vonAchmed Khammas 12.07.2022

Der Datenscheich

Erneuerbare Energie, Science Fiction, Technikarchäologie und Naher Osten – verifiziert, subversiv, authentisch.

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Nicht, daß jemand denkt, ich hätte keine neuen SFs gelesen. Nur zum rezensieren war ich zu faul. Weshalb ich mich nun zusammenreiße und das Unterlassene im Laufe der nächsten Tage nachholen werde.

Himmelsfluss (2020/2022) und Alle diese Welten (2017/2019) von Dennis E. Taylor sind der 3. und 4. Band der damit abgeschlossenen Saga um das ‚Bobiverse‘, deren ersten beide Bände ich im März 2019 rezensiert hatte. Zur Erinnerung hier nochmals der damalige Text:

Ich bin viele und Wir sind Götter von Dennis E. Taylor (2016/2018 bzw. 2017/2019) sind der 1. und 2. Band der (von mir so genannten) ‚Von-Neumann-Saga‘, die mit dem Start eines nadelgroßen Raumschiffs mit höchst interessantem – und ebenso höchst komprimierten – Inhalt beginnt, das in den Orbit und weiter ins nächste Sonnensystem geschossen wird.

Abgesehen von der knackigen und schnellen Erzählweise des Autors, die nicht eine Millisekunde Langeweile aufkommen läßt, hat mich seine dimensions- und vorstellungssprengende Phantasie begeistert, mit der er die nachfolgenden Generationen des ‚Raumschiffs‘ und deren zum Teil haarsträubenden, aber auch lustigen und immer wieder verblüffenden Abenteuer beschreibt. Weniger gut fand ich, daß das hochgeladene Bewußtsein des Buchhelden Bob Johansson als als KI bezeichnet wird – was nun eindeutig zwei paar Schuhe sind. In jedem Fall sehe ich auch dem nächsten Band dieser tollen Reihe mit allergrößter Spannung entgegen.

Tatsächlich fiel mir das Einlesen in den 3. Band nach der verflossenen Zeitspanne etwas schwer, doch irgendwann hatte mich die Geschichte wieder gepackt – und im 4. Band eröffnet sich eine noch größere Phantasiewelt, die wie eine Mischung aus Nivens Ringwelt und Farmers Flußwelt erscheint. Neben vielen technologischen Überraschungen gibt es dabei Fremdweltler zu erkunden, kompletten Alien-Zivilisationen zu widerstehen und mit den neuen Generationen der ‚Bobs‘ klarzukommen, die derweil immer weiter evolviert sind. Ein gewaltiges Lesevergnügen, das man sich als Vierer-Pack gönnen sollte!

Die letzte Kosmonautin von Brandon Q. Morris (Matthias Matting) (2022) ist ein Kabinettstück ersten Ranges, und beileibe nicht nur für DDR-Nostalgiker. Zum 80. Jahrestag des Bauern- und Arbeiterstaates schwebt die Kosmonautin Mandy (!) Neumann an Bord der ‚Völkerfreundschaft‘ und die Erde … und wird in eine Reihe heftiger Abenteuer hineingezogen, bei denen sie um ihr Leben kämpfen muß. Das Geheimnis, das sich schließlich offenbart, hat mit dem Versuch der DDR-Wissenschaftler zu tun, das Quanten-Vakuum zur Energieerzeugung zu nutzen.

Nach dem Nachwort beschert uns der Autor noch eine mehrseitige ‚Biographie des Nichts‘, in welcher er auch auf den Casimir-Effekt eingeht. Wobei er noch 2014 große Skepsis gegenüber der ‚Kalten Fusion‘ des italienischen Physikers Andrea Rossi geäußert hatte. Ich empfand das sympathische Buch jedenfalls als große Bereicherung.

Pantopia von Theresa Hannig (2022) ist eine Utopie reinster Güte, wie sie in den letzten Jahren immer seltener geworden sind. Die Umsetzung, die sich gegenüber allen Widerständen behaupten kann, basiert auf einer neuen Finanzordnung, die das materielle Fundament für ein würdevolles Leben aller Lebewesen auf der Erde ermöglicht. Mal ehrlich: Wer hat heute noch die Courage, eine derartige Vision öffentlich zu vertreten?! Mag sein, daß die Geschichte als naiv bezeichnet wird, doch das Erwachen einer ‚starken KI‘ ist dies keineswegs. Und Hannig scheint genau wie ich der Idee anzuhängen, daß man eine solche nur wie ein Kind liebevoll unterstützen kann. Sehr zu empfehlende Lektüre!

Die neue Wildnis von Diane Cook (2020/2022) ist hingegen eine schwere Enttäuschung, trotz der Preise, die das Buch bekommen hat. Die Geschichte um eine Truppe Freiwilliger, die im letzten Naturwildnis-Gebiet der Erde ausgesetzt werden, um zu untersuchen, ob Menschen ohne Unterstützung in der Natur überleben können, ist zwar gut beschrieben – aber letztlich ohne Sinn und Zweck und mit ziemlich großen Lücken in der Logik. Das Lektorat hätte da unbedingt die Bremse ziehen sollen.

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