vontazlab 09.04.2011

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Von Katja Barthold

Immer wieder beruft sich Axel Wallrabenstein auf das Bild des unabhängigen, mündigen Politikers und Journalisten. Ein Idealbild, das doch gerade seinen Job erheblich erschweren würde, denn er ist Geschäftsführer der MSL Group Germany, bekannt für Public Relations.

Doch er ist in der Zwickmühle. Denn, eingezingelt von seinen Mitreferenten und einzelner aufgebrachter PodiumszuhörerInnen, hat er es schwer, seinen Berufsstand zu verteidigen. Christoph Lütgert, Journalist, Autor und bekannt für seine Reportagen über KiK und AWD, Tom Schimmeck, Autor, Journalist, Mitbegründer der taz und SPD-Bundestagsabgeordneter Lothar Binding sind sich einig: Lobbyisten, die ihre Wahrheiten verbreiten, und Journalisten, die sie drucken, verseuchen die Medienlandschaft.

„Schleimscheißermeile von Mitte“ nennt Tom Schimmeck die Berliner Friedrichsstraße, Hauptsitz der füntausend Lobbyisten in Berlin. Sie besuchen Politiker, schicken Berichte an Redaktionen oder organisieren Veranstaltungen mit bekannten Gesichtern aus der Medienwelt. Geplagt davon scheint auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding, der laut seiner Worte regelmäßig von einer Frau Marianne Tritz, Lobbyistin es Deutschen Zigarettenverbands, getriezt wird. Die ehemalige Abgeordnete der Grünen wollte ihm nicht einmal verraten, welche Geldsumme sie zu diesem Sinneswandel verhalf. Umgarnt von „gutaussehenden Blondinen und gegelten Guttenberg-Typen“ scheint Binding jedoch selbst seine eigene Mündigkeit zu bezweifeln.

Wallrabenstein lächelt verschmitzt und verweist auf das Wörtchen „Nein“, dass dem Politiker und Journalisten ja nun nicht verboten sei, und verwischt, nun nicht mehr ganz schweißfrei, die Vorwürfe an die Lobbyisten, „liefern diese doch Qualitätsberichte an die Redaktionen“. Fast scheint es so, als fehle ihm eine gewisse Dankbarkeit, während seine Mitreferenten weitere Manipulationstechniken der Public-Relation-Profis empört aufzählen.

Auf diese Hilfsbereitschaft kann Christoph Lütgert getrost verzichten und berichtet nicht nur von seinen Recherchen über die AWD, sondern auch über die Klagewelle, die ihn daraufhin nass zu machen versuchte. Sein Schutzschild sind die Öffentlich-Rechtlichen, die ihn sogar den Kachelmann-Anwalt zur Seite stellten.

„Kinderkram“ belächelt dies Wallrabenstein und pocht erneut auf ein bisschen mehr Selbstbewusstsein bei den Journalisten. Und bringt damit nun auch das Publikum augenscheinlich gegen sich auf. Ein Selbstbewusstsein, dass sich laut Lütgert jedoch nur noch Angestellte des öffentlich-rechtlichen Fernsehens leisten können.

Doch es gibt ihn – den Moment, in dem Wallrabensteins Lächeln einfror. Auf die Nachfrage im Anschluss an die Frage, wie mündig denn der Bürger noch sein könne, wenn sich zum Beispiel die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft in Marienhofdrehbücher einkauft, um Leiharbeit als tolle Sache darzustellen. „Ja, das, das ist schon ein Skandal“, sagt er, und es folgten seine zwei oft erwähnten Aber, die Lobbyisten liefern wichtige Informationen und die anderen machen das ja auch, wobei er auf Greenpeace verweist. Es folgt ein Raunen im Saal, spätestens jetzt hat er das Publikum endgültig gegen sich aufgebracht.

Für einen PR-Agentur-Chef verstand es Wallrabenstein wenig, das Publikum für sich zu gewinnen. „Aber war ja auch klar auf so einem linken Medienkongress“ erklärt er sich selbst und raucht nach den anstrengenden Debatten über die Tabaklobby erst einmal eine Zigarette.

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