vonFalk Madeja 16.01.2010

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Ja, mehr und mehr Niederländer kratzen sich hinter den Ohren: es knirscht zwischen den großen Regierungsparteien CDA und PvdA, wird es Neuwahlen geben? Geert Wilders fordert wieder mal den Rücktritt von Premier Jan-Peter Balkenende (CDA), doch obwohl er diese Woche nach Publikation der Kommission Davids über die Politik der Regierung am Vorabend des Irak-Krieges ein teilweise peinliches Bild abgab, denkt der natürlich nicht daran um wie von Wilders empfohlen, mal eben bei der Königin vorbeizufahren und Auf Wiedersehen zu sagen.

Und die PvdA? Ihr Finanzminister Wouter Bos war rund um den Auftritt von Balkenende verärgert, denn es war nicht klar, für wen Balkenende sprach: für die damalige Regierung, gegen deren Politik die Oppositionspartei PvdA war? Für die heutige, in der die PvdA sitzt? Schließlich rauften sich CDA und PvdA zusammen, denn die Alternative wäre vielleicht Neuwahlen gewesen: bei denen CDA und PvdA jetzt 30 Sitze verlieren würden. Zusammen mit den 6 Sitzen der Christenunion haben CDA 41, PvdA 33 also zusammen 80 der 150 Sitze. 30 weniger – eigentlich Exit.

Meinungsforscher Maurice de Hond denkt, dass es im Herbst vorgezogene Neuwahlen geben könnte. Es zeichnen sich wie auch immer zwei Gewinner ab: Geert Wilders und D66. Diese linksliberale Partei ist die JoJo-Partei der niederländischen Parteienlandschaft, mal wie heute 3 Sitze und dann wie heute in den Umfragen von Nipo TNS so um die 20 Sitze. In den letzten Jahren, könnte man sagen, wurde allerdings die gesamte niederländische Parteienlandschaft eine JoJo-Angelegenheit.

Nehmen wir mal die VVD, aus der Geert Wilders mal ausgetreten ist. Lange Zeit gebeutelt und in den Umfragen nach unten gedrückt, während Wilders fröhlich einen Umfragen-Erfolg nach dem anderen feierte. Die VVD war Ende Dezember bei Nipo TNS auf einmal hinter der PVV (27) mit 24 Sitzen noch vor CDA (21) und PvdA (22) die zweitstärkste Gruppe im Parlament. Im März gibt es Gemeinderatswahlen, Wilders tritt nur in Den Haag und Almere an und die VVD mit ihrem landesweit existierenden Partei-Organisationen wird einer der Gewinner sein und noch mehr Aufschwung erleben.

Aber was, wenn es nach den heutigen Umfrageergebnissen Neuwahlen gäbe? Geert Wilders kam mit der ersten Idee. Er könne sich vorstellen, eine Minderheitskoalition aus CDA und VVD zu unterstützen – etwa so wie in Dänemark, wo die ihm ähnlich gesinnte Dänische Volkspartei eine liberal-konservative Koalition toleriert. Das sagt er weil er weiß, dass Teile des CDA – darunter Maxim Verhagen, der heutige Außenminister und designierte Nachfolger von Balkenende – mindestens gegen eine Koalition mit Wilders sind. Wilders ist antireligiös, CDA als christliche Partei nicht. Diese Stimmen gegen eine Koalition mit Wilders dürften allerdings auch gegen eine “Tolerierung” durch den großen Intoleranten der niederländischen Politik sein.

Wie wäre es mit einer linken Koalition? Nach den heutigen Umfragen haben PvdA 22, D66 20, SP 15, GrünLinks 9 Sitze und so käme man auf 66, also zu wenig. O.k. Vielleicht die Christenunion mit ihren 8 und die Tierpartei mit einem Sitz wären 75, immer noch einer zu wenig und mit 6 Parteien doch arg viel in einer Regierung. Das mal ganz abgesehen davon ob man der PvdA empfehlen sollte, mit der sie von links bedrängenden SP in eine Regierung zu formen.

Wie wäre es dann mit CDA, VVD und PvdA? Rein rechnerisch heute 21 plus 24 plus 22 = 67, wobei ich glaube, dass CDA doch noch über 30 kommen könnte. Vielleicht noch Christenunion dabei und es könnte klappen.

Dann noch CDA, VVD und D66 – heute 21 plus 24 plus 20, also 64, da müsste noch eine Partei dazu oder CDA kommt deutlich über 30, was aber wiederum zu Lasten der VVD gehen könnte.

Wie ich es auch drehe und wende: die Mehrheit der Niederländer hat keine Lust auf Chaos in Den Haag. Am Ende werden CDA, PvdA, VVD und D66 eine Vierparteien-Regierung bilden müssen. Das ist zwar fast schon eine Monsterkoalition, aber nach den heutigen Umfragen käme man mit 21, 22, 24 und 20 Sitzen auf komfortable 87 Sitze, wahrscheinlich eher mehr. Nachteil für die niederländische Innenpolitik: es gäbe eine schwache Opposition. Geert Wilders, der permanent über Moslems herumkräht, die SP, die sich an der PvdA abarbeiten würde und GrünLinks mit der populären Femke Halsema, die Partei hinter ihr allerdings ein nicht so relevanter Faktor.

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