vonHans Cousto 16.02.2021

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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YouTube hat im September die Richtlinien geändert und offenbar gleichzeitig begonnen, eine verschärfte Zensursoftware einzusetzen. Vielleicht soll diese künstliche Intelligenz (KI) für kommende Uploadfilter trainiert werden. Jedenfalls handelt dieses Programm zunächst autonom ohne menschliches Zutun, löscht Links aus Videobeschreibungen und erteilt dafür Verwarnungen (Strikes). Nach zwei Verwarnungen kann man schon sieben Tage keine Videos veröffentlichen. Nach vier Strikes wird der Kanal komplett mit allen Videos und Abonnenten zunächst entfernt. Gegen diese Strikes gibt es ein zweistufiges Beschwerdeverfahren. Schritt eins ist eine Beschwerde über ein automatisch generiertes Formular. Diese Beschwerden werden nach einer Weile regelmäßig ohne Angabe von Gründen abgelehnt. Schritt zwei ist die Beschwerde per E-Mail an den Partnersupport. Hier sind zum ersten mal Menschen involviert, die individuell formulierte E-Mails schreiben. Das Personal von YouTube hat bisher alle Verwarnungen für den Kanal des Deutschen Hanfverbandes (DHV) aufgehoben und damit letzten Endes bestätigt, dass der DHV nicht gegen die YouTube-Richtlinien verstoßen hat.

Absurde YouTube-Zensur

Am Sonntag,11. Oktober 2020, hat der DHV bei Youtube zwei Strikes erhalten wegen Links in der Videobeschreibung der DHV-News #266 vom 9. Oktober 2020. Die Links wurden aus der Videobeschreibung entfernt und der DHV durfte sieben Tage lang keine Videos hochladen, Live-Videos starten oder Community-Nachrichten versenden. Konkret ging es um zwei Links auf die DHV-Seite. Der eine führte zu einem Beitrag aus dem Alternativen Drogen- und Suchtbericht 2020 „Cannabis: Entkriminalisierung mit Ordnungswidrigkeit und Bußgeld?“ Das ist ein juristischer Fachartikel, den der DHV-Geschäftsführer Georg Wurth zusammen mit dem Polizeipräsidenten a.D. Hubert Wimber und dem Juraprofessor Helmut Pollähne verfasst hat. Der zweite Link ging zur Audio-Spur (Podcast) derselben DHV-News. Diese Links wurden von den Youtube-Algorithmen als Verstoß gegen die „Youtube-Richtlinien zum Verkauf von Gütern, die gesetzlichen Beschränkungen unterliegen“ gewertet.

Es gab zahlreiche weitere Linklöschungen. Und alle Linklöschungen seit September hat die KI begründet mit „Verstoß gegen die Richtlinien zum Verkauf von Gütern, die gesetzlichen Beschränkungen unterliegen.“ Aber weder verkauft der DHV gesetzlich beschränkte Güter, noch verlinkt der DHV in Videobeschreibungen Shops, die das tun. Der menschliche YouTube-Parner-Support hat das bisher auch immer bestätigt – wenn mal jemand Zeit dafür gefunden hat. Das Problem ist, dass nach menschlicher Prüfung und Aufhebung des Vorwurfes eines Verstoßes die KI die nach der Prüfung wieder eingefügten Links erneut löscht und erneut einen Strike setzt.

Alle alten Videos offline

Ausschnitt aus dem Bildschirmfoto der Website https://socialblade.com/youtube/user/deutscherhanfverband vom 5. November 2020
Ausschnitt aus dem Bildschirmfoto der Website https://socialblade.com/youtube/user/deutscherhanfverband vom 5. November 2020, zum vergrößern Bild anklicken

Um einer völligen Löschung des Kanals vorzubeugen, hat der DHV am 29. Oktober 2020 alle alten Videos ausgeschaltet und die Angelegenheit den Anwälten Philine Töpper und Thorsten Feldmann von der Berliner Kanzlei JBB anvertraut. Die ausgeschalteten Videos wurden insgesamt über 16 Millionen mal aufgerufen.

Es hat ewig gedauert, aber in der letzten Woche im Januar 2021 war es dann endlich soweit. YouTube hat nach mehrfachem Nachhaken der Anwaltskanzlei den letzten noch aktiven Strike für den Link zum Beitrittsformular des DHV für Fördermitglieder zurückgenommen. Schon vor Weihnachten wurde Rechtsanwalt Feldmann mitgeteilt, dass der DHV zukünftig nicht mehr mit dieser Art Strike konfrontiert werde. Bis dann auch die noch aktive Verwarnung nach nochmaliger Nachfrage gelöscht wurde, verging ein weiterer Monat. YouTube schrieb dem DHV am 23. Januar 2021 bezüglich des Links zum DHV-Beitrittsformular und am 25. Januar 2021 bezüglich des Links zum DHV-Shop jeweils:

Nachdem wir uns den Inhalt noch einmal angesehen haben, geben wir dir Recht: Er verstößt tatsächlich nicht gegen unsere Community-Richtlinien. Vielen Dank für deine Geduld, während wir deine Beschwerde bearbeitet haben. Wir sehen deshalb so genau hin, weil wir möchten, dass YouTube eine sichere Plattform für alle Nutzer ist – und das geht nur, wenn unsere Community-Richtlinien eingehalten werden. Dabei können uns aber manchmal auch Fehler passieren. Danke, dass du uns auf diesen hier aufmerksam gemacht hast.

Alle Videos wieder online

Ausschnitt aus dem Bildschirmfoto der Website https://socialblade.com/youtube/user/deutscherhanfverband/monthly vom 15. Februar 2021, zum vergrößern Bild anklicken
Ausschnitt aus dem Bildschirmfoto der Website https://socialblade.com/youtube/user/deutscherhanfverband/monthly vom 15. Februar 2021, zum vergrößern Bild anklicken

Kein einziger Strike seit September wurde also nach Prüfung von YouTube aufrecht erhalten, der DHV hat in diesen Fällen nicht gegen Community-Richtlinien verstoßen. Trotzdem konnte der DHV deshalb vier Monate lang seinen Kanal nur sehr eingeschränkt nutzen, weil YouTube ewig nicht auf Beschwerden reagiert hat. Am Dienstag, 26. Januar 2021, hat der DHV alle Videos wieder freigeschaltet. Am 29. Januer 2021 hieß es auf der Webseite Update YouTube-Zensur des DHV:

Alles wieder gut? Das nun auch wieder nicht. Wir haben zwar keine weitere Verwarnung erhalten, die unseren Kanal grundsätzlich bedrohen, aber neuerdings wieder eine Altersbeschränkung auf die DHV-News-Folge #277. Außerdem wurden an dem Tag, an dem wir die Videos wieder freigeschaltet haben (26.01.), sofort wieder etliche Links aus Videobeschreibungen entfernt.

Die Liste der entfernten Links aus den Vieobeschreibungen sind in dem Update YouTube-Zensur des DHV aufgelistet. Die Nutzer/innen des DHV-Kanals haben die Strikes von YouTube nicht davon abgehalten, sich Videos auf diesem Kanal anzuschauen. In den sieben Tagen vor der Freischaltung aller alten Videos – also zur Zeit in der nur aktuelle DHV-News verfügbar waren – wurden etwas mehr als 153.000 mal Videos auf dem Kanal aufgerufen. In den sieben Tagen nach der Freischaltung aller Videos wurden über 275.000 mal Videos auf dem Kanal aufgerufen. Und in den letzten drei Wochen, also seit dem Freischalten aller Videos, hat der Kanal über 8.000 Abonnenten hinzugewonnen, so dass der DHV-Kanal derzeit mehr als 178.000 Abonnenten hat. Insgesamt gab es auf dem YouTube-Kanal des DHV inzwischen mehr als 17 Millionen aufrufe von Videos.

Drug Education Agency (DEA) + Nachtschatten TV

Logo der Drug Education Agency (DEA)
Logo der Drug Education Agency (DEA)

Die Drug Education Agency (DEA) ist eine multimediale psychonautische Akademie. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Menschheit mit wahrheitsgetreuen, zuverlässigen und inspirativen Informationen zu psychoaktiven Substanzen, Pflanzen und Pilzen sowie zu den interdisziplinären psychoaktiven Wissenschaften zu versorgen. Dies geschieht vornehmlich mit den DEA-Videos, die in ihrer Art eine Mischung aus Schulfernsehen und Unterhaltungsshow sind. Im Verbund mit anderen antiprohibitionistischen Institutionen und Organisationen setzt die DEA dem Irrsinn des weltweiten ‚War on Drugs‚ einen auf der Vernunft basierenden Gegenpol entgegen. Produzent der DEA ist Markus Berger, Chefredakteur des Magazins Lucy’s Rausch, eine Fachzeitschrift für Rauschkultur.

Der Drug Education Agency’s Channel startete sein Programm im Jahr 2012 und veröffentlichte bisher 165 Videos zur Drogenaufklärung, Risikomanagement, Prävention und Gesundheitsförderung. Der Kanal hatte zu Beginn dieses Jahres knapp 45.000 Abonnenten und die Videos wurden bisher insgesamt gut 4,3 Millionen mal angeschaut.

Logo der Nachtschatten Television
Logo der Nachtschatten Television

Der Nachtschatten Verlag ist im deutschsprachigem Raum der bekannteste Fachverlag für Sachbücher zum Themenkomplex Drogen und seine Publikationen richten sich an drogenmündige, unabhängige Menschen. Genau an diese Menschen richtet sich auch die Nachtschatten Television. Nachtschatten-TV gibt es seit dem Jahr 2012 und bisher wurden 96 Videos veröffentlicht. In den Videos stellt Markus Berger Neuerscheinungen des Verlages vor und bespricht diese in fundierter Weise, manchmal gemeinsam mit Roger Liggenstorfer, dem Verleger des seit vor knapp vier Jahrzehnten von ihm gegründeten Verlages. In den Videos kommen auch diverse Autoren und Künstler des Verlages zu Wort.

Wie man der Website von Lucy’s Rausch am 12. Februar 2021 entnehmen konnte, löschte die Streaming-Plattform YouTube am 10. Februar 2021 den Drogenaufklärungs- und Harm-Reduction-Kanal Drug Education Agency, auch bekannt als DEA (in Anlehnung an die US-amerikanische Drogenbehörde Drug Enforcement Administration), auf dem auch das hauseigene TV-Format des Nachtschatten Verlags, die Nachtschatten Television, erscheint.

Das US-amerikanische Unternehmen deaktiviert damit einen der ältesten deutschsprachigen YouTube-Kanäle zum Thema Psychonautik und psychotrope Substanzen. Seit mittlerweile zehn Jahren produziert Markus Berger für seinen Channel fachkundiges Videomaterial, beispielsweise indem er relevante Fachliteratur vorstellt, Zuschauerfragen beantwortet und Safer-Use-Tipps für den Umgang mit jeglichen psychotropen Substanzen gibt.

Das Unternehmen begründet die Entfernung des Kanals damit, dass die DEA „schädliche Inhalte“ verbreite. Wie die Zukunft des Angebots aussieht, ob es weiter auf YouTube ausgestrahlt werden kann oder ob auf eine Alternativplattform ausgewichen werden muss, ist bislang noch unklar. Über weitere Entwicklungen kann man sich auf Social-Media-Kanälen der DEA und des Nachtschatten Verlages sowie auf der Website des Magazins Lucy’s Rausch in Kenntnis setzen. Die aktuelle Episode 96 der Nachtschatten Television ist auf Facebook und der französischen Videoplattform Dailymotion verfügbar.

Zu solchen Vorgängen empfiehlt der Rechtsanwalt André Schenk unter dem Titel „YouTube Kanal ungerechtfertigt gesperrt! Was tun?“ auf jeden Fall, dass man sein Recht anwaltlich durchsetzen soll. Wörtlich heiß es in dem Beitrag:

Bei der Forderung, das Konto wieder freizugeben, kann man sich auf das Schadensersatzrecht in Verbindung mit dem Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch stützen: §823, Absatz 1 (BGB) mit §1004 (BGB). Diese rechtliche Untermauerung in Form von anwaltlichem Schreiben mit Rechtsbezügen setzt das Unternehmen anscheinend unter Druck. Jedenfalls haben wir mit unseren Mandanten die Erfahrung gemacht, dass die Sperrung ihres Kanals dann schnell wieder aufgehoben wird – nicht selten mit der Bitte, den Fall nicht publik zu machen. Manchmal würden die Gerichtskosten sogar übernommen werden. Anscheinend möchte die Plattform sogenannte Präzedenzfälle verhindern, d.h. dass ein gerichtliches Urteil gefällt wird, das dann als Vorbild in anderen, ähnlichen Fällen genommen werden kann.

Nachtschatten Podcast

Logo Sonar Berlin
Logo Sonar Berlin

Am 3. Dezember 2020 startete die erste Rundes des Nachtschatten Podcast. Der Nachtschatten Podcast wird produziert in Kooperation des Online-Radios sunshine live und dem Projekt Sonar – Safer Nightlife Berlin. In der Info zum ersten Podcast heißt es:

Willkommen zu „Nachtschatten – Der Podcast über Drogen und Nachtleben“ – einer Kooperation von sunshine live und SONAR – Safer Nightlife Berlin. In dieser Folge lernt ihr Podcast-Host Jessica sowie Raimund Reintjes und Rüdiger Schmolke von SONAR kennen. Die drei besprechen, wie Akzeptanz im Umgang mit Drogen funktioniert, was „Safer Use“ bedeutet und warum SONAR in Clubs Hilfsmittel für den Drogenkonsum verteilt. Außerdem wird mit Vorurteile gegenüber Drogen aufgeräumt und es gibt Einblicke in die Arbeit im Nachtleben und in der Drogenhilfe.

Man könnte aufgrund des Namens des Podcasts wie auch aufgrund des Introtextes meinen, der Podcast sei vom Nachtschatten Verlag oder von Nachtschatten TV iniziiert worden, doch weder der Verleger Roger Liggenstorfer (Nachtschatten Verlag) noch der Produzent von Nachtschatten TV, Markus Berger, wussten bis zum letzten Wochenende nichts von der Existenz dieses Podcasts. Beide erfuhren erst davon, als sie aus dem Kreise der Zühörerschaft darauf aufmerksam gemacht wurden. Mit dem Namen Nachtschatten assozieren viele Menschen, die sich über Drogen informieren wollen, sofort den Verlag aus Solothurn und etliche Hörer/innen des Podcast fühlten sich durch die Namensgebung in die Irre geführt, respektive fühlten sich getäuscht. Diese Namensgebung ist eine sogenannte „false flag action“ (Aktion unter falscher Flagge). Hier will man vom guten Ruf eines Unternehmens profitieren um potenzielle Hörer/innen für den Podcsat zu gewinnen. Ob durch diese Vorgehensweise der Ruf von Sonar – Safer Nightlife Berlin optimiert werden kann oder das Vertrauen in diese Institution gesteigert werden kann, ist jedoch mehr als fraglich. Und natürlich steht auch die Frage im Raum, weshalb man nicht diese Produktion Sonar Podcast genannt hat, denn mit diesem Namen hätte das Profil von Sonar Safer Nighlife Berlin medienwirksam gesteigert werden können.

Vergleiche hierzu in diesem Blog

[24.02.2013] Rauschkunde in Bild und Ton – Teil 3: DEA
[02.09.2014] Zwei Highlights für Psychonauten

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https://blogs.taz.de/drogerie/2021/02/16/dhv-videos-wieder-online/

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kommentare

  • Guten Tag
    Leider muss man immer häufiger feststellen, dass Youtube Videos löscht.
    Dabei fallen nicht nur politische Inhalte unter die Zensur (z.B. KenFM, Querdenkerdemos) sondern in diesen Corona- Zeiten auch medizinische (z.B. Prof. Bhakti) und juristische (Corona- Ausschuss) und nun auch aufklärerische zum Thema Drogen. Teils scheinen die Löschungen einer politischen Agenda zu folgen, teils sind sie nicht mehr nachvollziehbar. Dazu wird Youtube wegen der zunehmenden Werbeunterbrechungen allgemein immer unattraktiver…
    Vielleicht sollten sich Videomacher für eine andere Plattform entscheiden. So ist Peertube ein dezentraler Versuch mit angeschlossenem Sozial Network (Mastodon, zusammen Fediverse).
    Youtube ist die bekannteste Streaming- Plattform und zugegeben von hoher Qualität. Um die Zuschauer auf die anderen Anbieter zu verweisen, würde ich auf Youtube ein Verabschiedungsvideo machen, mit den Links zu der neuen Plattform. Danke Youtube, es war eine schöne Zeit. – Das stimmt ja auch, aber offenbar kann die freie Meinungsäußerung nur gewahrt werden, wenn es konkurrierende Anbieter gibt.
    Dann ist das eine normale Entwicklung, die dafür sorgt, dass Spezialisierung stattfindet und
    kein Monopol zu groß wird.
    Beste Grüße, Norbert

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