von 07.08.2013

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Innenansichten, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

Mehr über diesen Blog

Die taz steht wegen ihrer Berichterstattung über Misshandlungen in der geschlossene Jugendanstalt Haasenburg in juristischen Auseinandersetzungen. So wird am 8. August 2013 vor dem Landgericht Berlin der Widerspruch der taz gegen eine ohne Anhörung der taz ergangene Gegendarstellungsverfügung des Landgerichts Berlin verhandelt. Es geht dabei um einen Artikel in der Wochenendausgabe vom 15./16. Juni 2013. Die taz war trotz ausdrücklicher Aufforderung an das Landgericht Berlin zu diesem Antrag nicht gehört worden.
Am 8. August 2013 wird auch über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der Haasenburg gegen die taz auf Unterlassung verschiedener Formulierungen in dem Artikel vom 15./16. Juni 2013 verhandelt werden.
Die taz hatte sich zuvor bemüht, stets und umfassend Stellungnahmen der Haasenburg zu den Vorwürfen der Misshandlung zu erhalten. Anfragen vor dem Artikel vom 15./16. Juni 2013 hat die Haasenburg nicht beantwortet mit der Begründung, sie könne “sich angesichts Ihrer bisherigen tendenziösen Berichterstattung auch keine Hoffnung auf eine ausgewogene Berichterstattung […] machen”. Zahlreiche Anfragen seither hat die Haasenburg nicht beantwortet.

Die Haasenburg ist zur Auskunft verpflichtet

Der Haasenburg werden zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben Kinder anvertraut. Daher ist die Haasenburg auskunftsverpflichtet nach dem Landespressegesetz. Die Haasenburg GmbH verletzt mit ihrer Weigerung, die Presseanfragen zu beantworten, ihre Auskunftspflichten aus Art. 5 GG i.V.m. § 5 PresseG Brandenburg. Die 27. Kammer des VG Berlin vom 22. Mai 2012, VG 27 K 6.09, („weiter Behördenbegriff“), hat in einem vergleichbaren Fall wörtlich ausgeführt: „Den Landespressegesetzen ist ein eigenständiger Behördenbegriff zu eigen, der auch juristische Personen des Privatrechts wie eine GmbH erfasst, deren die öffentliche Hand sich zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedient, wobei es ausreicht, dass die juristische Person des Privatrechts von der öffentlichen Hand beherrscht wird (BGH, a.a.O. Rn. 11 m.w.N; OVG Münster, Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 5 B 1183/08 -, juris Rn. 4; VG Hamburg, Urteil vom 25. Februar 2009 – 7 K 242/08 -, juris Rn 32; VG Arnsberg, a.a.O. Rn. 32). Diese Auskunftspflicht besteht auch, wenn eine private GmbH öffentliche Aufgaben wahrnimmt.

Dass die Haasenburg GmbH öffentliche Aufgaben wahrnimmt, ist offensichtlich. Die taz hat dies dem zuständigen Ministerium in Brandenburg mitgeteilt. In dieser Weigerung, Presseanfragen zu beantworten, liegt ein weiterer Grund dafür vor, an der Zuverlässigkeit der Verantwortlichen der Haasenburg zu zweifeln. Selbstverständlich hat die Haasenburg die taz – anders als andere Medienvertreter – nicht zu einem Vororttermin in einem ihrer Heime zugelassen.

Die Haasenburg berichtet

auf ihrer Homepage, sie habe am 31. Juli 2013, also nahezu sieben Wochen nach dem Artikel, eine Unterlassungsverfügung gegen einen der Autoren der Beiträge erwirkt, damit dieser bestimmte Vorwürfe nicht mehr wiederholt. Weder dem Autor noch der taz liegt diese einstweilige Verfügung vor. Wenn es sie gibt, ist sie Ergebnis sogenannten “Gerichtshoppings”: Die Haasenburg ist zu einem anderen Gericht gezogen, nachdem sich der Erfolg am ursprünglich angerufenen Gericht nicht so einstellte, wie die Haasenburg es wollte.

Die Haasenburg hatte die taz nämlich in gleicher Sache bereits am 24. Juni abgemahnt. Die taz hatte dagegen sofort Schutzschriften bei den Landgerichten Berlin und Hamburg hinterlegt. Am 2. Juli 2013 hat die Haasenburg dann eine Unterlassungsverfügung beim Landgericht Berlin beantragt. Das Gericht hat ihr am 4. Juli 2013 dazu mitgeteilt, dass es den Antrag teilweise für unbegründet hält, und auf jeden Fall die taz anhören will. Daraufhin hat die Haasenburg den Weg

gewählt, nun auch direkt den Autor am 5. Juli wegen derselben Punkte erstmals abzumahnen.

Zu einem unbekannten Zeitpunkt muss die Haasenburg dann gegen den Autor zum Landgericht Hamburg gegangen sein. Dieses hat, wenn die Angaben der Haasenburg dazu stimmen, die einstweilige Verfügung gegen unseren Autor ohne dessen Anhörung erlassen.

Das Landgericht Hamburg hätte eine Verfügung gegen unseren Autor nicht erlassen dürfen, wenn es von bestimmten Umständen Kenntnis gehabt hätte. Nämlich konkret davon, dass bereits wegen derselben Sache ein Verfahren vor dem Landgericht Berlin anhängig war, und dass die Haasenburg die taz bereits am 24. Juni abgemahnt hatte. Die Haasenburg hat mit einer Abmahnung gegenüber unserem Autor aber bis zum 5. Juli und damit bis zu einem Zeitpunkt gewartet, als klar war, dass das Landgericht in Berlin sich geweigert hatte, ohne Anhörung der taz die Verbotsverfügung gegen die taz zu erlassen (Selbstwiderlegung der Eilbedürftigkeit der Sache durch Verhalten der Haasenburg, „Gerichtshopping“ OLG HH Urt. v. 06.12.2006 – Az.: 5 U 67/06).

Die taz hat von Anbeginn an sorgfältig und gewissenhaft recherchiert. Sie wird den Gerichten zahlreiche eidesstattliche Versicherungen von Zeugen und zudem Eigenbelege der Haasenburg vorlegen, aus denen sich ergibt, dass die Kinder nach der Aufnahme isoliert wurden, dass sie “körperlich” begrenzt, also mit körperlicher Gewalt auf sie eingewirkt wurde, und dass es zeitnahe und ausreichende Überprüfungen der Vorgänge nicht gegeben hat.

 

DIE REDAKTION

(Foto: Wolfgang Borrs)

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/hausblog/in-eigener-sache-jugendanstalt-haasenburg-gegen-die-taz/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • ich bin mutter von 6 kindern und mein sohn war in der ddr dort in müncheberg im heim was ich dort erlebt habe war glaube ich noch schlimmer ich kann das alles nicht wieder geben könnte ein buch drüber schreiben im keller ein verlies dort wurden sie eingesperrt ohne wc ohne sitz das sind nur einige sachen ich kann nicht mehr schreiben es kommen alle bilder wieder hoch

  • Autsch! … und wie üblich möchte sich niemand damit befassen. Es müssten ja “Köpfe rollen” und dies bis in die Politik hinein. Letztlich bin ich mir sicher, dass die kids und auch deren Eltern nicht die ganze Zeit – über Jahre hinweg – darüber geschwiegen haben.

    Es scheint somit offenkundig, dass die Jugendämter, Landesjugendämter, Ministerien und Landratsämter; Gerichte – und somit einzelne Richter/-innen – und ganz sicher auch “dein Freund und Helfer” (welch´ Ironie) allesamt von vereinzelten und/oder allen Vorfällen Kenntnis hatten.
    Man müsste bei logischer Schlussfolgerung jeden Einzelnen wegen unterlassener Hilfeleistung resp. auch Vorteilsgewährung im Amt wegsperren … aber wer will das schon? – Ich beispielsweise!

    Meine persönlichen Erfahrungen zeigen, dass sich diese korrupte System um die “Geldmaschine Kind” selbst rehabilitiert.

    Dann schauen wir doch mal, wer nun gegen mich mal wieder “vorgehen” will. Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäusserung gelten nicht mehr als relevant, wenn “DIE” geschädigt würden …

    Meinen Respekt hat die TAZ hierfür allemal! Und ich bin nicht allein … Würde hier jeder gut recherchierte “Einzelfall” aufgedeckt werden, dann wäre es auch für den bisher nichtwissenden Steuerzahler der immer noch daran glaubt – `Wenn das Jugendamt das Kind genommen hat, dann wird das schon richtig sein. Im Heim geht es ihm auf jeden Fall besser` – ein Trauma sein, zu erkennen wieviele Kinder in “staatlicher Obhut” wirklich leiden und wie verschwindend gering hierzu im Gegensatz die tatsächliche Zahl “Misshandlung im elterlichen Haushalt” steht! Und dies alles zahlt jeder Bürger.

    Wenn nun betroffene Eltern das Jugendamt als “Nazi-Behörde” darstellt, dann liegt es höchstwahrscheinlich daran, dass diese die Umerziehung von “freien Geistern” – hier das Objekt Kind – zu einem “gesellschaftskonformen Individuum” als ein Relikt ansehen. Letztlich diente das Jugendamt zu Zeiten seiner Erschaffung eben genau diesen Zielen; und es hat sich bis heute nicht grundlegend geändert.

  • Habt ihr schon einmal in Betracht gezogen, dass es tatsächlich überhaupt keinen Beschluss des Landgerichts in Hamburg gegen den Autoren gibt? Er müsste ihm ja auch irgendwann zugegangen sein. In jedem Fall müsste man Auskunft beim Landgericht bzw Akteneinsicht als Verfahrensbeteiligter erhalten können.

    Mir klingt das nach Salami-Zermürbungs-Taktik. Da das Anliegen, die Öffentlichkeit über die Missstände in der Haasenburg zu informieren, ein berechtigtes ist, würde ich mich in meiner Pressefreiheit nicht beschränken lassen, solange das Bundesverfassungsgericht nicht entschieden hat, dass die Grenzen der Pressefreiheit überschritten wurden.

    Manchmal muss man sich schlichtweg im Interesse des Rechtsstaats durchsetzen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert