Nach längerer Pause soll endlich wieder einmal eine Übersicht über die aktuellen und weniger aktuellen SF und Thriller gegeben werden, welche ich in den letzten drei Monaten gelesen habe. Es sind nicht ganz so viele wie sonst, da ich seit einiger Zeit zunehmen mehr beruflich gefordert bin. Was für einen 64-jährigen alten Sack doch ganz beachtlich ist, oder?!
Beginnen wir also mit den neueren Romanen, um dann immer weiter in die Vergangenheit zu wandern – was aber auch schon das erste Buch selbst ganz ausgezeichnet tut:
Der Jesus-Deal von Andreas Eschbach (2014/2016) ist der ‚Komplementär-Roman‘ zu dem Vorgänger Das Jesus-Video. Das Buch ist schwer zu beschreiben – und noch schwerer ist zu begreifen, wie es dem Autor gelungen ist, die diversen parallelen, sich über- und unterkreuzenden und zeitlich nach vorn und hinten versetzten verschiedenen Zeit- und Erzählstränge auf dem Schirm zu behalten, ohne hierfür einen Quantencomputer eingesetzt zu haben (…gestehe, Andreas!). Es ist dringend zu empfehlen, die beiden Romane gleichzeitig und in verschiedenen Richtungen zu lesen, da ansonsten schwerste Verknotungen der Gehirnwindungen auftreten, die über mehrere Tage anhalten können.
Mars von Ben Bova (1992/2016) sollte in Form dieser Neuerscheinung (da ich mich dunkel erinnere, die Geschichte vor langer Zeit schon einmal gelesen zu haben) vermutlich an den Erfolg von Weirs Marsianer anknüpfen. Tatsächlich soll dieser sogar eben von dem vorliegenden Bova-Roman zu seinem Meisterwerk inspiriert worden sein. Abgesehen davon, daß Uralt-Techniken wie Filme für Kameras, Cassetten, Disketten und Videobänder auftauchen, wirkt das Buch wie neu geschrieben – und kann nur sehr empfohlen werden. Besonders denjenigen, die bereits mit dem Gedanken spielen, zum Roten Planeten auszuwandern. Alleine schon um einen Eindruck davon zu bekommen, was sie dort alles noch zu erforschen haben.
Der Wüstenplanet von Frank Herbert (1965/1978/2016) wollte auch wieder einmal gelesen werden – natürlich in der vollständigen Neuübersetzung durch meinen Freund Jakob Schmidt (Otherland), der mich netterweise sogar in seinen Nachbemerkungen erwähnt. Über das Buch selbst brauche ich ja wohl nichts zu sagen. Außer vielleicht, daß der 800-Seiten Band neben Dune auch noch die beiden Folgeromane sowie diverse Anhänge enthält. Die neue Version ist jedenfalls sehr zu empfehlen!
Tripods – die dreibeinigen Herrscher von John Christopher (1967/2016) ist die komplette, 4-bändige Saga um riesige Maschinen aus dem All, welche die Erde besetzt und die (meisten) Menschen erfolgreich unterworfen haben, indem sie diese mittels elektronischer ‚Kappen‘ kontrollieren. Die Geschichte um den generationenlangen Widerstand ließt sich überraschend frisch, was vermutlich der aktuellen Überarbeitung durch Sabine Rahn zu verdanken ist.
Der Zeitsprung von Robert A. Heinlein (1964/1992/2016) ist die überarbeitete, ungekürzte Neuausgabe eines typischen SF’s aus der Ära des Kalten Krieges – in welchem die Familie Farnham nebst einigen Freunden in ihrem Bunker durch einen Atomschlag in die ferne Zukunft katapultiert werden. Welche sich allerdings als gar nicht so paradiesisch entpuppt. Ganz im Gegenteil. Eine interessante Studie mit ebenso interessanten Plot… und keinesfalls angestaubt.
Babylon von Thomas Thiemeyer (2016) ist ein seltsamer Thiller, bei dem es um ein ebenso seltsames Artefakt geht – das ausgerechnet mitten im heutigen Irak lokalisiert wird. Was die Archäologen aber nicht davon abhält, sich der Sache anzunehmen… und einen Abstieg in Dantes Höllenkreise zu wagen. Wo tief unten irgend etwas EMP-ähnliche Pulse aussendet, die derweil oben für reichlichen Zündstoff sorgen. Ein so neuer Roman, daß darin bereits der syrische Präsident Baschar al-Assad erwähnt wird, und dies sogar etwas differenziert (S. 154), sowie der vom IS geköpfte Leiter der Antikenverwaltung in Palmyra Khaled al-Asaad (S. 345), die die Befreiung seiner Ruinenmetropole daher nicht mehr miterleben durfte.
Das Signal von Patrick Lee (2015/2016) ist der zwei Band um den Ex-Agenten Sam Dreyden, der diesmal in eine abenteuerliche Geschichte hineingezogen wird, bei der es um eine Geheimtechnologie geht, die (wie auch sonst?) von den Deutschen vor 1945 entwickelt – aber dann von den Alliierten zerstört wurde. Nun ist es der Folgegeneration gelungen, die Technik ansatzweise zu replizieren … und Signale aus der Zukunft aufzufangen, mit deren Informationen auf die Geschehnisse der Gegenwart eingewirkt werden kann. Was zu mörderischem Verhalten bei denjenigen führt, welche die Technologie ganz für sich alleine haben wollen. Und da es um das Thema Zeit geht, bleiben Knoten im Gehirn des Lesers dabei nicht aus. Vorsicht also!
Nemesis-Spiele von James Corey (2015/2016) ist der bereits 5. Band jener Space Opera um ein interstellares Portal, das den Weg zu abertausenden neuen Welten öffnet – und damit die bisherige Ordnung im Sonnensystem signifikant stört. Wie die Vorgänger ist auch dieser Roman packend geschrieben, ohne aber mit besonderen neuen Ideen aufzuwarten. Das Problem: Die Geschichte ist noch immer nicht besonders weit gekommen, sodaß zu befürchten ist, daß Corey noch ein Dutzend weiterer Bände plant… sofern es nicht gelingt ihn davon zu überzeugen, selber durch das Portal zu emigrieren.
Departure von A. G. Riddle (2015/2016) beschreibt einen Flugzeugabsturz, bei dem die Teile und Passagiere nicht nur am Boden, sondern auch gleich noch in der Zukunft landen. Der Absturz erweist sich als gezielt verursacht, und die Überlebenden sehen sich nicht erahnten Gefahren gegenüber, bis sich langsam herauskristallisiert, weshalb das alles geschehen – und wer dafür verantwortlich ist. Durch den Einfluß auf die Vergangenheit soll eine fast komplette Auslöschung der Menschheit verhindert werden. Nein, etwas tiefer hängen geht wirklich nicht. Auch hier wieder: Achtung, es besteht die Gefahr von Hirnverknotungen.
Die Lazarus-Mission von James Sawyer (2015/2016) gehört zum Genre des harten Military-SF, wobei es hier um den Kampf gegen die außerirdischen Krell geht, den die tapferen irdischen Soldaten mittels Avataren führen, damit sie nach getanem Tagewerk wieder die U-Bahn nach Hause nehmen können. Schließlich tragen die Leute auch noch Krawatten (S. 72), was ich in einem SF als ganz grausigen Fauxpas empfinde. Viel lieber hätte ich erfahren, was der Autor unter seinen ‚Freien Arabischen Welten‘ vorstellt. Laut Verlagsankündigung soll es sich bei dem Buch um den Auftakt zu einer „gewaltigen, galaxisumspannenden Space Opera“ handeln. Na ja, falls die Munitionsvorräte reichen…
Tracer von Bob Boffard (2015/2016) beschreibt das Leben auf einer riesigen, alten Raumstation, welche die Heimat der überlebenden Menschen ist – während der Planet unter ihnen zu einem tödlichen Ort geworden ist. Doch nun droht auch der Verlust dieser letzten Oase – durch Fanatiker, welche das All endgültig von uns befreien wollen. Zumindest als spannende Urlaubslektüre zu empfehlen.
Die Zeitagentin – Ein Fall für Perri Reed von Kim Harrison (2015/2016) erzählt von den Abenteuern der Agentin Reed, welche der Geheimorganisation Opti angehört – da sie die Fähigkeit hat, exakt 40 Sekunden in die Vergangenheit zurückzuspringen und das Geschehen zu verändern. Diesen Traum wird die Menschheit anscheinend nicht mehr los. In Korruptionsfälle und Intrigen verstrickt, liefert sich Reed einen Wettkampf mit finsteren Mächten, um ihre Integrität zu beweisen … oder auch nur um einfach am Leben zu bleiben. Höchst spannend und vergnüglich.
Dark Space – Die Menschheit ist verloren von Jasper T. Scott (2014/2016) klingt nicht gerade so, als ob noch Hoffnung bestünde. Immerhin gibt es den ‚Dunklen Raum‘, in welchem sich die Reste der Menschen vor der Übermacht der angreifenden Aliens zurückziehen können. Recht spannend geschrieben, aber als Story nicht sehr nachhaltig.
Apollo von Jack McDevitt (2014/2016) hat nicht allzu viel mit dem Titel zu tun, obwohl es im Kern um in altes NASA-Artefakt geht, das dem Antiquitätenhändler Alex Benedict in die Hände fällt. Gleichzeitig geht es um verschollene Raumschiffe, die von Zeit zu Zeit wieder kurz im normalen Raum sichtbar werden, sodaß die Motivation besteht, die darbenden Passagiere irgendwie wieder in die allgemeine Realität zu holen, auch wenn in dieser inzwischen Jahrzehnte vergangen sind, während die Uhren an Bord erst wenige Tage gezählt haben. Ein spannender SF-Krimi ohne übertriebene Gewalt.
Steel Heart von Brandon Sanderson (2013/2016) behandelt die Weltherrschaft der Epics, Menschen mit Superkräften, die sich fast ausnahmslos durch jeglichen Mangel an Skrupeln auszeichnen – und dementsprechend gegenüber den ‚gemeinen Menschen‘ mit Gleichgültig und Brutalität auftreten. Und auch hier geht es um den Widerstand einer kleinen Gruppe, welche alles daransetzt, den brutalen Herrscher von Chicago zu Fall zu bringen. Wie gut also, daß jede und jeder dieser Supermenschen einen Schwachpunkt hat. Doch wie soll man diesen herausfinden?
Sternenschiff von Rachel Bach (2013/2016) ist der erste Band einer Trilogie um dieKämpferin Devi Morris, die als als Sicherheitsbegleitung auf dem ebenso kleinen wie berühmt-berüchtigten Handelsschiff Glorious Fool mit seiner hartgesottenen Crew aus Aliens und Menschen anheuert um einem Schreibtischjob zu entkommen – und daraufhin diverse haarsträubende Abenteuer erlebt. Die Paradox-Sage besticht durch das große Mundwerk und den Mut der Ich-Erzählerin, viel Action und einen rasanten Schreibstil, der hoffen läßt, daß auch die zwei Folgebände den gleichen Lesespaß bringen werden.
Exit von Hugh Howey (2013/2016) ist der Abschlußband eine dystopischen Trilogie um die Reste der Menschheit, die in einem riesigen unterirdischen Silo leben. Also garantiert nichts für Klaustrophobiker. Ich war selbst sehr froh, daß mir die ersten beiden Bände irgendwie entgangen sind, denn so weit in die enge Tiefe will ich eigentlich (noch) nicht. Zugegeben, der Roman ist gut strukturiert und nachvollziehbar, läßt sich aber nur ertragen, da es trotz aller Widrigkeiten – derer es unendlich viele gibt – am Ende doch noch gut ausgeht, wenigsten für ein paar Überlebende.
Alpha & Omega – Apokalypse für Anfänger von Markus Orths (2014) wird im Grunde nicht als SF geführt, obwohl es die Geschichte von Omega Zacharias ist, die als erster Mensch mit drei Gehirndritteln geboren wird. Was aber nur der Anfang ist. Ihre Geschichte wird von Elias aufgezeichnet, der aus dem Jahr 2525 in die Gegenwart reist. Ein rasantes Stück Literatur, das sogar beweisen kann, daß es ein vollgültiger utopischer Roman ist. Oder wie würden Sie sonst die Erwähnung einer Stellungnahme von Präsidentin Hillary Clinton (S. 399) chronologisch einordnen?
Die Kairo-Affäre von Olen Steinhauer (2014) ist ein Agenten-Thriller, der nur insofern SF ist, als daß er die aktuellen Geschehnisse in Nordafrika, wie der unrechtmäßigen Zerstörung der Libyschen Volksdjamahiriya und dem Sturz von Gaddafi auf Pläne des CIA zurückführt – und das kann ja ganz sicher nicht die Realität sein, oder?! Dreh- und Angelpunkte des Ganzen sind der US-Diplomat Emmet Kohl und seine Frau Sophie in Kairo. Für Insider ein sicherlich äußerst interessanter Blickwinkel auf den Vorabend des unsäglichen ‚Arabischen Frühlings‘.
Die Verlassenen von Tom Perrotta (2011/2014) ist die Vorlage zur TV-Serie The Leftovers (die ich allerdings nicht kenne, da ich mir Serien fast ausnahmslos schenke), in welcher das Leben der ‚Hinterbliebenen‘ beschrieben wird, nachdem eine Art Apokalypse einen Teil der Menschheit einfach hat verschwinden lassen. Keine neue Idee, und auch sehr viel weniger berührend als das phantastische Das große Verschwinden von Philip Wylie (1951), das ich bereits vor zwei Jahren besprochen habe. Daran ändern können auch die Vertreter einer seltsamen Sekte nichts, die nur stumm beobachtend herumstehen – und dabei unaufhörlich rauchen, warum auch immer.
Das Rätsel des Kristallschädels von M. C. Scott (2008/2009) ist eines der unzähligen Bücher um das inzwischen längst vergangene Jahr 2012, an dem die Welt bekanntlich doch nicht untergegangen ist – aller Menetekel zum Trotz. Die 13 Schädel müssen fristgerecht und am richtigen Ort zusammengeführt werden, um die ominöse Katastrophe abzuwenden. Weshalb auch Nostradamus einen Auftritt hat. Leider wird nur sehr am Rande erwähnt, daß die Schädel selbst möglicherweise Wissenspeicher sind… wie ich es in meiner eigenen SF-Novelle 10 hoch 23 beschrieben habe (s.d.)
Quantum von Tom Crace (2000/2002) ist einmal mehr ein Thriller, in welchem es um die Entdeckung einer neuartigen Energiequelle geht. Und wie üblich: Die Grundlagen des quantentechnischen Geräts gehen auf einen deutschen Physiker zurück, dem es gelingt, nach dem Krieg in den USA Fuß zu fassen … jedenfalls solange, bis die jüdischen Rächer ‚Nokmin‘ ihn zur Strecke bringen. Womit die Erfindung erst einmal im wahrsten Sinne des Wortes in der Versenkung verschwindet. Doch nun ist sie wieder aufgetaucht, und ein wilder Reigen an Interessen und Gegeninteressen wird eröffnet, der einen ziemliche Menge an Kollateralschäden verursacht.
Das Nimrod-Projekt von Charles Sheffield (1993/2008) könnte in die Rubrik ‚Freie Jahr für freie Bürger‘ eigeordnet werden, wenn es eine solche denn gäbe. Nachdem ein paranoider Sicherheitschef ein künsrliches Wesen erschgaffen ließ, das so gut wie unbezwingluich ist, um die Ränder des ständig wachsenden Hemisphäre der Menschheit zu verteidigen … muß das enflohene Ding aus der eigenen Welt nun gejagt und vernichtet werdem da es sonst eine nicht absehbare Gefahr bedeuten könnte. Sehr nett wird allerdings die Zusammenarbeit der Jagd-Teams beschrieben, zu denen neben Menschen auch Vertreter verschiedener anderer Alien-Rassen gehören.
Polar City Blues von Katherine Kerr (1990/1992) hat ebenfalls eine weibliche Protagonistin, Bobbie Lacey, eine ehemalige Pilotin der Sternenflotte. Und diese erlebt nun in der grellsten und lautesten Stadt der Allianz eine Folge von Abenteuern, bei denen es um den Mord an einem Botschaftangehörigen der galaktischen Konföderation (ja ja, das ist ganz großes Theater!), außerirdischen Artefakten und diversen Intrigen geht.
Die Wanderer von Arkadi und Buris Striugatzky (1985/1997) gehört zu den Romanen um Maxim Kammerer, der diesmal untersuchen soll, ob sich Aliens unerkannt unter die Menschen der Erde gemischt haben. Aber gib es die ‚Wanderer‘ wirklich, und wie will man sie finden, wenn sie möglicherweise schon Jahrhunderte an Erfahrung haben, sich unter uns zu verbergen? Aus heutiger Sicht wirkt der Roman etwas aktbacken… und natürlich ziemlich ’sowjetisch‘.
Mehr Dinge zwischen Himmel und Erde von John Brunner (1973/1983) behandelt die Rückkehr des ersten Sternenschiffes der Menschheit, die mit unerwarteten und unmöglichen Geschehnissen auf der Erde zusammentrifft. Eine Studie zur Entwicklung unserer Spezies.
Von diesem Tage an von John Brunner (1972/1984) ist ein Kurzgeschichtenband des Altmeisters, in dessen Story Das größte Wild von 1955 (!) möglicherweise erstmal die sogenannten ‚Men in Black‘ Erwähnung finden. Auch wenn sie hier in einem etwas anderen Kontext erscheinen, als in ihren späteren Adaptionen.
Ad Astra!