Von Timo Stukenberg
Urheberrecht im Internet erklärt Frank Spilker, Sänger der Band Die Sterne, gerne mit folgender Geschichte: „Eine Band nimmt einen Song im Probenraum auf. Anschließend verkauft der Gitarrist den Song für 300 Euro auf dem Schulhof – und will das Geld nicht mit seinen Kollegen teilen.“ Der Gitarrist in der Anekdote verkörpert YouTube, die restlichen Bandmitglieder sind Musiker in Deutschland. Und die gucken derzeit in die Röhre, wie er auf der taz.lab-Podiumsdiskussion „Video killed the Radiostar“ erzählt.
Um Spilkers Szenario zu verhindern, wurde bereits 1947 die Verwertungsgesellschaft GEMA gegründet. Sie soll dafür sorgen, dass Komponisten für ihre Arbeit bezahlt werden. Es geht immerhin um 66.000 Künstler in Deutschland. Deren Lieder laufen zwar nicht im Radio rauf und runter – YouTube aber spielt fast jeden Song, kostenlos. Deswegen verklagt die GEMA YouTube, in gleich drei Gerichtsverfahren. Gleichzeitig verhandelt sie mit der Google-Tochter. Eine Einigung ist weder vor Gericht noch am Verhandlungstisch absehbar.
Harte Bandagen
Den Konsumenten geht dieser Streit gehörig auf die Nerven. Allein von den 1.000 Topvideos auf YouTube sind 61,5 Prozent gesperrt, wie die Daten-Agentur Open Data City gezeigt hat. Obwohl aus den drei Gerichtsverfahren noch kein rechtskräftiges Urteil hervorgegangen ist, sperrt YouTube diese Videos mit dem Hinweis auf die GEMA. Die Urheberrechtsanwältin Angelika Strittmatter beurteilt das so: „YouTube kämpft mit harten Bandagen und versucht die User gegen die GEMA aufzubringen.“
Unter dem Kampf der beiden Riesen leiden vor allem die Musiker. Sterne-Frontmann Frank Spilker sagt: „Dieser Streit wird auf dem Rücken der Musiker ausgetragen.“ Ein Indie-Musikvideo werde durchschnittlich rund 10.000 Mal angesehen. Daran verdient Spilker rund 30 Euro. Das ist nicht besonders viel – aber mehr als ein gesperrtes Video einspielt.
Schwanzvergleich und Kampfgeist
Für den Gründer des Labels City Slang, Christof Ellinghaus, geht es bei dem Streit um einen „Schwanzvergleich“. Die beiden Parteien stehen sich unversöhnlich gegenüber. Dabei habe sich sowohl YouTube als auch die GEMA bereits mit anderen geeinigt. „Wir dürfen nicht vergessen, dass YouTube als Teil von Google am liebsten sämtliches Urheberrecht abschaffen will.“
In dieser Situation sei die Rolle der GEMA besonders wichtig, sagt Anwältin Strittmatter. Trotzdem gibt die Verwertungsgesellschaft keine besonders gute Figur ab: „Die GEMA steht der Digitalisierung hilflos gegenüber.“ Das ist gerade in Zeiten zunehmender Digitalisierung gefährlich. Lässt sich die GEMA in den Verhandlungen von YouTube über den Tisch ziehen, muss sie wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes zukünftig allen vergleichbaren Plattformen die gleichen Konditionen anbieten. „Deswegen ist das Verhalten der GEMA toll“, sagt sie. „Wir alle müssen für das Urheberrecht kämpfen.“
In einer früheren Version des Textes stand als Gründungsjahr der GEMA 1933, das ist falsch. Wir entschuldigen uns für den Fehler!
Zudem distanzieren wir uns in aller Form von den im Forum geschriebenen Äußerungen über die Gema. Sie geben weder die Meinung der Moderatoren noch der eingeladenen Gäste wieder. Die taz-Hausblog-Redaktion
[…] Wie bewertet die GEMA den Imageschaden, der durch die gesperrten Videos entsteht? Wie sieht die GEMA generell die Entwicklung der immer schärferen Kritik an der Verwertungsgesellschaft, die den Rückhalt vieler Künstler verliert: Der DJ-Tarif, CC-Lizenzen, kein Fair Use, ungerechte Verteilung, … Gerade die falschen Sperrtafeln tragen zu einem Imageverlust bei. Deshalb gehen wir gegen diese gerichtlich vor. Wir verlieren beim Thema YT überhaupt nicht den Rückhalt unserer Mitglieder oder Urheber da diese sich dem Sachverhalt in der Regel bewusst sind. Aktuell: http://blogs.taz.de/hausblog/2013/04/20/taz-lab-2013-gema-gegen-youtube-gegen-musiker/ […]