Am 2. Dezember 2018 (MEZ) will Donald Trump mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping in Buenos Aires zu Abend essen. Noch debattieren die Unterhändler, wie viele Personen mit am Tisch sitzen werden. Es geht ums Eingemachte: den Handelsstreit. Er läßt sich mit der langsamen Ausbreitung von Krebszellen vergleichen. Die angekündigte Schließung von Automobilwerken bei General Motors ist teilweise schon eine Folge davon.
»Trump verfügt in Wirklichkeit über keine festen politischen Standpunkte«, ist Norman Ornstein von der konservativen Denkfabrik American Enterprise Institute überzeugt. Mit zwei Ausnahmen: »Einwanderung und Handelsfragen«.
Verhängnisvoll an Handelskriegen ist, dass die Opfer erst nach längerer Zeit sichtbar werden. Zunächst wirken neue Zölle tatsächlich wie ein Schutz vor der Konkurrenz. Die Reaktion der Gegenseite trifft dann ja oft andere Produktsparten, die durch Zölle verteuerten ausländischen Waren werden weniger importiert, der Erfolg scheint sich einzustellen.
Doch dem US-Importzoll im Juli 2018 folgte sofort eine Zollabgabe auf chinesischer Seite. Trump droht nun, alle aus China in die USA importierten Waren im Jahreswert von 500 Milliarden US-Dollar zu verteuern. Dabei gelang Trump schon in der ersten Runde des Duells ein schmerzhaftes Eigentor. Als die US-Administration erstmals gegen Einfuhren aus China im Wert von 50 Milliarden US-Dollar ins Feld zog, verhängte sie Zölle auf Waren, die zu 95 Prozent zu Zwischenprodukten gehören, die in den USA noch weiterverarbeitet werden, in diesem Fall High-Tech-Zulieferungen und sogenannte »Kapitalgüter« wie Maschinen. Die erhöhten Einkaufspreise trafen deshalb vor allem US-Firmen, welche die Importe zur Herstellung ihrer eigenen Endprodukte brauchen. Trump schoss mit einer Schrotflinte, viele wurden getroffen.
Die politische Berechenbarkeit schrumpft
Die chinesischen Handelsstrategen zielten hingegen viel präziser. Sie belegten fast nur Endprodukte für Konsumenten mit höheren Abgaben, vor allem Sojabohnen und Schweinefleisch. Sie sind im Riesenreich durch andere Lieferanten ersetzbar und stammen aus Gebieten der USA, in denen viele Wähler Trumps zu Hause sind. Wird Trump sich aus dieser selbstgestellten Falle befreien?
Am 7. Dezember wird in Hamburg die Nachfolge von Angela Merkel im CDU-Parteivorsitz entschieden. Egal, wer gewählt werden wird, Deutschland wird sich parteipolitisch ähnlich entwickeln wie die Nachbarländer. Die politische Berechenbarkeit schrumpft.
Am 8. Dezember erwartet Matteo Salvini auf dem Piazza del Popolo in Rom eine Großkundgebung, gegen die „Bürokraten in ihrem Bunker in Brüssel“, wie er es formuliert. Der Pokerer verfügt über ein gutes Blatt: Deutsche, französische und spanische Banken halten gemeinsam mehr als 100 Milliarden Euro italienischer Staatsanleihen. Wer Italien in Haushaltsfragen unter Druck setzt, nähert sich wieder einer Bankenrettung wie in Griechenland. „Wir werden ein Mega-Selfie an Jean-Claude Juncker schicken und einen Caffé Borghetti, den Espressolikör dazu“, spottet Salvini.
Gleichzeitig werden an diesem Samstag in Paris neben den „Gilets jaunes“, den Gelbwesten, auch „Gilets verts“ auf die Straßen gehen, die ökologischen Fragen Vorrang einräumen wollen. Da kann schon a Bisserl was passieren.
Zehn Tage, in denen es rumpeln wird
In Brasilia wiederum will Jair Bolsonaro seine komplette neue Regierungsmannschaft präsentieren. Rassisten und Militärs kommen wieder an die Macht, Südamerika bewegt sich politisch zurück in die 1970er Jahre. Die Evangelikalen wollen in einem ersten Schritt den Schulunterricht „neutralisieren“. Bolsonaro steht in engem Kontakt mit Ungarns Premier Viktor Orbán. Da formiert sich langsam eine globale Neonationale.
Am 11. Dezember wird in London im Parlament über den EU-Ausstiegsvertrag abgestimmt. Ausgang höchst ungewiss. Der Brexit wird in jedem Fall zum Verlustgeschäft. Bei einem „Nein“ zum ausgehandelten Deal hält die Bank of England eine Mega-Rezesssion für wahrscheinlich.
Und in all dieser Zeit schwelt der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine weiter, die Nato-Partner ringen um ihre Position. In Italien ist Salvinis Lega durch einen Fünf-Jahres-Pakt mit der Putin-Partei „Einiges Russland“ verbunden. In Österreich H.C. Straches FPÖ auch. Aber mein Geburtsland ist ja neutral…
Zehn Tage, in denen es rumpeln wird, auf dem Showdown Boulevard. Noch immer schauen viel zu viele weg.
Anmerkung eines Unzuständigen: „Shell Shock. A Requiem for War“, Libretto von Nick Cave, Musik von Nicholas Lens. Opern sind so gar nicht meins, aber diese schon. Zur Neuaufnahme waren die Staats- und Regierungschefs im Rahmen des Gedenkens an den Ersten Weltkrieg in die Pariser Philharmonie geladen, zu sehen waren sie aber nicht. Dabei hätten gerade die Scharfmacher unter ihnen einmal die Perspektive traumatisierter Kriegsopfer erleben können, ungefährdet im Plüschsessel, aber emotional berührend. Bis zum 30. Oktober 2020 ist die Aufführung noch in der Arte-Mediathek abrufbar. Nicht nur für Staatschefs. Und gratis.
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Zum Thema: Hans-Peter Martin, „Game Over – Wohlstand für wenige, Demokratie für niemand, Nationalismus für alle – und dann?“ Penguin Verlag, München 2018. 24 Euro. 384 Seiten und 25 Grafiken. Weitere Informationen: www.hpmartin.net