vonHans Cousto 16.12.2013

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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Gemäß Pressemitteilung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, vom 25. April 2013, die unter dem Titel „Zahl der Drogentoten 2012 auf dem niedrigsten Stand seit 1988“ erschien, ist die Zahl der Drogentoten im Jahr 2012 um weitere 4 Prozent auf 944 (Vorjahr: 986) gesunken. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung erklärte dazu: „Es ist erfreulich, dass immer weniger Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums sterben. Das zeigt, dass unsere Beratungs- und Hilfsangebote sowie die zur Verfügung stehenden Angebote wirken.

Aufgrund dieser Tatsache versahen die meisten Zeitungen Artikel zum Thema mit Überschriften wie „Weniger Drogentote in Deutschland“ oder „Zahl der Drogentoten weiter gesunken“ oder auch „Zahl der Drogentoten auf tiefsten Stand seit 24 Jahren“. Im Gegensatz dazu titelte die Neue Nordhäuser Zeitung am 11. Dezember 2013 „Wieder mehr Drogentote“ und im Artikel hieß es:

Todesfälle infolge Drogenkonsums wurden im Jahr 2012 in 1.739 Fällen diagnostiziert. Gegenüber dem Jahr 2011 waren das 29 Sterbefälle bzw. 1,7 Prozent mehr. Der Anteil der legalen Droge Tabak an den drogenbedingten Sterbefällen insgesamt lag im Jahr 2012 bei 70,8 Prozent. Die Zahl der Sterbefälle stieg um 65 bzw. 5,6 Prozent auf 1.231 verstorbene Thüringer.

An zweiter Stelle der drogenbedingten Sterbefälle lag die legale Droge Alkohol. Im Jahr 2012 betrug ihr Anteil 28,8 Prozent. Mit 500 Sterbefällen im Jahr 2012 war gegenüber dem Jahr zuvor ein Rückgang um 29 Fälle bzw. 5,5 Prozent zu verzeichnen.

Sterbefälle infolge Konsums illegaler Drogen wurden im Jahr 2012 in acht Fällen diagnostiziert. Die Hälfte von ihnen war im Alter von 20 bis unter 40 Jahren.

Dieser Artikel war Anlass für weitere Recherchen, um die Relationen und Entwicklungen bei Todesfällen im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum herauszuarbeiten. Dabei traten ein paar überraschende Ergebnisse zu Tage.

Die Situation in Thüringen

Die Zahl der stationären Krankenhausbehandlungen die aufgrund des Konsums von Drogen notwendig wurden, stieg in den letzten zehn Jahren kontinuierlich an, wie die folgende Abbildung zeigt.

Drogenbedingte stationäre Krankenhausbehandlungen in Thueringen
Abbbildung 1 zeigt die Zahlen der stationären Krankenhausbehandlungen gemäß der amtlichen Landesstatistik „Aus Krankenhäusern entlassene vollstationäre Patienten nach Geschlecht und Diagnosen“ in Thüringen für den Zeitraum 2003 bis 2012. Insgesamt mussten in den letzten zehn Jahren die meisten Bahndlungen wegen des übermäßigen Konsums von Alkohol durchgeführt werden, 111.717 an der Zahl respektive 55,7% aller Behandlungen, die wegen Drogenkonsum durchgeführt werden mussten. Die Zahl dieser Behandlungen nahm von 2003 bis 2012 um 30,8% zu.

Wegen des Konsums von Tabak mussten im gleichen Zeitraum 69.467 Behandlungen durchgeführt werden. Das waren 34,6% aller Behandlungen wegen Drogen. Die zahl dieser Behandlungen nahm in diesem Zeitraum um 20,4% zu. Wegen des Konsums illegalisierter Drogen mussten 19.363 Behandlungen durchgeführt werden. Das waren 9,7% aller Behandlungen wegen Drogen. Die Zunahme lag in diesem Zeitraum bei 36,0%.

Insgesamt wurden in thüringer Krankenhäuser in den letzten zehn Jahren 5.556.770 Behandlungen durchgeführt, 2,01% betrafen Patienten mit Poblemen wegen Alkohol, 1,25% betrafen Tabak und 0,35% illegalisierte Drogen.

Die Zahl der „Drogentoten“ stieg in Thüringen von 1.693 im Jahr 2003 auf 1.739 im Jahr 2012. Dies entsprich einer Zunahme um 2,7% in zehn Jahren. Dabei zeigt sich, dass die Entwicklung bei den verschiedenen Substanzen sehr unterschiedlich verlief, wie auf der Abbildung 2 zu sehen ist.

Drogentote in Thueringen

Abbildung 2 zeigt die Zahlen von „Drogentoten“ in Thüringen gemäß der amtlichen Landesstatistik „Sterbefälle Thüringer Bürger infolge von Drogenkonsum nach Altersgruppen, Art der Droge und Geschlecht“ für die Jahre 2003 bis 2012. Etwa 2/3 der „Drogentoten“ entfallen auf die Droge Tabak, wobei die Tendenz steigend ist. Die Zahl der „Tabaktoten“ stieg in den letzten zehn Jahren um 16,1%. Knapp 1/3 der „Drogentoten“ entfallen auf die Droge Alkohol, wobei die Tendenz fallend ist. Die Zahl der „Alkoholtoten“ sank in den letzten zehn Jahren um 20,1%. Die Zahl der Opfer aufgrund des Konsums illegalisierter Substanzen schwankte gemäß der amtlichen Landesstatistik zwischen 7 und 20 pro Jahr. Insgesamt starben in den letzten zehn Jahren in Thüringen 115 Personen im Zusammenhang mit dem Konsum illegalisierter Drogen. Das waren 0,04% aller Todesfälle in diesem Zeitraum in Thüringen respektive 0,7% aller „Drogentoten“. Für Tabak lauten die Zahlen 4,35% respektive 67,1% und für Alkohol 2,09% respektive 32,2%.

Alkoholtote in Deutschland

In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts kursierte die Zahl von jährlich 40.000 alkoholbedingten Todesfällen. So stand es beispielsweise im „Jahrbuch Sucht 96“ der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (S. 31) oder auch im „Drogen- und Suchtbericht 1999“ des Bundesministeriums für Gesundheit (S. 21). Nach der Jahrtausendwende stand in diversen Publikationen die Zahl 42.000, so beispielsweise im „Jahrbuch Sucht 2001“ (S. 202 ff.). Im „Drogen- und Suchtbericht“ der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vom Mai 2013 wird eine weit größere Zahl angegeben. Dort heißt es auf Seite 17 wörtlich: „An den direkten und indirekten Folgen ihres übermäßigen Alkoholkonsums versterben pro Jahr 74.000 Menschen.

Diese Zahlen vermitteln den Eindruck, dass die Zahl der alkoholbedingten Todesfälle seit der Jahrtausendwende bis zum Jahr 2012 um 85% zugenommen hätten. Dies ist jedoch nicht der Fall, ja das Gegenteil ist der Fall. So teilte das Statistische Bundesamt mit, dass im Jahr 2005 in Deutschland 16.302 Personen (12.233 Männer und 4.096 Frauen) im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol starben. Das waren rund 2% aller Sterbefälle. Im Jahr 2005 starben damit mehr Menschen im Zusammenhang mit Alkohol als durch Suizide (10.260) und tödliche Verkehrsunfälle (5.458) zusammen. Im Jahr 2000 starben gemäß Statistischem Bundesamt mehr Menschen im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol: 16.610 Personen. In der Zeit von 2000 bis 2005 ist somit die Zahl der alkoholbedingten Todesfälle leicht gesunken. Für diese Zahlen gilt: Die Todesfälle, bei denen Alkoholkonsum mit zum Tode beigetragen hat, jedoch nicht als Hauptursache (Grundleiden) erkannt wurde, sind in den Zahlen über Alkohol als Todesursache nicht berücksichtigt.

Die häufigste alkoholbedingte Todesursache war die alkoholische Leberzirrhose mit 9.250 Gestorbenen im Jahr 2005 respektive 9.550 im Jahr 2000. In diesem Zeitraum hat diese Todesursache somit um 3,1% abgenommen.

Alkoholbedingte Verkehrstote in Deutschland

Die Zahl der Todesopfer im Straßenverkehr ist in Deutschland in den letzten 20 Jahren deutlich kleiner geworden. Wurden 1992 noch 10.631 Verkehrstote registriert, davon 2.102 (19,8%) aufgrund von Alkoholeinfluss beim Fahrer, so waren es 2012 nur noch 3.600, davon 338 (9,4%) aufgrund von Alkoholeinfluss beim Fahrer. Eine Übersicht der Fallzahlen ist in der folgenden Abbildung dargestellt.

Verkehrstote in Deutschland

Abbildung 3 zeigt die jährlichen Zahlen der Verkehrstoten in Deutschland, Zeitreihe 1992 bis 2012 für die Verkehrstoten insgesamt und der Verkehrstoten, die durch Alkoholkonsum bedingt waren. Insgesamt sank die Zahl der Verkehrstoten in diesem Zeitraum um 66,1%, die der durch Alkoholkonsum bedingten sogar um 84,0%. Die Zahl der durch Alkoholkonsum bedingten Todesfälle sank deutlich stärker als die Gesamtzahl der Todesfälle.

Im Dezember 2012 wurde eine europaweite TISPOL Alkohol- und Drogenkontrolle im Straßenverkehr durchgeführt. Dabei wurde in 29 Ländern 1,2 Millionen Fahrzeuglenker kontrolliert. Dabei wurden 13.236 alkoholisierte Fahrer (1,1%) und 1.830 Fahrer unter Einfluss anderer Drogen (0,15%) überführt. Im Jahr 2010 wurden bei TISPOL-Kontrollen in Deutschland weit über 100.000 Fahrzeuge angehalten und die Fahrzeuglenker überprüft. Dabei wurde offenbar, dass in Deutschland 1,2% der Fahrer einen zu hohen Alkoholgehalt im Blut hatten. Aufgrund der Tatsache, dass im gleichen Jahr 9,5% aller Verkehrstoten durch übermäßigen Alkoholkonsum vor der Fahrt maßgeblich mitverursacht wurden, kann man leicht errechnen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein angetrunkener Fahrer einen Unfall mit tödlichem Ausgang verursacht, etwa 8 mal größer ist, als dies bei einem nüchternen Fahrer der Fall ist.

Tispol (European Traffic Police Network) ist die Vereinigung der europäischen Verkehrspolizeien, vergleichbar mit Interpol im Kriminalbereich. Mehr dazu im Artikel „Verkehrstote, Alkohol und Drogen“ in diesem Blog.

Tabaktote in Deutschland

Im „Jahrbuch Sucht 96“ der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (S. 78) wird die Zahl der tabakbedingten Todesfälle in Deutschland mit 111.000 angegeben. Auch das Institut für Therapieforschung (IFT) in München veröffentlichte diese zahl über viele Jahre hinweg. Im „Drogen- und Suchtbericht“ der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vom Mai 2013 wird eine etwas kleinere Zahl angegeben. Dort heißt es auf Seite 24 wörtlich:

Tabakkonsum verkürzt das Leben um durchschnittlich etwa zehn Jahre. Mit etwa 110.000 Todesfällen pro Jahr stellt das Rauchen damit das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland dar. Mehr als die Hälfte aller regelmäßigen Raucher stirbt vorzeitig an Lungenkrebs, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung oder einer anderen Atemwegserkrankung.

Diese Zahlen suggerieren, dass die durch Tabakkonsum bedingte Sterblichkeit in den letzten 20 Jahren nicht zugenommen, sondern leicht abgenommen habe. Da jedoch die häufigsten durch Rauchen hervorgerufenen Krebsarten (Kehlkopf-, Bronchen- und Lungenkrebs) und den damit verbundenen Todesfällen in den letzten 20 Jahren massiv zugenomen haben, scheint es sehr unwahrscheinlich, dass die Angaben im „Drogen- und Suchtbericht“ der Drogenbeauftragten der Bundesregierung ihre Richtigkeit haben. 1992 wurden 36.943 Todesfälle aufgrund dieser Krebsarten registriert, 2012 waren es 45.908. Dies entspricht einer Zunahme um 24,3% innerhalb von 20 Jahren. Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung in den letzten zehn Jahren.

Todesfälle aufgrund von Kehlkopf-, Bronchen- und Lungenkrebs in Deutschland für den Zeitraum 2003 bis 2012

Abbildung 4 zeigt die Todesfälle aufgrund von Kehlkopf-, Bronchen- und Lungenkrebs in Deutschland für den Zeitraum 2003 bis 2012. In diesem Zeitraum stieg die Zahl dieser Todesfälle um 12,3%. Zum Vergleich: In Thüringen stieg die Zahl der durch Tabakkonsum bedingten Todesfälle gemäß der amtlichen Landesstatistik  um 16,1%. Auch wenn diese Zahlen nicht vollkommen korrelieren, so zeigen sie deutlich einen Trend des Ansteigens der Fallzahlen.

Die Moral von der Geschicht’, traue der Drogenbeauftragten nicht!

Vergl. hierzu in diesem Blog

17.04.2014: 2013 wieder mehr Drogentote

 

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https://blogs.taz.de/drogerie/2013/12/16/wieder-mehr-drogentote/

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