Thirst (Durst)
Park Chan-Wook ist spätestens mit Oldboy sowie dem Abschluß seiner „Rache-Trilogie“, Lady Vengeance, zum aufsehenerregendsten Regisseur Asiens geworden.
Kein Wunder, dass die Erwartungen an einen Film, den Park als Lieblingsprojekt bezeichnet und an dem er seit zehn Jahren arbeitete, in den Himmel schießen. Natürlich kann ein Regisseur mit der handwerklichen Brillanz Parks keinen schlechten Film abliefern, dazu sind viel zu viele Bilder, kleine Ideen und Anekdoten, die er in Thirst verpackt, zu bestechend. Aber dennoch leidet Thirst wie bereits der bezaubernde Vorgänger „I’m A Cyborg But That’s OK“ an einem ähnlichen Grundproblem: bei aller visuellen Stärke, bei all den guten kleinen Szenen bekommt Park dennoch das Drehbuch nicht so in den Griff, dass er die Geschichte stringend erzählen könnte.
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Priester Sang-Hyeon entschließt sich, für die katholische Kirche an einem lebensgefährliche Experiment zur Erforschung eines Impfstoffes teilzunehmen, in deren Folge er stirbt, aber auf seltsame Art wiederbelebt wird. Wie er nach einigen Monaten bemerkt, ist er zum Vampir geworden, mit all den Nebeneffekten, die wir aus jahrzehntelanger cineastischer Vampirschulung kennen: Blut geil, Sonne nicht.
Als katholischer Priester kann Sang-Hyeon aber natürlich nicht einfach dem Drang nach Fleisch und Blut nachgeben und hält sich so lange mit Blutinfusionen, die er Krankenhauspatienten vor der Nase wegzuckelt, über Wasser bis er sich in eine Frau verliebt, die zwangsläufig ebenfalls zum Vampir wird – und die weit weniger Skurpel kennt als Sang-Hyeon…
Gerade in der zweiten Hälfte offenbart „Thirst“ dramaturgische Schwächen, die vor allem an der nicht immer nachvollziehbar gezeichneten Figur der Tae-Joo liegen (die aber ganz bezaubernd von Kim Ok-vin gespielt wird). Die für Park typische Vermengung von seiner ganz eigenen Art schwarzen, lakonischen Humors mit tonnenschweren Themen um Schuld, Vergebung und Sünde, ist auch in „Thirst“ wiederzufinden, aber der eigentlich tragischen Geschichte fehlt bis zum faszinierenden Ende die Wucht, die noch Oldboy (oder auf ganz andere Art auch Lady beziehungsweise Mr. Vengeance) auszeichnete. Ein faszinierender, wunderschön anzuehender Film, der auf sehr hohem Niveau scheitert.
P.S.: Park Chan-Wook war bei der Premierenvorführung in Berlin trotz seines eigenen Geburtstages anwesend (was auch prompt ein Massenständchen provozierte) und auch zu einem kurzen „Q&A“ bereit. Die beiden interessantesten Antworten waren:
– „Nosferatu“ von Werner Herzog ist sein liebster Vampirfilm
– zum Remake von „Oldboy“, das derzeit – man mag es wirklich kaum glauben – von Steven Spielberg mit Will Smith (!) als Hauptdarsteller verfilmt wird, äußerte er sich mit der gebotenen asiatischen Höflichkeit. Dennoch ließ der Kommentar, dass er „zunächst skeptisch“ war, jetzt aber „gespannt“ sei, wie ein Regisseur wie Spielberg, den er mit einem derartigen Stoff überhaupt nicht verbindet, das Projekt umsetzen wird, doch so tief blicken, dass er selbst dem Remake auch eher ablehnend gegenüber steht.
* Südkorea/USA, 2009
* Regie: Park Chan-Wook
* imdb
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Deliver Us From Evil
Seit Ole Bornedal vor 12 Jahren mit dem höllisch spannenden dänischen Thriller „Nightwatch“ auf die internationale Bühne trat, ist er ein FantasyFilmFest-Liebling. Sein neuer Film „Deliver Us From Evil“ hat zwar durchaus den einen oder anderen Schockmoment in seinem zweiten Akt, ist aber vor allem anfangs eine überraschend poetisch geratene, mit kühlen Filtern gefilmte Abhandlung über Schuld, Glauben und Sühne.
Durch einen schrecklichen Unfall stirbt die Frau des Dorfältesten, der bereits seinen Sohn im Jugoslawien-Krieg verloren hat und darauf hin sich jeder Beherrschung entsagt und zum Richter und Rächer aufschwingt. Der rechtschaffene, langweilige Johannes beschützt den unschuldig ins Visier geratenen Asylanten, den der rechte Mob für den Unfall zur Rechenschaft ziehen will…
Im ersten Akt erschafft Bornedal ein genaues Bild eines dänischen Dorfes und entwirft dabei behutsam die Vision eines latent schwelenden Klassenkampfes wie er ebenso die tiefe Verankerung von Ressentiments gegen alles Fremde aufzeigt.
Nach dem sehr gelungen Beginn kippt Bornedal der zweite Akt jedoch zu sehr in eine überzeichnete Straw-Dogs-Variante bis das harsche Ende mühsam von Zerstörung, Läuterung und dem Aufbruch einer neuen Hoffnung entgegen erzählt. Ingmar Bergman fällt hier nicht nur einmal als Referenzpunkt ein. Und das nicht nur aufgrund der engen Bindung an die Fragen des Glaubens, die den Film durchziehen.
* Dänemark, 2009
* Regie: Ole Bornedal
* imdb
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Trick ‚R Treat
„Trick ‚R Treat“ ist das Langfilmäquivalent zu einer Simpsons-Halloween-Folge. Auch hier werden verschiedene Episoden, die anfangs noch fest auf dem Boden der Realität zu stehen scheinen (wie in der tollen „Halloween“-Referenzszene zu Beginn) immer weiter ins Reich der Fantasie, der Hexen, der Dämonen, der Untoten getrieben, was leider auf Dauer auch die Spannung nimmt. Dennoch ist „Trick ‚R Treat“ in großen Teilen unterhaltsam, gut gemacht und mit einer augenzwinkernden Liebe zum Detail erzählt.
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=ggDNhd5FC2U[/youtube]
* USA, 2009
* Regie: Michael Dougherty
* imdb
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* Fantasy Film Fest 2009 (3): Moon, Case 39, Giallo
* Fantasy Film Fest 2009 (2): Bronson, A Film With Me In It, Pontypool
* Fantasy Film Fest 2009 (1): Carriers, The Tournament, Polytechnique