Sie kämpfen entschieden für die Meinungsfreiheit – so lange alle anderen die gleiche haben. Nachdem Journalisten kritisch über die Cinema for Peace-Gala berichteten, gehen die Veranstalter nun aggressiv gegen sie vor. Die taz hält dagegen.
Am liebsten hätte Jaka Bizilj vermutlich, dass der gesamte Text aus dem taz-Archiv verschwindet. Und wenn das nicht geht? Dann dürfte Herr Bizilj sich wohl wünschen, dass ein ganz bestimmtes Wort aus diesem Text verschwindet. Es ist das Wort „angeblich“. Es ist ein kleines Wort und es ist auch ein wichtiges Wort. Wir werden gern mit Herrn Bizilj streiten.
Die taz hatte am 10. Februar in einem launigen Text unter der Überschrift „Und jetzt bitte nachgießen“ über die sogenannte „Cinema for Peace“-Gala berichtet und darüber, wie sie den skurrilen Abend unter schicken Spendensammlern und vermeintlich friedensbewegten Filmemachern erlebt hat. Die Cinema for Peace-Gala – das ist ein Charity-Event, bei dem Spenden gesammelt werden. Jaka Bizilj ist der Chef dieser Gala und er hätte wohl gern, dass alle meinen, es handele sich dabei um einen guten Zweck und nicht, zum Beispiel, um einen angeblich guten Zweck.
Und nachdem die taz nun eine lustige Unterlassungsaufforderung von einer sehr renommierten Anwaltskanzlei erhalten hat, möchten wir gerne: So richtig vor ein ordentliches Gericht, und zwar in aller Ruhe. Wir möchten jene Experten einladen, die alles bezeugen können: Die Schauspielerin Natalie Portman zum Beispiel, die Kultaktivisten von den Yes Men in den USA, die Mitglieder des Berliner Peng Collectives und natürlich den Mann, der neulich auf offener Bühne einen Eisbären ficken wollte.
Soll dies doch ein Gericht entscheiden: Hat die taz wirklich unzutreffend über einen Abend berichtet, den auch andere Journalisten als Pannenabend erlebt, eingeordnet und dargestellt haben? Oder hat Jaka Bizilj, laut Darstellungen im Internet Chairman an Board der sogenannten Cinema for Peace Foundation und ebenfalls Geschäftsführer der Star Entertainment GmbH, die die Gala nach eigener Darstellung veranstaltet haben will, womöglich eine recht eigenwillige Vorstellung von der Presse- und von Meinungsfreiheit?
Eigentlich sollte man dies ja nicht denken: Was wurde die Meinungsfreiheit nicht zelebriert, an jenem Abend des 9. Februar im Berliner Konzerthaus. Selbst die Veranstalter resümierten am Tag nach der Gala in einer Pressemitteilung stolz: „Unter dem Motto „Freedom of Expression“ setzte die diesjährige Cinema for Peace Gala ein eindrucksvolles Zeichen zum Schutz der Meinungsfreiheit, Kunst und Satire.“ Allein: Es waren nicht alle dieser Meinung.
Nur einige Stunden später, als sich die kritische Berichterstattung abzeichnete, folgte eine weitere Pressemitteilung, die offenbar pauschal an zahlreiche Journalisten versandt wurde. Darin behauptete die Presseagentur unter anderem wörtlich: „Es kam während der gesamten Gala zu keinen nennenswerten Pannen, niemand verließ vorzeitig die Bühne, der Ablauf wurde wie geplant durchgeführt.“
Das ist eine steile These: Während der Gala war die Bühne in einer politischen Protestaktion und Intervention von mehreren Aktivisten gestürmt worden. Einer von ihnen, der weltbekannte Yes Men-Aktivist Mike Bonanno, wurde daraufhin von Ordnern von der Bühne getragen. Doch die Veranstalter behaupteten nun: Der sogenannte Eklat auf der Bühne sei Satire gewesen, passend zum Thema des Abends. Das war, zur Erinnerung, die Meinungsfreiheit.
Diese Meinung dürfen die Veranstalter natürlich haben.
Doch: In der Mail setzten die Veranstalter dann pauschal eine Frist, „die bisherigen Darstellungen bis morgen, Mittwoch, 11.02, 12 Uhr, zu korrigieren.“ Kurz: Was eine nennenswerte Panne ist, das sollen nach Vorstellung der Veranstalter wohl nur sie selbst bestimmen dürfen.
Dabei hatten sie im Übrigen noch Glück gehabt: Denn ursprünglich wollten die Yes Men mit einem Eisbärenkostüm die Bühne erobern. Dann sollte der als Indianer verkleidete Aktivist Gitz Crazyboy diesen Eisbären von hinten, sagen wir freundlich, bedrängen. Es sollte ein Symbol sein: Wie der Mensch die Umwelt fickt. Anschließend sollten zwei halbnackte Aktivisten aus dem Eisbärenkostüm klettern. Das wäre vielleicht eine satirische Aktion gewesen – die von den Veranstaltern allerdings, aus recht nachvollziehbaren Gründen, unterbunden wurde.
Nun: Was ein guter Zweck ist und was, wie die taz geschrieben hat, angeblich ein guter Zweck ist – das ist zweifelsfrei eine Meinungsfrage und schwer angreifbar.
Doch es gibt ja stets Mittel zum Zweck. In ihrer Unterlassungsaufforderung fordern die Veranstalter die taz nun also unter anderem auf, nicht weiter zu behaupten, dass Herr Bizilj verstimmt und Natalie Portman beleidigt gewesen seien.
Und siehe: Es war der Veranstalter höchstselbst, der vor allerlei Zeugen und in Anwesenheit der taz nach der Gala eine bemerkenswerte Szene lieferte: Im Rahmen der Aftershow-Party, zu der auch die Yes Men gingen, um dort die ebenso von der Veranstaltung frustrierten Pussy Riot-Aktivistinnen zu treffen, kam der sichtlich verstimmte Jaka Bizilj auf den Yes Men-Aktivisten Mike Bonanno zu, den er zuvor hatte von der Bühne tragen lassen.
Bizilj, eindeutig wenig amüsiert, forderte den Yes Men auf, sich bei Natalie Portman zu entschuldigen. Der Hintergrund: Zu dem Zeitpunkt als Bonanno zuvor die Bühne gestürmt hatte, hatte Portman sich noch auf der Bühne befunden. Nun also wollte Bizilj, der nicht zu Späßen aufgelegt war, nach eigener Aussage Portman ein Foto senden – als Beweis dafür, dass die Yes Men sich bei dieser entschuldigten. Weil Bonanno Späße machte und das erste Foto Bizilj nicht adäquat erschien, wiederholte er den vermeintlichen Handshake zur Versöhnung mit Bonanno, prüfte dann mit ernster Mine die Bilder und machte sich ohne weitere Freundlichkeiten davon. Möglicherweise wähnte er sich unbeobachtet. Doch siehe: Heute behaupten Biziljs Anwälte dreist, ihr Mandant sei gar nicht verstimmt gewesen – und Natalie Portman nun also doch nicht beleidigt.
Den Schriftsatz der Gegenseite hat die taz mit großer Belustigung gelesen. Denn für die taz scheint klar: Weil die Veranstalter schlecht mit Kritik umgehen können, soll dass Presserecht nun offenbar genutzt werden, um mit wagemutigen Behauptungen gegen kritische Berichterstattung vorzugehen.
Die taz ist dabei nicht das einzige Medium, das von den Cinema for Peace-Veranstaltern attackiert wird.
In einer Kundenmitteilung teilte etwa die Deutsche Presseagentur dpa mit, „dass einige Kunden von Seiten des Veranstalters Star Entertainment wegen dieser Berichterstattung abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert wurden.“ Weiter schrieb dpa: „Wir sind der Auffassung, dass die dpa-Berichterstattung rechtmäßig ist.“
Auch gegen einen Artikel im Tagesspiegel unter der Überschrift „Pannen für den guten Zweck“ gehen die Veranstalter vor. Der Text thematisiert unter anderem die Frage, warum Til Schweiger für seinen Film „Honig im Kopf“ bei der Gala einen Preis bekommen haben könnte. Zu Recht: Für seinen Alzheimer-Film war Til Schweiger auf der Gala gefeiert und beklatscht worden. Aber Moment mal: Alzheimer? Frieden?
Nun: Es könnte sich ja durchaus die Frage stellen, ob es neben der engagierten Friedensarbeit noch andere Gründe gibt, weshalb Stars und Sternchen bei der Gala ausgezeichnet werden.
Offenbar weil ihnen auch der Text nicht gefällt, gehen die Veranstalter nun mit teils absurden Versuchen gegen den Tagesspiegel vor. Schönstes Beispiel: Unter anderem stellen sie in Abrede, dass es wie von der Autorin an einer Stelle beschrieben, für sie nach Kohl gerochen habe.
Ergo: Die taz vermutet, dass es um mehr geht als um Kohl – und hofft nun in eigener Sache, dass es bald zu einer Hauptverhandlung zwischen der Star Entertainment GmbH und der taz kommt. Dann wollen wir alles ganz genau klären lassen. Denn auch wir wollen wissen, wie es Natalie Portman nun also wirklich geht. Die taz ist gerne bereit, auch noch einmal Pussy Riot zu befragen und auch gerichtsfest zu klären, ob die Yes Men plötzlich behaupten würden, sie seien ein Teil dieses fragwürdigen Programms gewesen. Und natürlich will die taz auch Gitz Crazyboy in den Zeugenstand rufen. Kann er die Sache mit dem Eisbären, mit Satire und Protest, vielleicht nochmal einem Richter erklären? Wir denken, dass es sich lohnt, diese Fragen zu klären. Und dann, wenn wir alle Zeugen gehört haben, sollten wir vielleicht auch nochmal über ein ganz bestimmtes Wort reden. Es ist das Wort angeblich.
Mehrfach und mit Nachdruck hat die taz darum gebeten, mitzuteilen, wie hoch die Spendenerlöse der diesjährigen und letzten Charity-Galas unter dem Stichwort „Cinema for Peace“ waren und wie diese Spenden verwendet wurden. Eine substanzielle Antwort darauf hat die taz bis heute nicht erhalten.
Und so ist es gut möglich, dass dieser interessante Prozess durchaus ein paar neue Erkenntnisse bringt. Etwa Antworten auf die Frage, was ein angeblich guter Zweck ist. Und wer angeblich für die Pressefreiheit ist – und wer nicht.
die spendengelder der cinema for peace gala werden seit 2002 freiwillig geprüft und testiert, und stehen der öffentlichkeit online zur verfügung.
die yes men waren eingeladene gäste, durften frei reden, obwohl sie das programm unterbrochen haben, haben den rest des abends bei der gala verbracht und mit den veranstaltern danach getanzt und gefeiert.
der autor versucht den lesern scheinbar einen dicken Bären aufzubinden.