vonhausblog 23.03.2023

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„Fördern wir mit unseren Steuergeldern Menschenrechtsverbrechen?“ lautete die Frage in der E-Mail, die taz-Korrespondentin Simone Schlindwein vor über vier Jahren aus Uganda an die taz-Auslandsredaktion schickte. „Ich war jetzt diese Woche im Queen Elisabeth Park in Uganda, wo zwar die Elefantenpopulation steigt, aber aufgrund besserer militärischer Ausbildung und Ausrüstung jetzt mehr Menschen von den Rangern erschossen werden. Habe Familien interviewt, deren Verwandten im Park erschossen wurden und dann deren Leichen den Krokodilen vorgeworfen wurden, um die Sache zu vertuschen.“ Dem wollte sie gerne nachgehen – nicht nur in Uganda – und warnte schon mal „dass ich nicht immer aktuell arbeiten kann, wenn ich im Dschungel unterwegs bin.“

Gesagt, getan: Gerüstet mit einem Stipendium von „Netzwerk Recherche“, gemeinsam mit der gemeinnützigen Olin gGmbH und dem KartografenStipendium vom Verein Fleiß und Mut e.V. und zusätzlicher Finanzierung von der taz, machte sich Simone Schlindwein auf in die Nationalparks der Kriegsgebiete der Demokratischen Republik Kongo. Es entstand das taz-Rechercheprojekt „Grüne Armee“. Als parallel dazu Menschenrechtsorganisationen darauf aufmerksam wurden, wie Gelder für den Naturschutz in Militarisierung fließen und Menschenrechtsverletzungen begünstigen, kam das Thema endgültig in der deutschen Entwicklungspolitik an, die den Schutz der Biodiversität zu einem Schwerpunkt ihrer Zusammenarbeit mit Ländern wie der DR Kongo erklärt hat.

Es folgten weitere Recherchen vor Ort und in Deutschland. Dabei stellten sich auch heikle Fragen wie die, ob ob Naturschutz in Afrika sich je von seinen kolonialen Wurzeln gelöst hat, also von der Vorstellung, dass weiße Retter über Afrikas unberührte Natur verfügen und diese notfalls mit der Waffe vor den Afrikanern schützen dürfen.

Globale Themen bisher eher unterrepräsentiert in der deutschen Verlagslandschaft

Diese Zusammenhänge hat Simone Schlindwein nun in ihrem Buch „Der grüne Krieg. Wie in Afrika die Natur auf Kosten der Menschen geschützt wird – und was der Westen damit zu tun hat“ aufgedröselt, das die bisherigen Recherchen erweitert und vertieft. Pünktlich zu seinem Erscheinen im Verlag Ch.Links in Berlin ist dieses Buch heute für den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse nominiert worden.

Es wäre eine verdiente Auszeichnung. In der deutschen Verlagslandschaft sind globale Themen eher unterrepräsentiert und diese Recherchen gehören ganz oben auf die Agenda des globalen Naturschutzes. Denn kann Naturschutz in Afrika wirklich bedeuten, dass „menschenleere Nationalparks“ entstehen, die hochmoderne Infrastruktur für Touristen bereitstellen, während ringsum die Menschen ihr Ackerland verlieren und Bäume fällen müssen, um Holzkohle zum Kochen zu gewinnen?

Dass erfahrene lokale Umweltschützer, die mit der lokalen Bevölkerung arbeiten, bei den Behörden kein Gehör mehr finden, während hochgerüstete Milizen entstehen und Villen- und Hotelbesitzer einen Reibach machen? So aber sieht die Zukunft des Naturschutzes im Kongo aus, gefördert mit Geld aus Deutschland.

abo

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Wie es in der Begründung der Jury heißt: „Was wiegt mehr, Artenvielfalt oder Menschenrechte? Und wie ließe sich beides zusammendenken, wenn man das lokale Wissen berücksichtigen würde?“ Wir sind gespannt.

Von Dominic Johnson, seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.

 

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