vonHans Cousto 02.04.2021

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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Es gibt Hinweise darauf, dass psychoaktive Pilze seit Tausenden von Jahren von Menschen in religiösen Zeremonien verwendet wurden. 6000 Jahre alte Piktogramme , die in der Nähe der spanischen Stadt Villar del Humo in der Selva Pascuala entdeckt wurden, veranschaulichen mehrere Pilze, die als Psilocybe hispanica identifiziert wurden, eine halluzinogene Art, die in der Region heimisch ist. Die Art wurde vom mexikanischen Mykologen Gastón Guzmán in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2000 beschrieben, die auf Exemplaren basiert, die 1995 von Ignacio Seral Bozal in der Nähe von Huesca in Nordspanien gesammelt wurden. Das Wandbild stellt den ältesten Beweis für die Verwendung von psychedelischen Pilzen in Europa dar. Das einzige ältere Beispiel stammt aus Tassili n’Ajjer in der Sahara im Südosten Algeriens, ein gemaltes Wandgemälde von 7000 bis 9000 vor unserer Zeitrechnung, das Pilze darstellt, die als Psilocybe mairei identifiziert wurden, eine aus Algerien und Marokko bekannte Art.

Ausschnitt aus der Felszeichnung in der Selva Pascula mit Psilocybe-Darstellungen. Foto: Vincent Verroust (CC BY-SA 4.0)
Ausschnitt aus der Felszeichnung in der Selva Pascula mit Psilocybe-Darstellungen. Foto: Vincent Verroust (CC BY-SA 4.0)

Zauberpilz ist der Sammelbegriff für Pilzarten, die Psilocybin und Psilocin enthalten. Es gibt Theorien, dass Zauberpilze eine zentrale Rolle in der menschlichen Evolution spielen. Insbesondere R. Gordon Wasson und Terence McKenna haben darüber zahlreiche Berichte veröffentlicht. Die halluzinogenen Wirkungen der in Mittel- und Südamerika wachsenden Psilocybe mexicana sind unter indigenen mittel- und südamerikanischen Völkern seit Tausenden von Jahren bekannt. Sie loben den Pilz, weil er es dem Benutzer ermöglicht, Kontakt mit den Göttern aufzunehmen. Von den Azteken wurden die Zauberpilze „Teonanacatl“ genannt (übersetzt ins Deutsche: Fleisch der Götter, heilige oder göttliche Pilze). Terence McKenna dokumentierte die weltweiten Praktiken des Einsatzes von Zauberpilzen als Teil eines kulturellen Ethos in Bezug auf die Erde und die Geheimnisse der Natur und bemerkte, dass Pilze das Selbstbewusstsein stärken und ein Gefühl des Kontakts mit einem „transzendenten Anderen“ erzeugt, verbunden mit einem tieferen Verständnis unserer Verbundenheit mit der Natur.

Pilzsteine, etwa 30 cm, Bild gemeinfrei
Pilzsteine, etwa 30 cm, Bild gemeinfrei

Der amerikanische Ethnologe R. Gordon Wasson entdeckte 1955, dass die alten religiösen Praktiken der Indianer in einem abgelegenen Dorf in Mexiko den Verzehr von Pilzen beinhalteten. 1957 veröffentlichte er einen Artikel in der Zeitschrift Life (Seeking the Magic Mushroom), in dem er das Auftreten halluzinatorischer Erfahrungen während dieser Rituale beschrieb. Auf einer späteren Expedition wurden er und seine Frau von dem französischen Mykologen Roger Heim, dem Direktor des Muséum national d’histoire naturelle, begleitet, wo sie mehrere Pilze als Unterarten der Gattung Psilocybe identifizieren konnten. Zurück in Frankreich gelang es Heim, die Pilze zu züchten und Proben zur Analyse an den Schweizer Chemiker Albert Hofmann zu senden . Hofmann, der zuvor LSD entdeckt und damit experimentiert hatte, erkannte die Bedeutung dieser Pilze für die menschlichen Empfindungen und das Bewusstsein und entdeckte die Strukturformel der Wirkstoffe der Pilze, die er Psilocybin und Psilocin nannte.

Zauberpilze spiegeln die Bedeutung des Wortes Entheogen (das Göttliche im eigenen Innern schaffend) wider und werden als mächtige geistige Sakramente verehrt, die den Zugang zu heiligen Welten ermöglichen. In der Regel werden Zauberpilze in kleinen Gruppen verwendet, sie verbessern den Gruppenzusammenhalt und bekräftigen die traditionellen Werte. Deshalb werden Zauberpilze auf Festivals, insbesondere in der Goa- und Tranceszene, gerne eingenommen – als Sakrament zur Tanzekstase.

Charité sucht Psychonauten

Der Azurblauverfärbende Kahlkopf (Psilocybe azurescens) enthält bis zu 1,78% Psilocybin, Foto: Dan K. at Mushroom Observer (CC BY-SA 3.0)
Der Azurblauverfärbende Kahlkopf (Psilocybe azurescens) enthält bis zu 1,78% Psilocybin, Foto: Dan K. at Mushroom Observer (CC BY-SA 3.0)

Für eine wissenschaftliche Untersuchung der Langzeiteffekte von serotonergen Halluzinogenen (Psychedelika) und Cannabis in den Bereichen Psychiatrie und Psychotherapie, Psychopharmakologie und Neuropsychologie sucht die Charité Personen im Alter von 18 bis 50 Jahren mit guten Deutschkenntnissen, die Erfahrungen mit der Einnahme von Cannabis und/oder serotonergen Halluzinogenen (Psychedelika wie LSD, Zauberpilze oder DMT) haben. In der Studie möchte die Charité untersuchen, welche Veränderungen durch eine längerfristige Einnahme von Cannabis und Psychedelika eintreten können. Dabei werden Effekte auf Lernen, Gedächtnis, und Aufmerksamkeit, aber auch auf soziales Erleben und Empathie untersucht. Außerdem untersucht das Forscherteam den Einfluss von Psychedelika und Cannabis auf die seelische Gesundheit. Geleitet wird die Studie von Dr. med. Tomislav Majić , Psychiater, Psychotherapeut und Leiter der Arbeitsgruppe Psychotrope Substanzen an der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig Krankenhaus, Berlin ,und von Dr. med. Dipl.-Psych. Thomas Riemer, Mitarbeiter am Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité. Informationen zur Studie gibt es auf der Website https://lzesh-studie.info/ und der folgende Link führt zur Anmeldung: https://lzesh-studie.info/kontakt/

Weitere Forschungen mit Zauberpilzen

Wie die Berliner Zeitung am 23. März 2021 unter dem Titel „Experiment an der Charité: Der Trip gegen die Depression“ schrieb, sind Forscher überzeugt, dass psychedelische Drogen wie Psilocybin helfen können, Depressionen und Suchterkrankungen zu bekämpfen. Die Charité hat sich dazu entschlossen, in diesem Frühjahr gleich zwei klinische Studien durchzuführen, die untersuchen sollen, ob Psilocybin zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden kann. Es ist die erste Forschungsarbeit dieser Art in Deutschland seit Jahrzehnten.

Die Kriminalisierung der Drogen und Richard Nixons „War on drugs“ (Krieg gegen Drogen) führten dann im Verlauf der Siebziger Jahre zum Ende der legalen Forschung an Psilocybin und LSD. Es dauerte mehr als 30 Jahre, bis sich daran etwas ändern sollte. Erst nach der Jahrtausendwende begannen Forscher der New York University, der Johns Hopkins University und des Imperial College London wieder Studien über die therapeutischen Effekte von Psilocybin durchzuführen. Seit den 1990er Jahren an vorderster Front mit dabei ist auch die Universität Zürich. Mitte der 90er Jahre begann Franz Vollenweider an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich mit dem Aufbau eines Laboratoriums, das beabsichtigte, neueste Neuroimaging Technologien zu verwenden, um die Effekte von Psilocybin und Ketamin zu untersuchen. Vollenweiders Ansatz zeichnete sich von Anbeginn durch hohe wissenschaftliche Rigorosität aus. Fernab von politischen Weltverbesserungswünschen stand hier eine solide wissenschaftliche Grundlage und ein pragmatischer Blick auf den Nutzen der Patienten von Anfang an im Zentrum.

Wie Jonas Staehelin im Tsüri unter dem Titel „Auf der Suche nach dem besten Trip“ berichtete, wurde Vollenweiders Forschungsbestreben jedoch nicht zuletzt durch einen glücklichen Zufall möglich. Anfang der 90er Jahre wurde dem Bundesamt für Gesundheit in Bern unter damaliger Leitung von Paul Dietschy eine Ladung nicht mehr verwendetes Psilocybin zum Wegwerfen zurückgeschickt. Dietschy ließ es prüfen und es stellte sich heraus: 100 Gramm klinisch reines Psilocybin, eine Menge, die für zigtausende Trips ausreicht. Vollenweider konnte davon für Forschungszwecke Gebrauch machen. In der Folge avancierten Vollenweider und sein Team an die Speerspitze der Psychedelischen Forschung weltweit. Hätte er das Psilocybin selber synthetisieren müssen, hätten ihm dafür wahrscheinlich die finanziellen Mittel gefehlt, denn die Herstellung von klinisch reinem Psilocybin für klinische Forschungszwecke ist aufgrund der hohen Auflagen enorm teuer.

Mittlerweile forschen unter der Leitung Vollenweiders ein multidisziplinäres Team zu verschiedenen bewusstseinsverändernden Substanzen. Darunter gehört auch seit einigen Jahren der Arzt und Neurowissenschaftler Milan Scheidegger. Er wollte immer schon verstehen, was Bewusstsein ist, was es bedeutet, lebendig in der Welt zu sein und wie all das, was wir erleben und begreifen, letztlich organismisch realisiert ist. Dem Neuroforscher eröffnen sie eine breite Spielwiese an experimentellen Möglichkeiten:

Mit Hilfe modernster Bildgebung des Gehirns kombiniert mit bewusstseinserweiternden Medikamenten blickt man quasi ins Gehirn als Maschinenraum des Bewusstseins und kann bestimmte Schaltkreise durch gezielte molekulare Eingriffe modifizieren und deren Effekte auf das Bewusstsein studieren.

Im Jahr 2011 veröffentlichten Roland Griffiths und Kollegen die Ergebnisse weiterer Studien, die darauf abzielen, mehr über die optimalen Dosierungen mit Psilocybin zu erfahren, die für positive lebensverändernde Erfahrungen erforderlich sind, und gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit negativer Reaktionen zu minimieren. In einem 14-monatigen Follow-up stellten die Forscher fest, dass 94% der Freiwilligen ihre Erfahrungen mit Psilocybin als eine der fünf spirituell bedeutendsten ihres Lebens bewerteten (44% gaben an, dass es die bedeutendste war). Keine der 90 Sitzungen, die während der Studie stattfanden, wurde als unangenehm für das Wohlbefinden oder die Lebenszufriedenheit eingestuft. Darüber hinaus berichteten 89% über positive Veränderungen ihres Verhaltens aufgrund der Erfahrungen.

Psilocybe mexicana fotografier in Veracruz, Mexico; Foto: Alan Rockefeller (CC BY-SA 4.0)
Psilocybe mexicana fotografier in Veracruz, Mexico; Foto: Alan Rockefeller (CC BY-SA 4.0)

Zur Gefährlichkeit von Zauberpilzen

In der Studie „Ranking van drugs – Een vergelijking van de schadelijkheid van drugs“ (Ranking von Drogen – Ein Vergleich von der Schädlichkeit diverser Drogen) des Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu (RIVM) in Bilthoven im Auftrag des Ministeriums für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport haben 20 Experten die Gefährlichkeit von Drogen für das Individuum wie auch für die Gesellschaft untersucht. Zum Expertenteam gehörten Apotheker, Ärzte, Biologen, Epidemiologen, Psychiater, Toxikologen sowie Experten der Polizei. Die Niederländer untersuchten die akute sowie die chronische Toxizität von Drogen, das sogenannte Abhängigkeitspotenzial und zudem die individuelle sowie die gesellschaftliche soziale und allgemeine Schädigung. Die folgenden Grafik zeigt die individuelle Schädigung durch Drogen insgesamt, das heißt die gesundheitliche und soziale Gefährdung insgesamt von Konsumenten von Drogen.

RIVM (2009): Gesellschaftlichen Schaden durch Drogen insgesamt, 3 = höchster Schaden, 0 = kein Schaden
RIVM (2009): Gesellschaftlichen Schaden durch Drogen insgesamt, 3 = höchster Schaden, 0 = kein Schaden

Die Abbildung oben zeigt den gesellschaftlichen Schaden durch Drogen insgesamt. Hier liegt Crack auf Rang 1 (mit 2,41 Punkten). Auf Rang 2 folgt hier Alkohol mit 2,36 Punkten. Tabak liegt auf Rang 4 mit mit 2,27 Punkten, Cannabis auf Rang 11 mit 1,26 Punkten. Die Zauberpilze liegen auch hier auf dem letzten Rang und erreichen gerade einmal 0,31 Punkte. Die Daten zur akuten Gefährdung durch Vergiftungserscheinungen, zur chronischen Toxizität, zum Abhängigkeitspotenzial, zur individuellen soziale Schädigung durch Drogen und zur individuellen Schädigung durch Drogen insgesamt sind in dem Artikel „Plädoyer für Magic Mushroom Social Clubs“ vom 3. November 2013 in diesem Blog zu finden.

In Großbritannien wurden in den Jahren 2007 und 2010 unter Federführung von David Nutt ähnliche Studien durchgeführt. Auch in diesen Studien wurde Alkohol stets als wesentlich gefährlicher eingestuft als Cannabis, dennoch gib es auch einige Unterschiede in der Rangfolge der Schädlichkeit bei verschiedenen Substanzen, wobei die Korrelation sehr hoch ist.

Gefährlichkeit von Drogen (individuelle und gesellschaftliche Gefährdung insgesamt) gemäß Studie von David Nutt et al. aus dem Jahr 2010
Gefährlichkeit von Drogen (individuelle und gesellschaftliche Gefährdung insgesamt) gemäß Studie von David Nutt et al. aus dem Jahr 2010

Die Abbildung oben zeigt die Gefährlichkeit von Drogen (individuelle und gesellschaftliche Gefährdung insgesamt) gemäß Studie von David Nutt et al. aus dem Jahr 2010. Die relative Gefährlichkeit wird hier in einer Skala von 0 bis 100 angegeben, 0 heiß null Gefährdung und 100 heißt höchstmögliche Gefährdung. Alkohol rangiert hier auf Rang 1 mit 72 Punkten, Tabak auf Rang 6 mit 26 Punkten und Cannabis auf Rang 8 mit 20 Punkten. Die Zauberpilze liegen auch hier auf dem letzten Rang mit 6 Punkten und weisen somit gemäß dieser Studie auch hier die geringste Gefährlichkeit auf.

Weitere neue Impulse in den USA

In den USA war der Freizeitgebrauch von Marihuana und Haschisch in 15 Bundestaaten sowie in Washington D.C. legal. Da diese Bundesstaaten gute Erfahrungen mit der Legalisierung gemacht haben, legalisieren immer mehr Bundesstaaten Cannabis. Jetzt ist gerade der Bundesstaat New York (19 Millionen Einwohner) die Legalisierung vollzogen worden. Der demokratische Gouverneur Andrew Cuomo hat am Mittwoch, 31. März 2021, das Marihuana Regulation and Taxation Act (MRTA) in Kraft gesetzt. Erlaubt werden pro Person der Besitz von bis zu drei Unzen (85 Gramm) Cannabis sowie der Besitz von bis zu sechs Pflanzen. Und wie Bloomberg am 24. März 2021 unter dem Titel „N.Y. Pot Legalization Gets Fast Track on Cuomo-Lawmaker Deal“ berichtete, wird eine Umsatzsteuer von 13% erhoben werden, von der 9% an den Staat und 4% an die örtlichen Gemeinden gehen. Händler müssen zusätzlich eine Verbrauchsteuer von bis zu 3 Cent pro Milligramm THC, dem Wirkstoff in Cannabis, erheben, wobei die Staffelung von der Art des Produkts und seiner Wirksamkeit abhängt.

Die Legalisierung von Cannabis führte auch zu einer rationalen Diskussion über Drogenpolitik. Und da Stoffe wie Psilocybin als deutlich weniger gefährlich eingestuft werden als Cannabis, haben die ersten Bundesstaaten bereits Lockerungen betreffend dieser Substanzen eingeführt. Man braucht nicht mehr an einer klinischen Studie teilnehmen, um legal psychedelische Erfahren zu sammeln. Zudem gibt es bessere Settings als Kliniken für solche Erfahrungen.

In Washington D.C. beispielsweise braucht man für eine legale pschedelische Reise keinen Arzt mehr. Die Initiative 81 (mit 76,18% Ja-Stimmen angenommen) verfügte, dass die Polizei den nichtkommerziellen Anbau, die Verteilung, den Besitz und die Verwendung entheogener Pflanzen und Pilze als eine der niedrigsten Prioritäten der Strafverfolgung behandeln soll. Die Wahlinitiative definierte entheogene Pflanzen und Pilze als Arten von Pflanzen und Pilzen, die Ibogain, Dimethyltryptamin, Meskalin, Psilocybin oder Psilocin enthalten. Beispiele sind Zauberpilze, Peyote und Iboga. Die Wahlinitiative forderte auch den D.C.-Generalstaatsanwalt und den US-Anwalt auf, die Strafverfolgung von Bewohnern einzustellen, die sich mit entheogenen Pflanzen und Pilzen beschäftigen.

Ähnliches für Pilze gilt in Denver Colorado. Eine Initiative zur Entkriminalisierung der Verwendung und des Besitzes von Pilzen, die die psychedelische Verbindung Psilocybin enthalten, stand am 7. Mai 2019 in Denver, Colorado, auf dem Stimmzettel für die Wähler. Die Initiative zur Entkriminalisierung der Verwendung und des Besitzes von Pilzen mit der psychedelischen Verbindung Psilocybin wurde am 7. Mai 2019 mit 50,64% Ja-Stimmen angenommen.

Und in Oregon wurde die Oregon Maßnahme 109, die Psilocybin-Programminitiative, am 3. November 2020 mit 55,75% Ja-Stimmen angenommen. Eine Ja-Stimme unterstützte die Genehmigung der Oregon Health Authority (OHA), ein Programm zu erstellen, das es lizenzierten Dienstleistern ermöglicht, Personen ab 21 Jahren Psilocybin produzierende Pilze und Pilzprodukte zu verabreichen.

Laut eines Grundsatzbeschlusses der Stadt Cambridge (Massachusetts) vom 3. Februar 2021 wurde mittels Abstimmung der Stadtregierung offiziell die Entkriminalisierung von Psilocybin und anderer pflanzlicher Entheogene beschlossen. Nur ein Mitglied des Stadtrates stimmte gegen die Maßnahmen. Gleich zu Beginn der Policy Order POR 2021 #24 (Cambridge City) steht geschrieben:

„Zusammen mit vielen Städten und Staaten im ganzen Land hat Cambridge in den letzten Jahren begonnen zu erkennen, dass die Kriminalisierung von Nutzern von Substanzen wie Cannabis weder ein gerechter noch ein effektiver rechtlicher Ansatz ist. Die Drogenpolitik in den Vereinigten Staaten und der sogenannte „Krieg gegen die Drogen“ haben in der Vergangenheit zu einer unnötigen Bestrafung, Verhaftung und Inhaftierung von gefährdeten Menschen geführt, insbesondere von farbigen Menschen und Menschen mit begrenzten finanziellen Mitteln, anstatt einer Politik der Schadensminimierung den Vorrang zu geben, die Drogenmissbrauch als ein Problem der öffentlichen Gesundheit behandelt.“

Psychonautik als Weltkulturerbe

Die Riten der Psychonautik sind ein immaterielles Kulturerbe. Die Lebensfähigkeit dieser Riten kann nur gewährleistet werden, wenn es für die Zelebrierung dieser Riten geschützte Räume gibt. Diese Gewährleistung ist heute nicht gegeben, da in den allermeisten Staaten dieser Welt der Umgang mit psychotrop wirkenden Substanzen strafrechtlich verfolgt wird und Orte, wo diese Riten zelebriert werden, nicht selten von der Polizei heimgesucht werden. Ursache hierfür ist die Tatsache, dass die Naturwissenschaft, insbesondere die Medizin, derzeit bewusstseinserweiternde Erfahrungen oft als rein subjektive Erfahrungen einstuft. Bewusstseinserweiternde Erfahrungen sind noch nicht einer allgemein anerkannten wissenschaftlichen Untersuchung zugänglich und über ihren Erlebniswert hinaus haben sie für Schulmediziner bisher keine objektiv diskutierbare Bedeutung.

Die heutige Betäubungsmittelgesetzgebung basiert somit auf falschen Vorgaben respektive falschen Voraussetzungen, was ein gewichtiger Grund für ihre Ineffizienz ist. Statt die Gebraucher/innen psychotrop wirkender Substanzen zu diskriminieren, sollte man in einem kulturell eingebetteten Rahmen den Umgang mit diesen Substanzen zulassen. Hierbei gilt es Drogenkompetenz und Drogenmündigkeit zu fördern, damit ein vernünftiges Risikomanagement zur Schadensminderung machbar wird. Zudem muss es für die Riten der Psychonautik geschützte Räume geben, damit das Erfahrungswissen betreffend psychotroper Substanzen und ihrer Wirkungen weitergegeben werden kann. Nur so kann das Individuum auf lange Sicht Drogenautonomie erlangen. Autonomie respektive Selbstbestimmung ist das Gegenteil von Abhängigkeit respektive Fremdbestimmung. Drogenautonomie ist somit das Gegenstück zu Drogenabhängigkeit, und zur Drogenautonomie gehört die Tradierung der psychonautischen Riten, damit dieses Erfahrungswissen respektive dieses immaterielle Kulturerbe weiterhin von Generation zu Generation weitervererbt werden kann.

Drogenkonsum ist nicht grundsätzlich ein Problem, dem entgegengewirkt werden muss, sondern der Konsum psychotrop wirkender Substanzen ist als Phänomen wahrzunehmen, das unter bestimmten Voraussetzungen in die Lebenswirklichkeiten der Menschen integrierbar ist und dort einen berechtigten Platz haben kann. Voraussetzungen hierfür sind Drogenkompetenz als Basis eines autonom kontrollierten, sozial integrierten und vor allem genussorientierten Konsums sowie Drogenmündigkeit als Ausgangspunkt von Wert- und Handlungskriterien zur Partizipation von Drogenkonsumenten am Kultur- und Gesellschaftsleben.

Psychonautik als Teil der Bewusstseinskultur betrifft bei weitem nicht nur die Partykultur oder den hedonistischen Gebrauch psychotrop wirkender Substanzen, sondern vor allem den Gebrauch dieser Substanzen im Rahmen religiöser Riten und im Rahmen des Gesundheitswesens zur Erhaltung und Wiederherstellung von physischer und psychischer Gesundheit. Der Wissenschaft steht hiermit ein großes Betätigungsfeld offen. Und für Politiker sowie für der Kultur verpflichteten Organisationen stehen somit vielfältige Varianten zur Verfügung, psychonautische Riten für das immaterielle Weltkulturerbe der UNESCO vorzuschlagen.

Vor dem Konsum von Psychedelika sollte man jedoch auf jeden Fall Fachinformationen für den nichtmedizinischen Gebrauch von Psychedelika genauestens studieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob man die Zauberpilze für rituelle, hedonistische oder ludische Zwecke nutzen will.

Vergleiche hierzu in diesem Blog

[3.11.2013] Plädoyer für Magic Mushroom Social Clubs

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https://blogs.taz.de/drogerie/2021/04/02/charite-sucht-psychonauten/

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