vontazlab 09.04.2011

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Von Martin Niewendick

Mit diesem Button kommt man eigentlich auch in überfüllte Veranstaltungen. Eigentlich!
Mit diesem Button kommt man eigentlich auch in überfüllte Veranstaltungen. Eigentlich! Foto: Sebastian Heiser

Es hätte so schön werden können. „Ungleich Mächtig“ heißt die Veranstaltung. Das Thema: „Merkel und das öffentliche Geschlecht im Mediendiskurs“. Allein, mein Mediendiskurs muss heute ausfallen. Wegen Überfüllung des Konferenzraums, so muss ich lesen, zur Zeit leider kein Einlass. Zu schade, aber wie das so ist mit dem Dürfen und Können, bin ich im Begriff, mich ungehorsamst über die Autorität der schriftlichen Bekanntmachung hinweg zu setzen. Das Boot ist voll? Nicht für mich. Schließlich habe ich ja diesen „Reporter“-Button, das taz-Armbändchen, die Eintrittskarte, und, sozusagen als kriegsentscheidende letzte Geheimwaffe, mein mich seriös machendes Namensschildchen dabei. All Areas, Baby! Weitgehend unbeeindruckt von der Materialschlacht, zeigt sich leider nur der unfreundliche, aber bestimmt auftretende Saalwächter, welcher mir, nicht ohne sarkastischen Subtext, nochmals den Inhalt des von mir belächelten Blattes zusammenfasst. Sie lassen mich wirklich nicht rein? Dann also Trockenschwimmen.

Was ist nicht schon alles publiziert worden über das Rollenverständnis Angela Merkels und dem Rest der aufstrebenden Damenwelt im Haifischbecken des Karrierismus? Grob gesagt: Wie Frau es macht, sie macht es falsch. Stereotype Weiblichkeit würde einer Frau in Angela Merkels Position umgehend als Schwäche ausgelegt, zu sensibel, zu gefühlsgesteuert, man kennt dies. Die andere Variante, welche Merkel vorzieht, ist zwar karrierefördend, wird aber in der hiesigen Medienlandschaft gnadenlos ausgeschlachtet und „Angie“ der Lächerlichkeit preisgegeben. Die „vermännlichte“ Frau – der einzige Weg an die Fleischtöpfe der Macht? Kinderlos, Hosenanzug, asexuelle Erscheinung, ja, das sind so Sachen. Eine Ebene unter der Regierungschefin aber scheint sich etwas zu regen: Mit Ursula von der Leyen sowie dem Kohl-Klon Kristina Schröder scheinen zwei Frauen nach oben zu streben, die ihre Weiblichkeit geradezu aggressiv propagieren. Von der Leyen, häufig inmitten der hauseigenen Kinderbande abgelichtet, Köhler, Entschuldigung, Schröder (sie hat ja geheiratet), aktuell mit prallem Baby-Bauch im Dienste der Nation.

Doch hier lohnt ein genauerer Blick auf die realen Mechanismen: Die Ämter, mit denen die Vorzeigemutter „Zensursula“ anfänglich betraut wurde, entsprechen genau ihrem Rollen-Klischee. Zunächst, noch in Niedersachsen, Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit. Unter Schwarz-Gelb dann Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (den Job im Bundesministerium für Arbeit und Soziales bekam sie lediglich aufgrund von Postengeschacher). Nach ihrem Abgang zur Hartz-IV-Verwaltung bekam diesen Job unsere Vorzeige-Mutti Nummer zwei, Kristina Schröder. Man sieht also: Die alten Mechanismen scheinen noch intakt zu sein, Frau gleich Mutter gleich fürsorglich. Aber auch an anderer Stelle scheint man nicht über diese urzeitlichen Verhältnisse hinauszukommen. Schauen wir, was die hamburgerische Landesministerin Aygül Özkan beruflich so treibt; Als „weibliche“ Frau ist auch sie natürlich für „Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit“ zuständig, und als Muslimin selbstverständlich auch für….: Integration. Alles nur Zufall? Angesichts dieser offensiven Rollenzuschreibungen fällt es schwer, von „Integration“, „Gleichberechtigung“ etc. zu sprechen, Echte Integration und Gleichberechtigung wäre es doch, würde man eine Migrantin einfach mal auf einen Posten setzen, der weder etwas mit ihrem Geschlecht, noch mit ihrer Herkunft zu tun hat, sondern einfach mit ihren errungenen Kompetenzen. Merkel hingegen weiß um die Gefahren die eine zu offene Weiblichkeit birgt, für ihren Machtwillen nimmt die kühle Taktikerin deshalb auch die Tiefschläge der politischen Satire hin.

Über all dieses hätte ich gerne mit Margreth Lünenborg, Journalistikprofessorin an der FU Berlin, gesprochen. Über Funktionalität und Emotionalität, über gläserne Decken, mediale Konstruktionen, Frauen, Männer, Gott und die Welt. Nur leider macht mir da besagter Saalwächter einen Strich durch die Rechnung, und so bleibt mir nur mich zu fragen, ob es wohl auch einen Zusammenhang gibt zwischen mürrischen Männern und dem Job, arglose taz-Blogger an der Tür abzuweisen.

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