Pünktlich um 9:50 Uhr am Samstag, 17. September 2022 eröffnete die im letzten Jahr gewählte Aufsichtsrätin Nina Schoenian die Ordentliche Generalversammlung der taz, die tageszeitung Verlagsgenossenschaft und stellte die Beschlussfähigkeit der Versammlung fest.
Einige Genoss:innen hatten sich zu dieser frühen Zeit schon im Berliner Festsaal Kreuzberg eingefunden, andere schalteten sich gemütlich von zu Hause aus zu. Insgesamt hatten sich am frühen Vormittag über 400 Genoss:innen zur Versammlung angemeldet.
Als erstes auf dem Programm stand eine berührende Gedenkrede auf den kürzlich verstorbenen Christian Ströbele, die der taz-Anwalt und „Nachlassverwalter“ Jony Eisenberg hielt. Dabei ging er vor allem auch auf den Hass und den Widerstand ein, mit dem sich der – nicht nur für die taz – so wichtige Christian Ströbele Zeit seines Lebens konfrontiert sah.
„Ohne ihn würde es die taz nicht mehr geben“
Als ewiger „Störenfried“ und „linkes Gewissen“ habe es sich der ehemalige RAF-Verteidiger und Anwalt zur Aufgabe gemacht, die Kommunikation zwischen den politischen Gefangenen aufrecht zu erhalten. Das er dafür verurteilt wurde, gleiche einer Verletzung seiner Verteidigerrechte und zeige die Kontinuität rechter Gesinnung im deutschen Rechtssystem.
Für die Grünen war Ströbele „Blitzableiter der sich nach rechts entwickelnden Parteiführung“ und vermittelte gegenüber der grünen Basis. Dabei war er stets loyal, gegenüber Mandanten, Parteien und Menschen, die er unterstützte – ohne dabei seine politischen Überzeugungen zu verraten.
Anfang der 1990er Jahre kam es zum erzwungen Rücktritt Ströbeles vom Amt des grünen Bundessprechers und auch zur Gründung der taz Genossenschaft. „Ohne ihn würde es die taz nicht mehr geben“, so Eisenberg.
Abschließend sprach Eisenberg über die „ganz wichtige Person“ Christian Ströbele, der immer zu seiner Sache stand: „Ein mutiger Mann und bürgerlicher Demokrat, der genau wusste, was nicht in Ordnung war und die Größe besaß, seinen körperlichen Schmerzen am Ende bewusst zu entgehen.“
„Was wir alle können: Aus dem Stand springen“
Die Chefredakteurinnen Barbara Junge und Ulrike Winkelmann richteten Grußworte an die taz-Genoss:innen und lieferten einen Ausblick auf den Tag. Dabei würdigten sie auch die Arbeit der taz-Mitarbeitenden, die in der Lage seien, aus dem Stand zu springen, so Chefredakteurin Ulrike Winkelmann, dass zeige aktuell zum Beispiel die Berichterstattung aus der Ukraine. Neueste Zahlen der IVW (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.) deuteten zudem auf ein Ende der Nachrichtenmüdigkeit bei den taz-Leser:innen hin. Die sogenannte „News Fatigue“ scheint also vorüber zu sein.
taz-Geschäftsführer Andreas Marggraf stellte die Gewinn- und Verlustrechnung 2021 vor. Zum Ende des letzten Geschäftsjahres zeichneten 947 neue Genoss:innen Anteile. Der Umsatzerlös ist 2021 um 6,9 Prozent auf insgesamt 31,7 Mio. Euro gestiegen. Die größten Erlösbereiche bilden Abos (print und digital), Einzelverkauf und taz zahl ich.
Die Auflagenentwicklung 2021 ist insgesamt erfreulich und die Unterstützer:innen von taz zahl ich werden stetig mehr. Den vollständigen Bericht der Geschäftsführung und alle Details zu den Zahlen finden Sie hier.
taz Genossenschaft bilanzmäßig sehr gut aufgestellt
Allerdings gab es auch Misserfolge zu vermelden, wie etwa der Streit mit dem Finanzamt. Hier musste im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung klein beigeben werden. Insgesamt sei die taz Genossenschaft bilanzmäßig sehr gut aufgestellt, was einen optimistischen Blick in die Zukunft zuließe, schließt Marggraf.
Zur Aussprache um 11:30 Uhr haben sich insgesamt 571 Genoss:innen versammelt, 175 Genoss:innen im Saal, online haben sich 396 Genoss:innen zugeschaltet. Unter anderem wurden dabei Fragen zur Alterszusammensetzung der taz-Abonennt:innen gestellt, zur Zukunft der digitalen taz und zum Nutzungsverhalten. Verlässlich wurde auch dieses Jahr über das „Gesieze gemault“, wie Moderator und Ex-tazler Martin Kaul richtig feststellte.
Vorstand und Aufsichtsrat entlastet
Apropos Latenzzeit: Leicht verzögert ging es in die Kaffeepause. Entsprechend gestärkt verlief das nachfolgende Abstimmungsprozedere technisch einwandfrei und der Vorstand der taz Genossenschaft sowie der taz-Aufsichtsrat wurden von zwischenzeitlich 626 anwesenden Genoss:innen entlastet.
„Für eine linke, demokratische taz“
Die amtierenden Aufsichtsräte Hermann-Josef Tenhagen und Jens Pohlmann wurden wiedergewählt. Damit endete der formale Teil der diesjährigen taz Genossenschaftsversammlung.
Von Sonja Schmidt, Mitarbeiterin taz-Marketing, Kommunikation und Kreation