vonFred Hüning 28.05.2021

FKK – Foto, Kunst & Kapriolen

Fred Hüning, Fotograf & Tagedieb, sitzt in einer einsamen Blog-Hütte im Brandenburgischen und schreibt und fotografiert für sein Blog-Buch.

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Damit gar keine Zweifel aufkommen: Der Werbellinsee ist eines der ultimativen Höhepunkte im Land der Tausend Seen, sogar mein persönlicher Lieblingssee und grünes „Model“ meines Blog-Titel-Bildes. Den Rest (Anfahrt, Ausflugstipps, Restaurants, Camping, Freizeit) kann sich ja heutzutage jede/r googlen. Mich interessiert hier und heute – schließlich handelt es sich um einen Kultur-Blog – vielmehr ein folgenschwerer Satz von Theodor Fontane, den ich trotz aller Sympathie für Autor und Subjekt kritisch hinterfragen möchte:

Fontane also weilte (heute würde man vielleicht sagen: chillte) 1862 auf einem kleinen Platz in ALTENHOF am Ufer des Werbellinsees, wo sich heute eine Anlegestelle und ein Fischrestaurant befinden. Das Fischrestaurant gab es möglicherweise schon damals (so sieht es jedenfalls aus). Der Lebemann und Geniesser Fontane wird also erstmal eine Räuchermaräne frisch aus dem See verspeist und dazu 2 bis 3 Krüge Bier getrunken haben. Er wird sich dann auf eine Bank gesetzt, eine Zigarre entzündet, auf den in der Sommersonne karibisch-grün gefärbten See geschaut, sinniert und dann jenen folgenschweren Satz gedacht und alsbald auch notiert haben:

ES IST EIN MÄRCHENPLATZ AUF DEM WIR SITZEN DENN WIR SITZEN AM UFER DES WERBELLIN.

Den Satz hat er später in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ veröffentlicht. Und die touristisch versierte Nachwelt aus Altenhof hat sich auf diesen einen Satz gestürzt, ihn aus den Wanderungen gerissen, in Reiseführer gepackt, auf Schilder geschrieben und sogar in Stein gemeißelt.  Dabei ist der Satz – bei Licht betrachtet – nun wahrlich keine Meisterleistung des Autors von Effi Briest (ein Buch voller wunderbarer Sätze): zweimal SITZEN in einem kurzen Satz. Geht gar nicht. Da hatte der Herr wohl in der Nachmittagsonne einen SITZEN und dann hastig was in sein Notizbuch gekritzelt. Den cleveren Altenhofern war natürlich die literarische Qualität des Satzes so was von (Stern-)Schnuppe. Hauptsache Werbung. Und so benannten sie den Platz, auf dem sich Fontane im Sommer 1862 für 3 Bier und 2 Stunden auf einer Bank niedergelassen und den Werbellinsee bestaunte hatte, für alle Ewigkeit: FONTANEPLATZ.

Damit nicht genug: Das schicke, teure (für eine unbedacht bestellte Pizza Margherita wurden stolze 14 Euro aufgerufen – was selbst die Kellnerin nicht glauben wollte) Hotel am FONTANEPLATZ heisst FONTANEHOTEL, die dazugehörige Imbissbude logischerweise FONTANEGRILL – samt Fontane-Original-Unterschrift als Logo.

P.S.: Literarische Qualität hin und her – Fontane hatte natürlich Recht mit seinem Satz. Am Werbellinsee gibt es auf 23 Kilometern Gesamtlänge etliche MÄRCHENPLÄTZE – nur heute nicht (mehr) am Ort des Versprechens …

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https://blogs.taz.de/fkk/fontanes-folgenreicher-satz-vom-maerchenplatz/

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