansen, Hunde oder Pferde intelligenter – und zu Partnern! – gemacht … ebenso wenig, wie sich bislang unsere Protagonisten gemeldet haben, welche vor Hunderten von Äonen Licht in den Schädel des Homo Erectus geblasen haben.

Etwas schwerer zu lesen, da recht zähflüssig und auch zu langatmig geschrieben, fand ich das Buch Träume digitaler Schläfer von Anja Kümmel. Außerdem hat mich der Eingangssatz an Gibsons Neuromancer erinnert – während der weitere Verlauf des Buches eher düster wirkte. Auch das Herumspringen zwischen Szenen im Mittelalter, in Paris während der deutschen Besatzung und in der Zukunft hat mir nicht so gut gefallen, obwohl die Szenen gut ge- und beschrieben sind. Ein ‚deutscher’ Roman eben.

Ebenso ‚deutsch’ wirken die Erzählungen von Marcus Hammerschmitt, die Shayol unter dem Titel Nachtflug veröffentlicht hat. Die wirklich ansprechenden Stories haben oftmals leider dermaßen unbefriedigende ‚offene Enden’, daß man vom plötzlichen Herunterfallen fast schon blaue Flecken bekommt. Exzellent sind dagegen die Stories von Michael K. Iwoleit, die jüngst bei Wurdack unter dem Titel Die letzten Tage der Ewigkeit erschienen sind. Klar, auch auf deutsch … aber auf Weltniveau!

Apropos Gibson: Endlich habe ich – auch wieder in einem Rutsch – Die Differenzmaschine von Gibson und Sterling gelesen, die schon lange auf meiner Agenda stand. Eigentlich braucht das Buch keine Rezensionen … denn es ist dermaßen gut, daß man es einfach nur zu empfehlen braucht. Selbst Schuld, wer es nicht liest.

Weitere neu gelesene SFs und Thriller, die sich inzwischen in den Regalen meiner Bücherwand quetschen, sind Träume aus Glas von Jean Mark Gawron (von 1993); das unglaublich gute, dicke und extrem lehrreiche Buch Die Invasion von Bernard Werber über die Kommunikationen mit unseren sechsbeinigen Verwandten, den Ameisen (eine besondere Empfehlung!); das nette Post-Cyberspace-Märchen Gefangen in Harmony von Walter Greatshell; die Sigma-Force Verschwörungsklamotte Das Messias-Gen von James Rollings, bei der es um den Einsatz von übernatürlich begabten Kindern zum Erlangen der Weltherrschaft geht; sowie Menetekel von Raymond Khoury, wo mit Hilfe neuartiger Technologien ein falscher Erlöser aufgebaut wird (ja, schon wieder zwei Messiase!); der Öko- bzw. Energiethriller Methan von Nicola Marni , bei dem es tatsächlich aber um Methanhydrat geht; den irren Roman Gottes kleiner Finger von Risto Isomäki, der den Bau eines riesigen Aufwindkraftwerks in Afrika zum Inhalt hat – nebst dem militanten Widerstand dagegen; und Das Syndikat von Fran Ray, das die Manipulation von Menschen gegen ihren Willen zum Inhalt hat … was ja eigentlich ein Dauerbrenner sein sollte – weil es REAL ist.

Na denn… viel Spaß beim Lesen!

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