Von Ulrike Winkelmann, Leiterin der Inlands-Redaktion der taz
Wer behauptet, Tageszeitungen seien verzichtbar, hat nicht verstanden, wie die Demokratie funktioniert. Oder jedenfalls die Demokratie, wie wir sie kennen.
Denn die ist eine Bürgergesellschaft, von der ein erklecklicher Teil wünscht, an dem Selbstgespräch der Machthabenden und -verwaltenden, der geldeinnehmenden und -ausgebenden Instanzen beteiligt zu werden. Die tapfere Tageszeitungsredakteurin und der ausgeschlafene Tageszeitungsredakteur helfen ihnen dabei.
Das geht nur, weil sie in ihrer Tageszeitungsredaktion jeden Morgen zusammenkommen, um sich im Namen der Bürgergesellschaft aufzuregen – über den Kanzlerkandidaten, über den verseuchten See, ausgebeutete Chinesen, die misslungene Talkshow, eben über alles, was an Informationen über die Drähte, Kanäle und auf Papier angespült wird.
Die RedakteurInnen tun alles, um mehr zu erfahren. Sie rufen bei denen an, die sie für zuständig halten, und bei denen, die sie für klug halten, und bei denen, die ihnen dann noch einmal das Gegenteil erzählen. Und dann streiten sich die RedakteurInnen, wer wie viel davon in die Zeitung schreiben darf.
Genau deshalb ist die Tageszeitung so besonders: Auf begrenztem Platz tragen Menschen, die sehr schnell Informationen zu sortieren und aufzuschreiben gelernt haben, das zusammen, was man ihrer Meinung nach zum Weltverstehen braucht – für rund 24 Stunden. Manche Texte halten länger, andere nicht. Aber einmal am Tag wird Weltübersicht gebündelt.
Dies, rufen die RedakteurInnen, haben wir herausbekommen! Es ist, was Sie, geschätzte Leserinnen und Leser, an einem Tag wissen sollen und können. Und sehen Sie den Zusammenhang zwischen der Rede des deutschen Finanzministers auf Seite 2 der morgigen Ausgabe der taz und den traurigen jungen Menschen in Griechenland auf Seite 5? Haben Sie begriffen, dass der Regisseur auf Seite 15 Ihnen eben dies mit Dampf und Musik um die Ohren hauen will? Hören Sie, wie wir mit Ihnen reden?
Die Tageszeitung trompetet nicht an einem Dienstag oder Donnerstag Jahrhundertweisheiten über die Rentenreform oder die Nordsee-Windräder hinaus. Sie weiß, dass sich Mittwoch oder Freitag da noch etwas ändern kann. Die Tageszeitung wählt aus, aber sie setzt keine Grenzen. Sie urteilt, aber nicht abschließend. Sie ist dicht am Geschehen, schläft aber einmal drüber.
Die Redakteurinnen und Redakteure sind nicht perfekt, sie machen Fehler. Aber die Idee einer täglichen Zeitung, die ist perfekt. So gut wie.
Als ich noch ein kleiner Waldbauernbub war, konnte unsere Presse noch zwischen Information und Meinung unterscheiden. Heute beherrschen viele Journalisten kaum mehr die Rechtschreibung, und von der Grammatik sagen wir mal lieber nichts: Diese Leute, die zu meiner Zeit keine Schriftsetzer-Gehilfenprüfung bestanden hätten, können es aber ums Verrecken nicht lassen, uns ständig zu predigen, wie die Welt zu sein hat; links, grün, antikapitalistisch, antiamerikanisch, antizionistisch und proislamistisch (obwohl sie selber Atheisten sind). Schon aus diesem Grund juckt es mich nicht, wenn Presseerzeugnisse verrecken: Ihr seid alle nichts anderes sind als Propagandablättchen von Gruppierungen, die dem Zeitgeist so sehr huldigen, dass ihr nicht mal merkt, dass die Menschen sich nicht mehr verarschen lassen. Das Waldsterben und einige andere von euch an die Wand gemalte Katastrophen sind ausgeblieben. Der Wind hat sich längst gedreht. Wann werdet ihr erkennen, dass diesen Käse niemand mehr lesen will? Werdet ihr erst aufwachen, wenn ihr alle den Bach runtergeht?