Morgen demonstriert die Initiative „taz watch“ von 12 bis 14 Uhr erneut vor dem taz-Café gegen Rassismus und Diskriminierung. In dem auf Facebook verbreiteten Aufruf heißt es: „schauen wir durch die Fensterfront des tazcafés, das auch Eingang zur Redaktion ist, und stehen ein für unsere Sache, für unser Recht, für die verwehrte Augenhöhe. Wir bleiben friedlich und bedeuten damit u.a. der taz, dass sie sich bewegen muss!!!“
Vor zwei Wochen sagten Teilnehmer der Protestaktion im Gespräch mit taz-Mitarbeitern, beim nächsten Mal werde jemand von ihnen Beispiele für taz-Artikel mitbringen, in denen die Redaktion gegen die Forderungen von „taz watch“ verstößt. Über diese Ankündigung berichteten wir auch im Hausblog. Daraufhin nahm „taz watch“ die Ankündigung in einer Stellungnahme zu dem Hausblog-Artikel zurück: „In einem persönlichen Gespräch wurden wir gebeten, den Fragestellern Beispiele als ‚Lernmaterial‘ mitzubringen. Wir darauf hingewiesen, dass Lernen in unseren Augen ein aktiver Prozess ist und wir deshalb leider nicht die Arbeit unserer Gesprächspartner übernehmen könnten. Wir haben nochmals auf verschiedene Bücher und die Möglichkeit eines Antirassismus-Trainings hingewiesen. Wir haben betont, dass wir ‚der taz‘ keine Belege beibringen werden, die bereits von anderen über die Jahre zigfach geliefert wurden, aber in einem persönlichen Rahmen dazu bereit wären. Der persönliche Rahmen existiert nicht mehr.“
In einem weiteren Posting führt „taz watch“ weiter aus:
Warum wir nicht (mehr oder zunächst nicht mehr) mit „der taz“ sprechen wollen…
Immer wieder werden wir gefragt, warum wir „Gesprächsverweigerer“ seien, denn ohne Dialog könne sich doch nichts ändern.
Aus unseren eigenen Erfahrungen und Berichten anderer von Gesprächen mit „der taz“ können wir hier nur beispielhaft von folgenden Statements berichten:
1) Vereis auf andere und „schlimmere“ Zeitungen.
2) Verweis darauf, dass XYZ kein Rassist sei (Belege: Freundeskreis, Erziehung, Freundeskreis, usw.).
3) Verweis auf gewichtigere Probleme in der Welt.
4) Verweis auf die Hypersensibilisierung des Gegenübers.
5) Verweis auf die freie Meinungsäußerung, Meinungsbildung, die Informationsfreiheit, die Freiheit der Kunst und der Vorwurf der Zensur.
6) Verweis auf die persönliche Betroffenheit und Psychologisierung des Gegenübers (Opfer-Abonnent_in, Anwalt und Anwältin der Opfer).
7) Verweis darauf, dass „die taz“ nicht „die taz“ sei und Reduzierung der Auseinandersetzung auf ein „Problem der Schwarzen“ oder auf eine Veranstaltung im Rahmen des tazlabs.
8) Verweis auf die interne rege Diskussion bezüglich des Themas und offene Berichterstattung über die Kritik an der Zeitung.
9) Verweis darauf, dass Belege beigebracht werden müssten. Die ersten Belege dann aber unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung oder der Kunstform oder des Humors allesamt zurückgewiesen werden.
10) Verweis darauf, dass es keine einheitliche Position innerhalb der „Vielfältigen“ zu bestimmten Begriffen, usw. gebe und wie solle Mensch dann da zufällig richtig liegen.
11) Verweis darauf, dass man ja selbst auch rassistisch sein könne.
Zunächst haben wir reagiert und auf alle Eingaben geantwortet und versucht, unsere Position darzulegen, denn natürlich sind wir gegen Zensur, wir wachen nicht auf und rufen: „Wir sind Schwarz oder Wir sind jüdisch oder Wir sind Muslime (usw.) und wir sind Opfer!“. Und ja, wir sehen auch all die großen und kleinen Bausstellen dieser Welt und engagieren uns in unterschiedlicher Weise. Und nein, wir wollen doch niemanden mit der Rassismus-Keule erschlagen!
In zunehmender Defensive durch die Eröffnung weiterer Baustellen, bei denen wir zustimmen wollten und sollten („die taz“ hat aber doch… und JA zur Pressefreiheit!), weiteren Intellektualisierungen, weiteren Abwehrmechanismen, mussten wir uns die Frage stellen, was hinter den Verweisen, den Fragen, usw. steckte.
Wir wurden sprachlos und mundtot gemacht auf den verschiedensten Ebenen (durch den Vorwurf der übersteigerte Emotionalität, der Relativierung, der Personalisierung, der Singularisierung, usw.)!!!
Für uns bedeutet eine solche Form der Kommunikation, wenn es eigentlich um unsere Verantwortung geht, sprachliche Codes zu gestalten und sprachliche Verzerrungseffekte als Ausdruck eines bestimmten Bewusstseins aufzudecken, dass vorrangig darauf Wert gelegt wird, Subjekt zu bleiben und Machtverhältnisse zu bewahren.
Unsere Kritik soll darüber hinaus zu einem individuellen Problem oder Problem von Kleingruppen gemacht werden; und schon wird aus Politik nur noch Persönliches, das belächelt werden kann. Rassismen und Diskriminierung werden intellektualisiert, der Vorwurf von z.B. Diskriminierung als persönlicher Angriff gedeutet und nicht mehr als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen, an der Mensch zu partizipieren hat. Interkulturalität wird hier nicht als positive Kompetenz erachtet, die man sich erarbeiten muss.
Strukturen, die z.B. Rassismus den Weg bereiten, werden zum persönlichen Missgeschick und am besten bringe ich mein Gegenüber in Erklärungsnöte in punkto Hunger in der Welt, Klimakatastrophe, usw. mit dem einzigen Ziel, die Kritik kleiner zu machen. Sprache, die z.B. Diskriminierung, weiter am Leben lässt, wird zur Frage der Freiheit, zur persönlichen Angelegenheit („Ich lasse mir das Wort nicht verbieten“ oder „Ich meine das überhaupt nicht so.“) und/oder Sprache wird als Kontextfrei bezeichnet („Nur weil ich das Wort nicht sage oder schreibe, werden nicht weniger Menschen rassistisch sein.“).
All dies zeugt für uns nicht von der Möglichkeit auf Augenhöhe zu kommunizieren, sondern ist Zeugnis für die Herstellung von Ungleichheit in der kommunikativen Auseinandersetzung. Augenhöhe ist aber Voraussetzung für einen Diskurs, der in irgendeiner Weise fruchtbar sein soll. Und genau deshalb verweigern wir nicht nur die uns bisher zugeschriebene Gesprächsrolle, sondern auch „das so genannte Gespräch“.
Was’n Ding. Da war ich schon ganz gespannt auf die Beispiele diskriminierender Sprache, und nun bekomm ich einfach gesagt, ich soll mal selber irgendwo nachgucken. Die Leute haben einfach keine Zeit bei dem schönen Wetter (müssen arbeiten, klar). Schade, aber mit dieser Facebook- Seite kann ich genauso viel anfangen wie mit den langatmigen Texten hier – gar nichts! Offensichtlich muss mensch irgendwie studieren, um das zu verstehen und nicht Gefahr zu laufen, „Rassist“ geschimpft zu werden. Danke schön für die freundliche Unterweisung. Werde mich mit meinen schwarzen Kindern über alltäglichen Rassismus unterhalten.