Eine Zeitung, die nur noch zwei- bis dreimal die Woche gedruckt erscheint – und der Rest steht online? Die neue taz-Chefin findet solche Modelle nachdenkenswert. Außerdem spricht Ines Pohl im Interview mit dem Fachmagazin Werben & Verkaufen über das große Potenzial der Marke taz im Internet, über das Spannungsfeld zwischen einerseits einer Pluralität der Meinungen in der taz bei andererseits einer gemeinsamen Grundhaltung und außerdem verrät sie, wie lange sie Chefredakteurin bleiben will:
Vor eineinhalb Jahren wären Sie beinahe taz-Inlandschefin geworden. Warum haben Sie sich dann doch für die konservative Ippen-Gruppe entschieden?
Für Ippen habe ich mich letzlich entschieden, weil das Angebot deutlich besser war, auch aus journalistischen Erwägungen. Für einen Pool mit 1,1 Millionen Auflage zu arbeiten und über Analysen und Kommentare deutschlandweit in die Regionen hinein zu wirken, ist natürlich journalistisch reizvoll. Und man kann auch in einem konservativen Haus guten Journalismus machen.
Am Geld lag es sicher nicht, dass die taz Sie doch noch geholt hat.
Nein. Natürlich ist es der Chefredakteursposten noch einmal reizvoller, wobei ich das jetzt gar nicht gegeneinander ausspielen will. Aber sechs, sieben Monate Erfahrung als Hauptstadtkorrespondentin sind eine Menge wert, und von meinem Lebensweg her passe ich doch sehr gut zur taz.
Sie sind jetzt Chefin einer Redaktion, die zwar eine Führungspersönlichkeit erwartet, wenn die dann aber anfängt zu führen, hat sie alle gegen sich. Mit welcher Strategie wollen Sie dieses Dilemma auflösen?
Jede Führungskraft ist gut beraten, ihre Entscheidungen transparent zu machen. Gerade bei der taz kann man nicht von oben durchregieren. Das soll auch nicht sein. Sie können ja an hierarchischen Strukturen sehen, wie negativ es sich mitunter auswirkt, wenn da ein Chef sitzt, der bestimmt, wie es gemacht wird. So verspielt man unglaublich viel Potenzial, gerade in einem Beruf, der so sehr vom Engagement und der Kreativität der Einzelnen lebt. Also wird es mehr darum gehen, in offenen Diskussionen zu überzeugen. Dabei ist eine Chefredakteurin gut beraten, sich von besseren Argumenten auch mal überzeugen zu lassen.
Ihr Einstand mit dem forschen “Spiegel”-Interview hat in der Redaktion enorme Wellen geschlagen. Würden Sie das nochmal so machen?
Es lief wirklich unglücklich wie der Wechsel öffentlich wurde. Das war von allen Beteiligten anders geplant. Als die Nachricht aber herauströpfelte wurde es plötzlich hektisch. Was mir dabei wirklich leid tut, ist, dass es so aussah, als sei eine meiner Aussagen gegen Bascha Mika gemünzt.
Sie meinen die Aussage, sie würden Ihren Platz nicht auf Podiumsdiksussionen quer durch die Republik sehen. Auch der Satz, die taz müsse “dezidierter, frecher, mutiger” werden, dürfe “nichts verschlafen“ und solle “weiter nach links rücken“, wurde Ihnen in einem Treffen mit der Redaktion um die Ohren geschlagen. Was meinen Sie damit konkret?
Das Schlagwort “links“ ist schwierig zu definieren, ohne nicht gleich zu weiteren Schlagworten zu greifen. Es heißt aber bestimmt nicht, dass die taz zu einem Propagandablättchen für die Linkspartei werden soll. Links ist für mich eine bestimmte grundsätzliche Haltung in Fragen sozialer Gerechtigkeit, beispielsweise dem Einsetzen für die Schwächeren, die einen weniger privilegierten Start in die Gesellschaft haben.
Ihre Vorgängerin Bascha Mika warnte in ihrem Abschiedsinterview, die taz dürfe nicht in die “linksalternative Nische abrutschen”. War das an Sie adressiert?“
Ach, so sehe ich das nicht. Keine Zeitung sollte sich zurückentwickeln und schon gar nicht sollte die taz alte Gräben wieder aufreißen, die dank Bascha Mika zugeschüttet worden sind. Sie hat die taz debattierfreudiger gemacht als sie war. Und sie hat sie in manchen Bereichen aus einer verbrämten Ideologieecke herausgeholt. Das soll auch so bleiben. Gleichwohl stellt sich die Frage, welche Themen, Analysen und Schwerpunkte die taz künftig setzen wird. Ich glaube schon, dass man aufpassen muss, dass die taz an den Ecken nicht zu sehr verwässert. Sie kann nicht zu einem Mainstreamblättchen werden, dann hat sie keine Daseinsberechtigung.
Genau das behaupten ja manche, dass die taz fast schon bürgerlich-zahm geworden sei.
Die taz muss sich weiter dadurch auszeichnen, dass sie plural und breit bleibt, aber eben mit einer grundsätzlichen Haltung, die erkennbar links ist. “Bürgerlich” ist ja auch so ein Schlagwort, das man hinterfragen kann. Ich glaube aber auch, dass die taz gerade in der Krise bei bestimmten Themen noch schärfer hinsehen kann und manche Grundsatzfragen noch schärfer stellen kann.
Sie übernehmen die taz in Print-Krisenzeiten in einem wirtschaftlich stabilen Zustand. Auf welchen Gebieten haben Sie den Ehrgeiz, noch etwas voranzutreiben?
Für mich hat die Marke taz im Internet noch großes Potenzial, sie muss zentrale Anlaufstelle für taz-spezifische Debatten werden. In der crossmedialen Verknüpfung liegt sicher auch noch Potenzial für die Print-Auflage, da bleibt die taz bisher unter ihren Möglichkeiten. Gerade bei den extrem frühen Andruckzeiten der taz lohnt es sich darüber nachzudenken, bloße Nachrichten weitgehend ins Netz zu heben und die Print-Ausgabe mit ihrer Analysekompetenz und Hintergrundorientierung noch profilierter und sicherer am Markt zu platzieren. Die Abläufe müssen sich dazu sicher in irgendeiner Form verändern. Dass dies mit Bordmitteln passieren muss, und ich nicht zusätzlich 20 Onlineredakteure einstellen kann, ist mir auch bewusst. Was möglich ist, werden wir gemeinsam herausarbeiten. Natürlich stellt sich auch die Frage, ob und wie man das Genossenschaftsmodell auf den Onlinebereich ausdehnen kann, da die Verdienstmöglichkeiten im Internet gering sind.
Jakob Augstein hat mit dem ebenfalls linken “Freitag” im Netz etwas ziemlich Innovatives aufgezogen. Erwächst der taz da eine Konkurrenz mit dem Vorteil einer nur wöchentlichen Printausgabe?
Bei dem Zeitbudget der Leute ist alles, was im Netz stattfindet Konkurrenz, aber natürlich schauen wir beim “Freitag” genau hin. Modelle, wo Tageszeitungen nur noch zwei- oder dreimal die Woche in Print erscheinen und der Rest online abgefeiert wird, gibt es ja zum Beispiel auch in den USA oder in Skandinavien. Darüber muss man natürlich nachdenken. Print ist teuer, und auf eine Art ist es auch veraltet. Überlegungen und Diskussionen zu solchen Strategien wird es nicht nur bei der taz, sondern auch in anderen Häusern geben.
Peter Unfried hat einen der Vize-Posten freigemacht. Werden Sie auf diese Position noch jemanden holen oder bleibt es bei der jetzigen Konstellation mit Reiner Metzger?
Reiner Metzger und ich lassen uns erstmal Zeit und prüfen, ob das notwendig ist und wie wir das Team dann sinnvoll ergänzen. Ich habe aber keine geheime Person in meinem taz-Rucksack dabei.
Wieviel Zeit wünschen Sie sich mindestens an der Spitze der taz?
Ich würde gerne bleiben, solange es gut für die taz und für mich ist. Ich habe mir aber nicht vorgenommen, irgendwelche Rekorde zu brechen und die Chefredakteurin zu werden, die von außen kommt und dann auch noch am allerlängsten bleibt. Ich finde, dass fünf bis sieben Jahre ein guter Zeitraum sind, um sich genügend einbringen zu können ohne sich abzunutzen. Eine solche Soll-Bruchstelle zu haben, ist wahrscheinlich gar nicht so schlecht. Dann sollte man sich tief in die Augen schauen und überlegen, ob und wie es weitergeht.
Das Interview führte Judith Pfannenmüller
Teuer, veraltet, das meine ich nicht! Print ist eine tolle Strategie! Man muss nur neue Ideen bringen, ein bisschen mehr frische Luft und die Interesse und Neugier werden wieder wecken!