Am 26. Januar 1998 rückten Thüringer Polizisten im „Garagenverein an der Kläranlage e.V.“ in Lobeda an, um die Garagen Nr. 5 und 6 zu durchsuchen, wo sie eine Bombenwerkstatt von drei stadtbekannten Nazis – Uwe Mundlos, Uwe Bönhardt und Beate Zschäpe – vermuteten. In Nr. 6 steht das Auto von Bönhardt, das er bereitwillig herausfährt – und sich dann unbehindert einfach aus dem Staub macht, während die Polizei auf die Feuerwehr wartet, die Garage Nr.5 aufbrechen soll. Dort werden vier fertige Rohrbomben, 1,3 Kilo TNT-Sprengstoff und Nazi-Propagandmaterial gefunden – sowie auch eine Plastiktüte mit Schriftstücken und Adresslisten. Diese, so zitiert die FAZ gestern den CDU-Obmann des derzeitigen NSU-Untersuchungsauschusses Clemens Binninger “ wären die „Blaupause für die Fahndung“ gewesen. Sie läsen sich wie „eine Art Landkarte der späteren Tat- und Fluchtorte“. Doch der BKA-Beamte Michael B. hält in einem Vermerk darüber fest, die Liste mit 35 Adressen von Kontaktleuten der Neonazis sei „nach hiesiger Bewertung für das hier geführte Ermittlungsverfahren ohne Bedeutung“. Sie enthält die Adressen von mindestens einem Dutzend der Personen, die mit den NSU-Tätern während der späteren Mordserie in Kontakt waren und wandert unbeachtet in die Asservatenkammer. Stattdessen interessiert sich der BKA-Experte aber brennend für eine sichergestellte Postkarte. Dazu heißt es in dem FAZ-Artikel:
„Größeres Interesse des Repräsentanten der deutschen Kriminalisten-Elite fand hingegen eine braun-rote Grafik-Postkarte, die eine Hitler-Figur mit Hakenkreuz zeigt, welche von einem Kasperle mit einem Stöckchen bedroht wird. Darüber der Schriftzug „Mit Neonazis spielt man nicht“. Der Ermittler verkennt womöglich, dass es sich hierbei um eine gegen Nazis gerichtete Darstellung handelt.Während jedoch von der Adressliste nicht ein Hinweis bearbeitet wird, um die drei per Haftbefehl Gesuchten zu finden, unternimmt der BKA-Mann allerlei, um den Urheber der Kasperle-Grafik ausfindig zu machen, unter anderem durch Nachforschung nach dem mutmaßlichen Hersteller „Voller Ernst“ in Berlin. „Polizeiliche Erkenntnisse zur Adresse liegen nicht vor“, notiert er im Februar 1998 und nach einem Anruf beim Berliner Landeskriminalamt regt er an, ein Ermittlungsverfahren „wegen Verstoßes gg. §86a StGB einzuleiten“.
Einen besseren Beweis, wie blind die deutsche „Kriminalisten-Elite“ auf dem rechten Auge ist, kann es wohl kaum geben, und dass diese Blindheit mit der Dämlichkeit einher geht, linke Satire von rechter Propaganda zu unterscheiden, macht die Sache kaum besser. Dass es gegen „Voller Ernst“, die Agentur des Künstlers Ernst Volland, damals zu keinem Verfahren kam, verdankt sich vermutlich allein der Tatsache, dass das LKA Berlin zumindest über einen halbwegs ausgeschlafenen Beamten verfügte. Falls die Spezialexperten des BKA irgendwann noch einmal Strafermittlungen gegen Arbeiten von Ernst Volland anregen, haben wir für die Recherchen einen heißen Tipp: der Künstler ist mit Vollands Blog seit Jahren auf taz.de präsent.
[…] einen heißen Tipp: der Künstler ist mit Vollands Blog seit Jahren auf taz.de präsent.” taz Blog 5.3.2013 ” In Thüringen, Bayern und Sachsen wurden bislang Untersuchungsausschüsse eingerichtet, die […]