von 18.04.2009

taz Hausblog

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Das war mal eine gewagte These für eine taz-Veranstaltung: Die Jugend macht’s besser! So zumindest klang bei der Podiumsdiskussion „Was nützt schon Geschlechterkampf?“,was Soziologin Barbara Keddi in aufwändigen Langzeituntersuchungen herausgefunden haben will: Entwarnung, kein Geschlechterkampf mehr! Männer und Frauen finden sich zu Paaren zusammen, wenn sie ohnehin die gleichen Lebensthemen haben: traditionelles Modell mit Versorger und Hausfrau. Oder eben modernes Modell. Oder vielleicht eines ohne Kinder.

Sieben Modelle gab’s zur Auswahl, wenn beide das Gleiche haben, ist alles in Butter. Gleich und gleich gesellt sich und Unfrieden herrscht höchstens, wenn der Papa dann doch nicht so viele Windeln wickelt wie versprochen. Aber ein Kampf, Männer gegen Frauen? Abgeblasen.

Das konnte weder das Podium noch das Publikum im brechend vollen Konferenzraum 1 stehen lassen. „Die Realität sieht anders aus als das, was die jungen Leute ihnen da geantwortet haben“, hielt Psychoanalytikerin Ilka Quindeau Keddi entgegen. Schließlich wirkten die bundesrepublikanischen Strukturen einem gleichberechtigten Paarmodell entgegen.

Linkspartei-Politikerin Barbara Höll wollte Keddis Appell zur Toleranz auch gegenüber dem Old-School-Versorgermodell nicht folgen: „Ökonomische Unabhängigkeit von Frauen ist eine Grundvoraussetzung, ohne das ist alles andere nichts.“

Das Publikum wurde noch deutlicher: Mit Toleranz für Lebensmodelle könne man Männerseilschaften im öffentlichen Leben wohl kaum beikommen, so eine Bremer Aktivistin. Und auch der einzige Mann auf dem Podium forderte Gesetze, um den gesellschaftlichen Ungleichheiten bei zu kommen.

Detlef Siegfried, Kulturhistoriker aus Kopenhagen, wollte Gleichstellungsgesetze für die Wirtschaft nach skandinavischem Vorbild: „Und erst danach geht es ans Eingemachte“, dann erst nämlich könne man sich mit den kulturellen Codes auseinander setzen, nach denen auch in Skandinavien immer noch die Männer in den Spitzenpositionen landen und die Frauen die Wäsche machen.

Einig waren sich alle im Misstrauen gegenüber geschlechtlichen Fixierungen: So sind Männer, so sind Frauen. Während Ilka Quindeau hoffte, die Geschlechterhierarchie abzubauen, indem nicht mehr die Unterschiede, sondern die Gemeinsamkeiten von Männern und Frauen betont würden, debattierte das Publikum vor allem die politische Anerkennung von Transsexuellen und Hermaphroditen und fanden offene Ohren bei taz-Redakteurin Judith Luig, der gut gelaunten Moderatorin, die einen Text zum Thema in Aussicht stellte.

Vor der Veranstaltung hatte ein junges Mädchen kundgetan, sie hoffe, jetzt etwas über Feminismus zu lernen. „Davon habe ich nämlich echt überhaupt keine Ahnung!“ In der Veranstaltung bekam sie tatsächlich einen Crashkurs – aus dem Publikum:

In der letzten Reihen rief eine schöne Frau mit kastanienrotem Haar, dass man nicht einfach tolerant für all die unreflektierten Wünsche der jungen Generation sein könne: „Ich denke, sie machen einen schrecklichen Fehler, und sie leben in einem schrecklichen Rollback, an dem sie selbst mitwirken. Ein Mann in einer hohen beruflichen Position hat einen hohen Sexualstatus, eine Frau in einer hohen Position hat einen niedrigen. Und das ist doch leider einfach Scheiße!“

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https://blogs.taz.de/hausblog/das-ist-doch-leider-scheisse/

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kommentare

  • @ Ruth: ‚Beliebigkeit‘ war auf die TAZ bezogen, auf nichts anderes: „Die TAZ spricht über diese Themen, was ich für positiv halte, aber sie versinken dort (in der TAZ!)leider in einem Brei der Beliebigkeit“. Ich meinte: in der TAZ erscheinen wichtige Themen, zu denen Feminismus und die Rechte der Frauen zählen, aber ich vermisse eine tägliche Rubrik mit ‚Nachhaltigkeit‘. Was den Berliner Bankenskandal betrifft, kenne ich mich nicht aus. Und auch die Interna, dass man in der TAZ von Seiten der ‚Leitungsmenschen‘ gegenüber Untergebenen meint, sie besitzen zu können, sind mir unbekannt, scheinen aber auf persönlichen Erfahrungen zu beruhen. Sie klagen etwas an, was Sie empört, aber es ist schwer, darauf zu antworten. Ihr Hinweis auf die Frauenbewegung im Nationalsozialismus: ich kenne es von meiner Mutter, die als junger Mensch zum BDM kam. Es stand Befreiung drauf, es war Unterdrückung drin. Aber das ist keine neue Erkenntnis. Die heutige Frage richtet sich an eine als ‚Globalisierung‘ definierte neue Weltordnung, die die Rechtlosigkeit unterprivilegierter Menschen nun nicht mehr national, sondern international definiert, sich aber immer noch in den meisten Medien – in der Absicht geistiger Verblödung – als fortschrittlich und sozial präsentiert.

  • was ist da beliebig daran, dass die Initiative berliner Banken skandal, noch lange vor der jetzigen – nun weltweiten – Finanzkrise, versuchte die sich „links“ verkaufenden
    Ikonen hiesiger sozialer Bewegungen ( etwa einen Psychologenprof und eine ehemalige taz Chefin) dazu zu bringen öffentlich ihre Fondsanteile an dren „Schweinefonds“ genannten Absahnfonds der Berliner Bankgesellschaft zurückzugeben und so mit zu helfen den politischen Skandal
    solidartisch ( wie sie so tun als täten sie es verlangen)
    mit aufzuräumen zu helfen.

    Nun haben wir die Situation, dass ähnlich gebaute Fonanzprodukte, wie die um die es damls in Berlin schon ging und die deutlich zeugten dass die Finanzkapitalistische „Glaobalisierung“ jegliche demokratische sog. Rechtstaatlichkeit hintertreibt, also die Demokratiebehauptung der Politiker und der solche Produkte kaufenden Ikonen praktisch nichtig macht. Theorie und Praxis müßen doch zusammengehen. Sonst ist es ja so, dass Demokratie draufstehe und Faschismus drin sein kann.

    bei den Nazis war es mit der Frauenbewegung so, dass schon in den 20gern sich mehrere fascho Frauenklubs bildeten, die waren sich auch immer einig darin, sich gegenseitig zu bekriegen über der Frage, welche die Obernazisse sein darf. Am Ende hat das dann ein Mann entschieden, schließlich waren die ja doch gefälligst untergeordnet.

    In der taz ist es „nur“ die selbstverständlichkeit, dass
    Leitungsmenschen untergebene meinen besitzen zu können und
    Befehle und Kritik an ganz untegebene natürlich gar nicht mehr selber leisten müßen, sondern ihre persönlichen sekretäre/in dazu briefen, dies zu tun.

    das ist jetzt natürlich total beliebig und rein zufällig alles miteinander vermischt, was ganz und gar nix miteinander zum tun hat.

  • @ Christian: Blogs richten sich gerade an diejenigen, die nicht ‚da‘ waren, sonst könnte man sich dieses Medium ersparen. Aber wenn Dir etwas nicht paßt, brauchst Du Dich an der von mir eröffneten Diskussion nicht zu beteiligen. Du scheinst ja nicht gerade besonders viel zu den inhaltlichen Fragen beitragen zu wollen, nach meinem Eindruck.

  • vielleicht liegt ja die eigentliche scheisse darin, dass die heutige form des feminismus nur eine andere strategie darstellt, an den unterdrückungsformaten des sozialdarwinistischen kapitalismus teilnehmen zu wollen. die emanzipierte konsumfrau möchte einen stück vom kapitalistischen kuchen, am besten in gleichberechtigter führungsposition, ohne allerdings das ganze infrage zu stellen. genau aus diesem grund scheint „ruth“ einige richtige zusammenhänge zu benennen. was hat sich denn an den globalen ausbeutungsformen geändert, seitdem im deutschsprachigen raum das soziologische klischee von pluralisierung, individualisierung etc. kursiert? vielleicht trägt ja gerade diese ideologische redeweise, die sich als wahrheit verkleidet, dazu bei, dass so etwas wie die erkenntnis gemeinsamer klasseninteressen verhindert wird.

  • @ Ruth: Feminismus und TAZ ist vielleicht wie Wahrheit und BILD, oder? Ja, Ihr Hinweis auf die weltweite Entrechtung von Frauen, deren Armut und Opfer von Gewalt, zählt, auch wenn ich nicht alles verstehe, was Sie schreiben. Globalisierung ist ein anderes Wort für internationale Herrschaft des Kapitals, Rassismus und Frauendiskriminierung sind Elemente zusätzlicher Unterdrückung und Zusatzquellen der Ausbeutung. Die TAZ spricht über diese Themen, was ich für positiv halte, aber sie versinken dort leider in einem Brei der Beliebigkeit – Information braucht auch Engagement.

  • Hallöle,

    das ist doch typisch taz, da werden feministische Postionen
    medial auseinanderdividiert, indem klassismus gegen Sexismus gestellt wird. Das mit dem dritten primären Herrschaftsmuster Rassismus zu tun ist nich tazkompatibel
    ( immerhin ein rest von linker Ahnung im bürgerlichen Einerlei)
    Klassismus war aber schon immer die Hürde an der der Feminismus gepalten wurde von innen und von Aussen.

    In der taz ist dass der Diskurs: Es habe irgend etwas mit
    Emanzipation als Ziel des Feminismus vom zu tun, wenn Frauen in die Leitungspositionen innerhalb des Patriachates kommen können. Die Frauen, die das in der taz schafften sind natürliche Vertreterinnen eines solchen findamentalen Irrtums, allerdings war Feminismus, als er noch eine Bewegung meinte, für andere Ziele eingetreten:

    Überwindung der Herrschaftsstrukturen statt Anpassung an selbige. Die linken Persönlichkeiten unserer Zeit haben auch keinen Skrupel gehabt sich Fonsanteile des Berlinber Banken Skandals zu kaufen, mit diesen wurde ihnen versprochen
    15 % Rebdite an der Vermarktung und Ökonomisierung ihrer
    Stadt zu erhalten. Diese, datrunter eine damalige taz Chefin und eine Ikone der deutschen Friedensbewegung, waren sicherlich politisch gebildet genug, um zu wissen, was das bedeutet. Mensch frägt sich, warum die sich nun wundern, im Rahmen der Weltfinanzkrise, dass extrem viele arme Frauen auf dem Planeten nun extrem mehr Gewalt erleben?
    Ach so. es wundert ja nicht, das ist ja der Stoff der taz.

    aber ich schätze das wird hier sowieso rauszensiert…

    grüße !

    Z

    Leitungsfunktionen

  • @ Katze: ich war zwar nicht auf der Veranstaltung, aber ‚falsch eingeladen‘ dürfte zutreffen. Wenn jemand garnix mit feministischen Gedanken zu tun hat, dann Frau Keddi. Sie vertritt das im Blog erwähnte ‚roll-back‘, indem sie Frauen eine unbeschwerte Freiheit der Lebensgestaltung andichtet, die es aber überhaupt nicht gibt. 2007 heißt es in ihrem Projekt: ‚Entwicklungsprozesse familialer und beruflicher Lebenszusammenhänge junger Frauen‘: ‚Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Individualisierungsprozesse gestalten und leben junge Frauen ihr Leben zunehmend nach eigenen Vorstellungen. Die Lebensmöglichkeiten sind vielfältiger als je zuvor‘. Das sind falsche Behauptungen, die jede Auszubildende, Arbeiterin und Angestellte nur als Hohn empfinden kann. Genauso wie es ein Hohn ist, diese Referentin bei der TAZ zu diesem Thema einzuladen.

  • Da habe ich diese Veranstaltung aber irgendwie anders gesehen, nämlich so:
    Keddi war falsch eingeladen, weil sie eine soziologische Studie vorstellte und nix mit feministischer Theorie zu tun hatte (mal ganz zu schweigen von ihrer langsamen Art vorzutragen) Ihre These war doch aber nicht „Die Jugend machts besser!“? Sie wollte doch unterscheiden, dass es sich nicht um eine homogene Gruppe von Frauen und eine homogene Gruppe von Männern handelt, sondern dass es sich vielmehr um verschiedene Lebensmodelle handelt in denen manche Frauen mit Männern mehr Gemeinsamkeiten haben als untereinander.
    Nur leider hatte das alles so wenig mit dem politischen Subjekt zu tun und war so wenig auf die Erwartungen im Publikum zugeschnitten. Nur das es sich dann am Ende wieder an den üblichen Themen wie „Darf ich mir die Tür offen halten lassen ohne Opfer zu sein?“ aufrieb war äußerst ärgerlich.
    Trotzdem Danke und Grüße. K.

  • Kaum zu fassen, was die Referentin Barbara Keddi aufwändig herausgefunden haben will, alles reinster Sonnenschein und freie Wahl der Frauen für ein selbstständiges, unabhängiges Leben mit allen Chancen auf Anerkennung und Aufstieg. Nur schade, dass das bisher noch niemand wußte, weder bei den 99% männlich besetzten Vorständen und Aufsichtsräten deutscher Unternehmen, noch bei den weiblich besetzten Billigjobs, von denen niemand leben kann. Habe entweder wohl irgendetwas in den letzten Jahren verpaßt oder Frau Keddi ist so ganz und gar nicht von dieser Welt. Das ist wirklich leider Scheisse.

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